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Lev and Svetlana, kept apart for fourteen years by the Second World War and the Gulag, stayed true to each other and exchanged thousands of secret letters as Lev battled to survive in Stalin's camps. This book tells the story of two young Russians whose love survived Stalin's Gulag.

Produktbeschreibung
Lev and Svetlana, kept apart for fourteen years by the Second World War and the Gulag, stayed true to each other and exchanged thousands of secret letters as Lev battled to survive in Stalin's camps. This book tells the story of two young Russians whose love survived Stalin's Gulag.
Autorenporträt
Orlando Figes
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2013

Russische Zärtlichkeit
Orlando Figes über eine Liebe, die den Krieg überlebte

Russland als zuverlässigem Lieferanten tragischer Lebensgeschichten fehlt es oft an der Kraft, aus dem Stroh der Fakten das literarische Gold eines kulturellen Schatzes zu spinnen. Für die russische historische Gesellschaft Memorial, die ein stetig wachsendes Archiv von persönlichen Erinnerungen von Stalinopfern hütet, war es daher ein Glücksfall, dass der in London lehrende Historiker Orlando Figes aufgrund von Memorial-Material zwei erfolgreiche, in viele Sprachen übersetzte Bücher über das Überleben in der Stalinzeit herausbrachte. Mittlerweile ist nach seinem Oral-History-Wälzer "Die Flüsterer" auch sein Buch "Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne" über eine Liebe, die Krieg und GULag überdauerte, bei uns erschienen, in deutscher Übersetzung von Bernd Rullkötte. Umso bedauerlicher, jetzt von Memorial erfahren zu müssen, dass man dort mit dem englischen Starautor nichts mehr zu tun haben will.

Der Stoff, aus dem Figes ein literarisches Denkmal formt, ist noch immer im Memorial-Keller an der Straße Karetnyj rjad zu bewundern: zwei bleischwere Koffer plus etlicher Pappschachteln voll säuberlich gefalteter, verschnürter und geordneter Briefe, die Lew Mischtschenko (1917 bis 2008) und Swetlana Iwanowa (1917 bis 2010), seine Jugendfreundin und spätere Frau, in den vierziger und fünfziger Jahren aneinander richteten, während er als verurteilter Volksfeind im Straflager Petschora nahe dem Polarkreis einsaß. Die Memorial-Mitvorsitzende Irina Ostrowskaja, die mit dem betagten Ehepaar Mischtschenko befreundet war, hatte die Korrespondenz gesichert und, nachdem sie Lew vergeblich dazu gedrängt hatte, seine Memoiren zu vollenden, sie für Figes abschreiben lassen und dessen Manuskript lektoriert.

Figes lernte Swetlana Alexandrowna und Lew Glebowitsch noch selbst kennen. Gestützt auf Gespräche mit ihnen sowie auf ihre lückenlos erhaltenen Briefe - 1246 an der Zahl -, schreibt er auch ein wichtiges Stück Mentalitätsgeschichte. Swetlana, mittleres von drei Kindern eines "altbolschewistischen" Physikers, und Lew, dessen Eltern im Bürgerkrieg getötet wurden, lernten sich Mitte der dreißiger Jahre beim Physikstudium in Moskau kennen und wurden durch den Zweiten Weltkrieg getrennt. Lew kam bald in deutsche Gefangenschaft, ins Arbeitslager, nach Buchenwald und galt als Überlebender später in seiner Heimat als Vaterlandsverräter. Swetlana wurde mitsamt der Moskauer Universität ins turkmenische Aschchabad evakuiert, wieder zurückgebracht und erfuhr dort, Lew sei verschollen. Die Naturwissenschaftlerin umschreibt in einem späteren Brief ihre Tränenströme knapp als "H2O-Verlust". Für ihre Depression damals findet sie den schönen Vergleich mit einem Zwergstern, der seine Elektronenhülle verloren und nur den Kern bewahrt hat: Ihr Herz habe sich gleichsam in sich zurückgezogen, die Brust bestand aus Leere und Qual, sie habe nirgends hingehen, mit niemandem sprechen, nichts lesen können.

Lew meldete sich erst 1946 wieder, und zwar nicht bei Swetlana, von der er nicht wusste, ob sie noch lebte, ob sie eine Familie gegründet hatte, und der er als Häftling keine Unannehmlichkeiten bereiten wollte, sondern bei einer Tante, die er nach ihr befragte. Swetlana schrieb sofort zurück, vorwurfsvoll, euphorisch. Sie erzählt von ihrer Arbeit im strategischen Gummitestwerk, von ihrer Familie, vom Moskauer Alltag; dann schickt sie ihm Bücher, Kleidung, Vitamine, Liebesgedichte, macht ihm Mut. Lew hat einen für GULag-Verhältnisse komfortablen Job im Stromkraftwerk des Holzkombinats und echte Freunde. Zugleich muss er beobachten, wie die Rechtlosigkeit der Häftlinge Charaktermängel eskalieren lässt. Aus Missmut werde Hass, notiert er, aus Sprödigkeit Aggression, was leicht in Raub und Totschlag ende.

Dieser Lager-Roman hat weder den didaktischen Impuls von Solschenizyn noch den erbarmungslosen Blick eines Schalamow. Figes' Buch liefert herzzerreißende Szenen vom Tod von Lews Eltern, von der Brutalität von Aufsehern und Kriminellen. Doch die Wechselrede zweier Liebender über 2170 Kilometer und zehn Jahre hinweg, die als Perlenkette von Direktzitaten das Ganze verklammert, erhellt die bittere Welt durch Hoffnung - oder "aktives Warten", wie es Swetlana in einem Brief nennt -, Trostworte, Anteilnahme und Fürsorge für Angehörige und Freunde, die, aus Rücksicht auf die mitlesenden Zensoren, nur als Initialen auftauchen. Gelegentliche, oft auch verklausulierte Zärtlichkeitsausbrüche wirken umso rührender. Swetlana schaffte es sogar, Lew fünfmal in Petschora zu besuchen, einmal heimlich, viermal offiziell, dreimal für ein paar Stunden, zweimal ein paar Tage. Wobei es für Lew fast selbstverständlich war, die Liebe, aus der für Swetlana keine untragbaren Lasten hervorgehen sollten, nicht physisch zu vollziehen.

Figes' Helden sind Exemplare jener inzwischen nahezu ausgestorbenen Art der Sowjetintelligenzija, die persönliche Bescheidenheit mit striktem Verantwortungsgefühl für andere, auch das eigene Land, reißfest miteinander verbunden hat. Sie war die vielleicht nobelste Hervorbringung des kommunistischen Ethos von Besitzlosigkeit und Solidarität. Figes, der in seiner Erzählung neben konkreten Ereignissen, Umständen und Hintergründen auch diese soziale Kultur schildert, gelingt es gleichwohl nicht immer, ihren emotionalen Ton zu treffen. Wenn Lew bei Kriegsende das Angebot amerikanischer Offiziere, in die Vereinigten Staaten auszuwandern, ausschlägt, weil er, wie es bei Figes heißt, "seinem Herzen folgen musste", so klingt das arg nach Schlagertext. Die Beschreibung des freigelassenen Lew, dessen bleiches, erschöpftes Aussehen angeblich alle augenblicklich den früheren Häftling erkennen lässt, ist gar zu melodramatisch. Zugleich tritt der Autor, wenn es um äußere Widrigkeiten geht, zuweilen übermäßig aufs Pedal, etwa wo er von Panik bei der Evakuierung von Moskau, vom angeblich gewohnheitsmäßigen Diebstahl aus Paketsendungen oder von Lagerwärterfrauen als Zensorinnen berichtet.

Letzteres wäre undenkbar gewesen, entrüstet sich die Memorial-Historikerin Irina Ostrowskaja, die außerdem Figes' Absorption von äußerer Unbill im Leben von Swetlana und Lew und seine Taubheit für ihre Spiritualität stellenweise sogar beleidigend für beider Andenken findet. Doch wer hätte sonst die Zeit und Mittel aufgebracht, um die unerzählt in Archiven schlummernden Geschichten aus der Stalinzeit für uns Heutige aufzuarbeiten?

KERSTIN HOLM

Orlando Figes: "Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne. Eine Geschichte von Liebe und Überlebenden in Zeiten des Terrors".

Verlag Hanser Berlin, Berlin 2012. 384 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

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