Jedes Jahr strömen Tausende Alpinisten ins Wallis, um das Matterhorn zu erklimmen. Die meisten nehmen den Aufstieg in Begleitung eines erfahrenen Bergführers in Angriff. Diese mutigen Männer und Frauen kennen auf dem Weg zum Gipfel jeden Stein, wissen um Gefahren und motivieren ihre Gäste, wenn diese den Mut verlieren. Am Berg erleben sie Glücksmomente und Tragödien, Lustiges und Skurriles. Bergführer haben eine Menge zu erzählen. Und wer schon einmal mit einem von ihnen bei einem Glas Wein in der Hütte saß, der weiß wie schnell die Zeit verfliegt. Zum 150. Jubiläum der Matterhorn-Erstbesteigung porträtiert Kurt Lauber die berühmtesten Bergführer Zermatts und erzählt ihr emotionalstes Erlebnis vom Berg der Berge. Eine lebendige Zeitreise durch 150 Jahre Bergführergeschichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2016Die junge Nacht liegt wie ein kühler Duft
Kaum einer kennt sich am Matterhorn besser aus als Kurt Lauber, geboren 1961, Skilehrer, Bergführer, Hubschrauberpilot und Hüttenwart der Hörnlihütte. Seine Erlebnisse an diesem speziellen Berg hat er bereits als Buch veröffentlicht. Nun lässt er Kollegen zu Wort kommen. Er porträtiert Bergführer - und eine Bergführerin -, von denen manche seit Jahrzehnten, andere erst seit wenigen Jahren Gäste aufs Matterhorn führen. Eine gute Idee, was für ein Füllhorn an Geschichten. Will man meinen. Auch hundertfünfzig Jahre nach der Erstbesteigung ist der Berg Magnet, Tausende wollen jedes Jahr hinauf, die meisten gehen im Schlepptau eines Führers. Als Einführung gibt es ein lesenswertes Kapitel über die Entwicklung des Bergführertums. In den Porträts geht es um Schmuggel und Liebe, um alte Bergsteiger und um junge. Und am Ende doch um Geschichten, die sich ähneln. Mal ist hinten am Seil eine kleine, alte Japanerin, die fix hochkommt, mal ein großer Kerl, der sich schwertut. Die Geschichten werden zu Anekdoten, lesen sich amüsant, sind aber erwartbar. Die Krux liegt woanders: Lauber kennt all die Bergführer, Sommer für Sommer sitzen sie bei ihm, warten auf ihre Gäste, schlafen, essen, trinken bei ihm. Und da eine Bergdohle einer anderen kein Auge aushackt, werden alle Kollegen als vielleicht bisweilen etwas grob, aber doch als Sympathiebolzen geschildert. Richard sei eine Seele von Mensch, heißt es über den einen; es gebe wohl kaum eine Situation, die Iwan nicht mit Herz, Humor und Gelassenheit nehme, wird ein Zweiter skizziert, von einem Dritten heißt es, er schrecke vor schwierigen Situationen nicht zurück. Wahre Charakterstudien sind also nicht zu erwarten. Wer vorhat, jemals das Matterhorn zu besteigen, wird das Buch gleichwohl mit Glück oder Grausen lesen, je nach Gemüt. Vielleicht vor allem die Passagen über den Bergführer, an dessen Erfahrung selbst Kurt Lauber noch nicht heranreicht: Ulrich Inderbinen. Er stand 371 Mal auf dem Matterhorn. 1962 wurde in Zermatt ein Bergführerbüro eröffnet. Um Touren zu organisieren, wäre ein Telefon nützlich gewesen, schreibt Lauber. Doch Inderbinen befand, für ihn, einen sechzig Jahre alten Bergführer, lohne sich die Anschaffung nicht mehr. Inderbinen arbeitete noch mit 94 Jahren als Bergführer. Er wurde 104 Jahre alt.
bär
"Matterhorn. Bergführer erzählen. Gipfelgeschichten", gesammelt von Kurt Lauber, mit Sabine Jürgens. Droemer Verlag, München 2015. 288 Seiten, einige Fotos. Gebunden, 22,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kaum einer kennt sich am Matterhorn besser aus als Kurt Lauber, geboren 1961, Skilehrer, Bergführer, Hubschrauberpilot und Hüttenwart der Hörnlihütte. Seine Erlebnisse an diesem speziellen Berg hat er bereits als Buch veröffentlicht. Nun lässt er Kollegen zu Wort kommen. Er porträtiert Bergführer - und eine Bergführerin -, von denen manche seit Jahrzehnten, andere erst seit wenigen Jahren Gäste aufs Matterhorn führen. Eine gute Idee, was für ein Füllhorn an Geschichten. Will man meinen. Auch hundertfünfzig Jahre nach der Erstbesteigung ist der Berg Magnet, Tausende wollen jedes Jahr hinauf, die meisten gehen im Schlepptau eines Führers. Als Einführung gibt es ein lesenswertes Kapitel über die Entwicklung des Bergführertums. In den Porträts geht es um Schmuggel und Liebe, um alte Bergsteiger und um junge. Und am Ende doch um Geschichten, die sich ähneln. Mal ist hinten am Seil eine kleine, alte Japanerin, die fix hochkommt, mal ein großer Kerl, der sich schwertut. Die Geschichten werden zu Anekdoten, lesen sich amüsant, sind aber erwartbar. Die Krux liegt woanders: Lauber kennt all die Bergführer, Sommer für Sommer sitzen sie bei ihm, warten auf ihre Gäste, schlafen, essen, trinken bei ihm. Und da eine Bergdohle einer anderen kein Auge aushackt, werden alle Kollegen als vielleicht bisweilen etwas grob, aber doch als Sympathiebolzen geschildert. Richard sei eine Seele von Mensch, heißt es über den einen; es gebe wohl kaum eine Situation, die Iwan nicht mit Herz, Humor und Gelassenheit nehme, wird ein Zweiter skizziert, von einem Dritten heißt es, er schrecke vor schwierigen Situationen nicht zurück. Wahre Charakterstudien sind also nicht zu erwarten. Wer vorhat, jemals das Matterhorn zu besteigen, wird das Buch gleichwohl mit Glück oder Grausen lesen, je nach Gemüt. Vielleicht vor allem die Passagen über den Bergführer, an dessen Erfahrung selbst Kurt Lauber noch nicht heranreicht: Ulrich Inderbinen. Er stand 371 Mal auf dem Matterhorn. 1962 wurde in Zermatt ein Bergführerbüro eröffnet. Um Touren zu organisieren, wäre ein Telefon nützlich gewesen, schreibt Lauber. Doch Inderbinen befand, für ihn, einen sechzig Jahre alten Bergführer, lohne sich die Anschaffung nicht mehr. Inderbinen arbeitete noch mit 94 Jahren als Bergführer. Er wurde 104 Jahre alt.
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"Matterhorn. Bergführer erzählen. Gipfelgeschichten", gesammelt von Kurt Lauber, mit Sabine Jürgens. Droemer Verlag, München 2015. 288 Seiten, einige Fotos. Gebunden, 22,99 Euro.
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"Es ist ein Buch für Menschen, die gern auf Berge steigen oder sich gern in der Bergwelt aufhalten und wissen, dass es ohne die Bergführer nur selten Gipfelglück gibt." Rhein-Neckar-Zeitung, 22.08.2015