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Ronald Dworkin ist einer der herausragenden Philosophen, dessen Arbeiten zum Egalitarismus nur noch durch das Werk von John Rawls übertroffen werden. Mit Was ist Gleichheit? liegen nun zentrale Texte Dworkins erstmals in deutscher Sprache vor. Sie entwickeln eine Theorie der Ressourcengleichheit, der zufolge eine Gesellschaft dann gerecht ist, wenn in ihr alle Ressourcen gleich verteilt sind. Dies bedeutet für Dworkin nicht, daß alle Menschen das gleiche Niveau an Wohlstand oder Lebenszufriedenheit erlangen können oder daß dies überhaupt wünschenswert wäre. Zwar sollte ein Staat individuell…mehr

Produktbeschreibung
Ronald Dworkin ist einer der herausragenden Philosophen, dessen Arbeiten zum Egalitarismus nur noch durch das Werk von John Rawls übertroffen werden. Mit Was ist Gleichheit? liegen nun zentrale Texte Dworkins erstmals in deutscher Sprache vor. Sie entwickeln eine Theorie der Ressourcengleichheit, der zufolge eine Gesellschaft dann gerecht ist, wenn in ihr alle Ressourcen gleich verteilt sind. Dies bedeutet für Dworkin nicht, daß alle Menschen das gleiche Niveau an Wohlstand oder Lebenszufriedenheit erlangen können oder daß dies überhaupt wünschenswert wäre. Zwar sollte ein Staat individuell unabwendbare Unglücksfälle zu kompensieren suchen, es ist aber nicht seine Aufgabe, die Vor- und Nachteile zu egalisieren, die sich aus eigenverantwortlichen Entscheidungen ergeben. Gerechtigkeit, so Dworkins zentrale These, erfordert vor allem eine gleiche Ausgangsposition für alle.
Autorenporträt
Dworkin, RonaldRonald Dworkin war Professor für Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie an der New York University und am University College in London. Er ist am 14. Februar 2013 im Alter von 81 Jahren in London verstorben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2012

Was darf der Lebensplan denn kosten?

Wenn der Neid erlischt, sind alle fair behandelt. Dann zumindest, wenn man wie der Rechtsphilosoph Ronald Dworkin eine Theorie von Gerechtigkeit als Ressourcengleichheit entwirft.

Die ausgleichende Gerechtigkeit beschränkt sich darauf, das Unrecht wiedergutzumachen, das die eine Partei einer Rechtsbeziehung der anderen zugefügt hat. Hinter den Gerechtigkeitstheorien von John Rawls und seinen liberal-egalitären Nachfolgern steht eine viel anspruchsvollere Zielvorstellung. Diese Konzeptionen bezwecken eine tendenziell umfassende Neutralisierung natürlicher und sozialer Kontingenzen. Ungleiche Anteile an sozialen Gütern sind danach nur dann fair, wenn sie sich aus den Entscheidungen und absichtlichen Handlungen der Güterinhaber ergeben. Die einzelnen Personen müssen für die Kosten ihrer Entscheidungen selbst aufkommen. Unfair sei hingegen die Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund von Unterschieden in der natürlichen Ausstattung oder den sozialen Umständen. Wofür man nicht verantwortlich sei, was man nicht beeinflussen könne, das dürfe kein zulässiges Güterverteilungskriterium sein. Der Amerikaner Ronald Dworkin, einer der berühmtesten Rechtsphilosophen der Gegenwart, bekennt sich ebenfalls zu dieser Vorstellung.

"Wir möchten", schreibt er, "ein Umverteilungsschema entwickeln, insoweit wir das können, das die auf unterschiedliche Talente zurückzuführenden Effekte neutralisiert, aber die Konsequenzen davon bewahrt, dass die Entscheidung einer Person, dieser oder jener Beschäftigung nachzugehen - die im Lichte davon gefällt wird, was diese Person mit ihrem Leben anfangen möchte -, vielleicht für die Gesellschaft kostspieliger ist als die Entscheidung, die eine andere Person trifft." Dworkin kleidet diese Idee in ein viel zitiertes Gegensatzpaar: Einerseits müssten wir zulassen, dass die Ressourcenverteilung zu jedem Zeitpunkt ambitionssensibel sei. Das heißt, dass sie Kosten und Nutzen der Entscheidungen für andere widerspiegeln soll. Andererseits dürften wir es nicht zulassen, dass die Verteilung der Ressourcen in irgendeinem Moment begabungssensibel sei. Den Menschen dürfe es deshalb nicht erlaubt werden, die durch überlegenes Talent erlangten Vorteile zu behalten.

Dworkins Theorie der Ressourcengleichheit versteht sich als konzeptionelle Entfaltung dieser grundlegenden Intuition. Danach behandelt ein Verteilungssystem die Menschen dann als Gleiche, "wenn es so lange verteilt oder umverteilt, bis keine weitere Umverteilung ihren jeweiligen Anteil an Ressourcen gleicher machen könnte". Dworkin führt seine Lehre mit Hilfe des Gedankenexperiments einer hypothetischen Auktion ein. Man stelle sich vor, so Dworkin, sämtliche Ressourcen einer Gesellschaft würden versteigert, und jeder könnte bieten. Alle Gesellschaftsmitglieder hätten anfänglich gleich viel Kaufkraft - einhundert Muscheln -, und sie dürften damit das ersteigern, was ihrem Lebensplan am besten diene. So sei gewährleistet, dass jeder die gleiche Rolle in der Bestimmung der schließlich erreichten Konstellation der Güterbündel spiele. Ferner werde am Ende jeder mit dem Ergebnis zufrieden sein in dem Sinne, dass ihm kein fremdes Güterbündel lieber sei als sein eigenes - sonst hätte er ja diese anderen Güter ersteigern können.

Dworkin nennt dies das "Neidkriterium". Wenn es erfüllt sei, so seien die Menschen gleich behandelt worden, denn die Unterschiede zwischen ihnen spiegelten nur noch ihre verschiedenen Auffassungen dessen wider, was ihr Leben lebenswert mache. Im Ergebnis zahle unter der Bedingung von Ressourcengleichheit jeder den Preis für das Leben, für das er sich entschieden habe. Dies gilt freilich nur unter der Bedingung, dass - wie Dworkin formuliert - "die Menschen untereinander ebenbürtig in den Markt eintreten können". Leider hält sich die Natur aber nicht an dieses noble Postulat. Wer behindert ist und deshalb von seinen hundert Muscheln zwanzig für einen Rollstuhl ausgeben muss, steht im Ergebnis schlechter da als nichtbehinderte Auktionsteilnehmer, die solche Sonderbedürfnisse nicht haben.

Dworkins Vorschlag zur Lösung dieses Problems ähnelt Rawls' Gedanken eines Urzustandes. Dworkin versetzt die Menschen hinter einen modifizierten Schleier des Nichtwissens. Sie kennen ihre natürliche Ausstattung nicht und sollen davon ausgehen, dass sie auf diesem Gebiet alle den gleichen Risiken ausgesetzt seien. Auf dieses Informationsdefizit reagieren sie Dworkin zufolge, indem sie als Ergänzung zur Auktion eine Zwangsversicherung mit festgelegter Versicherungsprämie einrichten. Stellt sich dann heraus, dass ein bestimmter Bürger tatsächlich an einer Behinderung leide, könne er aus dem Versicherungsfonds entschädigt werden.

Diesen Gedanken erweitert Dworkin sodann auf alle Arten eines Mangels an Fähigkeiten. Indem nämlich die Kompensation für solche Mängel "im Prinzip dadurch festgelegt wird, wie viel Versicherungsdeckung sich jemand in einer Versicherungsunterauktion mit anfänglich gleichen Ressourcen gekauft hätte, wenn er sich dagegen hätte versichern können, ein gewisses Niveau an Fähigkeiten nicht zu erreichen". Freilich dürfe das betreffende Niveau nicht allzu hoch angesetzt werden. Je höher es sei, desto unwahrscheinlicher sei es nämlich, dass es erreicht werde und desto höher werde deshalb auch die Prämie ausfallen. "Sie wird sich dem Wert des projizierten Ertrags nähern, falls das Risiko eintritt. Also sieht sich jemand, der diese Versicherung kauft, einer extrem hohen Wahrscheinlichkeit gegenüber, sehr wenig zu gewinnen. Aber nehmen wir an, er verliert; nehmen wir an, er ist einer von denen, die das maximale Einkommen erwirtschaften können. Er ist nun in einer viel schlechteren Lage, als wenn er sich nie versichert hätte, denn er ist nun dazu gezwungen, so viel Geld wie möglich zu verdienen, nur um die hohe Prämie für seine Versicherung zu bezahlen, die ihm überhaupt nichts gebracht hat - das heißt, nur um seine Kosten zu decken."

Deshalb müsse das einen Ausgleichsanspruch begründende Niveau erheblich niedriger angesetzt werden. Mit der Anzahl der Menschen, die danach potentiell anspruchsberechtigt seien, sinke auch das Prämienniveau, und das Ansinnen an die Bürger, der Versicherung beizutreten, verliere seinen Zumutungscharakter. Obwohl dieses Modell das Neidkriterium nicht in vollem Umfang erfüllt, ist es nach Dworkins Überzeugung die nach Lage der Dinge bestmögliche Lösung. Es stelle nämlich sicher, dass jeder Bürger unabhängig von seinen Fähigkeiten über eine gewisse Grundausstattung an Ressourcen verfüge. Sein Risiko, nicht genügend ökonomisch verwertbare Talente aufzuweisen, werde dadurch gemindert und zum Teil auf seine glücklicheren Mitbürger verlagert.

Näher betrachtet, vermag die Argumentation Dworkins indessen nicht einmal diese im Vergleich zu seiner Ausgangsintuition bereits erheblich abgeschwächte Schlussfolgerung zu tragen. In Anbetracht von Dworkins Schleier des Nichtwissens haben zwar alle Gesellschaftsmitglieder gute Klugheitsgründe für den Abschluss einer Versicherung, die ihnen Schutz vor fundamentalen Lebensrisiken bietet. Wie aber, wenn einige besonders risikofreudige Personen trotzdem der Aufstockung ihres Champagnervorrats den Vorzug geben, selbst auf die Gefahr hin, im Fall des Falles ohne Unterstützung dazustehen? Dem Auktionsmodell Dworkins zufolge müsste man sie gewähren lassen. Seinem Bekenntnis zu einer allgemeinen Zwangsversicherung gemäß müsste man sie hingegen zu ihrem Glück nötigen können.

Bereits diese Konzessionen und Ungereimtheiten sprechen dafür, dass es auf eine Überbeanspruchung der Gerechtigkeitstheorie hinausläuft, wenn ihr über ihre traditionellen Aufgaben hinaus die Aufgabe der Neutralisierung natürlicher Ungleichheiten übertragen wird. Vor allem aber ist es eine Illusion anzunehmen, dass es möglich sei, unverdiente und verdiente Vorteile einigermaßen trennscharf voneinander unterscheiden und dadurch "die Komponenten im Vermögen einer jeden Person feststellen zu können, die sich auf Unterschiede im Talent und nicht auf die Unterschiede in den Ambitionen zurückführen lassen". Wie Dworkin selbst eingesteht, besteht "keinerlei Hoffnung, dass wir diese Komponenten identifizieren können".

Wie kommt es, dass Dworkin diesen Umstand so offen einräumt, obwohl er doch offenbar an den Kern seiner gesamten Konzeption rührt? Er sieht sich offenbar hinreichend abgesichert durch seine mehrfach wiederholte Versicherung, ihm gehe es nur um die Grundsätze und nicht um die technischen Einzelheiten der Verteilung. Diese salvatorische Klausel greift aber zu kurz. Die erwähnten Abgrenzungsprobleme sind nicht nur technischer, sie sind grundsätzlicher Natur. Verdienst und Zufall treten im menschlichen Leben niemals in Reinform auf, sondern stets in Wechselwirkung mit ihrem Gegenpart. Aus seinem Umgang mit dem für ihn Unverfügbaren erwächst die biographische Einzigartigkeit eines jeden Menschen.

Entgegen der von Rawls bis Dworkin als selbstverständlich vorausgesetzten Annahme sind nicht alle Fragen einer normativ befriedigenden Güterverteilung genuine Gerechtigkeitsfragen. Neben der Gerechtigkeit gibt es die Solidarität, ein Füreinander-Einstehen, das auf der theoretisch nur begrenzt einholbaren Erfahrung einer spezifischen Zusammengehörigkeit beruht, und nicht zuletzt auch die Barmherzigkeit, die sich von der Evidenz fremder Not anrühren lässt und hilft, ohne weiter nach dem "Warum" zu fragen. Mehr als mit der Konstruktion immer subtilerer Vertrags- oder Auktionsmodelle wäre der heutigen politischen Philosophie damit gedient, wenn sie wieder unbefangener die Vielfalt möglicher Figuren der Verantwortungsbegründung zur Kenntnis nähme.

MICHAEL PAWLIK.

Ronald Dworkin: "Was ist Gleichheit?"

Aus dem Amerikanischen von Christoph Schmidt-Petri. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 288 S., br., 11,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Pawlik ist das alles zu theoretisch, zu wenig orientiert an den biografischen Besonderheiten der Menschen. Was der amerikanische Rechtsphilosoph Ronald Dworkin, immerhin einer der renommiertesten seines Fachs, in diesem Band zum Thema Gleichheit und Gerechtigkeit ausheckt, basiert laut Pawlik auf Voraussetzungen, z. B. einer angenommenen Trennschärfe zwischen verdienten und unverdienten Vorteilen, die es so nicht gibt. Grundsätzliches möchte der Autor mit seiner Theorie der Ressourcengleichheit klären. Pawlik jedoch sieht in den vom Autor übrigens offen eingeräumten Problemen keine bloß technischen Schwierigkeiten, sondern Dworkins gesamte Konzeption über den Haufen werfende Tatsachen.

© Perlentaucher Medien GmbH