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Franz Hohler hat zehn lange Erzählungen geschrieben, in denen sich die Wirklichkeit unmerklich auflöst und Ereignissen Platz macht, die sich unserer kühlen Logik entziehen: Beeindruckend souverän und mit ungewöhnlich wachem Blick für beunruhigende Details erzählt er von der Brüchigkeit unseres Alltags und dem gefährlich-beglückenden Anderen, das überall lauert.
Ausgezeichnet mit dem Zürcher Kunstpreis 2005.

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Produktbeschreibung
Franz Hohler hat zehn lange Erzählungen geschrieben, in denen sich die Wirklichkeit unmerklich auflöst und Ereignissen Platz macht, die sich unserer kühlen Logik entziehen: Beeindruckend souverän und mit ungewöhnlich wachem Blick für beunruhigende Details erzählt er von der Brüchigkeit unseres Alltags und dem gefährlich-beglückenden Anderen, das überall lauert.

Ausgezeichnet mit dem Zürcher Kunstpreis 2005.
Autorenporträt
Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren. Er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes. Hohler ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Alice-Salomon-Preis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis. Sein Werk erscheint seit über fünfzig Jahren im Luchterhand Literaturverlag.
Rezensionen
"Hohler ist ein gewiefter Fabulierer, seiner Phantasie hält unsere Realität nicht Stand." -- St. Galler Tagblatt
"Witzig, abgründig, den Leser fesselnd." Neue Zürcher Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2005

Migranten in der Waschmaschine
Weiße Westen, weichgespült: Neue Geschichten von Franz Hohler

Jeder, der regelmäßig eine Waschmaschine bedient, kennt das Phänomen: Einzelne Teile der Wäsche, vorzugsweise handelt es sich um Socken, verschwinden so unwiederbringlich aus der geschlossenen Waschtrommel, als säße ein geheimnisvoller, strümpfeverzehrender Dämon irgendwo zwischen Wasserhahn und Abflußschlauch. Mit solch vertrauten Rätseln des Alltags hält sich Franz Hohler denn auch nicht lange auf, sondern kehrt kurzerhand die Situation um: Was ist davon zu halten, wenn in der Waschmaschine im Keller eines Mietshauses erst nach und nach fremde, orientalisch anmutende Kleidungsstücke auftauchen und schließlich die Besitzerin dieser Teile selbst aus der Maschine klettert?

Natürlich bringt solch unangemeldeter Besuch das Leben der Waschmaschinennutzer gehörig durcheinander, und die biedere Durchschnittsfamilie - Vater, Mutter und zwei halberwachsene Töchter - gerät ins Grübeln über die Herkunft ihres fremden Gastes, der kein Wort in einer der ihnen bekannten Sprachen äußert, schwarze Sonnen auf Zeichenpapier malt und Küchenkräuter auf dem Balkon verbrennt. Wir sind im Reich der Phantasie angekommen.

Nun ist der Einbruch des Irrationalen in den vertrauten und scheinbar so berechenbaren Alltag seit langem eines der zentralen Themen des Schweizer Kabarettisten und Erzählers, der seinen Zeitgenossen gern in kleinen Parabeln das Widersinnige ihres Verhaltens vor Augen führt. Mit diesem erzieherischen Programm steht Hohler immer wieder neu vor der Aufgabe, das Didaktisch-Moralische und das Unterhaltende in eine Balance zu bringen, und dies ist ihm schon oft mit bewundernswertem Geschick gelungen. In den zehn Erzählungen seines jüngsten Buches allerdings überwiegt dann doch der pädagogische Eifer.

So gibt die Geschichte über die Orientalin aus der Waschmaschine reichlich Gelegenheit, über Gastfreundschaft, Toleranz gegenüber dem Fremden und die Beschränktheit der eigenen Wahrnehmung nachzudenken. Das ist zweifellos ein ehrenwertes Anliegen, doch bedient sich Hohler hier und andernorts in diesem Buch wenig subtiler Verfahren, um seine humanen Botschaften zu vermitteln. So ist es mehr als ein diskreter Wink, wenn der wäschewaschende Familienvater, im Brotberuf ein freier Autor, ausgerechnet an einem Artikel über Derrida arbeitet, während die geheimnisvolle Fremde statt der Waschküche nun das Gästezimmer bewohnt. Seine intellektuellen Anstrengungen münden in ein Lob der dekonstruktivistischen Philosophie als Erkenntnismethode: "Die Wahrheit, schrieb ich, müsse gerade dann anerkannt werden, wenn sie unlogisch sei, wenn sie ihre begrifflichen Gefäße sprenge, und die dabei entstehenden Risse erforsche die Dekonstruktion." Das verkürzt die Theorien Derridas zwar beträchtlich, klingt aber dennoch zunächst nach einer hübschen Pointe, die den geheimnisvollen Hausgast kurzerhand zu einem erkenntnistheoretischen Problem erklärt: Rätselhaft ist nur das, was den etablierten engen Denkschemata widerspricht.

Der Rekurs auf die französische Philosophie entpuppt sich aber schnell als der kokette Trick eines Taschenspielers. Denn Hohlers Erzählungen sind alles andere als offene Strukturen, die die Koordinaten unserer Weltsicht neu ordnen wollen. Vielmehr laufen die meisten von ihnen geradlinig auf ihren Schluß hinaus, dessen moralischer Kernsatz mit sozialpädagogischem Eifer vorgetragen wird. Besonders deutlich wird dies in der Erzählung über einen anderen Familienvater, der seinen Sohn zu Toleranz erziehen möchte, sich selbst aber von "Dragan" verfolgt sieht, einem vermeintlich rachelüsternen Jugoslawen. Am Schluß wird offenbar, daß sich der Vater geirrt hat, und Dragan wandelt sich unversehens in den samariterhaft guten Mirko. So einfach kann die Welt sein, wenn man zu wissen glaubt, wie Gut und Böse verteilt sind.

Das gilt erst recht, wenn Hohler sich spezifisch helvetischer Themen annimmt. Ob es sich um die Finanzpolitik der Großbanken, die Begeisterung der meisten Schweizer für ihre Armee oder die perfekt organisierte Bürokratie handelt: Hohler führt in seinen Geschichten gern die Absurdität und die moralische Fragwürdigkeit eines Systems vor, in dem Andersdenkende schnell zu Außenseitern werden und um ihre Sicherheit fürchten müssen. Ein anderes Versöhnungsmärchen erzählt von einer jungen Frau, die im Futter ihres frischgekauften Designermantels die Rechnung eines jüdischen Schneiders aus dem Jahr 1938 findet. Ihre Recherchen führen die Mantelkäuferin zu den dunklen Geschäften mit jüdischem Eigentum während der Zeit des Nationalsozialismus, wobei ihr der spukende Schneider diskret auf die Sprünge hilft. Am Ende wird die offene Rechnung mit mehr als sechzigjähriger Verspätung beglichen, die Tochter des Schneiders ist ergriffen von dem Edelmut der jungen Schweizerin, die aber darf zur Belohnung den jüdischen Buchhalter ihres Mantelgeschäfts heiraten, und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch immer in der alten Schneiderwerkstatt, deren spukender Vorbesitzer endlich zur Ruhe gekommen ist.

Am überzeugendsten ist Franz Hohler dort, wo er von Gefährdungen im Alltag erzählt, ohne damit einen moralischen Appell zu verbinden. Das geschieht meisterlich in der Geschichte über einen Versicherungsexperten der Armee, der sich während einer Inspektionstour im Gebirge verirrt, weil er ein Denkmal für einen Namensvetter von sich besuchen will. Ein harmlos scheinender Schritt vom Wege führt den Spaziergänger direkt in die Katastrophe. Davon aber erzählt Hohler mit solcher Eindringlichkeit, daß man ihm die Schwächen anderer Geschichten dieses Bandes gerne nachsieht.

SABINE DOERING

Franz Hohler: "Die Torte und andere Erzählungen". Luchterhand Literaturverlag, München 2004. 206 S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Franz Hohler hat zwei Berufe: Er ist Kabarettist und Schriftsteller, aber er schreibt, stellt Daniela Strigl klar, "keine kabarettistische Prosa". Seine Erzählungen seien eher altmodischer Natur, findet Strigl, stellenweise fühlt sie sich an die Schauergeschichten von Alexander Lernet-Holenia oder Hugo von Hofmannsthal erinnert. Das liegt an Hohlers fantastischem Realismus, erklärt Strigl, an seiner Nähe zur magischen Welt, die in seinen Erzählungen problemlos und eher beiläufig betreten werden darf , schnelle unaufgeregte Wechsel zwischen den Sphären ermöglichend. Da findet eine Ärztin in ihrer Tiefgarage statt des Autos ein Pferd vor, auf dem sie dann davon reitet, erzählt die Rezensentin und fand die Idee zunächst plump; aber bei Hohler gerate man so sehr in den "Strudel der Unwahrscheinlichkeiten", schwärmt sie, dass der Ritt als Zeitreise in die Vergangenheit völlig überzeuge. Nicht alle Erzählungen enthalten diese übersinnliche Dimension, so Strigl, in anderen seien es eher Banalitäten, die den Alltag aus dem Ruder laufen lassen. Immer aber sei es eine "hintersinnig-abgeklärte Liebe zum Leben", die Hohler in seine Geschichten einfließen lasse.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die Torte" zeigt Hohler 2004 auf dem Höhepunkt seines Könnens als Erzähler." Der Bund, Bern
"Es ist diese hintersinnig - abgeklärte Liebe zum Leben, von der die Geschichten durchdrungen sind."