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Eine denkbar knappe Entscheidung macht Berlin 1991 zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Doch es ist ein langer Weg, bis aus der geteilten Stadt die Metropole wird, die sie heute ist. Wer erinnert sich noch an den Regierungsumzug, den Neubau des Regierungsviertels, den Umbau des Reichstagsgebäudes oder an die Debatte um dessen später weltweit gefeierte Verhüllung durch Christo und Jean-Claude? Wer weiß noch, in welch desaströsem Zustand die Stadt nach dem Mauerfall war? Heute ist Berlin ein Magnet für Touristen und Kreative aus aller Welt. All das verdankt die Metropole dem Engagement…mehr

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Produktbeschreibung
Eine denkbar knappe Entscheidung macht Berlin 1991 zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Doch es ist ein langer Weg, bis aus der geteilten Stadt die Metropole wird, die sie heute ist. Wer erinnert sich noch an den Regierungsumzug, den Neubau des Regierungsviertels, den Umbau des Reichstagsgebäudes oder an die Debatte um dessen später weltweit gefeierte Verhüllung durch Christo und Jean-Claude? Wer weiß noch, in welch desaströsem Zustand die Stadt nach dem Mauerfall war? Heute ist Berlin ein Magnet für Touristen und Kreative aus aller Welt. All das verdankt die Metropole dem Engagement vieler Einzelner. Hermann Rudolph zeichnet das Ringen um den Wiederaufstieg Berlins mit faszinierendem Sachwissen nach. Eine einzigartige Geschichte von Umbruch und Aufbruch einer Stadt.
Autorenporträt
Hermann Rudolph, 1939 in Oschatz/Sachsen geboren, wuchs in der DDR auf. Er arbeitete als Journalist für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Die Zeit", "Deutschlandfunk" und "Süddeutsche Zeitung", bevor er 1991 zum "Tagesspiegel" nach Berlin wechselte, zuerst als Chefredakteur, dann als Herausgeber. Er veröffentlichte "Die Herausforderung der Politik - Innenansichten der Bundesrepublik" (1985) und gab die Brautbriefe von Theodor Heuss und Elly Knapp heraus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Henning Köhler ist begeistert von Hermann Rudolphs Berlin-Buch, das er so ganz anders findet als alles Vergleichbare. Berliner Stadtgeschichte vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung, wie sie der Autor erzählt, hat Köhler noch nicht gelesen. Die Effekte auf Politik, Soziales und Mentales vermag ihm der Autor auseinanderzusetzen und zeigt dem interessierten Rezensenten nicht zuletzt auch, wie sich die Stadt architektonisch verändert. Rudolphs Zeitzeugenschaft scheint Köhler dabei hilfreich, und dass der Autor nicht sentimental wird, sondern auch die mannigfachen Schwierigkeiten beim Zusammenwachsen der beiden Stadthälften nüchtern benennt und beobachtet, rechnet Köhler ihm hoch an.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.02.2015

Nicht viele Freunde
Wie Berlin nach 1989 zur Hauptstadt wurde
Die Entscheidung des Bundestages in der Hauptstadtfrage im Juni 1991 wurde mit echter Spannung erwartet. Der Ausgang war ungewiss und zuletzt denkbar knapp, Berlin bekam achtzehn Stimmen mehr als Bonn. Die großen staatsführenden Parteien, SPD und CDU/CSU, waren tief gespalten und hatten mehrheitlich für Bonn votiert. Den Ausschlag mussten die kleinen Parteien geben, vor allem die PDS.
  Längst hat sich die Bundesrepublik an die neue Hauptstadt gewöhnt, selbst die Bonner Beamten arrangierten sich mit ihrem Schicksal. Ende 2000, ein gutes Jahr nach dem Umzug, wurden die Sonderzüge für die Wochenendheimfahrten ins Rheinland gestrichen. Aus den erwarteten 4700 Pendlern waren 650 geworden. Alles scheint geworden zu sein wie geplant, selbst die Kosten hielten sich im Rahmen. Die meisten dürften schon vergessen haben, wie mühsam sich alles entwickelte. Daran erinnert jetzt Hermann Rudolph, über viele Jahre Chefredakteur und Herausgeber des Tagesspiegels , mit seinem Buch „Berlin – Wiedergeburt einer Stadt“. Es geht um die Hauptstadtwerdung, so endet der Berichtszeitraum gegen 2000. Nur am Rande werden die wirtschaftliche Entwicklung, Wissenschaften und Künste oder Berlins Gesellschaft in den Blick genommen. Rudolph konzentriert sich auf die Zusammenfügung der beiden Stadthälften, die Baupolitik und vor allem auf das Verhältnis des Bundes und Berlins. Das allerdings ist interessant genug.
  Der Mauerfall hatte Berlin unvorbereitet getroffen. Seit März 1989 regierte eine Koalition aus SPD und Alternativer Liste. Beide Partner, die AL noch mehr als die SPD, hielten alle Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung des Landes für illusionäres Gerede. Und nun kam mit einem Schlag ihrer Realpolitik die Realität abhanden. Zur entstehenden deutschen Einheit ein Verhältnis zu entwickeln, taten sie sich schwer. Die AL war stolz darauf, mit allen Kräften zu bremsen, und auch die Berliner SPD hörte lieber Oskar Lafontaine zu als Willy Brandt. Aber sie nahm unter Anleitung Walter Mompers im Februar/März 1990 noch die Kurve, wo die AL stolz geradeaus steuerte. Die CDU genoss ihre Rolle als Rechthaber, aber sie sollte eben auch Recht behalten. Die Wahlen im Dezember 1990 brachten sie und Eberhard Diepgen erneut an die Macht. Aber es blieb beim Eindruck, dass Berlin im Streit über die künftige Hauptstadt ziemlich lau wirkte. Ganz anders Bonn, das mit allen Kräften um seine Position kämpfte.
  Der Kampf ging weiter, auch als der Bundestag entschieden hatte. Berlin, so schrieb die Zeit schon im Sommer 1991, habe eine Mehrheit, aber „noch nicht viele Freunde“. Besonders wenige unter den Bundesbeamten. Auch die für den Umzug zuständige Ministerin Irmgard Adam-Schwaetzer riss sich kein Bein aus. Und Berlin selbst gab sich nicht gerade gewinnend mit Parolen wie „Bürgerstadt statt Regierungszentrale“. Wie mickrig und maulig das Klima war, daran lässt Rudolph keinen Zweifel. Und doch urteilt er erstaunlich günstig über die Leistungen der Verwaltung und sogar der Politik, vor allem Diepgens, wenngleich sein Lob nicht ohne Giftzahn ist: „Die Berliner Politik ist erfolgreicher als ihr Ruf. Nur ist dieser Ruf alles andere als gut.“
  Wenn der Umzug zuletzt doch gelang, so lag es an den Westdeutschen, an Helmut Kohl, der in einem Spitzengespräch im Januar 1994 die Beteiligten anhielt, sich auf den Umzug zwischen 1998 und 2000 festzulegen. Das Schäuble/Lamers-Papier spielte eine Rolle, weil es die Bonner Ansprüche an die Unterbringung in Berlin reduzierte. Und Klaus Töpfer, nach der Wahl 1994 neuer Bundesbauminister, drehte in seiner aufgeräumten Art die Stimmung.
  Hermann Rudolph erinnert daran, welchen Weg die Bundesrepublik und Berlin zurückgelegt haben. Berlin und seine Repräsentanten haben in dieser Zeit nicht großartig, kraftvoll oder tatenfroh gewirkt. Und doch hat die Stadt erhebliche Schwierigkeiten bewältigt. Die Bonner Subventionen wurden innerhalb von vier Jahren gestrichen – West-Berlins Haushalt war bis 1989 zur Hälfte bundesfinanziert! Eine so jähe und gründliche Subventionskürzung hat es wohl noch nie gegeben, und sie wurde bewältigt, allerdings eher unter Wowereit und Sarrazin.
  Und wenn die Politik selten attraktiv aussieht, die Medien machen keinen besseren Eindruck. Das Urteil über Berlin als kommende Hauptstadt, gern mit dem Ernst historischer Überschau vorgetragen, wackelt in den 1990er-Jahren wie ein Lämmerschwanz. Beständiger urteilt auch die Bevölkerung nicht, wenn man die Umfragen zu Berlin und seiner Hauptstadtrolle liest. Wie wacklig eine politische Entwicklung wirkt, wenn der Betrachter neben ihr herlaufen muss, und wie selbstverständlich das Ergebnis sich zuletzt ausnimmt, das führt Hermann Rudolph zu unserer Beschämung vor.
STEPHAN SPEICHER
Hermann Rudolph: Berlin – Wiedergeburt einer Stadt. Mauerfall, Ringen um die Hauptstadt, Aufstieg zur Metropole. Quadriga Verlag, Berlin 2014. 432 Seiten, 24,99 Euro. E–Book: 18,99 Euro.
Eine so jähe und gründliche
Subventionskürzung hat es
wohl noch nie gegeben
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2015

Alte Köpfe, junge Zöpfe
Hermann Rudolph beschreibt, wie beide Stadthälften Berlins seit 1990 zusammengewachsen sind

Dieses Buch ragt aus der Flut der Berlin-Literatur hervor. Es ist eine einzigartige Stadtgeschichte vor dem Hintergrund der rasant sich vollziehenden Wiedervereinigung und ihren Auswirkungen auf die politische, soziale und mentale Entwicklung der Stadt. Zugleich findet das, was das Gesicht einer Stadt prägt, ihre Bauten und ihre Architektur, erhöhte Aufmerksamkeit. Der Autor ist ein erfahrener Journalist, der 1991 als Chefredakteur zum "Tagesspiegel" kam und die "sich selbst beschleunigende Dynamik" als Zeitzeuge verfolgen konnte. Hermann Rudolph beschreibt den einzigartigen Prozess des Näherkommens und Zusammenwachsens der beiden Stadthälften, ohne das Maß der kritischen Reaktionen in Ost und West zu leugnen, die die "Mauer in den Köpfen" haltbarer werden ließ als das hässliche Bauwerk selbst.

Das gespaltene Berlin ist der Ausgangspunkt. Der Kampf um Berlin als Hauptstadt und die erfolgreiche Durchsetzung dieses Anspruches sind das eigentliche Thema. Rasch wird das Dilemma Berlins deutlich: "Die Treue der Bundesrepublik zur Hauptstadt Berlin stand, wenn nicht auf tönernen, so doch bestenfalls auf rechtlich-moralischen Füßen." Hinzu kam die politische Situation zum Zeitpunkt des Mauerfalls. Durch West-Berlin ging ein Riss. Bei der rot-grünen Mehrheit unter Walter Momper, seit Januar 1989 an der Macht, stieß die neue Lage und damit die vage Möglichkeit der Wiedervereinigung eher auf Befremden, wenn nicht auf Ablehnung. So wollte die Grüne Antje Vollmer "von dem ganzen alten Nationalplunder" nichts mehr wissen. Andere wollten den "historischen Giftmüll" entsorgen.

Die erste Phase nach dem Mauerfall zeigte ein komplettes Durcheinander. Nüchtern beobachtet Rudolph die Gegensätze. Er sieht, dass das "Traumland des Aufbruchs auch seine Albträume" hervorbrachte. Das "Fernduell der Vorurteile" wurde mit Eifer betrieben. Jede Seite fühlte sich irgendwie als Opfer. Anfangs glaubte die SED-Verwaltung im Osten sich behaupten zu können; bald zeigt sich, "dass sie aus dem letzten Loch pfeift". West-Berlin blieb das "Rückgrat" der Stadt. Der Kampf um die Hauptstadt wird gemäß seiner beispielhaften politischen Bedeutung für den Wert gegebener Versprechen breit, doch differenziert dargestellt. Wie in diesem Fall geschieht es nicht oft, dass feierlich gegebene Zusagen so schamlos geleugnet und stattdessen versucht wird, die eigenen Interessen durchzusetzen. Zugleich wird deutlich, dass der Umzug mit der Abstimmung für Berlin im Bundestag am 20. Juni 1991 noch keineswegs sicher war. Allerdings ist es fraglich, ob die Stadt damals "haarscharf an einer Katastrophe vorbeigegangen" war. Parlamentarische Entscheidungen fallen oft knapp aus. Vielleicht sollte man sich eher auf die List der Vernunft berufen, die mit Hilfe der kleinen Parteien, auch der PDS, segensreich gewirkt hat.

Die Jahre danach wurden schwierig. Der Absturz des Ostens und die Rezession im Westen erzeugten eine gereizte Stimmung. Da vermittelte die Attrappe des Berliner Stadtschlosses, die Wilhelm von Boddien in täuschender Ähnlichkeit errichtet hatte, eine "Ahnung des Stadtraumes, den es hier einmal gab", und wurde so zum "Augenöffner".

Die Stagnation hatte noch andere Ursachen. Die völlig überforderte FDP-Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer war nicht in der Lage, für den nötigen Druck zu sorgen. Bundeskanzler Helmut Kohl, dessen Bemühen um den Auf- und Ausbau Berlins in dem Buch zu wenig zum Ausdruck kommt, wusste, dass 1994 Wahlen bevorstehen. Berlin durfte nicht wieder ins Gerede kommen und den Umzug gefährden. Um Ruhe zu schaffen, wurden im Januar 1994 Umzugstermin und Kostenobergrenze festgesetzt. Nach der knapp gewonnenen Wahl musste Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) notgedrungen sein Ressort aufgeben, um Bundesbauminister zu werden. Töpfers Entsendung nach Berlin war ein voller Erfolg. Er wurde sogar von der Presse einhellig gelobt.

Zwei Jahre später waren die Fortschritte beim Bau unübersehbar. Das Ödland am Potsdamer Platz verwandelte sich in einen großen Tagebau mit künstlichem See, den man von der roten Infobox besichtigen konnte; sie zog mehr Besucher an als alle Museen zusammen. In diesem Zusammenhang ist auf die Schrittmacherrolle hinzuweisen, die Edzard Reuter als Daimler-Chef gespielt hatte - "mit wirtschaftlichem Geltungsbedürfnis und Berlin-Patriotismus", einer in Berlin nur selten anzutreffenden Mischung.

Das Baugeschehen wurde ständig von einem Chor von Stimmen begleitet, die alles Mögliche, ein "Jahrhundertfiasko" oder sogar "Berlins vierte Zerstörung" befürchteten. Hinter dieser Klagemauer aus Architekturkritikern, Stadtsoziologen, den Bedenkenträgern der Wochenzeitung "Die Zeit" und vom "Spiegel" als "Zeitgeistorgan" vollzog sich tatsächlich die "Wiedergeburt" der Stadt: "Die neue Mitte wird ganz heimlich fertig" - als Synthese von Vergangenheit und Zukunft, indem die Neubauten im Grunde erst die "Neuentdeckung des Gewesenen", nämlich die erhalten gebliebene Bausubstanz ermöglichten. Dieses hervorragende Ergebnis ist vor allem das Werk von Hans Stimman, dem Senatsbaudirektor, der gegen vielfachen Widerstand die "Bewahrung der historischen Strukturen" zum Programm machte und dadurch nicht zuletzt auch der Traufhöhe Kultstatus verlieh. Nach fünf Jahren zeichnete sich eine Wende ab. So wurde der Pariser Platz, eine reine Ödnis, durch den Bau des Adlons "wieder erweckt". Die Kritik wertete den Neubau als "Theatercoup" ab, doch als ein Jahr später Bundespräsident Roman Herzog die Eröffnung vornahm, wurde die "legendäre Geschichte" des Hotels gefeiert.

György Konrád, der Präsident der Akademie der Künste, vermisste einmal bei einer der Einweihungen etwas ganz Wichtiges: "ein positives Verhältnis der Berliner zu ihrer Stadt". Sie müssten noch lernen, "sich zu mögen". Fünfundzwanzig Jahre nach dem Mauerfall zeigte das diesem Anlass gewidmete Fest: Die Berliner haben die Lektion gelernt. Sie haben den Stolz auf ihre Stadt wiedergefunden.

HENNING KÖHLER

Hermann Rudolph: Berlin - Wiedergeburt einer Stadt. Mauerfall, Ringen um die Hauptstadt, Aufstieg zur Metropole. Quadriga Verlag, Berlin 2014. 432 S., 24,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Es ist ein wunderbares Buch, weil es eine Zeit des Zauderns, der Ängste und der widerstreitenden Gefühle wieder lebendig macht" Berliner Zeitung, 05.06.2015 "Dieses großartige, knapp bebilderte Buch sei allen Berlin- und Architekturinteressierten als an- und aufregende Lektüre empfohlen." Bauwelt, 09.12.2016
Nicht viele Freunde

Wie Berlin nach 1989 zur Hauptstadt wurde

Die Entscheidung des Bundestages in der Hauptstadtfrage im Juni 1991 wurde mit echter Spannung erwartet. Der Ausgang war ungewiss und zuletzt denkbar knapp, Berlin bekam achtzehn Stimmen mehr als Bonn. Die großen staatsführenden Parteien, SPD und CDU/CSU, waren tief gespalten und hatten mehrheitlich für Bonn votiert. Den Ausschlag mussten die kleinen Parteien geben, vor allem die PDS.

  Längst hat sich die Bundesrepublik an die neue Hauptstadt gewöhnt, selbst die Bonner Beamten arrangierten sich mit ihrem Schicksal. Ende 2000, ein gutes Jahr nach dem Umzug, wurden die Sonderzüge für die Wochenendheimfahrten ins Rheinland gestrichen. Aus den erwarteten 4700 Pendlern waren 650 geworden. Alles scheint geworden zu sein wie geplant, selbst die Kosten hielten sich im Rahmen. Die meisten dürften schon vergessen haben, wie mühsam sich alles entwickelte. Daran erinnert jetzt Hermann Rudolph, über viele Jahre Chefredakteur und Herausgeber des Tagesspiegels , mit seinem Buch „Berlin – Wiedergeburt einer Stadt“. Es geht um die Hauptstadtwerdung, so endet der Berichtszeitraum gegen 2000. Nur am Rande werden die wirtschaftliche Entwicklung, Wissenschaften und Künste oder Berlins Gesellschaft in den Blick genommen. Rudolph konzentriert sich auf die Zusammenfügung der beiden Stadthälften, die Baupolitik und vor allem auf das Verhältnis des Bundes und Berlins. Das allerdings ist interessant genug.

  Der Mauerfall hatte Berlin unvorbereitet getroffen. Seit März 1989 regierte eine Koalition aus SPD und Alternativer Liste. Beide Partner, die AL noch mehr als die SPD, hielten alle Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung des Landes für illusionäres Gerede. Und nun kam mit einem Schlag ihrer Realpolitik die Realität abhanden. Zur entstehenden deutschen Einheit ein Verhältnis zu entwickeln, taten sie sich schwer. Die AL war stolz darauf, mit allen Kräften zu bremsen, und auch die Berliner SPD hörte lieber Oskar Lafontaine zu als Willy Brandt. Aber sie nahm unter Anleitung Walter Mompers im Februar/März 1990 noch die Kurve, wo die AL stolz geradeaus steuerte. Die CDU genoss ihre Rolle als Rechthaber, aber sie sollte eben auch Recht behalten. Die Wahlen im Dezember 1990 brachten sie und Eberhard Diepgen erneut an die Macht. Aber es blieb beim Eindruck, dass Berlin im Streit über die künftige Hauptstadt ziemlich lau wirkte. Ganz anders Bonn, das mit allen Kräften um seine Position kämpfte.

  Der Kampf ging weiter, auch als der Bundestag entschieden hatte. Berlin, so schrieb die Zeit schon im Sommer 1991, habe eine Mehrheit, aber „noch nicht viele Freunde“. Besonders wenige unter den Bundesbeamten. Auch die für den Umzug zuständige Ministerin Irmgard Adam-Schwaetzer riss sich kein Bein aus. Und Berlin selbst gab sich nicht gerade gewinnend mit Parolen wie „Bürgerstadt statt Regierungszentrale“. Wie mickrig und maulig das Klima war, daran lässt Rudolph keinen Zweifel. Und doch urteilt er erstaunlich günstig über die Leistungen der Verwaltung und sogar der Politik, vor allem Diepgens, wenngleich sein Lob nicht ohne Giftzahn ist: „Die Berliner Politik ist erfolgreicher als ihr Ruf. Nur ist dieser Ruf alles andere als gut.“

  Wenn der Umzug zuletzt doch gelang, so lag es an den Westdeutschen, an Helmut Kohl, der in einem Spitzengespräch im Januar 1994 die Beteiligten anhielt, sich auf den Umzug zwischen 1998 und 2000 festzulegen. Das Schäuble/Lamers-Papier spielte eine Rolle, weil es die Bonner Ansprüche an die Unterbringung in Berlin reduzierte. Und Klaus Töpfer, nach der Wahl 1994 neuer Bundesbauminister, drehte in seiner aufgeräumten Art die Stimmung.

  Hermann Rudolph erinnert daran, welchen Weg die Bundesrepublik und Berlin zurückgelegt haben. Berlin und seine Repräsentanten haben in dieser Zeit nicht großartig, kraftvoll oder tatenfroh gewirkt. Und doch hat die Stadt erhebliche Schwierigkeiten bewältigt. Die Bonner Subventionen wurden innerhalb von vier Jahren gestrichen – West-Berlins Haushalt war bis 1989 zur Hälfte bundesfinanziert! Eine so jähe und gründliche Subventionskürzung hat es wohl noch nie gegeben, und sie wurde bewältigt, allerdings eher unter Wowereit und Sarrazin.

  Und wenn die Politik selten attraktiv aussieht, die Medien machen keinen besseren Eindruck. Das Urteil über Berlin als kommende Hauptstadt, gern mit dem Ernst historischer Überschau vorgetragen, wackelt in den 1990er-Jahren wie ein Lämmerschwanz. Beständiger urteilt auch die Bevölkerung nicht, wenn man die Umfragen zu Berlin und seiner Hauptstadtrolle liest. Wie wacklig eine politische Entwicklung wirkt, wenn der Betrachter neben ihr herlaufen muss, und wie selbstverständlich das Ergebnis sich zuletzt ausnimmt, das führt Hermann Rudolph zu unserer Beschämung vor.

STEPHAN SPEICHER

Hermann Rudolph: Berlin – Wiedergeburt einer Stadt. Mauerfall, Ringen um die Hauptstadt, Aufstieg zur Metropole. Quadriga Verlag, Berlin 2014. 432 Seiten, 24,99 Euro. E–Book: 18,99 Euro.

Eine so jähe und gründliche
Subventionskürzung hat es
wohl noch nie gegeben

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