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Neuübersetzung jetzt auch als Taschenbuch
Eine irische Kleinstadt, Mitte der fünfziger Jahre: Mary Louise Dallon hat die Hoffnung auf Heirat fast aufgegeben, als sie von dem vierzehn Jahre älteren Elmer Quarry einen Antrag erhält. Doch die Ehe steht unter keinem glücklichen Stern. Einziger Trost für Mary Louise sind heimliche Treffen mit ihrem Cousin Robert, der ihr auf einem verwilderten Friedhof Turgenjew vorliest.

Produktbeschreibung
Neuübersetzung jetzt auch als Taschenbuch

Eine irische Kleinstadt, Mitte der fünfziger Jahre: Mary Louise Dallon hat die Hoffnung auf Heirat fast aufgegeben, als sie von dem vierzehn Jahre älteren Elmer Quarry einen Antrag erhält. Doch die Ehe steht unter keinem glücklichen Stern. Einziger Trost für Mary Louise sind heimliche Treffen mit ihrem Cousin Robert, der ihr auf einem verwilderten Friedhof Turgenjew vorliest.
Autorenporträt
Trevor, William
William Trevor, 1928 geboren, verbrachte seine Kindheit im ländlichen Irland. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane und Erzählungen und wurde mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet. Sein Roman 'Die Geschichte der Lucy Gault' war für den Booker Prize nominiert. 'Felicias Reise' erschien 1995 erstmals auf Deutsch und wurde 1999 von Atom Egoyan verfilmt. Trevor lebt heute in Devon/England.
Rezensionen
"Einfühlsam und bewegend erzählt William Trevor von Träumen, Liebessehnsucht und Verlust."
DEF - Deutscher Evangelischer Frauenbund November 2017

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2012

Junge Menschen, für das Leben nicht ausgerüstet
Tristan und Isolde in Irland: William Trevors Roman "Turgenjews Schatten" erzählt vom traurigen Ende einer Liebe

Seit einst in mittelalterlicher Ferne der sagenumwobene König Marke seinen Vasallen Tristan als Brautwerber nach Irland sandte, damit er ihm von dort die schöne Königstochter Isolde als Braut heimführe, ist die literarische Aufregung darum nicht zur Ruhe gekommen. Gelungen war ihm der Versuch zwar keineswegs - auf Liebesboten ist da kein Verlass -, denn Isolde war der junge Brautwerber lieber als der alte König, aber gerade das Misslingen hat die Theater und Opernbühnen der Welt bis auf den heutigen Tag bei reger Tätigkeit erhalten. Richard Wagner insbesondere hatte sich da einst musikalisch eingemischt, und wo er dergleichen tat, ist er bis heute weltweit und klangvoll zu hören.

Die Insel Irland hingegen ist in den Schatten verbitterter Grabenkämpfe um den rechten christlichen Glauben zurückgetreten, ohne glanzvollen Fürstenhof, arm geworden und den Überfluss ihrer Bewohner zur Auswanderung in ferne Kontinente treibend, besonders wenn sie der Empfängnisverhütung abgeneigt sind. Ihr literarischer Chronist heißt denn auch nicht mehr Gottfried von Straßburg, sondern William Trevor. Er ist, inzwischen in seinen Achtzigern, in seinem Lande viel geehrt und kann auf ein stattliches Werk als Erzähler blicken.

Relativ wenig davon ist bisher deutschen Lesern bekannt geworden, zuletzt der Roman "Turgenjews Schatten", der schon mit seinem Titel Verwirrung stiften kann. Denn tatsächlich ist nur ein flüchtiger Schatten des russischen Romanciers über dieses Buch gehaucht. Aber auf diese Weise wird irischer Alltag verankert in der Weltliteratur, diskret und unaufdringlich. Alles Kleine, alles Lokale wird durchsichtig für das, was immer und überall Gegenstand der Literatur ist: die Mühe der Menschen mit ihrem Stück Leben in dieser Welt.

Zu erzählen hat Trevor Frauenleben, und zwar das von Mary Louise Dallon, die überraschend, ja zu Beginn des Buches geradezu schockierend eingeführt wird als siebenundfünfzigjährige Frau, gefangen mit anderen Frauen zusammenlebend, die sie verhöhnen, während eine Aufseherin auf Ordnung und Disziplin zu halten sucht. Es ist eine Anstalt also oder Klinik, aus der sie ihr Mann zurückholen will. Und das wird dann das Buch selbst zu erzählen haben: wie Mary Ehefrau wurde und was ihr in dieser bürgerlichen Rechtsinstitution geschah, Szene um Szene. "Als ich hörte, dass ich Besuch habe, sagte ich mir, das muss Insarow sein." Der aber kommt nicht aus seiner leibhaftigen Umgebung, sondern findet sich nur in Turgenjews Werk, und die Russen werden bald für Mary Louise realer als all die hämisch-bösen Menschen um sie herum.

Trevors Erzählung hat einen langsamen Schritt und nimmt die ganze Umwelt Marys als junger Frau in den Blick. Das ist vor allem das eigene Elternhaus und ebenso schließlich die Familie ihres Mannes Elmer Quarry, des Geschäftsmannes, den sie heiratet, ohne dass die Ehe je vollzogen wird - die keusche Hochzeitsnacht im Strandhotel in Gesellschaft von ein paar zufälligen Gästen ist ein Musterstück für Trevors eindringliche, aber verhaltene Erzählkunst. In immer neuen Bildern zeichnet er diese kleine irische Welt und lässt dann fast zauberhaft und doch selbstverständlich darin eine große Liebe entstehen zwischen zwei nicht für das Leben ausgerüsteten jungen Menschen.

Es ist die Beziehung zwischen Mary Louise und ihrem Cousin Robert, überschattet von dessen schwacher Konstitution, eine Liebe also in Todesnähe. Sie äußert sich bei diesen beiden scheuen Menschen literarisch beim gemeinsamen Gang durch sommerliches Land: "Ich habe einen russischen Lieblingsautor", bekennt der junge Mann. Denn die Werbung Roberts um Mary Louise bestand darin, so Trevor, "sie in die Welt eines Romanciers einzuladen, das war alles, was ihm möglich war, und das, was sie zulassen konnte". Das führt allerdings zu der Frage der jungen Frau: "Wohin gehen wir?" Worauf Robert als Antwort bereit hat: "Es gibt da einen Friedhof. Ein ganz besonderer Ort." In der Tat: Der wird die Endstation ihrer Liebe, nur dass Mary Louise Robert überleben und diese Liebe in sich weitertragen wird.

Trevor erzählt verhalten und unpathetisch, ja so sachlich, dass man schon genau hinhören muss auf die Obertöne dieser Dialoge. Denn ein beträchtlicher Teil von Trevors Erzählung gilt dem Überleben Mary Louises nach dem Tod Roberts, dem schwierigsten Teil ihrer Existenz: "Unter den Toten kann man sorgfältig auswählen; die Lebenden werden einem aufgezwungen." Und so fand Mary Louise in den Büchern Turgenjews, die sie "zwischen den Grabsteinen gelesen hatte", jene Personen, auf die sie die kleine irische Welt beziehen und ihr eine weite Dimension geben kann, denn für sich allein wäre das, was sich in Hogans Bar oder Dodds Apotheke oder auf dem irischen Friedhof abspielt, wohl eher peripher und belanglos.

Altgeworden spielt Mary Louise auch mit den Spielzeugsoldaten ihres Cousins. "Sie stellt die Soldaten zu einer Schlacht auf, über die sie nichts weiß." Sie hängt die Uhr des Cousins an den Nagel neben dem Kamin. "Ihre Stimmen vereinigen sich in einer Liaison und lesen von Russland." Für die Welt freilich galt Mary Louise einunddreißig Jahre lang für verrückt "und lebte in Frieden".

Von einer solchen Flucht aus der irischen Gegenwart also erzählt Trevor, und er gibt einem alten Pastor schließlich das Schlusswort mit der Frage "Macht eine Liebe wie ihre jedem ein wenig Angst?" Es ist eine Eigenheit von Trevors Erzählung, dass seine Liebenden nach Transzendenz suchen, über deren Ort sich der Pastor in seiner kalten irischen Kirche nicht sicher ist, sondern nur weiß, sie werde die Quarrys überleben. Und dann folgt der letzte Satz des Buches: "Es gibt ein Begräbnis, und dann liegen die Liebenden beieinander." Auch in Goethes "Wahlverwandtschaften" ruhen am Ende die Liebenden beieinander, "und welch ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen."

GERHARD SCHULZ.

William Trevor: "Turgenjews Schatten". Roman.

Aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 282 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Vom Turgenjew im Titel sollte man sich nicht in die Irre führen lassen, rückt Rezensent Gerhard Schulz eventuelle Erwartungen gerade. Irischer geht es nicht als dieser Roman, und die Liebe von der er erzählt, ist so unglückselig wie die von Tristan und Isolde. Es ist die Geschichte von der verheirateten Mary und ihrem Cousin Robert, die zwar beide für die große Liebe geschaffen sind, nicht aber für das Leben gerüstet, wie Schulz zusammenfasst. Dabei hat ihn nicht nur diese  Liebesgeschichte sehr bewegt, die Trevor so "diskret und unaufdringlich" und ganz und gar unpathetisch schildere, sondern auch der irische Alltag.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.02.2012

Zweimal berührten
sich ihre Lippen
William Trevors Liebesroman
„Turgenjews Schatten“
Der große irische Schriftsteller William Trevor schreibt Geschichten vom verfehlten Leben. In seinem Band „Seitensprung“ von 2005 heißt eine der Erzählungen „Einsamkeit“. Sie handelt von einer 52-jährigen Engländerin, deren Biographie überschattet wird von einem tragischen Ereignis in der Kindheit. Damals stieß sie den betrunkenen Liebhaber ihrer Mutter die Treppe hinunter, in den Tod. Als literarische Folie dient der Erzählung Ford Madox Fords Roman „Die allertraurigste Geschichte“.
Ebenso wenig wie die namenlose Ich-Erzählerin ihren kindlichen Schubser je vergessen kann, kann die 56-jährige Protagonistin aus William Trevors Romanjuwel „Turgenjews Schatten“ ihr in jungen Jahren gegebenes Ja-Wort jemals ungeschehen machen. Mary Louise Dallon, seit Jahrzehnten in einer Anstalt untergebracht, wurde bereits in der Hochzeitsnacht bewusst, dass ihre Heirat mit dem um Jahre älteren Textilhändler Elmer Quarry ein Fehler war, den sie ein Leben lang bereuen wird.
Als naives Bauernmädchen sieht Mary Louise in Quarry die Chance zu einem aufregenden Leben in der Stadt. Er jedoch entpuppt sich als Einfaltspinsel mit zwei tyrannischen Schwestern an der Seite. Und so beginnt sie eine zarte Liebelei mit ihrem kränklichen Cousin Robert. Heimlich treffen sich beide auf dem Friedhof, zweimal berühren sich ihre Lippen. Flüchtig und scheu. Bald darauf stirbt Robert, und Mary Louise zieht sich in ihre Dachkammer zurück. In ihre Phantasie. Fortan lebt sie in Gedanken an ihren Cousin, von dem ihr „nur das Echo seiner Stimme geblieben war“. Man erklärt sie für verrückt und gibt sie ins Heim. „Turgenjews Schatten“ spielt im Irland der 1950er bis 1980er Jahre; das Buch schildert auch die gesellschaftlichen Umbrüche, die das Land damals zu bewältigen hatte.
Als literarischen Bezugspunkt hat dieser leise Roman, der auf Deutsch erstmals 1993 erschienen ist und nun in einer Neuübersetzung wieder vorliegt, den titelgebenden Turgenjew. Robert verehrt den russischen Realisten über alle Maßen. Seiner Angebeteten liest er immer aus dessen Werken vor. Turgenjew wird für Mary Louise zu einem Fluchtraum, zu dem nur sie die Schlüssel besitzt: „In der abgeschlossenen Dachkammer (. . .) schwelgte sie in den Vertraulichkeiten, denen der Tod ebenso wenig anhaben konnte wie der Liebesgeschichte von Jelena und Insarow.“
William Trevor ist heute 83 Jahre alt. Sein mehrfach ausgezeichnetes Werk umfasst 23 Romane und elf Erzählbände. Deren Handlung ist ebenso undramatisch wie die Turgenjews, und dennoch verfügen die Bücher in ihrer eigentümlichen Melancholie über eine ungeheure Wucht. Den Einblicken in das Seelenleben seiner Figuren ist eine Raffinesse eigen, der man sich schwerlich entziehen kann. Es sind die kleinen, unscheinbaren Gesten – ein schiefes Lächeln hier, ein verlegenes Nicken dort –, die sie uns gewähren. Ein „Barde des Verlusts“ wurde Trevor einmal genannt, und Thomas Gunkel trifft jetzt in seiner Neuübersetzung Trevors Tonfall genauer, als das in seiner ersten Übersetzung von 1993 der Fall gewesen ist. Über diesen Ton erteilte Trevor einmal folgende Auskunft, nachzulesen im Nachwort von Rainer Moritz: „Kein Schriftsteller von Rang kann ein durch und durch glücklicher Mensch sein. Aber im Gegenzug wird sich auch kein Schriftsteller von Rang erlauben können, sich ganz und gar der Schwermut hinzugeben.“
FLORIAN WELLE
WILLIAM TREVOR: Turgenjews Schatten. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 284 S., 19,99 Euro.
Barde des Verlusts: William Trevor
Foto: Via Bloomberg News
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