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Seit sechs Monaten liegt der Geliebte im Koma, jetzt bespricht Valerie am Krankenhausbett ein Tonband, das ihn wieder ins Leben zurückführen, zurückverführen, soll. Nun, wo es um alles geht, ist alles in ihrer Sprache Liebe. Wie kann man fühlen und sich nicht verlieren? Wie kann man dem Mangel begegnen, der alle Liebe treibt? Wie kann man erhalten, was man nicht halten kann? Zwischen Wien, wo sie liebt, und Tokio, wo sie arbeitet, hin und her gerissen, beschwört Valerie die eigene Liebesgeschichte noch einmal herauf und zeichnet die Veränderung ihrer Gefühle akribisch nach - bis zu dem Punkt, an dem sie fast überwunden scheinen.…mehr

Produktbeschreibung
Seit sechs Monaten liegt der Geliebte im Koma, jetzt bespricht Valerie am Krankenhausbett ein Tonband, das ihn wieder ins Leben zurückführen, zurückverführen, soll. Nun, wo es um alles geht, ist alles in ihrer Sprache Liebe. Wie kann man fühlen und sich nicht verlieren? Wie kann man dem Mangel begegnen, der alle Liebe treibt? Wie kann man erhalten, was man nicht halten kann? Zwischen Wien, wo sie liebt, und Tokio, wo sie arbeitet, hin und her gerissen, beschwört Valerie die eigene Liebesgeschichte noch einmal herauf und zeichnet die Veränderung ihrer Gefühle akribisch nach - bis zu dem Punkt, an dem sie fast überwunden scheinen.
Autorenporträt
Roger Willemsen, geboren 1955, veröffentlichte sein erstes Buch 1984 und arbeitete danach als Dozent, Herausgeber, Übersetzer, Essayist und Korrespondent aus London, ab 1991 auch als Moderator, Regisseur und Produzent fürs Fernsehen. Er erhielt u.a. den Bayerischen Fernsehpreis und den Adolf-Grimme-Preis in Gold. Sein Roman 'Kleine Lichter' wurde mit Franka Potente in der Hauptrolle verfilmt, sein Film über den Jazzpianisten Michel Petrucciani in vielen Ländern gezeigt. Willemsen war 'amnesty'-Botschafter, Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins und Honorarprofessor für Literaturwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin. 2011 wurde er mit dem Julius-Campe-Preis ausgezeichnet. Roger Willemsen verstarb im Februar 2016.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Annette Zerpner reagiert beinahe allergisch auf Roger Willemsens eigene Einlesung seines Romans. Schon der Vorlage selbst fehlt es aus ihrer Sicht an erzählerischer Disziplin. Der "hohe Ton" des tagebuchartigen Romans klingt für sie eher nach Parodie und ließ sie beim Lesen " manchmal komisch, manchmal peinlich berührt" zurück. In der Einlesung wird dann alles noch schlimmer. Anteil daran hat auch die "dramatisch-dräuende oder sanft-verrieselnde" Klavierbegleitung von Frank Chastenier. Mit "matter Liebestagebuch-Stimme" hört sie Willemsen hauchend das Innenleben seiner Protagonistin Valerie entblößen. Gelegentlich rutscht auch mal ein "butterweich tadelndes 'Diese Fuck-and-Go-Mentalität'" in ihren gepeinigten Gehörgang. Der Held der Geschichte, an den Valeries Ausführungen gerichtet sind, liegt ihren Informationen zufolge im Koma. Schnell macht sich in der Rezensentin die Befürchtung breit, dieser Rashid könne vor Willemsens "sprachlichen Zumutungen" und "hochgezüchteten Poesiealbumssprüchen" dorthin geflüchtet sein.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.07.2005

Einer weiß alles, kann aber den Schatz nicht heben
Liebe macht dumm, und das muss man ertragen: Roger Willemsens erster Roman „Kleine Lichter”
Wären wir noch im neunzehnten Jahrhundert, und hätte Roger Willemsen das Zeug zu einer literarischen Figur - es wäre gewiss ein prima Abbé aus ihm geworden: einer, der alles beherrscht, theoretisch zumindest, einer, der alles kann, der aber eine Soutane trägt und also getrennt ist von der Praxis seines Wissens - in dem Maße wenigstens, wie es bei letzterem um Liebe, Reichtum oder Macht geht. Der Abbé Farias im „Grafen von Monte Christo” ist ein solcher Mann. Er besitzt alle Kenntnisse, die man braucht, um einen großen Schatz zu heben, und doch muss er das Vermögen einem anderen, Dümmeren, überlassen, weil er selbst die Kisten nicht heben kann.
Mehr als alles, was Roger Willemsen bisher gemacht hat, ist sein jüngstes Buch das Werk eines solchen Abbés, den es in unsere Zeit verschlagen hat. „Kleine Lichter” erzählt von einer Frau, deren Geliebter in ein Koma gefallen ist. Sechs Monate liegt er schon da. Nichts deutet darauf hin, dass er je wieder aufwachen wird. In einer letzten, verzweifelten Anstrengung versucht sie, die, bedingt durch einen fernen Wohnsitz, nicht immer an seinem Bett sitzen kann, ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen, indem sie eine lange Rede an ihn auf Kassette aufnimmt und diese ihm vorspielen lässt. Aus diesem Monolog bestehen die zweihundert Seiten dieses Buches.
Sein Thema ist die Liebe - nicht der Geliebte, kaum die Welt, in der sich diese beiden Menschen in ihrer Liebe behaupten müssen, selten die Liebende. Das Alter, die Arbeit, die Bildung, das Geld, Familie, Freunde und soziale Umgebung, das alles bleibt bestenfalls im Vagen. In Wien, London und Tokio leben die beiden Liebenden, sie ist Kunsthändlerin, er Restaurator, aber das ist beinahe schon zu viel gesagt. Nein, um die Liebe selbst geht es in diesem Buch, das also viel weniger ein Roman ist, obwohl es so daherkommt, als vielmehr ein Essay. Das gehört zum Abbéhaften dieses Buches, und auch, dass es aus der Perspektive der Frau erzählt, aber von einem Mann geschrieben ist.
Das muss nicht schief gehen, und es ist auch nicht schief gegangen, jedenfalls nicht nur, aber das Gelingen ist in diesem Fall eine äußerst prekäre, sehr komplizierte Angelegenheit. Denn es gibt einen Grund dafür, warum die Dichtung der Liebe eine ebenso pathetische wie banale Angelegenheit ist, und zwar nicht erst seit gestern, sondern seit den Anfängen der Literatur. Was bringt sie hervor, wenn nicht ein hilfloses Aneinanderreihen der Attribute, die das geliebte Wesen von allen anderen unterscheiden sollen? Und wenn das Aufzählen von Merkmalen, von zarten Hüften, reizenden Ohrläppchen, heiterem Gelächter sich erschöpft hat, wenn die Dichtung also übergeht in die Schilderung der sexuellen Begegnung, wächst das von vornherein Verfehlte der Liebesdichtung zu einer einzigen großen Peinlichkeit heran, weil sich in der Darstellung des Aktes die Einzigartigkeit der daran beteiligten Menschen in ihrer biologischen Funktion auflöst. Das Elend der Liebesdichtung besteht darin, dass sie die Einzigartigkeit des anderen, um die es ihr doch so sehr zu tun ist, nicht erreicht und nicht erreichen kann. Sie bringt nur Allgemeinheiten hervor.
Das weiß Roger Willemsen, und in diesem Wissen liegt der größte Vorzug seines Romanessays. Immer wieder, aus immer anderen Perspektiven beschäftigt er sich damit, dass die Bevorzugung des Geliebten vor allen anderen Menschen dem Liebenden selbst unbegreiflich bleibt. Der Geliebte ist ausgezeichnet unter allen, aber es muss jeder Versuch scheitern, dieser Auszeichnung sprachlich, begrifflich auch nur halbwegs gerecht zu werden. Das Einzelne muss hier, um bewahrt zu werden, Einzelnes bleiben - womit, und auch damit beschäftigt sich Roger Willemsen, dessen Endlichkeit als die existentielle Not der Liebe ins Bewusstsein rückt. Denn selbst die größte Liebe, die weltliche Epiphanie, und diese erst recht, endet im Tod des Geliebten. Ihre Größe aber gewinnt sie in der Zartheit, mit der sie sich schützend über den Verfall des anderen beugt. Und selbst das steht bei Roger Willemsen.
Wenn nur der Abbé nicht wäre. Der Liebende gibt sich hin. Er riskiert dabei etwas, und sei es eine Dummheit oder gar Erniedrigung. Gerade in der Verminderung seiner selbst offenbart sich die Liebe, und das gilt auch für ihre Literatur, denn diese Verminderung lässt sich darstellen. Ein richtiger Abbé aber geht ein solches Risiko nicht ein. Da kokettiert er lieber noch mit den Gefahren der Liebe. Wie ärgerlich ist deswegen das Ende dieses Buches, an dem der Geliebte verdämmern und die Liebende zu sich selbst zurückkehren, sich selbst „wiederfinden” darf. Soll das tatsächlich alles gewesen sein?
THOMAS STEINFELD
ROGER WILLEMSEN: Kleine Lichter. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005. 206 Seiten, 17,90 Euro.
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