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Für den Erzähler ist der frühe Tod seines Freundes Boas Masor ein Schock, von dem er sich nicht erholt. Er ist ein berühmter Chirurg, mit der Alltäglichkeit des Sterbens vertraut. Doch Boas' Tod erscheint ihm »unfassbar«, ja »skandalös«. Wie ein Dibbuk, ein böser Totengeist, verfolgen ihn die Erinnerungen. Es erscheint ihm, als habe Boas' Tod seinen eigenen vorweggenommen. »Vom Leben Abschied nehmen, na gut, aber von mir selbst Abschied nehmen?« Er begehrt dagegen auf, indem er sich der gemeinsamen Zeit besinnt. An ihre Kindheit in Tel Aviv, ihr Studium, die wechselvollen Beziehungen zu Frauen…mehr

Produktbeschreibung
Für den Erzähler ist der frühe Tod seines Freundes Boas Masor ein Schock, von dem er sich nicht erholt. Er ist ein berühmter Chirurg, mit der Alltäglichkeit des Sterbens vertraut. Doch Boas' Tod erscheint ihm »unfassbar«, ja »skandalös«. Wie ein Dibbuk, ein böser Totengeist, verfolgen ihn die Erinnerungen. Es erscheint ihm, als habe Boas' Tod seinen eigenen vorweggenommen. »Vom Leben Abschied nehmen, na gut, aber von mir selbst Abschied nehmen?« Er begehrt dagegen auf, indem er sich der gemeinsamen Zeit besinnt. An ihre Kindheit in Tel Aviv, ihr Studium, die wechselvollen Beziehungen zu Frauen und Geliebten, Neid und Konkurrenz, Bruch und Versöhnung. So verschieden sie in Wesen, Temprament, Auffassungen und Lebensstilen waren, standen sie sich wie Pole gegenüber. Eyal Megged erzählt die ergreifende Geschichte einer Freundschaft von Hemingway'scher Größe und dem Versuch, Antworten zu finden, auf »die verfluchten Fragen« des Lebens.
Autorenporträt
Megged, EyalEyal Megged wurde 1948 in New York geboren und wuchs in Tel Aviv auf. Er schreibt Romane und Gedichte sowie Kolumnen für die großen israelischen Tageszeitungen. Außerdem war er Redakteur der wöchentlichen Radiosendung Voice of Israel. 1993 wurde er mit dem Macmillan Prize ausgezeichnet.

Achlama, RuthRuth Achlama, geboren 1945, wuchs in Mannheim auf und studierte Jura. Seit 1974 lebt sie in Israel und übersetzt hebräische Literatur, darunter Werke von Amoz Oz, Abraham B. Jehoschua und Meir Shalev.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2016

Götterdämmerung in Weiß
Was soll die Ärzteschelte in diesem Roman? Eyal Meggeds "Unter den Lebenden"

"Boas Masors Tod lässt mir keine Ruhe. Nicht nur sein Verschwinden in die ewigen Welten, das an sich schon ein unglaublicher Skandal ist, auch der Maßstab, den sein Tod an mich und mein Leben legt." So beginnt der Roman von Eyal Megged, und das klingt vielversprechend. Die Trennlinie von Leben und Tod gehört zu den großen Motiven der Literatur, sie grenzt unsere Zeitlichkeit von den "ewigen Welten" der Verstorbenen ab, gibt ihr Konturen: eine scharf umrissene Fläche vor der Dunkelheit des Todes, die - so dürfen wir erwarten - der Erzähler nun ausleuchten wird.

Doch leider geschieht das dann nicht. Der Erzähler trägt keinen Namen, und auch die Welt, die er uns als sein Leben beschreibt, wird weitgehend von Namenlosen bevölkert: von einem Elternhaus, das nur in Schattenrissen sichtbar wird, einer ersten und einer zweiten Ehefrau, von denen wir weder wissen, wie sie heißen, noch wie sie aussehen, von zwei Kindern aus der ersten Ehe, die schon erwachsen sind und nie ins Blickfeld der Erzählung treten, von einer anonymen Ärzteschaft in einem anonymen Krankenhaus in Jerusalem, über die wir nur erfahren, dass all diese Mediziner unfähig sind und von ihrem Beruf nichts verstehen. Mit Ausnahme des Erzählers selbst.

Der, so behauptet er nicht gerade bescheiden, sei früher ein berühmter Chirurg gewesen, in Amerika habe er sich auf Transplantationen spezialisiert, und später - wohl auch aus Sehnsucht nach der Heimat - sei er mit seiner reichen Erfahrung nach Israel zurückgekehrt, um die dortige Medizin auf den neusten Stand zu bringen. Die schöne Hoffnung hat sich aber nicht erfüllt. Denn der Erzähler - wenigstens das erfahren wir über ihn - ist ein streitbarer Mensch. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, seine Geringschätzung der unfähigen Arztkollegen hat er nie verheimlicht, und so dürfen wir uns nicht wundern, dass er heute ein so gut wie arbeitsloser Chirurg ist. Er operiert nur noch einmal in der Woche, ansonsten hat er viel Zeit, und das ist der Ausgangspunkt des Romans: In seinem Leben ist der Erzähler an einen toten Punkt gelangt, und dass sein Freund gestorben ist, kommt ihm da gerade recht - hier hat er etwas, worüber er in seiner verfahrenen Situation nachdenken kann.

Der tote Boas Masor ist nicht nur einer der wenigen in diesem Roman, die einen Namen tragen, sein Name ist auch noch symbolisch. Das hebräische Wort Masor bedeutet "Heilung", und das scheint es auch zu sein, wonach der Erzähler sucht. Der "Maßstab, den sein Tod an mich und mein Leben legt", soll dieses Leben aus seiner Verlorenheit holen, ausrichten auf ein neues Ziel. Das gelingt freilich nicht.

So wenig wie über den Erzähler erfahren wir auch über seinen Freund. Wir hören nur, dass sie ein gemeinsames Medizinstudium absolviert haben, dass Boas aber kein Arzt geworden, sondern in der Forschung steckengeblieben ist. Seinem Leiden erlag er, bevor er doch noch die verspätete Arztprüfung machen konnte.

Der Stoff, den Eyal Megged gewählt hat, ist an sich hochinteressant. Im hebräischen Original heißt sein Roman "Das Ende des Körpers", und hier hätte sich ein doppelter Blick auf die Fragen der Medizin und nicht zuletzt auf die Grenze von Leben und Tod richten lassen: der Blick des praktizierenden Arztes und der Blick des Forschers. In Ansätzen hat Megged das auch versucht. Boas wird als dogmatischer Physiologe dargestellt, der praktizierende Chirurg dagegen als Skeptiker, der nach den Einflüssen der Seele auf den Körper fahndet. Megged ist sich der Tiefe dieser Fragestellungen durchaus bewusst: "Boas war ganz verrückt nach Thomas Mann", heißt es an einer Stelle, "und besonders nach dem Zauberberg. Hans Castorp, den Helden des Romans, betrachtete er als sein Alter Ego. Sein siebenjähriger Aufenthalt im alpinischen Lungensanatorium galt ihm als ein einsamer Höhepunkt, als Herzenswunsch."

Hier lässt sich der Horizont ablesen, vor dem Eyal Megged seinen Roman konzipiert hat, und es ist zu bedauern, wie wenig davon übrig geblieben ist. Stattdessen lesen wir über das turbulente Liebesleben der beiden Freunde in jungen Jahren, das sich weitgehend außerhalb ihrer jeweiligen Ehen abgespielt hat. Für einen alternden Chirurgen, der kaum noch operiert, mögen das erfrischende Erinnerungen sein, den Leser aber lassen diese Eskapaden enttäuscht zurück.

Warum ist das so, warum hat hier ein erfahrener Schriftsteller sein Ziel so eklatant verfehlt? Darüber lässt sich nur spekulieren, etwa über die Tatsache, dass Eyal Megged streng vegan lebt und die Kompetenz der klassischen Medizin radikal in Frage stellt. Die Arztschelte, die sich wie ein roter Faden durchs Buch zieht, ist ideologisch motiviert und kaum als durchdachte Perspektive in einer notwendigen Diskussion zu akzeptieren.

Megged, 1948 geboren, ist der Sohn von Aharon Megged, einem sehr angesehenen Schriftsteller aus der ersten Generation, die die israelische Literatur nach der Staatsgründung geprägt hat. Er ist auch der Ehemann von Zeruya Shalev, der auch in Deutschland sehr bekannten Schriftstellerin. Seine zutiefst persönliche Vernetzung im israelischen Kulturbetrieb mag eine Belastung gewesen sein, als es für ihn darum ging, das eigene Leben literarisch aufzuarbeiten.

Denn darum geht es. Im November 2006 starb der in Israel sehr bekannte Liedtexter Eli Mohar. Eine lebenslange Freundschaft hatte ihn mit Megged verbunden, und es war Zeruya Shalev, die ihm geraten hat, über diese Freundschaft zu schreiben. Das hat er versucht, doch aus Gründen, die uns unzugänglich sind, muss ihm das sehr schwergefallen sein. Nun sind die beiden Freunde also Mediziner. Dem Roman ist diese Verfremdung nicht zuträglich.

JAKOB HESSING

Eyal Megged: "Unter den Lebenden". Roman.

Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Berlin Verlag, Berlin 2015. 349 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Jakob Hessing seufzt: Was hätte Eyal Megged aus seinem Roman "Unter den Lebenden" nicht nicht alles machen können! Aus der Perspektive von zwei Medizinern schreibe Megged hier über die Grenze zwischen Leben und Tod, Seele und Körper, was den Kritiker eigentlich interessiert. Doch leider mache Megged nichts daraus. So liest Hessing neben zahlreichen biografischen, aber nur angerissenen Anekdoten im Wesentlichen Szenen aus dem vergangenen Liebesleben der beiden jugendlichen Ärzte. Ob Megged an dem Anspruch, zugleich einen ideologischen Roman über die Grenzen der klassischen Medizin und seine Freundschaft zu dem 2006 verstorbenen israelischen Liedtexter Eli Mohar zu schreiben gescheitert ist, kann der Rezensent nur vermuten.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Eyal Megged erzählt die ergreifende Geschichte einer Freundschaft und des Versuchs, Antworten auf schwere Fragen des Lebens zu finden.« tachles - Das jüdische Wochenmagazin 20151204