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Dieses Buch bietet einen einzigartigen Überblick über die Geschichte des Jiddischen von den ältesten mittelalterlichen Texten bis heute. Dabei geht es weit über eine reine Sprachgeschichte hinaus, denn das Jiddische ist Spiegelbild jüdischer Kultur und Geschichte: Wanderungen von Juden nach Osteuropa oder in die USA, Begegnungen mit anderen Sprachen und Kulturen sowie innerjüdische Entwicklungen haben im Jiddischen ihren Niederschlag gefunden. Nicht zuletzt schildert das Buch die wichtigsten Strömungen der jiddischen Kultur. Bis heute ist Jiddisch eine lebendige Sprache mit vielen Sprechern,…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch bietet einen einzigartigen Überblick über die Geschichte des Jiddischen von den ältesten mittelalterlichen Texten bis heute. Dabei geht es weit über eine reine Sprachgeschichte hinaus, denn das Jiddische ist Spiegelbild jüdischer Kultur und Geschichte: Wanderungen von Juden nach Osteuropa oder in die USA, Begegnungen mit anderen Sprachen und Kulturen sowie innerjüdische Entwicklungen haben im Jiddischen ihren Niederschlag gefunden. Nicht zuletzt schildert das Buch die wichtigsten Strömungen der jiddischen Kultur. Bis heute ist Jiddisch eine lebendige Sprache mit vielen Sprechern, vor allem in den USA und in Israel, und noch viel mehr Liebhabern weltweit.
Autorenporträt
Roland Gruschka ist wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Jiddische Kultur, Sprache und Literatur der Universität Düsseldorf.

Marion Aptroot ist Professorin für Jiddische Kultur, Sprache und Literatur an der Universität Düsseldorf.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2010

Mit einer neuen expressiven Dimension
Lehrreich, klug und unterhaltsam: Marion Aptroot und Roland Gruschka führen ins Jiddische ein

Es gibt Bücher, die man schon für die Kürze bewundern muss, mit der sie ohne großen Verlust an Komplexität ihre Gegenstände darstellen. Zu diesen Büchern gehört Marion Aptroot und Roland Gruschkas einführende Studie "Jiddisch. Geschichte und Kultur einer Weltsprache". In neun Kapiteln und mit noch nicht einmal zweihundert Seiten gelingt den beiden an der Universität Düsseldorf lehrenden Autoren die Erläuterung der komplexen Struktur und der bewegten Geschichte einer Sprache, die noch um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert als "Jargon" und als verkommene Variante des Deutschen verunglimpft wurde.

Gleich im ersten Kapitel entfalten Aptroot und Gruschka die kompositorische Vielschichtigkeit des Jiddischen. Komponenten aus vier verschiedenen Sprachbereichen gehen im Jiddischen erstaunliche Verbindungen ein: Hebräisch-aramäische, slawische, romanische und deutsche Komponenten prallen über Jahrhunderte hinweg aufeinander, beeinflussen sich gegenseitig und verschmelzen in neuen grammatischen Gebilden.

So kann denn um 1912 der große Erzähler Sholem Aleichem in seinem letzten Roman "Mottel, Sohn des Kantors Pejße" guten stilistischen Gewissens diesen Satz schreiben: "Si hot mójre, me sol mich nit awékganwenen ßame baj der génez" - Sie fürchtet, dass man mich genau auf der Grenze einkassieren könnte. Die Phrase "si hot mójre" kombiniert ein deutsches Pronomen (si) mit einem zusammengesetzten Verbalausdruck (mójre hobn), der aus einer deutschen und einer hebräischen Komponente besteht und nach deutschem Muster konjugiert wird. Das Verb "awékganwenen" hat eine deutschstämmige Vorsilbe (awék-) und Endung (-en) und einen hebräischen Stamm (ganáw: stehlen). Die Phrase "me sol nit" in Verbindung mit einem Infinitiv ist eine nach slawischem Vorbild geprägte Konstruktion, die nicht nach deutschem Muster zu verstehen ist, obgleich die einzelnen Wörter deutsche Komponenten sind.

Was sich also in diesem Satz Sholem Aleichems verbirgt, ist die tausendjährige Geschichte der Juden in Europa: ihre Wanderung aus Spanien, Italien und Südfrankreich (daher die romanischen Reste im Jiddischen) nach Elsass-Lothringen und ihre Ansiedlung im Rheintal um die Jahrtausendwende, ihre Vertreibung nach Osten, ihr Aufstieg im Polen der Frühmoderne, ihre Verbreitung in Russland und der Ukraine; ihre volle Integration in westeuropäische Nationen und ihre Erfindung einer neuen, im östlichen Europa sich ausbreitenden Spiritualität, die dem Jiddischen zu einer neuen expressiven Dimension verhalf.

In klugen Linien und klarem Stil zeichnen die Autoren eine Sprachgeschichte nach, die zwischen 1939 und 1945 mit der Ermordung ihrer Sprecher und der Zerstörung ihrer kulturellen Matrix einen katastrophalen Einbruch erlebt. Doch noch lebt die jiddische Sprache und absorbiert die Zeitläufte: Elektropost auf Jiddisch? Da dürfen die etwa einhunderttausend Muttersprachler sogar wählen: "ímejl" oder "blizpóßt". Weitere herrliche Beispiele finden die Leser im letzten Kapitel dieser so lehrreichen wie unterhaltsamen Sprachgeschichte.

SUSANNE KLINGENSTEIN

Marion Aptroot und Roland Gruschka: "Jiddisch". Geschichte und Kultur einer Weltsprache. Verlag C. H. Beck, München 2010. 192 S., br., 11,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Größte Bewunderung erregen Marion Aptroot und Roland Gruschka bei Susanne Klingenstein schon mal für die Knappheit dieser, wie die Rezensentin preist, dennoch komplexen jiddischen Sprachgeschichte. Die Rezensentin fühlt sich nicht nur angenehm belehrt - anhand eines Satzes aus einem Sholem Aleichem-Roman erklären die Autoren verständlich die vielschichtige Zusammensetzung des Jiddischen aus dem Hebräisch-Armenischen, Slawischen, Romanischen und Deutschen: "Si hot mojre, me sol mich nit awekganwenen ßame baj der genez." Zugleich hat sie sich auch über so manches Detail amüsiert, und sie teilt den Lesern ihrer Kritik mit Vergnügen einen modernen Zuwachs der jiddischen Sprache mit, das flotte "blizpoßt" für E-Mail.

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