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Die Nobelpreisträgerin Herta Müller ist auch eine große Wörtersammlerin. Seit Jahren hortet sie alte Zeitungen, Zeitschriften und Reklameprospekte, schneidet daraus Wörter und Buchstaben aus und klebt diese dann zu postkartengroßen Kunstwerken zusammen. So ist schon der Band "Die blassen Herren mit den Mokkatassen" entstanden, dessen Schreibprinzip der neue Band "Vater telefoniert mit den Fliegen" fortsetzt und perfektioniert: liebevoll collagierte Textbilder voller Zauber und Rätsel, Schönheit und melancholischer Heiterkeit. Pure Poesie.

Produktbeschreibung
Die Nobelpreisträgerin Herta Müller ist auch eine große Wörtersammlerin. Seit Jahren hortet sie alte Zeitungen, Zeitschriften und Reklameprospekte, schneidet daraus Wörter und Buchstaben aus und klebt diese dann zu postkartengroßen Kunstwerken zusammen. So ist schon der Band "Die blassen Herren mit den Mokkatassen" entstanden, dessen Schreibprinzip der neue Band "Vater telefoniert mit den Fliegen" fortsetzt und perfektioniert: liebevoll collagierte Textbilder voller Zauber und Rätsel, Schönheit und melancholischer Heiterkeit. Pure Poesie.
Autorenporträt
Herta Müller wurde 1953 in einem deutschsprachigen Dorf im Banat/Rumänien geboren. Nach einem Publikationsverbot und Repressionen durch den Geheimdienst Securitate konnte sie 1987 nach Berlin ausreisen, wo sie auch heute lebt. Zu ihren bekanntesten Werken gehören die Romane 'Atemschaukel' und 'Der Fuchs war damals schon der Jäger', die Prosabände 'Niederungen' und 'Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt', der Essayband 'Der König verneigt sich und tötet'. Für ihren Roman 'Herztier¿ wurde sie 1998 mit dem Impac Dublin Literary Award ausgezeichnet, dem weltweit höchstdotierten Literaturpreis für ein einzelnes Werk. Nach zahlreichen weiteren Ehrungen erhielt sie 2009 den Nobelpreis für Literatur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2014

NEUE TASCHENBÜCHER
Haschen, schneiden,
kleben
Friseurin hatte sie einst werden wollen im rumänischen Temeswar. Daraus wurde nichts. Aber mit der Schere arbeitet die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller trotzdem – auch wenn sie nicht Köpfe, sondern Bildgedichte in Form bringt. Seit vielen Jahren verfertigt sie Text- und Fotocollagen aus Zeitungsausschnitten, die ursprünglich als Grußpostkarten entstanden sind. Im Haschen, Schneiden,
Kleben lebt sie die spielerische Seite aus, für die in ihren Büchern kein Platz ist. Und doch schwingt in diesem Ausgleichsdenksport zum ernsten Schreiben eine Biografie nach, die jahrzehntelang von Zensur und Schreibverboten bestimmt war. Nicht zufällig erinnert das Schriftbild der Texte an anonyme Drohbriefe. „zeig nur nicht wie nervös du / bist bleib ruhig wie ein / Kuchenteig dort vorne / geht der Polizist“, heißt es in einem dieser poetisch-aleatorischen Gebilde. Das neu kombinierte Wortmaterial findet hier zu einer subversiven Form aus zweiter Hand. Ein wenig mag das auch ein Racheakt sein. Subtil befreit Herta Müller die Sprache von aller Propaganda, indem sie die veröffentlichte Meinung in schönsten Nonsens entgleisen lässt.  CHRISTOPHER SCHMIDT
      
    
Herta Müller: Vater telefoniert mit den Fliegen. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2014. 208 Seiten, 10,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2012

Ein Nestbau aus Papier

Dieser Dichterin gehen die Wörter gern auf den Leim: Herta Müllers neue Schriftcollagen sind ein Schau- und Lesevergnügen.

Von Harald Hartung

Am Anfang - so erzählt Herta Müller - stand die Idee, den Freunden aus dem Urlaub statt einer Ansichtskarte "etwas Eigenes in den Umschlag zu stecken": "Beim Zeitunglesen im Zug klebte ich ein Bildfragment und Wörter zusammen auf eine weiße Karte." Will sagen: Die Absenderin, die mit der Schere Allotria trieb, dachte nicht an Kunst, nicht einmal an Kurt Schwitters' MERZ-Kunst; und doch entstand so etwas wie ein Kunstprojekt. Die Wörter boten sich dem Spiel an, und Herta Müller spielte mit den Wörtern: "Wahllos, wie mir schien, lagen sie auf dem Tisch. Ich schaute sie mir an und erstaunlich viele reimten."

Irgendwann waren offenbar genug dieser bunten Klebebilder aus Wörtern und Bildfragmente zusammengekommen, und so ließ Herta Müller 1993 ein Schächtelchen mit 94 solcher Wort-Bild-Postkarten erscheinen. Sein Titel "Der Wärter nimmt seinen Kamm" spielte auf ihr Lebensthema an, auf Diktatur und Gewalt, Flucht und Exil. So entstanden kleine Allegorien der Macht, etwa "Der Diktator trägt einen Maulwurf als eine Kragenspange". Oder auch der politische Klartext zweier zusammengeschnitzelter Zeilen: "Der Grenzer faltet die Hand / zum Schießen."

Jetzt, fast zwanzig Jahre später, gibt es ein ganzes Collagenbuch von Herta Müller. Es ist opulenter und heiterer geworden - eine Augenweide zum Selberlesen und Verschenken. Dadaismus und Surrealismus wurden in ihm quasi familiär. Der Titel "Vater telefoniert mit den Fliegen" - ist das ein surrealistischer Jux? Oder das Mini-Psychogramm einer verstörten Seele? Immer noch gibt es Wortkombinationen, die man als Einsprengsel einer bösen politischen Realität lesen kann. So gleich zu Beginn: "Ich bekam eine Nachricht die klar wie ein Messer war." In solchen Stücken ist auch das Personal der Diktatur anwesend: "Der Mann vom Geheimamt", "Der Polizeichef hat an der Jacke mehr als 20 Knöpfe", und der Herrscher "war bloß noch koffergroß".

Wer näher hinschaut, stößt auch auf Herta Müllers Resümee ihrer politischen Erfahrungen. Es spricht sich aus in der scheinbar ungeschickten zusammengeklebten Maxime: "Es hat wo man nicht reden darf gleich etwas POLITISCHES." In der bunten Mischung der ausgeschnittenen Buchstaben wirkt das wie eine klandestine Botschaft. Und spätestens hier wird deutlich, dass der normale Buchdruck den subversiven Witz solcher Formulierungen nicht hätte wiedergeben können. Herta Müllers Collagen erinnern an solchen Stellen an die anonymen Botschaften aus Zeitungswörtern, wie sie Kriminelle aussenden, aber auch Leute, die Politisches unters Volk bringen wollen.

Freilich sind das nicht mehr die Bedingungen, unter denen die Autorin heute schreibt. Und so dient auch die Figur des Vaters wohl eher dazu, das vergangene, historisch Gewordene noch einmal zusammenzufassen: "Vater sagt der Krieg war auch woanders aber gefallen sind Wir." Das erinnert an Brechts Svendborger Gedichte, also an Vergangenes. Jetzt telefoniert der Vater mit den Fliegen.

Heute dominiert in den Wortcollagen das heiter-groteske Spiel von Herta Müllers Einbildungskraft. Man darf nicht vergessen, dass sich ihre Collagen primär einem Vergnügen verdanken: dem Spaß an der durch den Zufall gelenkten Assoziation und am überraschenden Reim. Es war ein Urlaubsspaß, ehe er professionell wurde. Und noch der Profi-Spaß hat etwas Freies, Unschuldiges, Unambitioniertes: "erstaunlich viele Wörter reimten". Davon lebt der Großteil der fast zweihundert Collagen. Manche erzählen kleine Geschichten, andere lassen sich als Nonsens-Gedichte à la Morgenstern lesen. So etwa eine sachliche Romanze wie von Kästner, nur ins Surreale verrückt: "Immer wenn ich eine große Liebe hatte sagte er Mann war sie wie die Knospe einer Lilie aber mit der Zeit hieß sie Renate." Oder ein Kurzgedicht in schlichten Reimen: "Die Ferne baut / Finessen aus Haut / der Kuckuck in mir / ein Nest aus Papier."

Dieser schlichte Vierzeiler lässt sich ohne weiteres als poetologisches Programm von Herta Müllers Collagen fassen. Die Dichterin verschweigt freilich, dass sie selbst auch für die Finessen der Haut zuständig ist und nicht bloß für das Nest aus Papier. Ihr Hirn war wach, ihre Schere fleißig, und die Wörter gingen ihr gern auf den Leim.

Herta Müller: "Vater telefoniert mit den Fliegen" (187 farbige Collagen).

Hanser Verlag, München 2012. 208 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gefundene Wörter - eigentlich klar, dass eine Schriftstellerin damit umgeht, meint Catrin Lorch. Doch hier handelt es sich buchstäblich darum, um Zeitungsschnipsel, um Wort-Collagen, postkartengroß und so klingend für die Rezensentin, als hätte Herta Müller sie nicht gefunden, sondern ausgedacht. Das wundert Lorch dann doch, wie so unpersönliche Erpresserbuchstaben plötzlich zu sehr eigenen Hertamüllertexten werden, welthaltig auch noch. Zum Beispiel dieser: "Was immer passiert, Hauptsache KARIERT." Bei so viel Eigenheit fragt sich Lorch allerdings, wieso der Verlag das Ganze nicht etwas sorgfältiger ediert hat, weniger Lyrikmäßig standardisiert eben.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Feuerwerk aus Gedankenblitzen und poetischen Momenten, das nicht nur Poesieliebhaber zum Staunen bringt!" Uli Müller, Financial Times Deutschland, 21.11.12

"Sehr gut zu lesende kleine poetische Kunstwerke, die Begebenheiten und Betrachtungen aus dem großen Kosmos von Herta Müller zum Inhalt haben [...] Ein wundervolles Buch." Matthias Ehlers, WDR 5 Bücher, 01.09.2012

"Ein Großteil dieser meisterhaft geleimten und sacht gereimten Verse ist herrlich absurde 'Unsinns'-Dichtung, deren zart flirrender Irrwitz ans Geblödel ebenso streift wie ans Geniale. [...] Allein für dieses Buch, dem in ihrem Werk schon einige ähnliche vorangingen, hätte Herta Müller den Nobelpreis verdient." Alexander Altmann, Münchner Merkur, 31.10.12

"Allein für dieses Buch, dem in ihrem Werk schon einige ähnliche vorangingen, hätte Herta Müller den Nobelpreis verdient." Alexander Altmann, Nürnberger Nachrichten, 02.10.2012

"Verblüfft und beglückt erfährt der Leser, dass es so etwas wie unsichtbare magnetische Kräfte geben muss, die jedes verlorene einzelne Wort an die passende Stelle ziehen. Herta Müller beherrscht das magische Spiel mit diesen Sprachkräften." Augsburger Allgemeine Zeitung, 17.10.2012

"Die Collagen wollen wieder und wieder angesehen und gelesen werden. Unversehens geben sie ihren Rhythmus frei und beginnen zu klingen. Wer die Sprache Herta Müllers liebt, wird darauf nicht verzichten wollen." Wolfgang Mahlow, Nordkurier, 16.10.12