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Die Bürgerkriege innerhalb der islamischen Welt und die Konfrontation mit dem Westen sind die Grundkonflikte unserer Zeit. Im Koran selbst liegen die Wurzeln dieser Auseinandersetzungen, denn einerseits birgt er eine Botschaft der Toleranz und des Mitgefühls, andererseits ist er ein religiöser Text, der Brutalität und Mord legitimiert. Dieser Widerspruch rührt von der Person und dem Leben Mohameds her, dem anfangs friedlichen Prediger und späteren Warlord. Hamed Abdel-Samad stellt zentrale Suren vor, leitet sie ein und kommentiert sie mit Blick auf Entstehungsumstände und Rezeption. Er zeigt,…mehr

Produktbeschreibung
Die Bürgerkriege innerhalb der islamischen Welt und die Konfrontation mit dem Westen sind die Grundkonflikte unserer Zeit. Im Koran selbst liegen die Wurzeln dieser Auseinandersetzungen, denn einerseits birgt er eine Botschaft der Toleranz und des Mitgefühls, andererseits ist er ein religiöser Text, der Brutalität und Mord legitimiert. Dieser Widerspruch rührt von der Person und dem Leben Mohameds her, dem anfangs friedlichen Prediger und späteren Warlord. Hamed Abdel-Samad stellt zentrale Suren vor, leitet sie ein und kommentiert sie mit Blick auf Entstehungsumstände und Rezeption. Er zeigt, warum sich friedliebende Muslime ebenso auf den Wortlaut des Korans stützen, wie dies gewalttätige Islamisten tun, und welche Konflikte daraus erwachsen.
Autorenporträt
Abdel-Samad, HamedHamed Abdel-Samad, geboren 1972 bei Kairo, studierte Englisch, Französisch, Japanisch und Politik. Er arbeitete für die UNESCO, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft der Universität Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. Abdel-Samad ist Mitglied der Deutschen Islam Konferenz und zählt zu den profiliertesten islamischen Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.
Seine Autobiographie "Mein Abschied vom Himmel" sorgte für Aufsehen: "Was er von seinen Landsleuten erwartet, hat er selbst vorgemacht: Aufklärung durch Tabubruch." ZDF-Aspekte

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2016

Wer sucht, der findet - alles
Hamed Abdel-Samad deutet den Koran für die Gegenwart

Das meiste, was der aus Ägypten stammende Autor Hamed Abdel-Samad in seinem morgen erscheinenden Buch mitteilt, ist der Koranwissenschaft längst bekannt. Dem Buch kommt aber das Verdienst zu, diese Kenntnisse klar strukturiert und verständlich für eine breite Leserschaft zusammengefasst zu haben. Abdel-Samad war, als er noch in seiner Heimat lebte, durchaus dem Islamismus zugeneigt, sein Vater war ein Imam in einem Dorf am Nil. Heute verfolgt der Autor seine Religion und ihre Entwicklung mit engagierter Distanz. Es sind zwei Kerngedanken, unter denen dieser Islam-Kritiker sein Buch stellt. Zum einen sei der Koran eine Art Supermarkt. Man kann in ihm alles finden, je nachdem, was man sucht. Wer Suren sucht, die die Gewalt, ja den Krieg rechtfertigen, wird sie finden. Doch er wird auch solche finden, die den Frieden beschwören.

Wer Freundliches über Juden und Christen als Monotheisten sucht, wird es finden, doch auch das Gegenteil, Ablehnung und Ausgrenzung der "Verfälscher" der ursprünglichen Offenbarung. Wer danach sucht, dass Sünder schwer bestraft werden sollen, weil sie Unzucht (zina) treiben oder Alkohol trinken - oder aber dass man ihnen verzeiht, kann die jeweils entsprechenden Verse heranziehen. So erklärt sich der Titel des Buches: "Der Koran. Botschaft der Liebe. Botschaft des Hasses".

Abdel-Samad beschreibt den Koran als einen Text, in dem das Agieren und Reagieren Mohammeds im Vordergrund steht. Die frühen mekkanischen Suren, in denen Mohammed für seine Botschaft warb, zeugen von einer gewissen Milde des Propheten, die späteren medinensischen häufig von Härte und Schärfe. In Medina war Mohammed Führer einer Gemeinde geworden, die sich behaupten musste und schließlich siegen wollte. In ihnen zeigt sich Mohammed als das, was er war: Prophet und Religionsstifter, Politiker und Feldherr. Nach Thomas Carlyle machte das seine historisch einmalige Größe aus. Heutzutage wird eine solche "integrale" Mischung zum Problem.

Der Koran spiegelt nach der Meinung des Autors jene Lehren wider, die der Prophet in den dreiundzwanzig Jahren seines Wirkens zwischen 609 und 632 nach Christus, dem Jahr seines Todes, entwickeln musste, um seiner Botschaft zum Erfolg zu verhelfen. Als Kind seiner Zeit verwendete Mohammed auch Mittel seiner Zeit - etwa in der kriegerischen Auseinandersetzung mit den Mekkanern, die ihm anfangs nicht folgen wollten. Vom "heiligen Krieg" bis zur Behandlung der Frauen dekliniert der Autor in kurzen Kapiteln das patriarchalische Verhalten des Religionsstifters.

Zweite These: Der Autor plädiert dafür, den Offenbarungs-Text säkular zu lesen. Die Koranexegese könne "erst Früchte tragen, wenn man sich von der Macht des Textes als ewiges und allgemeingültiges Wort Gottes emanzipiert hat". Der Text muss also verzeitlicht und entmythologisiert werden, denn bis heute gilt er als unantastbar, weil eben als authentische Rede Gottes selbst, die dem Propheten wörtlich vermittelt wurde. Christen verstehen die Bibel heute in der Regel so, dass sie das Wort Gottes enthält, der Koran jedoch ist es selbst. Oder, wie es heißt: Gott hat "in klarer arabischer Sprache" gesprochen.

In den Schlusskapiteln des Buches gesteht der Autor dem Islam zu, potentiell Werte zu transportieren, die auch in der Moderne geeignet sind, Gesellschaften zu tragen und positiv zu prägen. Die Gerechtigkeit (arabisch: adl) gehört als zentraler Wert des Korans dazu, ebenso ein Ausgleich zwischen Arm und Reich. Immer wieder appelliert der Koran auch an die Gläubigen, sich um Witwen und Waisen zu kümmern, um die Schwachen generell. Der Islam kennt ursprünglich auch keinen Rassismus. Der erste Gebetsrufer Mohammeds, Bilal al Habaschi, war ein freigelassener schwarzer Sklave. Auch das Streben nach Wissen, keineswegs nur religiösem, ist dem Muslim nicht verwehrt. Tatsächlich hat die islamische Zivilisation in den nachkoranischen Jahrhunderten anspruchsvolle ethische Systeme entwickelt, die nicht nur von der Scharia, sondern auch von der (vornehmlich hellenistisch beeinflussten) Philosophie und dem Sufismus, der Mystik, geprägt waren. Die heutigen Diskussionen, gerade auch in Europa, werden oft über einen Islam geführt, dessen Bild durch Islamismus und Terrorismus (auch) massiv entstellt worden ist.

Der Koran ist für Abdel-Samad auch ein Tor zur Erfahrung von Spiritualität. Bis heute können Muslime - der Autor nimmt sich da nicht aus - in Tränen ausbrechen angesichts des Tadschwid, der gelungenen Rezitation bestimmter Koranverse, in denen die Transzendenz und Gegenwart Gottes beschworen werden, etwa in dem berühmten Thron-Vers, der es an Sprachgewalt mit den erhabensten Stellen der Bibel aufnehmen kann. Diese Bemerkungen werden freilich nicht imstande sein, von Hamed Abdel-Samad den Hass und die Drohungen abzuwenden, denen er seit geraumer Zeit durch Salafisten ausgesetzt ist. Für die gegenwärtig in unserem Land geführten Diskussionen kommt dieses Buch zur rechten Zeit.

WOLFGANG GÜNTER LERCH

Hamed Abdel-Samad:

"Der Koran". Botschaft der Liebe. Botschaft des Hasses.

Droemer Knaur Verlag,

München 2016.

240 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Buch zur rechten Zeit sieht Rezensent Wolfgang Günter Lerch in Hamed Abdel-Samads Versuch, den Koran in seiner Vielfalt darzustellen. Zwar steht nichts drin, was der Koranwissenschaft nicht schon bekannt wäre, meint Lerch, doch derart klar und strukturiert und für eine breite Leserschaft aufbereitet hat er diese Kenntnisse noch nicht aufgenommen. Der Kerngedanke des Autors vom Koran als eine Art Supermarkt, in dem sich jeder nach Belieben bedienen kann, ob Hassprediger oder gemäßigter Muslim, hat für den Rezensenten durchaus etwas für sich. Ebenso Abdel-Samads Idee, den Koran säkulär zu lesen, indem man ihn entmythologisiert, verbunden mit der Vorstellung des Autors, dass der Islam prinzipiell geeignet sei, auch in der Moderne Gesellschaften zu tragen. Wie der Autor außerdem über die spirituellen Erfahrungen mit der Koranlektüre berichtet, scheint Lerch lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Was er /= Hamed Abdel-Samad vorgelegt hat, ist eine in manchem auch anfechtbare Streitschrift, keine theologische Abhandlung. Doch er schöpft aus gründlicher Kenntnis der islamischen Tradition, was seinen Befunden Gewicht verleiht. Er legt den heiligen Text unter das Neonlicht der Aufklärung. Er liefert damit einen anregenden Debattenbeitrag." Deutschlandfunk 201612