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In einer entlegenen Minensiedlung inmitten der chilenischen Atacama-Wüste gibt es kaum etwas Aufregenderes als Kino. Die Hollywoodfilme mit Marilyn Monroe, John Wayne oder Charlton Heston bieten eine willkommene Abwechslung vom Alltag der Dorfbewohner. Doch eines Tages erlebt die Siedlung etwas noch Schöneres als Kino: María Margarita, ein zehnjähriges Mädchen, kann Filme so anschaulich und dramatisch nacherzählen, daß das ganze Dorf herbeiströmt, um sich von ihr verzaubern zu lassen ...

Produktbeschreibung
In einer entlegenen Minensiedlung inmitten der chilenischen Atacama-Wüste gibt es kaum etwas Aufregenderes als Kino. Die Hollywoodfilme mit Marilyn Monroe, John Wayne oder Charlton Heston bieten eine willkommene Abwechslung vom Alltag der Dorfbewohner. Doch eines Tages erlebt die Siedlung etwas noch Schöneres als Kino: María Margarita, ein zehnjähriges Mädchen, kann Filme so anschaulich und dramatisch nacherzählen, daß das ganze Dorf herbeiströmt, um sich von ihr verzaubern zu lassen ...
Autorenporträt
Hernán Rivera Letelier, 1950 in Talca/Südchile geboren, kam als Kind in die Atacamawüste im Norden. Als Heranwachsender besuchte er als einziger die Werksbibliothek der Minensiedlung und begann mit einundzwanzig, buchstäblich aus Hunger, mit dem Schreiben: Ein Radioprogramm lobte als ersten Preis für das beste Gedicht ein Abendessen in einem feinen Restaurant aus. Er schrieb ein vierseitiges Liebesgedicht und gewann prompt. Heute gehört er zu den meistgelesenen Autoren der spanischsprachigen Welt.
Rezensionen
»Die Filmerzählerin ... ist eine lakonische Liebeserklärung ans Kino geworden - und eine noch viel größere Hommage ans Lesen und an die Macht der bildlichen Vorstellungskraft. Denn anders als seine junge Protagonistin präsentiert sich Letelier hier nicht als ausschweifender Erzähler, sondern skizziert in schlichten, kargen Sätzen nur die Konturen eines ganzen Frauenlebens.« Neue Zürcher Zeitung 20110421
»Nur ein schmales Bändchen in luftig gesetzter Schrift füllt diese Erzählung des Chilenen Hernán Rivera Letelier. Und doch ist sie ein Meisterwerk, dem nichts fehlt, vollkommen in der Form, berührend in der schlichten Sprache, schön, wahrhaftig und traurig. Möge sie einen kongenialen Filmregisseur finden.«

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2011

Ein Buch aus vierundzwanzig Bildern pro Sekunde

Lauter Glücksmomente: Hernán Rivera Letelier erzählt die anrührende Geschichte eines Mädchens, das ein Dorf in der chilenischen Atacama-Wüste zum Träumen bringt.

Sehr subtil hat die Amerikanerin Nicole Krauss jüngst ihrem Lieblingsautor, dem 2003 verstorbenen chilenischen Roberto Bolaño, die Ehre erwiesen: In ihrem Roman "Das große Haus" (F.A.Z. vom 14. Januar 2011) lässt sie mit Daniel Varsky einen Landsmann von Bolaño auftreten, einen Dichter, der sich über den Kenntnisstand einer Nordamerikanerin erbost, die glaubt, die Literaturszene des südamerikanischen Landes mit dem Namen Pablo Neruda hinreichend beschreiben zu können: "Wohin ein Chilene auch gehen mag - Neruda war schon da mit seinem Muschelscheiß und hat ein Monopol errichtet."

Varsky kritzelt der Unwissenden eine Liste mit lesenswerten chilenischen Dichtern auf ein Stück Papier. Ganz oben: Nerudas Antipode Nicanor Parra, der von Bolaño verehrte Dichter. Er sollte, wenn er schon nicht den Literaturnobelpreis bekommt wie seine Landsleute Neruda und Gabriela Mistral, zu seinem nahenden hundertsten Geburtstag doch vielleicht wenigstens den Cervantes-Preis bekommen. Varsky hätte aber auch Hernán Rivera Letelier empfehlen können. Der setzt harten Realismus mit einem Schuss Märchenhaftigkeit gegen den "Muschelscheiß" und wurde hierzulande bisher sträflich vernachlässigt. Zwar wurde uns der 1950 in Talca im Süden Chiles geborene Sohn eines Bergarbeiters schon einmal mit dem Roman "Lobgesang auf eine Hure" (1999) vorgestellt, in dem er auf spielerische Weise engagiertes Erzählen mit magischem Realismus verbindet. Doch eine angemessene Rezeption der in der Atacama-Wüste angesiedelten Geschichte gab es nicht.

Nun gibt es zum Glück eine neue Chance, diesen in seiner Heimat schon zweimal mit dem Preis des Nationalen Lese- und Bücherrates ausgezeichneten Autor zu entdecken. Dass der Insel Verlag bei dem Roman "La contadora de películas" (2009) zugegriffen hat, der in der tadellosen Übersetzung von Svenja Becker im Deutschen den schlichten Titel "Die Filmerzählerin" trägt, hängt wohl mit der geplanten Verfilmung durch den brasilianischen Regisseur Walter Selles zusammen. Die in den sechziger Jahren spielende Geschichte erzählt von María Margarita, die in einer dem Untergang geweihten Minenstadt zu Hause ist. Dem Leben in dieser Einöde sind Grenzen gesetzt, über die sich das Mädchen aber mit viel Phantasie hinwegsetzt. Dabei entstammt die Idee zu dem Geschäftsmodell, das die erst Zehnjährige zum Erfolg führt, der puren Not: Weil der nach einem Arbeitsunfall gelähmte und von seiner Frau verlassene Castillo nicht mehr aus seiner Wellblechhütte rauskommt und die spärliche Invalidenrente ohnehin gerade so fürs Essen reicht, ruft er einen Wettbewerb aus und schickt seine fünf Kinder nacheinander ins Kino. Derjenige, der dem Rest der Familie den besten Eindruck von dem Film vermittelt, soll der offizielle Filmerzähler der Hütte sein. Mit einer grandiosen Darstellung von "Ben Hur" besiegt María Margarita ihre vier Brüder. Und schon bald lockt sie mit ihrer Kunst allabendlich zahlreiche Zuhörer an, die gegen eine Spende Einlass in die Hütte finden. Selbst wenn der Originalfilm schwarzweiß sei, so posaunt der Vater stolz heraus, sei das erzählte Kino seiner Tochter "in Technicolor und Cinemascope".

Vierundvierzig kurze Kapitel genügen Hernán Rivera Letelier, um die Geschichte des Mädchens, das sich selbst durch Lektüre der Zeitschrift "Ecran" zu einer Expertin für vierundzwanzig Bilder pro Sekunde macht und sich den Kunstnamen Fee Delcine zulegt, ins Tragische kippen zu lassen: Der verhasste Geldverleiher Don Nolasco nutzt eine Privatvorführung, um das Mädchen zu vergewaltigen. Daraufhin bringt ihr Bruder Mariano den Mann um - und wandert ins Gefängnis. Mit beidem kann María leben, sogar mit dem bald eintretenden Tod ihres Vaters. Doch dann kommt der erste Fernseher in die Siedlung und besiegelt ihr Schicksal.

Rivera Letelier ist mit der Salpeterindustrie in der Atacama-Wüste ebenso vertraut wie mit den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den Minen. Zwei Jahrzehnte lang malochte er in den Stollen, bevor er 1988 mit dem Schreiben begann. "Die Landschaft ist mein Comala, meine Macondo, mein Santa María", so lautet Rivera Leteliers sein Bekenntnis in Anspielung auf die von Juan Rulfo, Gabriel García Márquez und Juan Carlos Onetti literarisch verewigten Orte.

Als im vergangenen Jahr in der Kupfermine San José dreiunddreißig Bergleute mehr als zwei Monate unter Tage gefangen waren, fragten Zeitungsredaktionen aus der ganzen Welt bei dem Mann mit der doppelten Begabung als Bergarbeiter und Schriftsteller Artikel an. Aber Rivera Letelier lehnte stets mit der Begründung ab, dass er kein Kapital aus der Tragödie der Kumpel schlagen wolle. In seiner Fiktion hatte er die miserablen Bedingungen der Minenarbeiter seines Landes da ohnehin längst in drastischen Worten beklagt.

REINHARD HELLING

Hernán Rivera Letelier: "Die Filmerzählerin". Roman.

Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Insel Verlag, Berlin 2011. 105 S., geb., 14,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchste Zeit, diesen großen chilenischen Autor zu entdecken, findet Rezensent Reinhard Helling. Die Möglichkeit dazu hat der Leser mit diesem "tadellos" übersetzten Roman über das Schicksal eines Mädchens in einer Salpeterminenstadt in der Atacama Wüste. Der Autor hat in so einer Mine selbst viele Jahre geschuftet, Grund genug für Helling, Herman Rivera Letelier seinen knallharten Realismus, seine Beschreibungen der unmenschlicher Arbeitsbedingungen, aber auch sein Verhältnis zur Fantasie und zum Märchenhaften als Möglichkeit des Ausbruchs aus den Verhältnissen dankend abzunehmen.

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