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5 Kundenbewertungen

"An dem Tag, als die Zollbeamten mich hinten im Lastwagen fanden, war ich zwölf Jahre alt. Ich roch so schlecht wie Abdelmaliks Müllhäuschen.Obwohl Monsieur Ha sich alle Mühe gegeben hatte, den offiziellen Stempel auf dem Foto in meinem Pass wiederherzustellen, glaubten die Zollbeamten nicht, dass ich ein echter kleiner Franzose war. Ich hätte ihnen gerne alles erklärt, aber dafür war mein Französisch zu schlecht. Also zogen sie mich am Kragen meines Pullovers aus dem Lastwagen und nahmen mich mit. So endete meine Kindheit: plötzlich und unerwartet, an der Autobahn A4, als mir klar wurde, dass…mehr

Produktbeschreibung
"An dem Tag, als die Zollbeamten mich hinten im Lastwagen fanden, war ich zwölf Jahre alt. Ich roch so schlecht wie Abdelmaliks Müllhäuschen.Obwohl Monsieur Ha sich alle Mühe gegeben hatte, den offiziellen Stempel auf dem Foto in meinem Pass wiederherzustellen, glaubten die Zollbeamten nicht, dass ich ein echter kleiner Franzose war. Ich hätte ihnen gerne alles erklärt, aber dafür war mein Französisch zu schlecht. Also zogen sie mich am Kragen meines Pullovers aus dem Lastwagen und nahmen mich mit.
So endete meine Kindheit: plötzlich und unerwartet, an der Autobahn A4, als mir klar wurde, dass ich allein im Land der Menschenrechte würde zurechtkommen müssen."

Die Geschichte des Jungen Koumaïl, der aus den Kriegswirren des Kaukasus bis nach Frankreich flieht und nie den Mut und den Glauben an das Glück verliert.
Und ein Buch darüber, wie weit Träume tragen.
Autorenporträt
Bondoux, Anne-Laure
Anne-Laure Bondoux träumte als Kind davon, Forschungsreisende zu werden. Nach ihrem Literaturstudium arbeitete sie als Lektorin. Ihre Bücher haben viele Preise gewonnen und wurden in zwanzig Sprachen übersetzt; ihr Roman »Die Zeit der Wunder« wurde mit dem Katholischen Kinder- und Jugendliteraturpreis und dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Anne-Laure Bondoux lebt in der Nähe von Paris und hat zwei Kinder, die ihr inzwischen über den Kopf gewachsen sind.

von Vogel, Maja
Maja von Vogel, geboren 1973, studierte Deutsch und Französisch. Sie verbrachte ein Jahr in Paris und arbeitete mehrere Jahre als Lektorin in einem Kinderbuchverlag, bevor sie sich als Autorin und Übersetzerin selbstständig machte. Heute lebt Maja von Vogel mit ihrer Familie in Norddeutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Das Glück ist ein Café weit weg vom Krieg

Ein Junge flieht nach Frankreich. Seinen Namen kennt er nicht, auch über seine Heimat weiß er nichts. Doch in Anne-Laure Bondoux hat er eine Chronistin gefunden.

Von Tobias Rüther

Kein einfaches Buch hat die französische Autorin Anne-Laure Bondoux da geschrieben: "Die Zeit der Wunder" heißt es und wird erzählt von einem kleinen Jungen, der aus dem Kaukasus nach Frankreich flieht, weil er, so beteuert es seine Pflegemutter, in Wirklichkeit Franzose ist. Koumaïl heißt er - oder Blaise Fortune, wenn er an die Geschichte von Gloria glauben soll, die ihn aus den Trümmern eines Fernzugs und den Armen seiner sterbenden Mutter gerettet hatte, in irgendeinem Bürgerkrieg.

Jetzt ist Koumaïl sieben Jahre alt, dann zehn, elf, schließlich zwölf und immer nur auf der Flucht, Richtung Westen, zu Fuß, per Anhalter, hungernd im Regen. Er steht mit Gloria vor einem spanischen Lastwagen, der die beiden nach Frankreich bringen soll, was am Ende gelingt, wenn auch um einen hohen Preis - von dort dreht sich die Geschichte wieder um. Und damit alles, was Koumaïl über sein Leben geglaubt hat.

Merkwürdig nur, wie die preisgekrönte Jugendbuchautorin Bondoux einerseits die Welt der Flüchtlinge, die Zufallsgemeinschaften und das entsetzliche Schicksal, das sie teilen, in eine Folklore samt wunderlichen Onkels und wahrsagenden Tanten, selbstgebastelten Geigen und Angelabenteuern verwandelt, und man denkt: Klar, es ist ja auch ein Buch, das seine Leser erst mal fesseln soll, da ist es vielleicht egal, wenn ein paar der Motive häufiger den Kitsch streifen. Andererseits ist die Frage, die Anne-Laure Bondoux ihren jungen Lesern stellt, existentiell. Und sie stellt sie einfühlsam, man hört sie erst gar nicht heraus: Was, so lautet diese Frage, wenn ihr nicht in Frankreich geboren wärt (oder sonstwo im befestigten Europa), sondern in einem Land im Krieg, unter Menschen ohne Pass, Arbeit, ohne Dach über dem Kopf und eine Tür, die man hinter sich schließen kann? Oder, schlimmer noch: Wenn ihr geboren wärt als Franzosen und den Pass sogar hättet, aber durch ein Unglück in einem Land im Krieg strandet?

"Die Zeit der Wunder" erzählt also von einer zufälligen, ungerechten Welt und wie die Menschen, die in sie hineingeboren werden, all ihre Kraft aufbringen, um aus ihr zu entkommen oder sie erträglicher zu machen. Dass Anne-Laure Bondoux so ein politisches (und sehr französisches!) Buch in ein Abenteuer verwandeln kann, ist großartig, aber zu dieser Dynamik findet sie erst spät, in der zweiten Hälfte des Buchs, das immer erwachsener wird, ohne dabei seinen Ton zu ändern.

Man merkt es aber an den Zumutungen, die es immer deutlicher ausspricht. Oder dann wieder nur andeutet: Als Koumaïl elf ist, nehmen Roma Gloria und ihn in ihrer Wagenburg auf, irgendwo in Rumänien. Die kranke Gloria kann sich auskurieren, und: "Vor allem kann ich wieder spielen wie ein Kind". Ein Satz, der sich festhakt, weil er so viel anderes verschweigt.

Am Ende reist Koumaïl - inzwischen ist er Franzose, inzwischen kann er sich auch offiziell Blaise Fortune nennen und so oft in Bistros am Montmartre herumsitzen, wie er sich das als kleiner Junge erträumt hatte - in das Land, aus dem er kam. Inzwischen weiß er, dass es Georgien war. Koumaïl ist auf der Suche nach Gloria, die verlorenging auf den letzten Metern vor Frankreich. Er findet sie - und mit ihr noch eine Wahrheit mehr, die fast schwerer auszuhalten ist als das Leben, dass er achtzehn Jahre lang leben musste.

Anne-Laure Bondoux: "Die Zeit der Wunder".

Aus dem Französischen von Maja von Vogel. Carlsen Verlag, Hamburg 2011. 192 S., geb., 12,90 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2014

GUT UND GÜNSTIG
Taschenbücher
Was gibt es Schöneres für ein Kind, als dichtes Schneetreiben vor dem Fenster zu betrachten oder in die stille, weiße Welt hinaus zu gehen, um Schneebälle zu werfen oder „viele, viele Stapfen in den frischen Schnee“ zu machen. „Mama, jetzt ist es, als wären nur du und ich auf der Welt.“
  Das stimmungsvollste Bilderbuch über den ersten Schnee kommt aus Japan. Die japanische Illustratorin Komako Sakai hat es mit Bildern von betörender Schönheit gemalt.
Komako Sakai: Es schneit! Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. Minimax bei Beltz & Gelberg 2013. 36 Seiten, 5,95 Euro.
  Flucht – ein großes Thema, so aktuell wie lange nicht mehr. Die französische Autorin Anne-Laure Bondoux hat die grausamen Kriegswirren im Bürgerkrieg in Georgien Anfang der 1990er-Jahre als Folie für ihre berührende Fluchtgeschichte gewählt, in deren Mittelpunkt der Junge Koumail steht, dessen Papiere ihn allerdings als Franzosen mit dem Namen Blaise Fortune ausweisen. Die ersten zwölf Jahre seines Lebens hat er mit seiner Ziehmutter, der Russin Gloria aus Georgien, verbracht, die ihn glauben macht, dass seine französische Mutter bei einem Terroranschlag in der Nähe von Tiflis ums Leben kam. Seine Kindheit ist überschattet vom Krieg im Kaukasus und vom Kampf ums Überleben. Immer wieder versucht Gloria, mit ihm in den Westen zu fliehen, wird von Schleusern betrogen, lebt mit ihm eine Zeit lang auf einer giftigen Müllhalde, unter hilfsbereiten Menschen, und es dauert fünf Jahre, bis ihnen die Flucht schließlich gelingt. Doch am Ende verliert Koumail seine Gloria aus den Augen, und nur er schafft es nach Frankreich, wo er dank seines Passes ein Leben als Franzose beginnen kann. Erst als 20-jähriger Student findet er Gloria in Tiflis wieder und erfährt die wahre Geschichte seiner Kindheit. Es ist wahrlich eine Zeit der Wunder , von der dieser virtuos mit drei Zeitebenen spielende – von Maja von Vogel kongenial übersetzte – Roman einer dramatischen Flucht durch Europa handelt. Doch das größte Wunder ist die Figur der Gloria mit ihrem Humor und ihrer großen Tapferkeit, die ihrem Sohn eine neue Identität gibt und ihm mit dieser Lüge das Leben rettet. (ab 13 Jahre)
HILDE ELISABETH MENZEL
  
Anne-Laure Bondoux: Die Zeit der Wunder. Aus dem Französischen von Maja von Vogel. Carlsen Taschenbuch (1285) 2014. 190 Seiten, 6,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hingerissen ist Rezensent Antje Weber von Anne-Laure Bondouxs Geschichte über die Odyssee eines Flüchtlingsjungen aus dem Kaukasus. Auch wenn der in Frankreich mehrfach ausgezeichnete Jugendroman vor allem in den 90er Jahren in Georgien spielt, scheint ihr das Thema des Buchs höchst aktuell und die Erfahrung des Erzählers universell. Sie lobt die überlegte Komposition des Werks sowie die gekonnte, wohlkalkulierte Mischung aus detailreicher Schilderung und "melancholischen Dialogen und Pointen". Vor allem gelingt es der Autorin nach Webers Ansicht, die Menschen hinter den anynomen Flüchtlingszahlen vor den Augen des Lesers lebendig werden zu lassen, mit ihren Motiven, Wünschen, Hoffnungen und ihrem Mut. Ihr Fazit: eine unwiderstehliche Geschichte voller "Abgründe und märchenhafter Fügungen".

© Perlentaucher Medien GmbH
"ein authentisches [...] Bild vom Leid, vor allem aber den Wundern einer gelungenen Befreiung.", DIE ZEIT