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Das Live-Dokument einer großen Band auf dem Zenith ihres Könnens: "Sleeper" enthält auf zwei CDs einen kompletten und bisher unveröffentlichten Konzertmitschnitt von Keith Jarretts europäischem Quartett der 70er Jahre, vielerorts auch unter "Belonging" bekannt, vom April 1979 im Nakano Sun Plaza in Tokio. Gespielt werden die Jarrett-Kompositionen "Personal Mountains", "Innocence", "So Tender", "Oasis", "Chant Of The Soil", "Prism" und "New Dance". Die Improvisationen sind voller verblüffender Wechselspiele, Episoden von wogender Energie und lyrischen Passagen. Das Einverständnis zwischen…mehr

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Produktbeschreibung
Das Live-Dokument einer großen Band auf dem Zenith ihres Könnens: "Sleeper" enthält auf zwei CDs einen kompletten und bisher unveröffentlichten Konzertmitschnitt von Keith Jarretts europäischem Quartett der 70er Jahre, vielerorts auch unter "Belonging" bekannt, vom April 1979 im Nakano Sun Plaza in Tokio. Gespielt werden die Jarrett-Kompositionen "Personal Mountains", "Innocence", "So Tender", "Oasis", "Chant Of The Soil", "Prism" und "New Dance". Die Improvisationen sind voller verblüffender Wechselspiele, Episoden von wogender Energie und lyrischen Passagen. Das Einverständnis zwischen Jarrett und Garbarek ist geradezu übernatürlich, und das Rhythmusgespann Danielsson/Christensen swingt voll wilder Freude.
Trackliste
CD 1
1Personal Mountains (Live At Nakano Plaza Hall, Tokyo / 1979)00:21:12
2Innocence (Live At Nakano Plaza Hall, Tokyo / 1979)00:10:48
3So Tender (Live At Nakano Plaza Hall, Tokyo / 1979)00:13:27
CD 2
1Oasis (Live At Nakano Plaza Hall, Tokyo / 1979)00:28:14
2Chant Of The Soil (Live At Nakano Plaza Hall, Tokyo / 1979)00:14:53
3Prism (Live At Nakano Plaza Hall, Tokyo / 1979)00:11:15
4New Dance (Live At Nakano Plaza Hall, Tokyo / 1979)00:07:07
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2012

Der aufgeweckte Schläfer

Dreiunddreißig Jahre schlummerte eine Quartettaufnahme mit Keith Jarrett und Jan Garbarek im Schallarchiv. Jetzt kann man sie wieder hören: als Jazz-Gesamtkunstwerk.

Im Jahr 1974 kam in Deutschland eine Langspielplatte heraus, die sofort und weltweit Aufsehen erregte: "Belonging", eingespielt von dem norwegischen Saxophonisten Jan Garbarek, dem amerikanischen Pianisten Keith Jarrett, dem schwedischen Bassisten Palle Danielsson und dem norwegischen Schlagzeuger Jon Christensen. Gespielt wurden Kompositionen von Jarrett, der schon deshalb als Leiter des Projekts galt. Er war aber auch, obwohl das imageerhöhende "Köln Concert" noch bevorstand, der erfahrenere und weltläufigere Künstler und zum Beispiel an vieldiskutierten Rock-Jazz-Fusionen von Miles Davis und Charles Lloyd beteiligt. Auf Garbarek hatte er aber schon Auge und Ohr geworfen. ECM-Chef Manfred Eicher arrangierte dann alles.

"Belonging" wurde bewundert, zitiert, kopiert. Der rasante Titel "The Windup" wurde fast so etwas wie ein Jazz-Hit, weitere Platten erschienen, das Quartett bestand bis 1979. Und aus jenem Jahr bringt ECM nun einen Konzertmitschnitt, aus einem Hotel in Tokio, heraus, der jetzt die Musikwelt erregt - gleichgültig ob jemand ein dreiunddreißigjähriges Gedächtnis hat oder zum ersten Mal auf dieses opulenteste Zeugnis der Gruppe stößt: eine Doppel-CD mit mehr als hundert Minuten Musik.

Eicher hatte es eher zufällig beim Abhören alter Archivbänder wiederentdeckt. Vorgesorgt für eine eventuelle spätere Veröffentlichung hatte er allerdings insofern, als er seinen Toningenieur, Jan Eric Kongshaug, den Architekten des ECM-Sounds, extra für die Aufnahme einfliegen ließ. Der mischte jetzt auch das historische Werk für die Veröffentlichung ab, so dass Nachsicht gegenüber einer eventuellen technischen Siebziger-Jahre-Patina überflüssig ist.

Das erste Stück, "Personal Mountains", einundzwanzig Minuten lang und wie alle anderen von Jarrett komponiert, mag zunächst für vieles, wenn auch nicht alles stehen, was den Kosmos dieser Künstler ausmacht. Das kantig schöne Thema mit seinem gebrochenen Rock-Rhythmus wird gleich in eine ziemlich wilde Klavierimprovisation überführt, die genialisch mit den harmonischen, aber auch melodischen Vorgaben des komponierten Teils umgeht. Das Solo strotzt vor Energie, Einfällen und technischer Brillanz.

Aber fast noch berückender, wahnsinniger und ungewöhnlicher ist das, was Jarrett unter dem dann folgenden Solo von Garbarek macht: Er füttert nämlich den Solisten unablässig mit weiteren Substanzen des Themas und schafft damit eine unglaublich "logische" Dichte dieses Gesamtkunstwerks aus Planung und Improvisation. Gerade bei diesen Passagen wird man an Jarretts Behauptung erinnert, bei seinen gefeierten Auftritten als Solist am Flügel gehe er mit entleertem Kopf an die Arbeit und spiele aus der Eingebung des Augenblicks. Das konnte man so recht nicht verstehen, da in diesem Kopf ja Klassik, Neue Musik und die ganze Jazzgeschichte in ziemlich einmaliger Fülle versammelt waren (und sind), war wohl auch nicht wörtlich gemeint, eher so, dass er sich vor einem solchen Auftritt keinerlei Plan machte.

Bei Jarretts Begleitungen von Garbarek hat man aber tatsächlich das Gefühl, sie kämen aus einem kopflos gesteuerten Unterbewusstsein mit eigenem Triebleben. Später lässt er Garbarek dann allein, und man kann sich voll auf diesen Ton des Tenorsaxophons einstellen, in dem so wundervoll Sinnlichkeit, Jubel und Schmerz ihre Tiefendimensionen demonstrieren. Machtvoll setzt sich danach die Rhythmus-Fraktion Bass-Schlagzeug mit ihrem komplex synkopischen, gleichwohl driveintensiven Duett in Szene, und für die letzten sieben Minuten geht das Stück in einen sanften, langsamen Walzer über, in dem Poesie, lange Töne und feines Girlandenspiel eine ganz neue Herrschaft errichten.

Im weiteren Verlauf dieses phänomenal gestaltenreichen Kunstwerks erleben wir "Innocence", das in seiner lieblichen Sanglichkeit und nicht zuletzt durch den jenseitigen Ton von Garbareks Sopransaxophon eine Art surrealistischer Choralbearbeitung sein könnte. Oder "So Tender", in dessen ekstatischem Aufbau Garbarek bis zu Coltranes "sheets of sound" als höchstem Ausdrucksmittel vorstößt.

Das fast eine halbe Stunde währende "Oasis" ist wieder eine ganz andere Welt. Außer Palle Danielsson spielen hier alle auch folkloristische Perkussionsinstrumente, vorzugsweise kleine Trommeln, Garbarek dazu noch eine kleine Flöte und später seine beiden Saxophone. Ein Wunderwerk atmosphärischer Entwicklungen, afrikanischer Mystik und Polyrhythmik ist dieses erzählintensive Märchen ohne Worte, auf Wanderschaft zwischen Kontemplation und körperlicher Bewegungslust. Als Zugabe spielte das Quartett im Tokioter Hotel das Stück, das dem anfangs erwähnten "Windup" am nächsten kommt: "New Dance", das Jarrett in einem Gespräch mal mit "Vitalität und Liebe zum Leben" charakterisierte.

Dieses nun erstmals veröffentlichte Werk wird schon mit Superlativen beschwärmt. Der Kritiker Phil Johnson beendete seine Besprechung im "Independent on Sunday" mit der Aufforderung: "Spiel es immer wieder, für den Rest deines Lebens."

ULRICH OLSHAUSEN.

Keith Jarrett, Jan Garbarek, Palle Danielsson, Jon Christensen, Sleeper; Tokio, April 16, 1979.

ECM 2290/91 (Universal)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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