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Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht. Doch im Alltag begegnet man so manchem Denk- und Redeverbot. Thilo Sarrazin analysiert in seinem neuen Buch den grassierenden Meinungskonformismus. Wer Dinge ausspricht, die nicht ins gerade vorherrschende Weltbild passen, der wird gerne als Provokateur oder Nestbeschmutzer ausgegrenzt.
Mit gewohntem Scharfsinn prangert Thilo Sarrazin diesen Missstand an, zeigt auf, wo seine Ursachen liegen, und benennt die 14 vorherrschenden Denk- und Redeverbote unserer Zeit.

Produktbeschreibung
Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht. Doch im Alltag begegnet man so manchem Denk- und Redeverbot. Thilo Sarrazin analysiert in seinem neuen Buch den grassierenden Meinungskonformismus. Wer Dinge ausspricht, die nicht ins gerade vorherrschende Weltbild passen, der wird gerne als Provokateur oder Nestbeschmutzer ausgegrenzt.

Mit gewohntem Scharfsinn prangert Thilo Sarrazin diesen Missstand an, zeigt auf, wo seine Ursachen liegen, und benennt die 14 vorherrschenden Denk- und Redeverbote unserer Zeit.

Empfehlung der bücher.de Redaktion

Der neue Tugendterror, Thilo Sarrazin


Bereits 2010 hat Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“, in dem er über Themen wie missglückte Integration, Islamisierung und vermeintliche genetische Unvereinbarkeiten berichtet, stark provoziert, heiße Diskussionen entfacht und Millionen von Menschen zweigespalten. Die Nachrichten sämtlicher Tageszeitungen und Magazine waren voll mit den strittigen Theorien Sarrazins. Im Mai 2012 erschien ein weiterer kritischer Titel des ehemaligen Bundesbankvorstandes mit dem Thema „Europa braucht den Euro nicht“. Nun hat der skandalträchtige SPD-Politiker und frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin mit „Der neue Tugendterror“ ein weiteres Buch geschrieben, welches von fehlenden Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland handelt.

Mit Der neue Tugendterror möchte Thilo Sarrazin aufmerksam machen und Bewusstsein schaffen für die Missstände in unserem Land.

Der in Gera geborene Thilo Sarrazin ist Mitglied der SPD. Mit seinen wagemutigen Thesen zur Einwanderung und zum Euro hat er sich auch in seiner eigenen Partei alles andere als Freunde gemacht. Andererseits hat er aber auch Zuspruch erhalten.

Thilo Sarrazin ist ein Querdenker, der keine Scheu zeigt, Insider-Informationen und unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Er geht keinem Konflikt aus dem Weg, im Gegenteil, er schafft sie sich selbst.
Nach sieben Jahren als Finanzsenator stieg Dr. rer. pol. Sarrazin 2009 in den Vorstand der Bundesbank auf. Doch schon eineinhalb Jahre später musste er den Vorstandsposten aufgrund seines umstrittenen Buches wieder räumen. Seither konzentriert sich Thilo Sarrazin darauf, sein Wissen aus Wirtschaft, Geschichte und Kultur als Autor und Redner nach außen zu tragen.
Lesen Sie jetzt die nackten Tatsachen über die Missstände in unserer Gesellschaft: Der neue Tugendterror
Autorenporträt
Sarrazin, Thilo
Thilo Sarrazin ist einer der profiliertesten politischen Köpfe der Republik, ein Querdenker, der sich nicht scheut, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Als Fachökonom war er Spitzenbeamter und Politiker, er war verantwortlich für Konzeption und Durchführung der deutschen Währungsunion, beaufsichtigte die Treuhand und saß im Vorstand der Deutschen Bahn Netz AG. Von 2002 bis 2009 war er Finanzsenator in Berlin, anschließend eineinhalb Jahre Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Sein Buch »Deutschland schafft sich ab« (2010) wurde ein Millionenerfolg und löste eine große gesellschaftliche Debatte aus. Bei der DVA erschien zuletzt von ihm »Europa braucht den Euro nicht« (2012).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Thilo Sarrazin scheint von der hochgeschaukelten Debatte um sein Buch "Deutschland schafft sich ab" vor allem ein unbedingtes Rechtfertigungsbedürfnis geblieben zu sein, berichtet Jens Jessen. Falsch verstanden fühlt er sich, vor allem von den Altlinken, dem "ökologisch-vegetarisch-feministisch-pazifistischen Komplex", der die Augen vor den Tatsachen verschließe, erklärt der Rezensent. Das vereinte Zetermordio der Presse sieht Sarrazin am Ende einer langen Tradition des Tugendeifers stehen, die ihren Anfang mit der Offenbarungswahrheit des Monotheismus genommen habe, so Jessen. Genau diesen Eifer will Sarrazin in seinem Buch "Der neue Tugendterror" beschreiben, allerdings vermutet der Rezensent hinter den "kleinen ängstlichen Selbstdistanzierungen", die er entdeckt hat, gleichzeitig einen leisen Hilferuf.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2014

Kampf der Giganten

Zwei aktuelle Sachbuchbestseller wenden sich gegen den Gleichheitsterror. Welchen soll man lesen? Den von Thilo Sarrazin oder den von Guido Maria Kretschmer?

Gleich zwei Sachbücher, die in den Bestsellerlisten gerade Spitzenplätze belegen, beschäftigen sich mit demselben Thema: dem Gleichheitsdenken, das in unserer Gesellschaft herrscht. Und beide kommen sie zum selben faszinierenden Ergebnis: Damit muss Schluss sein!

Doch der Reihe nach.

Nach dem überraschenden Erfolg seiner beiden vorangegangenen Bücher fühlte sich Thilo Sarrazin, 69, offenbar aufgefordert, der Welt ein weiteres Mal seine Gedankengänge nicht vorzuenthalten. Diesmal hat er ein sehr persönliches Werk verfasst, beinahe schon ein Memoir, in dem er alle, die nicht davon abzuhalten sind, es zu lesen, in seine Gefühlswelt der vergangenen Jahre entführt. Kurz: Er war ziemlich betrübt. Vielleicht sogar ein klitzekleines bisschen sauer. Gut, sagen wir: vergrämt. Und zwar über die Reaktionen, die insbesondere sein Debüt, das 2010 erschienene "Deutschland schafft sich ab", in der Presse hervorgerufen hatte. Vor allem aus den Feuilletons sei ihm da - (ich formuliere das jetzt in meinen eigenen Worten, bitte, Herr Sarrazin, keinen Leserbrief!) - nichts als tumber Hass entgegengeschlagen, höchstens vielleicht hier und da mal unterbrochen von einem gereizten Schnapphusten. Und so besteht sein neues Werk zu gut einem zähen Fünftel daraus, seinen Kritikern von damals zu widersprechen. Also seine alten Thesen nochmals wiederzukäuen und darzulegen, warum nicht er, sondern all jene irrten, die ihm etwa vorwarfen, ein solider Rassist oder gefährlicher Ideologe zu sein.

So weit, so gegen die kluge Regel des englischen Königshauses: never complain, never explain.

Im Kern aber handelt "Der neue Tugendterror" davon, dass man auf Unterschieden zwischen unterschiedlichen Menschengruppen beharren soll. Dass Frauen nicht wie Männer sind, Eheschließungen zwischen Homosexuellen nicht das Gleiche wie Eheschließungen von Heterosexuellen oder - Achtung, ganz dünnes Eis! - dass die Intelligenz Dunkelhäutiger nicht die gleiche sei wie die blasser Menschen. (Von künstlich befruchtet auf die Welt gebrachten Menschen ist übrigens nirgends die Rede - ob da weitere Bücher in Planung sind?) Zwischen den Zeilen, und zwar zwischen allen, raunt stets das dumpfe Mantra aller sich zu kurz gekommen fühlenden Holzköpfe (vgl. hierzu Sibylle Lewitscharoff): "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen." Zum Beispiel "Neger". (Denn, so die originelle Logik: Es habe den African Americans schließlich auch nichts genutzt, sich jetzt eben so zu nennen, jetzt mal rein wirtschaftlich gesehen.) Dem DVA-Verlag kommt bei der ganzen unappetitlichen Chose dieselbe Rolle zu wie einem abgeranzten Stammtisch einer dunklen Eckkneipe in irgendeinem Ort, der so gottverlassen ist, dass kein klar denkender Mensch, der Geld genug hat, sich eine Trambahnkarte zu leisten, jemals lange genug dort bleiben würde, sich zu setzen.

Das andere Werk, das wir uns ansehen wollen, wurde von einem Mann geschrieben, der seit kurzem in diesem Land als bekannter Designer, pardon, laut Buchbinde sogar als "Stardesigner" gilt. Als Modeschöpfer. Mindestens vom Weltrang eines Michael Michalsky. Als solcher tritt Guido Maria Kretschmer, 48, in der beliebten Fernsehsendung "Shopping Queen" als Juror auf, wo er das Talent von Frauen beurteilt, sich Kleidung zu kaufen, die ihnen steht. Wenn Sie jemals jemanden über ihn haben reden hören, wird mit Sicherheit das Wort "sympathisch" gefallen sein. Und dies scheint, liest man sein Buch, tatsächlich sein größtes Talent zu sein (wobei ich mir hier kein Urteil über seine Mode erlauben kann, da ich sie schlichtweg nicht kenne). Doch ist es ja schon mal nicht das Schlechteste, wenn einem der Verfasser eines Buchs wenigstens sympathisch ist (vgl. hierzu Thilo Sarrazin, "Der neue Tugendterror"). Sympathisch also, wenn auch schriftstellerisch alles andere als stilsicher, entwirft Kretschmer folgende Grundthese: Es ist ein Fehler zu glauben, wir (Frauen) seien alle gleich. Nein - Kretschmer will nicht weniger als zehn Hauptfigurentypen ausgemacht haben, die er seinen Leserinnen in einzelnen Kapiteln vorstellen wird. Jeden Hauptfigurentyp kennt er persönlich, und er wird von seinen Begegnungen mit ihnen erzählen, doch, sympathisch, wie es nun mal seine Natur ist, hat er sich einen raffinierten Trick ausgedacht, um die Identität seiner Lieben zu schützen: Jede einzelne hat er mit dem Decknamen "Frau Meisenkaiser" bedacht, zu ihrer eigenen jeweiligen Sicherheit.

Seine Weltsicht ist dabei für einen Stardesigner überraschend provinziell: Da tauchen als drohendes Hintergrundszenario die "kurvigen Kolleginnen im Büro" auf, und fürs "Office-Outfit" werden besser nicht zu sexy Schuhe empfohlen, denn: "Sie wollen Ihren Chef ja nicht in Verlegenheit bringen." Was aber, fragt man sich, wenn die Leserin höchstselbst der Chef ist? Gehen dann sexy Schuhe, und wenn ja, wie viele? Einem seiner Hauptfigurentypen, von ihm als "Die Perfekte" klassifiziert, empfiehlt er neben vertikalen Knopfleisten und Rockschlitzen inbrünstig, bitte "einen Traummann" zu heiraten. Das soll wohl das heilige Ziel aller Frauen Meisenkaisers sein, und dabei möchte der nette Herr Kretschmer eben helfen, so gut er nur kann.

Dabei weiß sogar er, dass nicht jede Ehe erstrebenswert ist. "Die Ehe ist eben manchmal mehr ,-schaft' als optimaler ,Partner-'", schreibt er einmal in einem seiner allerschönsten schiefen Bilder.

Was mich wiederum zu Sarrazin führt, der vor schiefen Bildern auch nicht sicher ist, wenn ihm diese auch seltener unterlaufen, was seiner Beamtensprache geschuldet ist. Aber, bitte sehr, hier, mein persönliches Highlight, zu finden in einem Kapitel über geschlechtergerechte Sprache: "Sie (die Bemühungen um geschlechtergerechte Sprache, Anm. d. Red.) sind im weitesten Sinne Ausfluss der Frauenbewegung." Wenn das nicht herrlich ist, was dann!

Am allerlustigsten in Sarrazins Buch sind allerdings die Passagen im hinteren Drittel, in denen er sich in Rollenprosa versucht. Da gibt er, kursiv gesetzt, seitenweise jeweils Thesen und Meinungen von sich, die nicht seiner Überzeugung entsprechen, um sie anschließend - unkursiv - auf noch mehr Seiten mit genüsslicher Pedanterie vermeintlich zu widerlegen. (Nur weil ich es gerade gegoogelt habe: Die Schweiz kennt besonders schöne Synonyme für Korinthenkacker, nämlich Tüpfli- oder auch Pünktlischisser.) Auf den Einfall mit den verteilten Rollen scheint er selbst ein wenig stolz, nicht nur erklärt er seine Methode vorab, sondern anschließend gleich noch einmal, nennt sich selbst einen "Diskussionsveteran", da er schon bei den Pfadfindern ganz alleine Nato und Kapitalismus habe verteidigen müssen, da alle anderen Pfadfinder "recht links" eingestellt gewesen seien. Später, im Berliner Senat, sei ihm diese Schulung sehr nützlich gewesen, denn obwohl immer dagegen, habe er doch stets nachvollziehen können, wie die Vertreter der PDS dachten.

Schade, dass ich nie bei den Pfadfindern war. So habe ich, obwohl immer dagegen, keine Ahnung, wie Thilo Sarrazin denkt. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich wirklich beinahe Tränen gelacht habe, als ich mir die Passagen, in denen er so tut, als sei er sein eigener Gegner, laut vorgelesen habe. Ich musste die ganze Zeit an das böse Krokodil im Kasperletheater denken, das seit jeher auf Kindergeburtstagen von Müttern und Vätern mit verstellter Stimme gesprochen wird. Aber - lesen Sie es nicht selbst, sooooo lustig ist es auch wieder nicht, das enorme Komikpotential entfaltet sich vermutlich nur, wenn man die 226 trockenen Seiten vorher gelesen hat, und das möchten Sie nicht.

Am meisten Spaß mag ihm selbst vielleicht der Absatz gemacht haben, in dem er mit verstellter Stimme über sich selbst, Thilo Sarrazin, schreibt: "Oder nehmen wir diesen krassen Typen mit dem roten Buch, in dem er sich über Kopftücher und Kinderzahlen ausgelassen und seinen Lesern Angst gemacht hat. Die Werktätigen haben das gekauft wie verrückt und gar nicht gemerkt, was für eine Natter am Busen des Sozialstaates sie damit nähren. Da lobe ich mir doch das andere rote Buch, die Mao-Bibel. Die gab es überall umsonst. Da merkt man sofort, wo die Menschenfreunde und wahren Sozialisten sitzen."

Zurück zur Mode.

"Mode ist ein soziales Zeichensystem, in dem sich Gruppen erkennen, finden und voneinander abgrenzen." So steht es bei Thilo Sarrazin. Bei Kretschmer findet sich dieselbe Aussage, nur um ein Ideechen weniger konzise formuliert: "Die Aufforderung nach Aufmerksamkeit, das ,SEHT HER, ich bin da!' und das ,Bitte nicht anschauen' stehen als zum Stoff gewordener Code ein Leben lang zwischen uns Menschen." (sic) (oder auch: sick)

Ich werde Sie jetzt mit einigen der verschiedenen Hauptfigurentypen vertraut machen. Zu unterscheiden seien unter anderen: das "sympathische Brett"; die bereits erwähnte "Perfekte"; die "kleine Elfe"; der "Kugelfisch"; das "Erdmädchen"; und das "Buddhagirl". Jedem Typ wird anschließend ein Buchstabe zugeordnet, der sozusagen die jeweilige Körperform widerspiegelt (O-Form = Kugelfisch), und an dieser Stelle drei Kreuze, dass das Buch nicht in chinesischer Sprache verfasst ist! So kommt es dann zu so abgrundtief schönen Sätzen wie jenem: "Eine Frau ist nicht nur der O- bzw. A-Typ, ist nicht H oder X, sondern häufig auch eine Kombination von Buchstaben." Falls Sie sich also immer schon mal gefragt haben, was ist das eigentlich: eine Frau. Nun wissen Sie es.

Und dann stehen noch ein paar sinnvolle Tipps in diesem Buch, wie zum Beispiel der, dass man beim Shoppen die Öffnungszeiten der Läden nicht außer Acht lassen soll.

Am häufigsten gebrauchte Wörter: "Frauen"; "BH"; "Bein"; "Beine"; "Beine, Beine und nochmals Beine".

Schönster Satz: "Sie konnte laufen wie ein Engel und sich übergeben wie eine Königin."

Und bei Sarrazin?

Am allerallerliebsten gebraucht er das Wort "Axiom" (auch "Axiomatik"). Da er seine Leser für dümmer hält als sich selbst, wird der Begriff beim ersten Auftauchen in einer Fußnote erklärt, weitere elf Male muss der Leser dann aber alleine zurechtkommen.

Mein persönlicher Lieblingssatz: "Es zeugt vom ungebrochenen Selbstbewusstsein der Juden, dass sie nie versucht haben, den vielfältigen Formen von Antisemitismus durch Namensänderung zu entgehen." Gefolgt von: "Die Stiefschwester der Gleichheit ist der Neid." Und da ja die Kürze bekanntlich der Halbbruder meiner Mutter ist, findet dieser Text hier sein Ende - bitte, entscheiden Sie selbst.

JOHANNA ADORJÁN

Guido Maria Kretschmer: "Anziehungskraft". Edel Books, 237 Seiten, 17,95 Euro; Thilo Sarrazin: "Der neue Tugendterror". DVA, 400 Seiten, 22,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2014

Mit kühlem Kopf und kaltem Herzen
Thilo Sarrazin geißelt den „Tugendterror“ der Medien und kocht seine früheren Thesen auf
Es ist schon sehr verwunderlich, dass gerade einer wie Thilo Sarrazin die Grenzen der Meinungsfreiheit beklagt. Hatte der frühere SPD-Politiker doch mit seinen Büchern „Deutschland schafft sich ab“ und „Europa braucht den Euro nicht“ gigantische Auflagen erzielt, war für Fernsehtalkshows abonniert, beherrschte die Schlagzeilen. Doch einen Maulkorb macht er nun im Buch „Der neue Tugendterror“ aus. Der „gesellschaftlich akzeptierte Kreis des Sagbaren und Denkbaren“ werde durch die linke Medienmacht begrenzt, schreibt Sarrazin. Zunehmend werde die freie Betrachtung der Gesellschaft „in vorgefasste Raster gepresst“ – bei Zuwiderhandlung drohten Sanktionen. Demnach ist es pure Kühnheit und grenzt an ein Wunder, dass das Buch am Montag erscheinen konnte, Startauflage 100 000 Exemplare übrigens.
  Es ist zunächst mal ein Ich-Buch geworden, es geht um die Reaktionen auf seinen Erstling. Darin hat sich der gelernte Volkswirt als Genetiker und Bildungsexperte hervorgetan. Die Kernthesen damals, die er erneut aufführt, lassen sich zusammenfassen im Lamento: Das Land schrumpft und verdummt. Oder etwas hochmögender: Die Kinderzahl „korreliert negativ“ mit dem Status und der Intelligenz der Eltern, im Gegenzug senkt die „spezifische Einwanderung“ aus der Türkei, aus Afrika und Nahost „das durchschnittliche Niveau der Bildungsleistung“. Für das neue Buch hat sich Sarrazin nun zwei neue Professionen ausgesucht: Kommunikationswissenschaftler und Pressedokumentar.
  So sammelt er penibel Dutzende Artikel, diagnostiziert ein breit angelegtes Mobbing, „Falschaussagen sprossen munter weiter wie Löwenzahn auf der Frühlingswiese“. Danach stellt er mittels einiger Grundlagenwerke der Psychologie und Soziologie fest: So wie die Haut Hitze und Kälte spüre und so ein Bild vom Wetter liefere, „so reagieren Menschen mit feinsten Sensoren auf den Stand, die Richtung und die Schwankungen der öffentlichen Meinung“. Daher hätten die Bürger die Scheu, sich zu Meinungen zu bekennen, die sie nicht als mehrheitstauglich wahrnehmen.
  Das Opfer dieses Prozesses: er selbst. Gejagt von Tugendterroristen in den Redaktionsstuben, verteufelt in der Politik, vergrault aus dem Vorstand der Bundesbank. „Soziale Isolierung, ausgesprochen durch den Fluch des Medizinmanns, war schon im afrikanischen Busch ein probates Mittel, um Menschen erst in den sozialen und dann in den physischen Tod zu treiben“, schreibt ein quicklebendiger, aber offenbar gekränkter Sarrazin. Es sei auch „erst 380 Jahre her, dass Galileo Galilei unter dem Druck der Inquisition widerrief, dass sich die Erde um die Sonne dreht“.
  Das ist nicht die einzige historische Anleihe, die „Blutspur“ der Französischen Revolution, Hexenverbrennungen oder das antike Scherbengericht zur Verbannung prägen das Buch. Zumindest indirekt stets verknüpft mit dem Wirken eines gewissen Thilo Sarrazin. Das Komplott gegen ihn erklärt er einerseits mit der „politischen Korrektheit“, einem „hermetischen Code des Guten, Wahren und Korrekten“. Andererseits sieht er ein „Gleichheitspostulat“, das alle Unterschiede zwischen Menschen, Religionen und sozialen Gruppen verneinen wolle. Eine Mehrheit der Journalisten ordneten ihr Denken links von ihrem Publikum ein. „Die Trümmer der historisch diskreditierten Lehren treiben nach wie vor als moralisches Strandgut auf den Meeren der Geistesgeschichte.“ Nicht mal auf das miese Ergebnis türkischstämmiger Schüler in der Pisa-Studie dürfe man heutzutage hinweisen, ohne als Rassist zu gelten.
  Er habe in seinem ersten Buch „den Irrtum, das Medienbild sei die Wirklichkeit“, nachgewiesen. Es sei Journalisten aber unmöglich gewesen, ihn als „Traumtänzer“ abzutun – schließlich habe er zu den „kundigen Mechanikern“ der Politik gehört und, wohlgemerkt, „sichtbare Erfolge“ gehabt. „Also musste ich ein Verräter sein.“
  Nicht nur inhaltlich gebe es Gleichheitsapostel in den Medien, auch sprachlich. „Zigeuner“ und mittlerweile sogar „Roma“ seien verpönt. „Der Tag ist absehbar, an dem auch der Begriff Armutszuwanderer als rassistisch auf den Index kommt“, wähnt Sarrazin. Für ihn das falsche Prinzip: „Wenn der Vogel Strauß den Kopf in den Sand steckt, so sieht er zwar den angreifenden Löwen nicht mehr, aber dieser verschwindet deshalb nicht.“ Dass ein angreifendes Raubtier das Migrantenbeispiel illustriert, mag Zufall sein.
  Zuletzt definiert Sarrazin 14 angebliche Tugendterror-Thesen – und glaubt sie zu widerlegen. „Gleichheit ist gut“, unterstellt er allen Journalisten als Credo. Und antwortet: Überall schlage der Fleißige den Faulen, der Kluge den Dummen – so entstehe Wissen und Wohlstand. „Reiche sollten sich schuldig fühlen“, macht er als weitere These aus. „Ein Ausfluss von Neid“, ohnehin sei aber die Mittelschicht seit Jahrzehnten stabil. Analysiert werden die Geistesfähigkeiten der Rassen und allen Ernstes die Frage, warum der Islam wirtschaftlichen Erfolg ausbremst. Haben sich doch das hinduistische Indien und das islamische Pakistan abweichend entwickelt, obwohl beide einst Kronkolonie waren. Deshalb brauche Einwanderungspolitik Steuerung. „Das Leben unter einer Diktatur allein kann ebenso wenig wie Armut ein Asylgrund sein.“ Die Aufnahme sollte sich „primär nach den Nützlichkeitserwägungen“ richten. Unterschiede zwischen Frau und Mann sowie heterosexuellen und schwulen Paaren ergänzen die Thesen.
  Von Stammtischplumpheit ist Sarrazin jedoch entfernt, vieles ist hübsch in Fachsprache verpackt und mit allerlei Zahlenwerk garniert. Seine Argumentation hat er akkurat durchkomponiert, das Buch ist mit kühlem Kopf geschrieben. Aber auch mit kaltem Herzen. Denn das, was er als Gleichheitspostulat sieht, ist der Gedanke, dass sich in einer Gesellschaft Stärkere für die Schwächeren interessieren; dass Aufstieg möglich sein kann, dass Bildung bildet. Sarrazin dagegen steckt Menschen in Korsette, diese sollen sie gefälligst lebenslang tragen. Dahinter steckt das Weltbild, mit dem er so gerne spielt: aus der Zeit der Hexenverbrennung. Wer das kritisiert, betreibt laut dem Buch Tugendterror. Dabei preist sich der Autor im Nachwort selbst: als „Diskussionsveteran“.
JOHANN OSEL
Thilo Sarrazin: Der neue Tugendterror: Über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland, DVA München 2014, 400 S., 22,99 Euro.
Nicht mal miese Pisa-Ergebnisse
von türkischstämmigen Schülern
dürfe man heutzutage erwähnen
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