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In der auf vier Bände angelegten Reihe 'Kolleg Praktische Philosophie' werden von namhaften Autoren aktuelle Probleme in den jeweiligen kulturellen Kontexten, vor allem aber vor dem Hintergrund säkularisierter Gesellschaften beleuchtet. Die Reihe versucht Antworten zu geben auf die Frage, wie wir leben und handeln sollen. Dabei geht es vor allem um Ethik, aber auch um Politische Philosophie, Sozial- und Rechts- sowie Geschichts- und Kulturphilosophie, in unserer Gegenwart also um Probleme wie die Globalisierung der Märkte, die Allpräsenz der Medien, die ökologische Grenzen oder neue…mehr

Produktbeschreibung
In der auf vier Bände angelegten Reihe 'Kolleg Praktische Philosophie' werden von namhaften Autoren aktuelle Probleme in den jeweiligen kulturellen Kontexten, vor allem aber vor dem Hintergrund säkularisierter Gesellschaften beleuchtet. Die Reihe versucht Antworten zu geben auf die Frage, wie wir leben und handeln sollen. Dabei geht es vor allem um Ethik, aber auch um Politische Philosophie, Sozial- und Rechts- sowie Geschichts- und Kulturphilosophie, in unserer Gegenwart also um Probleme wie die Globalisierung der Märkte, die Allpräsenz der Medien, die ökologische Grenzen oder neue Möglichkeiten der Gen-, Neuro- und Medizintechnik.

Bd. 1: 'Ethik zwischen Kultur- und Naturwissenschaft'

Der erste Band konzentriert sich auf die Anwendung naturwissenschaftlicher Prinzipien auf Gebiete der Ethik und Kultur - bis hin zur Kulturwissenschaft selbst.
Autorenporträt
Franz Josef Wetz, geboren 1958, studierte Philosophie, Germanistik und Theologie; 1989 Promotion und 1992 Habilitation an der Universität Gießen. Seit 1992 verschiedene Lehrstuhlvertretungen; Gastprofessur in Warschau und ab 1994 Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Zahlreiche Publikationen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2008

Wo soll so ein gewaltiges Anfangen bloß enden
Das Kolleg Praktische Philosophie zeigt, dass man auf Naturalismus und Evolution allein keine Ethik bauen kann
Auf vier Bände ist das „Kolleg Praktische Philosophie” angelegt,, und an Sendungsbewusstsein herrscht von Anbeginn an kein Mangel. Das Vorwort, verantwortet von Franz Josef Wetz und Volker Steenblock, verspricht umstürzende Lektüreerlebnisse: Man wolle „das gesamte alltagskulturelle Spektrum” ausleuchten, um zur „nötigen Sinn- und Wertorientierung„ zu gelangen. Die „Tiefen der Theorie” messe man aus, die „Fülle der Anschauung” werde kredenzt. Ein „durchaus nachhaltiger Überblick über zahlreiche Kulturfelder” werde dem Publikum geboten. So werde, wie weiland bei Kant, die Frage neu beantwortet, „wie wir leben und handeln sollen.”
Das Publikum staunt und zuckt zusammen: Wo soll ein so gewaltiges Anfangen bloß enden? Sprechen nicht die Autoren selbst von einer unübersichtlich gewordenen Welt, in der kein gestirnter Himmel über uns, kein moralisches Gesetz in uns letzte Antworten zu geben vermag? Sehr oft wird diese Ausgangslage betont, weshalb die Lektüre der bisher vorliegenden beiden Bände über weite Strecken eher ermüdend denn erbauend wirkt. Ja, wir leben tatsächlich – zumindest auf der nördlichen Erdhalbkugel – in einer „zersplitterten, heterogenen Gegenwart”, in einer „pluralen und hochkomplexen Gesellschaft” ohne „einheitliches Sinnzentrum”. Aber was folgt daraus für das Sollen?
Ebenda beginnen die Schwierigkeiten, über die praktische Philosophen weniger überrascht sein sollten, als sie es hier sind. Das fortwährende Beharren auf dem relativistischen Grund folgt relativierenden Zwecken. Auch da, wo ausnahmsweise das tückische M- und das nicht minder tückische N-Wort erscheinen – die Moral, die Norm –, soll das Publikum diesen Generalvorbehalt mitdenken. Gleichwohl will man die individuellen in gemeinsame Interessen und diese wiederum in allgemeingültige „Aufforderungen zu bestimmten Verhaltensweisen” verwandeln. So öffnet sich der Kreis des Paradoxen: Unter der Prämisse, dass es keine letzte Verbindlichkeit geben kann, sucht diese „praktische Philosophie” nach Normen, Maximen, Absoluta.
Wer das Paradox durchschaut, kann kühn wie Philosoph Bernulf Kanitscheider die Frage nach den Normen aus dem Kernbereich des Philosophischen ausscheiden und sie den neuen Sachwaltern des Humanen anheim stellen, den Hirnforschern.
Kanitscheider will, ausgehend von den „Befunden der Neurologie”, das „menschliche Streben nach Glück, Lust oder Liebe”, nach jedweder „freudebringenden Tätigkeit” zur Norm erheben. Sein ethischer Kanon besteht aus dem Satz „Die Lust ist gut”, weil der Mensch sie „von Natur aus” erstrebe. Als historischer Beleg für eine Gesellschaft, in der „alle glücklicher leben”, dient ihm die griechisch-römische Antike. Damals habe man „auf die Wünsche der Menschen, ihre Lust zu verwirklichen”, Rücksicht genommen. Inwieweit auch die untergebenen Hetären, Sklaven und Kinder vom „freudebringenden” Sexualverhalten profitierten, bleibt bei Kanitscheider indes unbesprochen.
Von derlei hedonistischer Ethik ist es ein winziger Schritt zur „evolutionären Ethik”, wie sie Gerhard Vollmer ausbreitet. Auch diese ruht auf naturalistischem Grund. Vollmer erteilt allen „Letztbegründungen, kategorischen Imperativen und Dogmen” eine Absage. In normativ derart leergefegten Räumen aber geschieht das seinerseits Normierende, Unumkehrbare, Absolute – etwa auf biotechnischem Gebiet, wo der Normverzicht neue Lebewesen kreiert.
Unklar bleibt auch, wie die Vernunft aus dem vollendet Geistlosen hervorgegangen sein soll, wenn sie ein reines „Ergebnis der biologischen Evolution” ist. Und was sollen Staat, Gesellschaft, Gesetzgeber aus Vollmers Mahnung lernen, wenn „Forderungen den Genen widersprechen, können wir solchen Forderungen nicht folgen, selbst dann nicht, wenn die Vernunft uns dies empfiehlt”? Müssen Legislative und Judikative künftig einem Gen-Ministerium gehorchen?
Franz Josef Wetz kritisiert den „schrankenlosen Naturalismus”: Selbst wenn „wir ohnmächtige Marionetten wären, müssten wir unser Leben eigenverantwortlich führen und könnten dabei weder unsere Gene noch Neuronen befragen”. Zu einer konstruktiven Antithese jedoch, „wie wir leben und handeln sollen”, mag Wetz sich nicht aufraffen. Er belässt es beim Hinweis, der Mensch müsse sich selbst deuten und seine Werte selbst setzen.
Um welche Werte aber für welches Wir es sich dabei handeln könnte, bleibt bei Wetz ausgespart und auch bei Arnd T. May, der in einem kenntnisreichen Beitrag des zweiten Bandes zahllose Probleme der Bio- und Medizinethik aufeinander schichtet. Schließlich landet er bei der seltsamen These, das Gehirn verbürge die „seelisch-geistigen Fähigkeiten”. Der Geist galt einmal als Widersacher der Seele – fällt er nun mit ihr zusammen und sind beide aufgehoben im Hirn? Diese Empirie sähe man gerne.
Das Zwischenergebnis des Kollegs kann nur lauten: Auf Wünschen und Interessen allein, auf Naturalismus und Evolution lässt sich keine Ethik bauen. Und die Moral hat kein Gastrecht im Haus der Soziobiologie. Doch das ist erst der Anfang. ALEXANDER KISSLER
FRANZ JOSEF WETZ, VOLKER STEENBLOCK, JOACHIM SIEBERT (Hrsg.): Kolleg Praktische Philosophie. Band 1: Ethik zwischen Kultur- und Naturwissenschaft. Band 2: Grundpositionen und Anwendungsprobleme der Ethik. Philipp Reclam, Stuttgart 2008. 300 und 288 Seiten, je 7,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verhalten äußert sich Rezensent Alexander Kissler über die ersten beiden Bände "Kolleg Praktische Philosophie". Das unter anderem von Franz Josef Wetz herausgegebene Werk tritt seines Erachtens mit dem gewaltigen Anspruch auf, das weite Feld von ehtischer Theorie und Praxis, Alltagskultur und Wertorientierung zu durchschreiten, um die Frage, wie wir leben und handeln sollen, neu zu beantworten. Allerdings wird dem Leser für Kisslers Geschmack die schwierige Ausgangslage praktischer Philosophie - Relativität, Unübersichtlichkeit, Heterogenität, Zersplitterung der Gegenwart, das Fehlen von letzten Verbindlichkeiten - zu oft eingehämmert, mit der Folge, dass die Lektüre eher mühsam als erbauend ausfällt. Besonders kritisch geht Kissler mit Bernulf Kanitscheiders hedonistischer Ethik sowie mit Gerhard Vollmehrs evolutionärer Ethik ins Gericht. Beide folgten einem Naturalismus, auf dem allein man keine Ethik bauen könne. Zwar hebt er Franz Josef Wetz' Kritik des "schrankenlosen Naturalismus" hervor. Aber eine "konstruktiven Antithese" dazu kann er in dem Werk nicht finden.

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