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Kocho, ein beschauliches Dorf im irakischen Sindschar-Gebirge: Farida hat gerade die vorletzte Klasse der Oberschule beendet und freut sich auf die Sommerferien. Doch dieses Jahr ist alles anders: Im August 2014 überfallen IS-Kämpfer den kleinen Ort. Die Anhänger des Terrorstaats treiben alle Dorfbewohner zusammen, töten die Männer und verschleppen die Frauen. Monatelang wird Farida als Sklavin gehalten - und erlebt dabei Unvorstellbares. Aber eines Tages wagt sie die Flucht, zusammen mit fünf anderen Mädchen, die sie anführt.

Produktbeschreibung
Kocho, ein beschauliches Dorf im irakischen Sindschar-Gebirge: Farida hat gerade die vorletzte Klasse der Oberschule beendet und freut sich auf die Sommerferien. Doch dieses Jahr ist alles anders: Im August 2014 überfallen IS-Kämpfer den kleinen Ort. Die Anhänger des Terrorstaats treiben alle Dorfbewohner zusammen, töten die Männer und verschleppen die Frauen. Monatelang wird Farida als Sklavin gehalten - und erlebt dabei Unvorstellbares. Aber eines Tages wagt sie die Flucht, zusammen mit fünf anderen Mädchen, die sie anführt.
Autorenporträt
Farida Khalaf ist zwanzig Jahre alt. Als Angehörige der Jesiden, einer religiösen Minderheit, ist sie im Norden des Iraks geboren und aufgewachsen. Im August 2014 muss sie erleben, wie Soldaten des "Islamischen Staates" ihr Dorf überfallen und ein Massaker verüben. Nach monatelanger Gefangenschaft kann Farida den IS-Kämpfern entkommen. Heute lebt sie in Deutschland. Ihre Co-Autorin Andrea C. Hoffmann ist politische Redakteurin und Nahost-Expertin beim Nachrichtenmagazin Focus. Sie bereist die Gegend seit mehr als fünfzehn Jahren.

Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Lena Bopp zeigt sich tief berührt von drei Büchern (Farida Khalaf, Andrea C. Hoffmann: "Das Mädchen, das den IS besiegte", Shirin mit Alexandra Cavelius und Jan Kizilhan: "Ich bleibe eine Tochter des Lichts", Jinan mit Thierry Oberlé : "Ich war Sklavin des IS"), in denen drei vom "Islamischen Staat" entführte und versklavte Jesidinnen, die inzwischen in Sicherheit leben, von ihrem Martyrium in den Händen der Terroristen berichten. Bopp erfährt über die Strategien des IS, ihre Organisation und, bis zur Unerträglichkeit genau, über ihre skrupellose Gewalttätigkeit, deren Verbrechen gegen die Menschlichkeit nichts Spontanes haben, sondern planvoll organisiert sind. Doch sie lernt auch drei starke Frauen kennen, denen mit Unterstützung von Helfern schließlich die Flucht gelingt. Darüber hinaus informieren die teils kämpferisch tönenden Berichte und auch die Texte der Ko-Autorinnen die Rezensentin über das Schicksal der Jesiden und das Problem der Ehre, sowie darüber, dass sich das Wertesystem der Jesiden in dieser Hinsicht langsam zu wandeln beginnt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2016

Helles Haar steigert den Preis

Erst Vergewaltigung und Folter, dann Weiterverkauf: Was die Berichte dreier junger Jesidinnen verraten, die vom "Islamischen Staat" versklavt wurden und den Gotteskriegern entkommen konnten.

Wer einmal in Gefangenschaft des "Islamischen Staates" gerät, kehrt lebend nicht mehr zurück - so machen es die Videos glauben, welche die Terrororganisation immer wieder von ihren Geiseln und deren Hinrichtungen veröffentlicht. Nun sind drei Bücher erschienen, die andere Geschichten erzählen - von Sklaverei, Vergewaltigung und Folter, aber auch von Fluchthelfern und politischem Asyl.

Sie erzählen von drei jungen Jesidinnen, deren Schicksale einander so ähnlich sind, dass man wohl annehmen muss, der IS verfolgt in seinem Krieg besonders gegenüber den Frauen derer, die er als ungläubig erachtet, eine perfide, auf äußerste Demütigung zielende Strategie. Alle drei Mädchen sind im Sommer 2014 gefangen genommen worden. Alle drei wohnten in Dörfern am Fuß des Sindschar-Gebirges im Norden des Iraks, einem Gebiet, das der IS in jenem Sommer in wenigen Tagen überrannt hatte.

Von denen, die diesem Angriff entkamen, war in der Folgezeit in den Nachrichten zu hören: Die meisten waren auf die Berge geflohen, wo sie in der Falle saßen, tagelang ausharrten und viele von ihnen starben, bevor es den Amerikanern gelang, aus der Luft einen Fluchtkorridor freizubomben, auf dem die Überlebenden in sicheres kurdisches Gebiet gelangen konnten. Was mit denen geschah, denen diese Flucht nicht glückte, weil sie zu spät aufbrachen oder falsche Entscheidungen trafen, konnte man nur vermuten. Präzise Beispiele liefern nun die Bücher von Mädchen - geschrieben mit Ko-Autoren -, die in jenem Sommer zwischen siebzehn und achtzehn Jahre alt waren und von ihren Peinigern geschlagen, teils schwer gefoltert und - mit Ausnahme von Shirin - immer wieder vergewaltigt worden sind.

Farida Khalaf, die Einzige, deren Buch unter echtem Namen erscheint, hat zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen, um vor allem der Schande der Vergewaltigung zu entgehen. Jenseits ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit ist es vor allem die Ehre, um die sich die drei Gefangenen sorgen. Genauso wie die anderen beiden berichtet Farida Khalaf, sie habe gar keine genaue Vorstellung davon gehabt, was Vergewaltigung bedeutet. "Über solche Dinge redet man in unserer Gesellschaft nicht mit unverheirateten Mädchen. Wir wussten nur, dass wir dadurch geschändet würden - und dass wir auf gar keinen Fall zulassen durften, dass sie unsere Körper berührten. Unsere ganze Familie würde dadurch entehrt, wenn es uns nicht gelänge, das zu verhindern."

Im Fall von Shirin, die es von den dreien am schlimmsten traf, weil sie von insgesamt sechs IS-Männern immer wieder gekauft und weiterverkauft worden ist (wobei ihr in amerikanischen Dollar sich bemessender Wert stetig sank), führte dieses Tabu dazu, dass sie nach ihrer Rettung sogar dem eigenen Vater gegenüber schwieg. "Bis heute weiß mein Vater nicht, dass ich keine Jungfrau mehr bin - oder er will es nicht wissen."

Immerhin erzählen zwei der drei Mädchen auch, dass der oberste religiöse Führer der Jesiden, Baba Sheik, diese abermalige Welle der Gewalt, die über die seit jeher verfolgten Jesiden rollt, zum Anlass für einen Wandel des tradierten Wertesystems nahm. Mehrfach hat er öffentlich erklärt, dass die aus der Gefangenschaft geflohenen Mädchen Opfer seien, die man wiederaufnehmen müsse.

Sogar in Einzelaudienzen hat er diesen Mädchen versichert, dass sie weiterhin zu den Jesiden gehörten und man sie weder aus der Familien- noch der Religionsgemeinschaft ausstoßen würde. Aus Furcht genau davor - so schreiben die Ko-Autoren in eingeschobenen kurzen Zwischentexten oder ihren Nachworten - haben sich andere jesidische Frauen erst im Anschluss an ihre geglückten Fluchten das Leben genommen. Bisher soll es etwa zweitausend Frauen gelungen seien, zu fliehen. Nach Schätzungen der UN befinden sich aber noch immer 3000 bis 5000, nach Angaben der kurdischen Regierung sogar 7000 Jesidinnen in der Sklaverei.

Die drei Bücher geben einen peinlich genauen, schockierenden Eindruck davon, was ihnen dort widerfährt. Erstaunlich ist dabei, bis in welche Details hinein sie einander ähneln. Dass der IS keine Horde von Wilden, sondern eine straff geführte Organisation ist, wusste man zwar schon, sieht es durch diese Schilderungen aber noch mal bestätigt. So beschreiben alle drei Mädchen das Prozedere nach der Besetzung ihrer Dörfer gleich: Die jesidischen Bewohner wurden aufgefordert, zum Islam zu konvertieren. Nachdem sie dies abgelehnt hatten, wurden die Männer von den Frauen getrennt und, wie in Kocho, dem Heimatdorf von Farida, in einer Massenerschießung hingerichtet. Farida selbst hat dieses Massaker nicht mitansehen müssen. Nach ihrer Flucht hat sie im Flüchtlingslager von Dohuk aber ihren Bruder wiedergetroffen, der das Morden überlebte, sich tot stellte und schließlich seinerseits fliehen konnte.

Die verbliebenen Frauen in den Dörfern wurden zusammengetrieben und, man muss es so nennen, nach bestimmten Kriterien sortiert: Die Jungen, Unverheirateten pferchte man in Busse, die nach Mossul oder Rakka fuhren, wo sich in großen Lagern offenbar regelrechte Märkte befanden, auf denen die Frauen den IS-Kämpfern angeboten wurden wie Ware. Besonders beliebt, auch darin stimmen die Berichte überein, seien ganz junge Mädchen gewesen - diejenigen zwischen zwölf und vierzehn Jahren, mit heller Haut und hellen Haaren, grünen oder blauen Augen und guten Zähnen. Keinem von ihnen dürfte es geholfen haben, dass sie in dieser Vorhölle aufhörten, sich zu waschen. Auf diese Weise hatten sie gehofft, in den Augen der Kämpfer möglichst unattraktiv zu erscheinen.

Die Gefangenschaft selbst stellen die Mädchen dann auf recht unterschiedliche Weise dar: Faridas Geschichte ist von einem nahezu kämpferischen Ton durchzogen - immer wieder schildert sie, wie sie sich gegen die Konvertierungs-, Heirats- und Vergewaltigungsversuche gewehrt hat, zum Teil so lange, bis die Schergen tatsächlich von ihr abließen. Shirin erzählt hingegen von dem Rat, den ihr die anderen Mädchen in Gefangenschaft gaben, den Peiniger besser gleich zu heiraten (was nach IS-Logik vor Vergewaltigung offenbar notwendig ist) - um zu verhindern, dass sie weiterverkauft und von mehreren Männern geschändet würde. Jinan wiederum ist dieser Schändung zwar entgangen. Aber sie ist am schwersten gefoltert worden, um sie zur Konversion zu zwingen - stundenlang musste sie in der Mittagshitze niederknien und Wasser trinken, in dem tote Mäuse schwammen.

Ähnlichkeiten weisen die Geschichten erst wieder dort auf, wo sie von den Fluchtversuchen handeln. Geld, Schmuck und vor allem Handys haben die Mädchen zwar sofort abgeben müssen. Eine Gefangene in der Gruppe von Jinan aber war geistesgegenwärtig genug, ihre SIM-Karte zu verstecken. Als die Männer einmal nicht da waren, fanden die Mädchen dann ein Handy im Haus. So ähnlich ist auch den anderen letztlich die Flucht geglückt: Sie haben Schlupflöcher ausgemacht und mit gefundenen Handys Verwandte angerufen, die sich dann entweder mit Schleppern (die sie bezahlen mussten) oder befreundeten Kämpfern in Verbindung setzten. Ob eine Flucht gelingt, ist somit Glückssache, immer wieder aber auch eine Frage des Geldes.

Und noch eines haben die drei Mädchen gemeinsam: Sie alle sind schließlich im Flüchtlingslager von Dohuk angekommen, wo sie noch lebende Angehörige trafen. Farida Khalaf und Shirin leben mittlerweile in Deutschland. Aber nur Shirin hat es nach Baden-Württemberg geschafft, in das einzige Bundesland, das sich bereit erklärte, bis zum Ende des vergangenen Jahres eintausend Jesidinnen aufzunehmen, um ihnen jedwede, vor allem aber psychologische Hilfe zuteil werden zu lassen.

LENA BOPP.

Farida Khalaf, mit Andrea C. Hoffmann: "Das Mädchen, das den IS besiegte". Faridas Geschichte.

Bastei Lübbe Verlag, Köln 2016. 253 S., geb., 19,99 [Euro].

Shirin, mit Alexandra Cavelius und Jan Kizilhan: "Ich bleibe eine Tochter des Lichts". Meine Flucht aus den Fängen der IS-Terroristen.

Europa Verlag, München 2016. 363 S., geb., 18,99 [Euro].

Jinan, mit Thierry Oberlé: "Ich war Sklavin des IS". Wie ich von Dschihadisten entführt wurde und den Albtraum meiner Gefangenschaft überlebte.

Übersetzt von C. Trautner-Suder. mvg Verlag, München 2016. 201 S., br., 14,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Authentische Einblicke, die es in der Form noch nicht gegeben hat. Wer die Geschichte von Farida liest, begreift nicht mehr nur rational, warum die Menschen vor der Terrormiliz fliehen - der Leser spürt die Beweggründe. Er fühlt mit." Maike Freund, Handelsblatt, 24.03.2016 "Das ist das Erstaunlichste an diesem erstaunlichen Buch: Es erzählt von einem Widerstand, der nicht erlahmt. Und zu dem noch das Glück kommt." St. Galler Tagblatt, 24.03.2016 "Ein sehr ergreifendes Schicksal, das unter die Haut geht." Fränkische Nachrichten, 7.5.2016
Helles Haar steigert den Preis

Erst Vergewaltigung und Folter, dann Weiterverkauf: Was die Berichte dreier junger Jesidinnen verraten, die vom "Islamischen Staat" versklavt wurden und den Gotteskriegern entkommen konnten.

Wer einmal in Gefangenschaft des "Islamischen Staates" gerät, kehrt lebend nicht mehr zurück - so machen es die Videos glauben, welche die Terrororganisation immer wieder von ihren Geiseln und deren Hinrichtungen veröffentlicht. Nun sind drei Bücher erschienen, die andere Geschichten erzählen - von Sklaverei, Vergewaltigung und Folter, aber auch von Fluchthelfern und politischem Asyl.

Sie erzählen von drei jungen Jesidinnen, deren Schicksale einander so ähnlich sind, dass man wohl annehmen muss, der IS verfolgt in seinem Krieg besonders gegenüber den Frauen derer, die er als ungläubig erachtet, eine perfide, auf äußerste Demütigung zielende Strategie. Alle drei Mädchen sind im Sommer 2014 gefangen genommen worden. Alle drei wohnten in Dörfern am Fuß des Sindschar-Gebirges im Norden des Iraks, einem Gebiet, das der IS in jenem Sommer in wenigen Tagen überrannt hatte.

Von denen, die diesem Angriff entkamen, war in der Folgezeit in den Nachrichten zu hören: Die meisten waren auf die Berge geflohen, wo sie in der Falle saßen, tagelang ausharrten und viele von ihnen starben, bevor es den Amerikanern gelang, aus der Luft einen Fluchtkorridor freizubomben, auf dem die Überlebenden in sicheres kurdisches Gebiet gelangen konnten. Was mit denen geschah, denen diese Flucht nicht glückte, weil sie zu spät aufbrachen oder falsche Entscheidungen trafen, konnte man nur vermuten. Präzise Beispiele liefern nun die Bücher von Mädchen - geschrieben mit Ko-Autoren -, die in jenem Sommer zwischen siebzehn und achtzehn Jahre alt waren und von ihren Peinigern geschlagen, teils schwer gefoltert und - mit Ausnahme von Shirin - immer wieder vergewaltigt worden sind.

Farida Khalaf, die Einzige, deren Buch unter echtem Namen erscheint, hat zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen, um vor allem der Schande der Vergewaltigung zu entgehen. Jenseits ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit ist es vor allem die Ehre, um die sich die drei Gefangenen sorgen. Genauso wie die anderen beiden berichtet Farida Khalaf, sie habe gar keine genaue Vorstellung davon gehabt, was Vergewaltigung bedeutet. "Über solche Dinge redet man in unserer Gesellschaft nicht mit unverheirateten Mädchen. Wir wussten nur, dass wir dadurch geschändet würden - und dass wir auf gar keinen Fall zulassen durften, dass sie unsere Körper berührten. Unsere ganze Familie würde dadurch entehrt, wenn es uns nicht gelänge, das zu verhindern."

Im Fall von Shirin, die es von den dreien am schlimmsten traf, weil sie von insgesamt sechs IS-Männern immer wieder gekauft und weiterverkauft worden ist (wobei ihr in amerikanischen Dollar sich bemessender Wert stetig sank), führte dieses Tabu dazu, dass sie nach ihrer Rettung sogar dem eigenen Vater gegenüber schwieg. "Bis heute weiß mein Vater nicht, dass ich keine Jungfrau mehr bin - oder er will es nicht wissen."

Immerhin erzählen zwei der drei Mädchen auch, dass der oberste religiöse Führer der Jesiden, Baba Sheik, diese abermalige Welle der Gewalt, die über die seit jeher verfolgten Jesiden rollt, zum Anlass für einen Wandel des tradierten Wertesystems nahm. Mehrfach hat er öffentlich erklärt, dass die aus der Gefangenschaft geflohenen Mädchen Opfer seien, die man wiederaufnehmen müsse.

Sogar in Einzelaudienzen hat er diesen Mädchen versichert, dass sie weiterhin zu den Jesiden gehörten und man sie weder aus der Familien- noch der Religionsgemeinschaft ausstoßen würde. Aus Furcht genau davor - so schreiben die Ko-Autoren in eingeschobenen kurzen Zwischentexten oder ihren Nachworten - haben sich andere jesidische Frauen erst im Anschluss an ihre geglückten Fluchten das Leben genommen. Bisher soll es etwa zweitausend Frauen gelungen seien, zu fliehen. Nach Schätzungen der UN befinden sich aber noch immer 3000 bis 5000, nach Angaben der kurdischen Regierung sogar 7000 Jesidinnen in der Sklaverei.

Die drei Bücher geben einen peinlich genauen, schockierenden Eindruck davon, was ihnen dort widerfährt. Erstaunlich ist dabei, bis in welche Details hinein sie einander ähneln. Dass der IS keine Horde von Wilden, sondern eine straff geführte Organisation ist, wusste man zwar schon, sieht es durch diese Schilderungen aber noch mal bestätigt. So beschreiben alle drei Mädchen das Prozedere nach der Besetzung ihrer Dörfer gleich: Die jesidischen Bewohner wurden aufgefordert, zum Islam zu konvertieren. Nachdem sie dies abgelehnt hatten, wurden die Männer von den Frauen getrennt und, wie in Kocho, dem Heimatdorf von Farida, in einer Massenerschießung hingerichtet. Farida selbst hat dieses Massaker nicht mitansehen müssen. Nach ihrer Flucht hat sie im Flüchtlingslager von Dohuk aber ihren Bruder wiedergetroffen, der das Morden überlebte, sich tot stellte und schließlich seinerseits fliehen konnte.

Die verbliebenen Frauen in den Dörfern wurden zusammengetrieben und, man muss es so nennen, nach bestimmten Kriterien sortiert: Die Jungen, Unverheirateten pferchte man in Busse, die nach Mossul oder Rakka fuhren, wo sich in großen Lagern offenbar regelrechte Märkte befanden, auf denen die Frauen den IS-Kämpfern angeboten wurden wie Ware. Besonders beliebt, auch darin stimmen die Berichte überein, seien ganz junge Mädchen gewesen - diejenigen zwischen zwölf und vierzehn Jahren, mit heller Haut und hellen Haaren, grünen oder blauen Augen und guten Zähnen. Keinem von ihnen dürfte es geholfen haben, dass sie in dieser Vorhölle aufhörten, sich zu waschen. Auf diese Weise hatten sie gehofft, in den Augen der Kämpfer möglichst unattraktiv zu erscheinen.

Die Gefangenschaft selbst stellen die Mädchen dann auf recht unterschiedliche Weise dar: Faridas Geschichte ist von einem nahezu kämpferischen Ton durchzogen - immer wieder schildert sie, wie sie sich gegen die Konvertierungs-, Heirats- und Vergewaltigungsversuche gewehrt hat, zum Teil so lange, bis die Schergen tatsächlich von ihr abließen. Shirin erzählt hingegen von dem Rat, den ihr die anderen Mädchen in Gefangenschaft gaben, den Peiniger besser gleich zu heiraten (was nach IS-Logik vor Vergewaltigung offenbar notwendig ist) - um zu verhindern, dass sie weiterverkauft und von mehreren Männern geschändet würde. Jinan wiederum ist dieser Schändung zwar entgangen. Aber sie ist am schwersten gefoltert worden, um sie zur Konversion zu zwingen - stundenlang musste sie in der Mittagshitze niederknien und Wasser trinken, in dem tote Mäuse schwammen.

Ähnlichkeiten weisen die Geschichten erst wieder dort auf, wo sie von den Fluchtversuchen handeln. Geld, Schmuck und vor allem Handys haben die Mädchen zwar sofort abgeben müssen. Eine Gefangene in der Gruppe von Jinan aber war geistesgegenwärtig genug, ihre SIM-Karte zu verstecken. Als die Männer einmal nicht da waren, fanden die Mädchen dann ein Handy im Haus. So ähnlich ist auch den anderen letztlich die Flucht geglückt: Sie haben Schlupflöcher ausgemacht und mit gefundenen Handys Verwandte angerufen, die sich dann entweder mit Schleppern (die sie bezahlen mussten) oder befreundeten Kämpfern in Verbindung setzten. Ob eine Flucht gelingt, ist somit Glückssache, immer wieder aber auch eine Frage des Geldes.

Und noch eines haben die drei Mädchen gemeinsam: Sie alle sind schließlich im Flüchtlingslager von Dohuk angekommen, wo sie noch lebende Angehörige trafen. Farida Khalaf und Shirin leben mittlerweile in Deutschland. Aber nur Shirin hat es nach Baden-Württemberg geschafft, in das einzige Bundesland, das sich bereit erklärte, bis zum Ende des vergangenen Jahres eintausend Jesidinnen aufzunehmen, um ihnen jedwede, vor allem aber psychologische Hilfe zuteil werden zu lassen.

LENA BOPP.

Farida Khalaf, mit Andrea C. Hoffmann: "Das Mädchen, das den IS besiegte". Faridas Geschichte.

Bastei Lübbe Verlag, Köln 2016. 253 S., geb., 19,99 [Euro].

Shirin, mit Alexandra Cavelius und Jan Kizilhan: "Ich bleibe eine Tochter des Lichts". Meine Flucht aus den Fängen der IS-Terroristen.

Europa Verlag, München 2016. 363 S., geb., 18,99 [Euro].

Jinan, mit Thierry Oberlé: "Ich war Sklavin des IS". Wie ich von Dschihadisten entführt wurde und den Albtraum meiner Gefangenschaft überlebte.

Übersetzt von C. Trautner-Suder. mvg Verlag, München 2016. 201 S., br., 14,99 [Euro].

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