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Reisen, Erinnern, Meditieren - neue Gedichte von Joachim Sartorius
»Seine Verse sind sehr emotional und dabei sehr intellektuell. Sie gehen präzise aufs Ganze, als sei die Nagelprobe auf die Liebe in der Poesie zu machen. Und umgekehrt.« Angelika Overath, Neue Zürcher Zeitung
Nach fünf Jahren legt Joachim Sartorius einen neuen Gedichtband vor. Er bleibt darin seinen großen Themen treu. Das sind die Sinnlichkeit und die Vergänglichkeit, die körperliche Liebe und ihr großer Bruder, der Tod. So mündet dieser Band in einen Totentanz, in eine furiose Fahrt ins Totenreich. Trost spendet die…mehr

Produktbeschreibung
Reisen, Erinnern, Meditieren - neue Gedichte von Joachim Sartorius

»Seine Verse sind sehr emotional und dabei sehr intellektuell. Sie gehen präzise aufs Ganze, als sei die Nagelprobe auf die Liebe in der Poesie zu machen. Und umgekehrt.« Angelika Overath, Neue Zürcher Zeitung

Nach fünf Jahren legt Joachim Sartorius einen neuen Gedichtband vor. Er bleibt darin seinen großen Themen treu. Das sind die Sinnlichkeit und die Vergänglichkeit, die körperliche Liebe und ihr großer Bruder, der Tod. So mündet dieser Band in einen Totentanz, in eine furiose Fahrt ins Totenreich. Trost spendet die Kunst. Viele der neuen Gedichte befassen sich mit realen oder imaginierten Bildern und singen Hymnen auf die visionäre Kraft der Malerei. Wieder ist der Orient präsent. Die »Städte des Ostens« sind fremde Orte, Grenzübergänge zu intimen Topographien; sie führen in ein riskantes, exquisites Metapherngelände. Das Reisen, das schmerzlich intensive Erinnern und das Meditieren »Am Arbeitsplatz« sind für Joachim Sartorius allesamt vielschichtiger Ausdruck für das Schreiben und geben Antwort auf die von ihm hartnäckig gestellte Frage nach dem besonderen Ort, den das Gedicht bereitstellt.

CREDOUnd die Nächte, waren sie nicht lang?Dehnten sie sich nicht ringsum in dievon Sonne verprügelte Steppe? Ich kaufteSalzbarren, weiß wie Schneezikaden,Gebetsknochen. So gerüstet reisten wir.Die Sternengreise über uns, fünfmalschwerer als die Sonne, stäubten.Wir rissen uns am Kameldorn wund undglaubten an kommende Quellgebiete,bis wie von Nichts das Nichts sich öffnete.

Autorenporträt
Sartorius, JoachimJoachim Sartorius, geboren 1946 in Fürth, wuchs in Tunis auf und lebt heute in Berlin und Syrakus. Er ist Lyriker und Übersetzer amerikanischer Dichtung, insbesondere von John Ashbery und Wallace Stevens. Er veröffentlichte Gedichtbände, zahlreiche Bücher, die in Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern entstanden, und die Reiseerzählungen »Die Prinzeninseln« (2009), »Mein Zypern« (2013) und »Städte des Ostens« (2015). Sein lyrisches Werk wurde in vierzehn Sprachen übersetzt. Er ist Herausgeber der Werkausgaben von Malcolm Lowry und William Carlos Williams sowie der Anthologien »Atlas der neuen Poesie« (1995), »Minima Poetica« (1999), »Alexandria Fata Morgana« (2001) und »Niemals eine Atempause. Handbuch der politischen Poesie im 20. Jahrhundert« (2014). Er ist Mitglied des PEN und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2008

Worte sind Spiegel

Zu Beginn seines neuen Gedichtbandes treffen wir Joachim Sartorius "Am Arbeitsplatz" an: "Auf dem Schreibtisch Hefte, Gebetsketten, / Bücher, eine glasierte Kachel aus Samarkand, / ein Notebook, viele kleine dunkle Spiegel. / Die Spiegel, das sind die Worte, zum Spiegeln, / zum Preisen, zum Verletzen, zum Schädelöffnen". Sie wollen sich nicht zusammenfügen: "Das Gedicht versteht mich nicht"; denn: "Ich schaue nur zurück, / das Gedicht will nach vorn blicken, will zwei Flügel / haben und verbrennen. Es wartet, dass ich zündele." Es ist ein "Kampf zwischen Vernunft und Gefühl", der den ganzen Band dieses gelehrten Autors kennzeichnet. Seine "Bildgedichte" befassen sich, erläutert Sartorius, "mit real existierenden, aber auch mit von mir erfundenen Bildern". Zu den realen Bildern gehören Sebastian Stoskopffs Darstellungen von Gläsern, das von Rubens und Jan Brueghel d.Ä. gemeinsam geschaffene Gemälde "Pan und Syrinx", eine Hockney-Radierung sowie Werke von Joachim Patinir. Man sollte die Gedichte mit den Bildern konfrontieren, die hier leider nicht reproduziert werden; erst dann ließe sich die Bemühung um eine glückliche Verbindung von deskriptiver Vernunft und euphorischer Emotionalität vollends nachvollziehen. Ähnlich verhält es sich mit den "Städten des Ostens": Die Orte Kerkennah, Lapithos, Sfax, Büyük Ada (sie werden im Anmerkungsteil erläutert) dürften nicht jedem Leser vertraut sein. Wenigstens das berühmte Hôtel des Étrangers auf der Insel Prinkipo, wo Trotzki vier Jahre seines Exils verbrachte und wo Sartorius eine "Überdosis Eleganz" erfuhr, wird in einem Foto gezeigt. (Joachim Sartorius: "Hôtel des Étrangers". Gedichte. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008. 80 S., geb., 16,95 [Euro].) WSg

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.04.2009

Es fährt ein Schiff nach Prinkipo
Von unterwegs: Joachim Sartorius bedichtet das „Hôtel des Étrangers”
„Vielleicht sind die Inseln, die man nie sieht, / die besten, geschützt, fern, ein Name bloß” – so beginnt ein Gedicht von Joachim Sartorius. „Ein Name bloß” – das ist es, was die nie gesehenen Inseln in Poesie verwandelt. „Kerkennah” – so heißt eine tunesische Inselgruppe, die schon von den Römern besiedelt war, wie uns eine Anmerkung des Dichters belehrt. Und „Kerkennah” ist auch der Titel eines Gedichts. Für die meisten seiner Leser wird Kerkennah immer zu jenen Inseln gehören, die man nie sieht, und ihr Name wird nicht an sie, sondern an das Gedicht von Joachim Sartorius erinnern. Aber auch der Dichter bezeichnet ja mit dem bloßen Namen nicht die Sache, sondern eine in Lyrik verwandelte Erinnerung, an der wir teilhaben, so gut das möglich ist.
Der jüngste Gedichtband von Joachim Sartorius nutzt schon im Titel dieses poetische Verfahren, dem exotischen Namen eine poetische Aura abzufordern: „Hôtel des Étrangers”. Das Gedicht, welches dann in der Sammlung diesen Titel trägt, führt uns zuerst noch ein kleines Stück in die falsche Richtung, nämlich eben zu einem wirklichen Hotel: „Wir nahmen das Schiff nach Prinkipo, der größten / Prinzeninsel . . . ”. Und der Dichter hilft nach mit einer gesprächigen Anmerkung, die uns erklärt, dass diese Insel Büyük Ada / Prinkipo mit der Fähre in einer Stunde von Istanbul zu erreichen ist. Er liefert sogar eine Ansicht des Hotels auf der letzten Seite des Buchs.
Weißer Schirm, dunkler Anzug
Doch je wirklicher das „Hôtel des Étrangers” mit seinem französischen Namen auf der türkischen Insel schien, desto sentimentaler, unwirklicher, ja unheimlicher wird es nun im Gedicht: „Wir fühlten uns durchaus wohl”, heißt es noch am Anfang, aber schnell schlägt die Stimmung um: „War unser Leben schon vorbei?” Ehe man sich’s versieht, wird das Schiff nach Prinkipo der Kahn des Charon auf dem Wege zu einer Toteninsel. Und auch das Titelfoto gerät in diese Strömung.
Es heißt „Riviera”, Gyula Halasz, der unter dem Pseudonym Brassaï als Fotograf berühmt wurde, hat es im Jahr 1936 aufgenommen. Es zeigt auf der Bank einer Strandpromenade, unter einem großen weißen Sonnenschirm, der völlig sein Gesicht verdeckt, einen Herrn im dunklen Anzug. Wir wissen natürlich, dass wir den gesichtslosen schwarzen Schatten jetzt hemmungslos überinterpretieren – aber wer wird uns diese Assoziation mit der Schattenwelt ausreden können, und warum auch?
Kunstwerke bringen ihre Aura von Bedeutung mit. Orte der Erinnerung wie das „Hôtel des Étrangers” oder „Kerkennah” werden dagegen erst dann bedeutend, wenn der Dichter ihnen eine Bedeutung unterlegt. Das kann zu Konflikten führen, denn viele Orte sind schon gesättigt und durchtränkt mit Bedeutung. Sie sperren sich gegen neue Bedeutungen und langweilen, wenn man an die bekannten erinnert. Deshalb nannte der Dichter ja die fernen und unbekannten Inseln „die besten” .
Aufwachen im Sanzelize Club
In der kleinen Abteilung „Am Arbeitsplatz” malt er hingegen ein Selbstbildnis, das ihn in der Provence zeigt: „Vaucluse, einsames Leben”. Wie bei einem Poeten zu erwarten, changiert das Selbstbildnis und nimmt Züge Petrarcas an, es ist ja auch ein Gedicht „auf Petrarca”. Vielleicht liegt es nur daran, dass die Provence seit ein paar Jahrzehnten eine Art geschmäcklerische Alternative für die deutsche Italiensehnsucht geworden ist – aber der Mont Ventoux, Laura und das Flüsschen Sorgue zünden irgendwie nicht mehr so spontan wie das „Hôtel des Étrangers” oder die Insel Büyük Ada, auf die erschrocken der Mond fällt.
Um den Orten seines Erlebens eine Bedeutung zu geben, muss der Autor ein Dichter werden, oder besser ein sogenanntes lyrisches Ich, das sich vom Autor trennt, um den Leser (oder besser ein lyrisches Du) erreichen zu können. Es ist nun bemerkenswert, dass Joachim Sartorius sich sträubt, diese Trennung zu vollziehen. Seine Gedichte enthalten Elemente, die wie Tagebucheintragungen für ihren Autor eine ganze Welt entbinden mögen, zu der wir Leser aber keinen Zutritt haben: „ . . . Goldener Himmel // über dem Sanzelize Club. Aufwachen und / sagen: Golden.” Den Sanzelize Club muss man nicht kennen, er ist ein Erinnerungssignal nur für den Autor, seine Erwähnung ist nicht hermetisch, sie verschließt kein zu deutendes Geheimnis und stellt keine andere Forderung an den Leser, als dem Autor seine Erinnerung zu gönnen.
Rimbaud hat die gesamte Moderne mit dem Satz „Ich ist ein anderer” beunruhigt. Unser Dichter wehrt sich dagegen und scheint zu sagen: Ich bin ein anderer! In einem früheren Gedicht mit dem Titel „Poetik” hat er schon einmal versucht, den Konsequenzen dieses Gedankens auf die Spur zu kommen: „Ein Gedicht ist für niemanden / Ich schicke es meinen Freunden, / die Freiheit, es zu verstehen / oder nicht zu verstehen.” Aber das war nicht radikal genug. Es gibt ein tieferes Nichtverstehen. Der Dichter ist nicht in seinem Gedicht, und der Leser kann sich nicht in ihn versetzen, und doch bildet es zwischen beiden eine Brücke. Dafür findet er einen schönen endgültigen Vers: „Das Gedicht versteht mich nicht.” HANS-HERBERT RÄKEL
JOACHIM SARTORIUS: Hôtel des Étrangers. Gedichte. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2008. 80 Seiten, 16,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Über Namen und die Geheimnisse, die, je weniger sie einem sagen, in ihnen stecken, denkt Rezensent Hans-Herbert Räkel erst einmal nach. Namen wie, aus Joachim Sartorius? Gedichten, "Kerkennah" (tunesische Inselgruppe) nur zum Beispiel.  Und wie sich solche mit Geheimnis aufgeladenen Namen von jenen unterscheiden, die nur dem Dichter selbst etwas sagen, etwa der "Sanzelize Club". Ums Verstehen und Nichtverstehen also, so Räkel, geht es in den Gedichten von Sartorius, ums gelungene und manchmal auch nicht so gelingende Aufladen der Dinge der Welt mit Geheimnissen. Für wie großartig der Rezensent das "tiefere Nichtverstehen" hält, von denen diese Gedichte handeln, das erschließt sich bei der Lektüre der Besprechung freilich nur sehr bedingt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Das Werk ist ein "typischer Sartorius" - die Verse geprägt von der Welt- und Weitsicht des Reisenden.« Deutschlandradio