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Ein weiterer Band in der Werkausgabe der Gedichte des Autors.

Produktbeschreibung
Ein weiterer Band in der Werkausgabe der Gedichte des Autors.
Autorenporträt
Ernst Meister, geb. am 3. Sept. 1911 in Hagen-Haspe (Westfalen), gest. am 15. Juni 1979 in seiner Heimatstadt. Er studierte Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte. Sein erster Gedichtband erschien 1932. Von 1939-0 war er Angestellter in der Fabrik seines Vaters, im Krieg war er Soldat. Er veröffentlichte wieder ab 1953. Neben seiner Lyrik schrieb er Hörspiele. 1957 erhielt er den Westfälischen Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis, 1963 den Großen Kunstpreis von Nordrhein-Westfalen, 1976 den Petrarca-Preis und 1978 den Rilke-Preis. Er war Mitglied des PEN und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, die ihm 1979 posthum den Georg-Büchner-Preis für sein lyrisches Werk verlieh.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2011

Der Elementargeist

Von der Würde einfacher Hände: Ernst Meister wäre jetzt hundert Jahre alt geworden - gleich zwei Verlage nutzen die Gunst der Stunde.

Am liebsten schrieb er mit schwarzen Filzstiften und blauen Kugelschreibern. Die Metropolen Berlin und Paris hatte er als Student und Besucher, Rom als Soldat gesehen, zu Hause aber war er in der westfälischen Provinz, unter dem erdnahen Wolkenhimmel des Sauerlands, am Ufer der Flüsse Enneppe, Lenne, Bigge, Volme, Ruhr und Agger, wo die Nester Haspe (sein Geburts- und Lebensort), Hestert, Heide, Hennen, Holzen, Geisecke, Möcking, Delle, Brenscheid oder Waldbauer heißen: Ernst Meister. Vor dem Vergessen hat ihn in Deutschland nach seinem Tod 1979 zunächst der Aachener Rimbaud-Verlag bewahrt, und in Frankreich stehen seine Bücher an prominenter Stelle in den Regalen der Pariser Nationalbibliothek, unweit von dort, wo auch Peter Handke sitzt, der jetzt, zur Feier von Meisters hundertstem Geburtstag, ein Auswahlbändchen samt schwungvollem Vorwort für die Bibliothek Suhrkamp zusammengetragen hat. Zugleich präsentiert der Wallstein Verlag die erste historisch-kritische Ausgabe seines lyrischen Werks im edlen Schuber, aus drei Text- und zwei Kommentarbänden bestehend. Gründe genug also, sich einem lyrischen OEuvre zuzuwenden, das hierzulande eigentlich noch keiner so richtig aus dem Dornröschenschlaf zu befreien vermochte, vergleicht man Ernst Meisters Radius mit Namen wie Günter Eich, Johannes Bobrowski oder Peter Huchel.

Dabei zählt der am 3. September 1911 als Spross eines Werkzeugfabrikanten fernab des literarischen Lebens Geborene, wie etwa der Sachse Wulf Kirsten oder der Saarländer Johannes Kühn, zum bodenständigen Kanon einer deutschsprachigen Lyrik im späten 20. Jahrhundert. Auf den Fotos der ersten Petrarca-Preisverleihungen Mitte der siebziger Jahre hat Isolde Ohlbaum ihn neben Christoph Meckel, Michael Krüger und Nicolas Born abgelichtet. Gerade Letzterer hatte Meister in seinen literarischen Anfängen viel zu verdanken, war als junger Korrespondenzpartner zum Weiterschreiben ermutigt worden - Born revanchierte sich später mit Widmungsgedichten für Meister.

Doch auf den Pfaden, die er betreten hat, ist ihm keiner wirklich gefolgt: Wie jeder gute Dichter verfügte Meister über eine eigene, unverwechselbare Sprache, die kaum ernsthaft zu imitieren ist - erratisch und konkret, rätselhaft und klar, aus einem Guss. Weder war Meister ein lyrisch verstiegener Wichtigtuer noch ein prätentiöser Geheimniskrämer. Will man auf eine Formel bringen, worum es ihm wohl am ehesten ging, so müsste es schlicht lauten: um Welterkenntnis. Das klingt als primärer Schreibantrieb nach philosophischem Gemeinplatz. Sicher gab es für Meister auch ganz konkrete, schon sehr frühe Einflüsse, die ihn seit seinem 1932 erschienenen ersten bis zum postumen letzten von insgesamt zwanzig Gedichtbänden auf seiner literarischen Laufbahn begleiteten. Da sind die Stimmen Rimbauds, Nietzsches, Jean Pauls, des "schwarzen" Surrealismus zu vernehmen: "UND WAS / will diese Sonne / uns, was // springt aus enger Pforte / jener großen Glut? // Ich weiß / nichts Dunkleres / denn das Licht."

Aber auch den deutschen Expressionismus hat er gekannt, mit Klaus Mann in engem Austausch gestanden, sich nach dem Zweiten Weltkrieg, den er als Soldat und Kriegsgefangener in Italien verbrachte, mit den an die Grenze des Verstummens reichenden Schoa-Erfahrungen Paul Celans und Nelly Sachs' auseinandergesetzt; davon ist seiner Lyrik ein pessimistischer, verzweifelnder Grundton geblieben, ein Ringen mit der Todesverfallenheit des Lebens und unserer Zivilisation: "ES GIBT / im Nirgendblau / ein Spiel, es heißt / Verwesung. // Es hängt / am Winterbaum / ein Blatt, es / dreht und / wendet sich. // Ein Schmetterling / ruht aus / auf Todes / lockerer Wimper."

Doch immer wieder, so zeigt es auch diese letzte Strophe, schlägt das unerbittliche Lavieren am Nullpunkt der Existenz - "selten hat sich ein Dichter in den Tod hineingewagt wie Sie", schrieb ihm E. M. Cioran 1979 aus Paris - in die Feier des Lebens um. Genau das macht ihn zu einem großen, eigentümlichen Lyriker, seine Gedichte zu Gedankenblitzen, spontanen Erleuchtungen, Regenbögen schlechthin. Seine besten Verse sind von einer schlagartigen Evidenz und Stichhaltigkeit, wie die Fragmente der Vorsokratiker bei all ihrer kryptischen, lapidaren Kürze es sind, und zugleich bleiben sie, ebenso wie diese, ganz der Anschauung des Irdischen verhaftet. Die Wahrnehmung eines konkret vor Augen stehenden Weltausschnitts lässt im Bewusstsein des Dichters eine Erkenntnis reifen, die so zuvor vielleicht gefühlt, aber noch nicht ausgesprochen worden ist: "UNTER GRANITENEM BOGEN / dieses Hoftors sitzend, // schreib ich mit Denkens Kreide / in Septembersonne, // blick auf Holunder, / schwarze Trauben // und weile lange / bei des Flusses Rauschen, // mich wieder wundernd, / daß es Wasser gibt."

Auf diese Weise ist Ernst Meister ein Dichter im emphatischen Sinn: Sprachrohr elementarer Fragen und Antworten - und eines großen, fast kindlichen Staunens. Zur eigentlichen Kunst gehört es ja, aus dem Alltäglichen zu schöpfen und etwas gar nicht Banales daraus zu machen. Ein für Meister tausendmal erlebter Vorgang, der Feierabend im Betrieb - er selbst hatte nach dem Tod des Vaters dessen Firma übernommen -, wird bei ihm zur anrührenden, die Würde einfacher Hände und Gemüter rühmenden Daseinsfeier. Gleichzeitig spiegelt sich in diesem Bild sehr schön sein eigener Begriff von Poesie wider: "Gute Nacht / sagen sie abends um sechs / im Sägewerk. // Und ein Mann geht heute, / grau von sprühendem Holz, / satt die kreischenden Blätter, // nach Haus, // wo sein Kind schreit, / weil es Grimmen hat / und nicht / schlafen kann."

Nicht zu vergessen die Liebe. Als Aufstand gegen den Tod wird die Liebe bei Meister zur existentiellen Dringlichkeit, die mit wenigen, unaufdringlichen Worten alles umreißt, was irgendwie wichtig ist. Die Verse können seiner Frau Else oder der Freundin Irena gewidmet sein, von den Blumen auf dem Balkon sprechen, die zugleich ein Abglanz "aller" Blumen sind, oder sie richten sich in vertraulicher Apostrophe an ein namenloses Du, das sowohl die oder das Geliebte, als auch Leserin und Leser mitmeint. "Ein Gedicht ist ein Ereignis, das durch sich selbst in der Direktheit seiner Existenz wirken muss", hat er einmal geschrieben. Man tausche nur das Wort "Gedicht" durch "Liebe" aus, dann wird daraus eine Definition radikaler Hingabe. Für jeden, der sich unter dieser Prämisse auf Ernst Meister einlassen will, sind in folgenden Zeilen von fast zen-buddhistischem Witz Anspruch und Versprechen seiner Poesie zusammengefasst: "ENTWIRF EIN WEISSES / Schiff auf einer weißen / Wand und tauf es: / WERFT. // Schau, ein Schiff, / das niemand sieht. / Sag: Es fährt, / sich bauend wie / zerstörend stetig, // auf einer Route / aus dem Augenblick."

Wer will, kann ihm nun gleich mehrfach (wieder)begegnen: ob im kleinen, von Peter Handke besorgten Suhrkamp-Band als Vademecum für unterwegs. Oder fürs Studium in der mit den gesamten Meister-Gedichten aufwartenden Wallstein-Ausgabe, die der Aachener Germanist Axel Gellhaus und seine Mitarbeiter bis in überlieferte Textvarianten und verwendete Schreibgeräte wie die Kugelschreiber und Filzstifte hinein akribisch recherchierten. Egal, wofür man sich entscheidet - diese Augenblicke aus wenigen Worten und einfachen Gesten bereichern den Tag, machen den durch unsere Zerstreuungskultur verstellten Blick aufs Wesentliche wieder frei, auf die vier Elemente und das elementare Rätsel unseres Daseins, dem sich dieser Dichter verschrieben hatte, um am Ende vielleicht dem "Wahren" um ein paar Silben näher gerückt zu sein: "Wahr ist Atem, / wahr ist Asche, / wahr ist Atem / aus der Asche, / Angst sich höhlend, / Lust sich wölbend, / jetzt, solang das / irdisch währt."

JAN VOLKER RÖHNERT

Ernst Meister: "Die Gedichte".

Textkritische und kommentierte Ausgabe. Hg. von Axel Gellhaus, Stephanie Jordans u. Andreas Lohr. Wallstein Verlag, Göttingen 2011. 5 Bde., 2436 S., Kassette 198,- [Euro].

Ernst Meister: "Gedichte".

Ausgewählt von Peter Handke. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 149 S., geb., 13,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.09.2011

Ein Lachen am Meer
Späte Ernte: Zum 100. Geburtstag des Dichters Ernst Meister
Der Dichter Ernst Meister, für Hans Benders Anthologie „Widerspiel“ (1961) um eine knappe poetologische Äußerung gebeten, formulierte: „Wohl dem Autor, der nicht weiß, was Dichten ist, sozusagen schwarz auf weiß (was wiederum nicht heißt, daß er es nicht weiß, so wenig, daß er seine Art Vorschule, Schule, Nachschule schreiben könnte), dafür aber Gedichte schreibt, die gedichtet sind, heute und hier. Also er weiß es? Sein Gedicht verrät, was er weiß. Es fragt dich danach, was du weißt.“ Diese fast kryptische Einlassung hat Züge, die vielleicht eher für die Zeit typisch scheinen als für den Autor, so das insistente „heute und hier“ und die strenge Anrede an den Leser: Was weißt du? Sie zeigt aber auch in ihrer dialektischen Präzision einen Lyriker von ungewöhnlicher Affinität zum Philosophischen.
Ernst Meister ist – trotz der handlichen Auswahlen von Beda Allemann 1989 und (besonders schön) Harald Hartung 2005 – immer noch so etwas wie der große Unbekannte und unbekannte Große in der deutschsprachigen Dichtung des vergangenen Jahrhunderts, deshalb kurz der äußere Umriss des Lebens: 1911 in Haspe, „einem völlig ruhm- und legendenlosen Gemeinwesen bei Hagen“, als Sohn eines Fabrikanten geboren, ist er ebenda 1979 gestorben. Das verzweigte geisteswissenschaftliche Studium sollte eigentlich zu einer Dissertation bei Karl Löwith über Nietzsche führen. Sein erster Gedichtband „Ausstellung“ erschien 1932; bis zum zweiten sollten einundzwanzig Jahre vergehen.
Zum Titel dieses ersten Bandes, über den viel spekuliert worden ist (gab es einen Einfluss von Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“?), sagte der Autor später fast spitz: „Er hatte mit Bildlichem nichts zu tun, sondern meinte das Zeigen von Existenz.“ Die Strenge dieser Formulierung charakterisiert den Dichter, dessen Lyrik ständig den überaus schwierigen Beweis antrat, dass die Begriffe, die großen Worte, keine leeren sein sollen.
Über den Bruch, den das Dritte Reich (nicht zuletzt durch Löwiths Emigration) mit sich brachte, schrieb Meister später lakonisch: „Ich war wie die Weimarer Verfassung faktisch zu nichts geworden in Gestalt dessen, was der Arzt eine Erschöpfung nennt.“ Er wurde eingezogen und war Soldat in Frankreich, Russland und Italien, wo er in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Das Militär und die väterliche Firma, in die er nach dem Krieg wieder eintrat, erscheinen als die beiden Stockungsmechanismen dieses Abschnitts der Biographie. 1960 schied er aus der Firma aus und wurde freier Schriftsteller; seine Gedichtbände erschienen nun in erstaunlich dichter Folge, oft mit Titeln wie „Die Formel und die Stätte (1960)“ oder „Zeichen um Zeichen“ (1968). Auch „Im Zeitspalt“ (1976) ist ein so bildhafter wie existentieller Titel, der auf die Pascal’sche Zone zwischen der Ewigkeit vor und der Ewigkeit nach dem Leben anspielt.
Einige Jahre vor seinem Tode erlangte Meister eine gewisse Berühmtheit – 1976 erhielt er mit Sarah Kirsch zusammen den Petrarca-Preis, 1977 den Rilke-Preis in Paris, der zu einer Begegnung mit Cioran führte; den Büchner-Preis 1979 musste die Frau des jäh Verstorbenen für ihn entgegennehmen. 1975 hatte er sich der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung als neues Mitglied mit dem erstaunlichen Satz vorgestellt: „Wenn mich etwas hartnäckig beschäftigt hat, so ist es der Gedanke an Sein überhaupt.“ Das nun – ein Glücksfall – in einer umfassenden, reich kommentierten Edition vorliegende dichterische Werk Ernst Meisters war der Öffentlichkeit lange wie verborgen. Von der Monumentalität dieses fünfbändigen Wunderwerks sollte sich nun niemand von der Lektüre abschrecken lassen.
Vor allem keiner, dem es plausibel erscheint, „dass bei mir Dichten identisch ist mit Denken“. Paradoxerweise ist aber die Dichtung dieses der Philosophie verschriebenen deutschen Lyrikers der Moderne mit ihren sparsamen Bildzeichen von hoher, auratischer Kraft. Meister hat sich ganz dem Versuch verschrieben, die Linie des Dichtens als Denkens zu ziehen. Er spricht über den Tod, das Leben, das Sein, die Zeit, insbesondere über das Nichts. „Im Nichts sind die Pupillen groß“, heißt es im ersten Gedicht seines ersten Gedichtbandes. Es ist dies ein Beispiel für eine Technik, die vielleicht die innerste Signatur dieser Lyrik abgibt: ein sehr hoher Abstraktionsgrad, an den sich intensive Bilder verblüffend binden. In diesen Legierungsmomenten beantwortet sich dann auch die Frage, ob der Dichter weiß, was Dichten ist, und die Frage an den Leser, was er selbst denn wohl weiß, lässt sich schwerer umgehen. „In so gewaltiger wie luftiger Schwebe“ siedelt Peter Handke in seiner zum Jubiläum erschienenen Auswahl die Gedichte Ernst Meisters an.
Eines der schönsten findet sich in dem Zyklus „Etüden“ in „Flut und Stein“ 1962 – ein Poem, das sich einer im Œuvre oft wiederkehrenden Topik bedient: der vom Fisch, vom Meer, vom „Toten Dichter auf dem Meeresgrund“. Es formuliert geheimnisvoll bündig dieses Verhältnis zwischen der fremden Poesie und dem allgemein Bekannten: „Am Meer / ein Lachen, sie haben / den Fisch gefangen, der spricht. / Doch er sagt, / was jedermann meint.“ Die ersten vier Wörter sind typisch für Meister, auch wenn man bei seinen Versen oft angemerkt hat, sie mieden das Metaphorische und meist auch das Bildliche überhaupt. Gerade in dieser etwas ängstlichen Kargheit haben die vorsichtig gesetzten Evokationen von Sinnlichkeit (das Meer, ein Gelächter) eine überaus große Gewalt. An diesem 3. September wäre Ernst Meister hundert Jahre alt geworden.
JOACHIM KALKA
ERNST MEISTER: Gedichte. Textkritische und kommentierte Ausgabe. Herausgegeben von Axel Gellhaus, Stephanie Jordans und Andreas Lohr. Wallstein Verlag, Göttingen 2011. 5 Bände, zus. 2436 Seiten, 198 Euro.
ERNST MEISTER: Gedichte. Ausgewählt von Peter Handke. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 100 Seiten, 13,90 Euro.
Ernst Meister im Dezember 1977
Foto: Manfred Vollmer / imagetrust
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