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Lothar war Pilot - bevor es geschah. Seine Frau Ruth war Stewardess, nun hilft sie in der Telefonseelsorge. Ihr Sohn Merten glaubt als Einziger zu wissen, warum sein Bruder ermordet wurde. Andreas Schäfer erzählt luzide und souverän die Geschichte eines Traumas und seiner Folgen. Sie lässt den Leser nicht mehr los.

Produktbeschreibung
Lothar war Pilot - bevor es geschah. Seine Frau Ruth war Stewardess, nun hilft sie in der Telefonseelsorge. Ihr Sohn Merten glaubt als Einziger zu wissen, warum sein Bruder ermordet wurde. Andreas Schäfer erzählt luzide und souverän die Geschichte eines Traumas und seiner Folgen. Sie lässt den Leser nicht mehr los.
Autorenporträt
Andreas Schäfer, 1969 in Hamburg geboren, wuchs in Frankfurt/Main auf und lebt heute als Schriftsteller und Journalist mit seiner Familie in Berlin. Bisher veröffentlichte er die Romane ¿Auf dem Weg nach Messarä, wofür er u. a. den Bremer Literaturförderpreis erhielt, ¿Wir vier¿ (DuMont 2010), der für den Deutschen Buchpreis nominiert war und mit dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet wurde, und zuletzt ¿Gesichter¿ (DuMont 2013). http://andreasschaefer.berlin
Rezensionen
"Unglaublich feinfühlig erzählt." BUCHMARKT

"Auf der glatten Oberfläche einer elegant gespannten Sprache erzeugt er einen Unterton von Bedrohung, indem er beides zusammenfügt: die grausame Stille nach einer Katastrophe und den Nachhall verlorenen Glücks. (...) Präzise und dennoch einfühlsam inszeniert Andreas Schäfer ein Ballet der Verfehlungen."
SZ

"Geschickt lässt Schäfer uns Stationen der Kastrophe anschauen (...) und langsam begreift der Leser die schicksalhafte Dimension dieser Geschichte."
FRANKFURTER RUNDSCHAU

"Behutsam nähert sich Andreas Schäfer dem Thema Familientrauma. (...) Ohne künstliche Dramatik schildert er die Geschichte derer, die zum Weitermachen verdammt, aber dafür nicht gewappnet sind."
SPIEGEL

"Exzellenter Roman - ein Buch das einem nachgeht."
RBB Stilbruch

"´Wir vier´ erzählt von Familiendynamik, von untergründig schwelenden Konflikten, von schicksalhaften Bindungen (das Buch verblüfft durch eine schier nicht mehr auszuhaltende Intensität - eine Intensität, die ganz aus der Zurücknahme, der Zügelung sprachlicher Mittel entsteht sowie aus dem Geizen mit aller Fülle. Sparsam schraffiert kommt dieses schmale sprachliche Kunstwerk daher (...) Eine wahre Rarität angesichts der plakativen Prosa dieses Frühjahrs."
LITERARISCHE WELT

"Genau, dicht und berührend."
WDR5

"Schäfer erzählt in einer glasklaren, vollkommen ausbalancierten Sprache, die auf jeden Überfluss souverän verzichtet. Desto abgründiger verbirgt sich dahinter das Rätselhafte, das die Lesenden in seinen Bann schlägt."
BASLER ZEITUNG

"Schäfers Prosa ist eine angenehm zurückgenommene, fast kühle, zuweilen leuchtende."
DER TAGESSPIEGEL

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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2010

Lautlose Explosion

Wenn ein Kind stirbt: Andreas Schäfers "Wir vier" ist ein solide konstruiertes, doch geheimnisloses Familiendrama über die Frage nach dem Weiterleben.

Nichts" heißt das erste Wort dieses Romans, und "nichts" steht auch im Fokus des Erzählens: das abwehrende Schweigen einer Familie nach dem Tod des Erstgeborenen. Würden wohl Worte etwas am Weiterleben dieser beschädigten Restfamilie ändern? Geradezu vorbildlich entwirft Andreas Schäfer schon in der Syntax dieses ersten Satzes den gesamten Roman: ein bedeutungsschwerer Gedankenstrich, der dem "Nichts" folgt; sodann aber doch eine kleine Einschränkung. Dieses Zurück und Vor ist der Tanzschritt dieser das Sprechen ständig verhindernden Prosa. Ab und an lüftet sich der Vorhang und gibt einen Spalt frei auf die Vergangenheit. Dann schließt er sich leise und zittert kurz nach.

Nur - der Text weiß zu viel von seiner Strategie, und so setzen sich die Figuren fast wie unter Zugzwang in Bewegung: Ruth, die Mutter, "gläsern und zerbrechlich" - ihr reicht ein Blick, um ihr Gegenüber zu durchleuchten; Lothar, der besserwisserische Vater, ein frühverrenteter Pilot, den bisweilen "Piratenkraft" durchjagt, vor allem, wenn er an seinen geplanten Segelflugplatz denkt; und Merten, der übrig gebliebene, introvertierte zweite Sohn. Die neue Freundin an seiner Seite spürt ihn nur mit Mühe: "Es ist, als wärst du nur da, wenn wir zusammen sind." Im Wald, wo das Paar spazieren geht, "nur Nadeln und Rinde". Wie ein Schatten hängt der tote Bruder über dieser Geschichte. Spärlich und in Raten erfährt man Details: Jakob wurde auf offener Straße im Herzen Frankfurts niedergestochen, der Täter hinter Gitter gebracht. Und doch scheint das Familienunglück schon viel früher ins schmucke Taunus-Haus eingezogen zu sein.

Warum aber will diese Gesamtlähmung nicht so recht ergreifen? Warum scheint mit dem ersten "Nichts" schon alles erzählt? Ein Auszug dieses zweiten Romans des 1969 geborenen und in Berlin lebenden Andreas Schäfer war bereits vergangenes Jahr in Klagenfurt zu hören. Das jetzt vorliegende Ganze vertieft den im Zentrum stehenden Vorgang einer nur sehr langsam absinkenden und immer wieder stoßweise ergreifenden Trauer. Sie ist bleiern und hemmt: Man blickt mit "banger Begeisterung", fällt schon nach der Begrüßung in sich zusammen, entzieht die Hand, weicht Blicken aus, verhält sich eher "als Zuschauerin" des Lebens, statt wirklich daran teilzunehmen. "Es regierten die Dinge, unberührt wirkende Oberflächen mit abweisendem Glanz." Und wenn doch einmal Begeisterung aufglimmt, "explodiert" sie "lautlos". Warum die Mutter unter der wattigen Decke dieses Alltags dennoch heimlich Kontakt zum Täter sucht, bleibt undeutlich; ein Aufwallen von Restenergie, die sie kurzzeitig belebt und seltsam befriedigt zurücklässt, obwohl das Projekt verläppert. Vermutlich soll ebendas gezeigt werden: wie Trauer die Trauernden verkapselt und vereinzelt. Und statt ein Familientherapeutenprogramm für seinen Roman zu bemühen, zeichnet Schäfer ebendie Furchen und notdürftigen Verklebungen nach, die der Schmerz bei seinen drei Einzelwesen hinterlässt. Manchmal kommt es zu unbeholfenen Begegnungen und Aufrissen der Vergangenheit. Und schon geht alles seinen gewohnten Gang. "Lothar nickte. Dann harkte er weiter."

Andreas Schäfer entgeht keine Geste, kein Geräusch. Aber die beschriebenen Details - das Schnappen eines Feuerzeugs, das Quietschen der Haustür - sind oft von einer Alltäglichkeit, dass sie den überzeugenden Passagen die erzählerische Kraft rauben. Auch die Figuren geraten bisweilen allzu mechanisch, ausgestattet mit typischen Männer- und Fraueneigenschaften. Es scheint, dass nicht nur diese Familie, sondern auch Sprache und Bilder dieses Romans keine Widersprüche, keinen Ausschlag dulden. Und so treibt alles gleichförmig in die alten Muster. Der Besitzerstolz des Vaters verschiebt sich leicht vom hauseigenen Pool aufs neue Grundstück fürs Segelflugzeug; die Mutter gönnt sich neben allen Rätseln um den Tod ihres Sohnes einfach selbst ein kleines Geheimnis; und Merten, den der Vater schon immer benachteiligte, läuft irritiert mit der Kamera durch Frankfurt auf der Suche nach klaren Bildern, die er verschwimmen lassen kann. Jeder hat seine eigene Technik; Merten etwa verspürt "ein Gefühl von Bedrohung, das verschwand, sobald man sich darauf konzentrierte".

"Wir vier" ist ein solide gebauter Roman, dem trotz der im Kern gepflegten Tabus das fehlt, was ihn hervorheben würde: ein Geheimnis.

ANJA HIRSCH

Andreas Schäfer: "Wir vier". Roman. DuMont Verlag, Köln 2010. 188 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2010

Das schwarze Loch
Wenn ein plötzlicher Tod das Netz einer Familie zerreißt: Anderas Schäfers Roman „Wir vier”
Manchmal kann man Stille hören, als fernen Nachklang von Geräuschen oder als feines Sirren, wie es der Wind an Sommertagen zustande bringt. Ein solch leises Rauschen durchdringt diesen Roman. Auf der glatten Oberfläche einer elegant gespannten Sprache erzeugt er einen Unterton von Bedrohung, indem er beides zusammenfügt: die grausame Stille nach einer Katastrophe und den Nachhall verlorenen Glücks. „Wir vier”, der zweite Roman des 1969 geborenen Andreas Schäfer, erzählt von einer Familienkatastrophe. Zum Zeitpunkt des Erzählens ist sie bereits vier Jahre her. Damals wurde der ältere Sohn der vierköpfigen Familie auf offener Straße ermordet.
In psychoanalytischer Terminologie würde man wohl von einem Trauma sprechen. Doch Andreas Schäfer, der mit diesem Roman das große Versprechen seines 2002 erschienenen Debüts „Auf dem Weg nach Messara” erstaunlich gelassen einlöst, verzichtet auf psychologische Erklärungsmuster. Seine genau kalkulierte Sprache hält den Leser auf Distanz und lässt ihn doch am Alltag einer Familie teilhaben, in die der Tod ein „riesiges Loch” gerissen hat, dessen Sogkraft in jeder Geste, jedem Wort nachwirkt.
Die erzählte Zeit umfasst nur wenige Tage, in denen durch Rückblenden und Erinnerungen der drei übrig gebliebenen Familienmitglieder das vergangene Geschehen vergegenwärtigt wird. Es ist Sommer, Ende August, früher spielten die Brüder zu dieser Jahreszeit im Pool des ausgebauten Siedlungs-Häuschens in einem Vorort von Frankfurt. Mittlerweile bewohnen die Eltern das Haus allein. Merten, der jüngere Sohn, hat vor einem Jahr das Abitur gemacht und wohnt in einer kleinen Mansarde in der Nähe der Alten Oper. Er sieht seine Eltern nur noch selten, will sich nicht mehr dreinreden lassen, möchte vielleicht Fotograf werden und jobbt in einem Café. Seit vier Wochen ist er mit Miriam zusammen. Sie unternehmen eine Spritztour an die holländische Küste, ausgerechnet in der Nacht, bevor er mittags zu einem Familientreffen in einem Frankfurter Restaurant erscheinen soll.
Lange hat seine Mutter auf dieses Treffen hingearbeitet. Ruth will Mann und Sohn etwas mitteilen, was sich zwischen Tür und Angel nicht besprechen lässt: ihren Entschluss, den Mörder ihres Sohnes, den sie noch nie gesehen hat, im Gefängnis zu besuchen. Das Hirngespinst soll endlich ein Gesicht bekommen und wissen, was es angestellt hat: „Sie haben unsere Familie zerfetzt”, wird sie ihm sagen. Doch selbst bei diesem Treffen, zu dem Merten und seine Freundin wider Erwarten pünktlich eintreffen, im Gegensatz zu Lothar, ihrem Mann, kommt es nicht zu der gewünschten Offenbarung. Allzu schnell geraten Vater und Sohn ins Fahrwasser wechselseitiger Vorwürfe, und schon eilen alle wieder davon.
Präzise und dennoch einfühlsam inszeniert Andreas Schäfer ein Ballett der Verfehlungen. Seine Figuren tanzen umeinander herum, suchen nach Nähe und gleiten dann doch wieder voneinander ab. Es ist die Stärke des Romans, Hilflosigkeit nicht mit Lieblosigkeit gleichzusetzen. Mag der Leser zunächst denken, Lothar, der früher Pilot war und nun ganz damit beschäftigt ist, eine kleine Segelflugschule aufzubauen, lasse seine Frau, eine ehemalige Stewardess, mit ihrem Kummer allein, so sprechen die Rückblickssequenzen eine andere Sprache. Als sich Ruth nach dem Tod des Sohnes kaum rühren konnte und die Tage im Bett verbrachte, war er da: er kümmerte sich um die Beerdigung, um die Kondolenzbesucher, hielt das Familienleben aufrecht, fuhr Merten zur Schule. Erst als es seiner Frau wieder besser ging – die Sorge um den jüngeren Sohn gab ihr Halt –, stürzte Lothar ab. Geschüttelt von Weinkrämpfen, verbrachte er seine Tage auf dem Sofa.
Allein die Aussicht, bald wieder fliegen zu können, war ihm Trost. Nachdem man ihn zunächst ins Management abschieben wollte, durfte er nach einer Tauglichkeitsprüfung weiter als Pilot arbeiten. Das ging eine Zeitlang gut. Bis er eines Tages ein Gespräch belauschte, in dem ein Copilot einen fatalen Satz sagte: „Ich an seiner Stelle würde den Mann umbringen.” Lothar begann zu trinken, funktionierte eine Weile noch, bis er gegen einen Techniker ausfällig wurde. Nach der Kündigung verschwand auch der Drang zu trinken. Eine erhöhte Geräuschempfindlichkeit aber ist ihm geblieben.
Die Schweigsamkeit, die in dieser Familie herrscht, ist das Schweigen von Versehrten. Andreas Schäfer weiß, dass Menschen, die etwas Schlimmes erlebt haben, nicht nur von Erinnerungen heimgesucht werden, sondern hochempfindlich auf Sprache reagieren. Ein falsches Wort genügt, und schon reißt die Wunde wieder auf. Auch Lothar hat einen fatalen Satz gesagt, und zwar zu Merten, als er ihn direkt nach dem Mord vom Fußballplatz abholte und über den Tod seines Bruders informierte: „Ich wünschte, ich wäre nie Vater geworden.”
Andreas Schäfer malt niemals aus, was solche Sätze bedeuten. Wie Sprengladungen, die beinahe lautlos explodieren, hat er sie in seinem Roman verteilt. Das erzeugt eine Spannung, die für den Leser fast körperlich zu spüren ist. „Wir vier” liest sich, als würde man auf einen Segelflug mitgenommen: man genießt die Kühnheit einer bis in den hintersten Winkel von energiegeladener Ruhe getragenen Sprache, und ist am Ende doch froh, wenn man wieder auf dem Boden ist. Denn dieser Roman hat trotz oder vielmehr wegen der unendlichen Ruhe, die er ausstrahlt, etwas zutiefst Beunruhigendes: seine Virtuosität absorbiert das Motiv des toten Kindes so vollständig, als würde es von einem schwarzen Loch verschluckt.
Am Ende aber steuert Schäfer seinen Roman aus der Anspannung heraus. Nach einem Beinahe-Absturz Lothars versöhnen sich Vater und Sohn, bald darauf zieht die Familie in ein neues Haus. Und während der Hausherr den Garten harkt, merkt man, worauf der Autor hinaus will. Wie Arno Geiger in seinem jüngsten Roman, „Alles über Sally”, stellt auch Andreas Schäfer die Ehe eines Paars, das sich seit dreißig Jahren kennt, auf die Probe. Es wäre fahrlässig, aus dieser Parallele gleich einen literarischen Trend abzuleiten. Dennoch ist es bemerkenswert, dass hier zwei Autoren Anfang vierzig, die zuvor Romane über Großfamilien geschrieben haben, nun die Ehen von Fiftysomethings in Augenschein nehmen. So als wollten sie am Beispiel imaginärer älterer Geschwister prüfen, ob man sich das überhaupt noch vorstellen kann: dass Ehen mehr sind als Lebensabschnittspartnerschaften.MEIKE FESSMANN
ANDREAS SCHÄFER: Wir vier. Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2010. 188 Seiten, 18,95 Euro.
Das Hirngespinst soll endlich ein Gesicht bekommen
Ein falsches Wort genügt, schon reißt die Wunde wieder auf
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anja Hirsch wird nicht fündig in diesem Roman von Andreas Schäfer. Ein Geheimnis sucht sie bis zum Schluss vergebens. Die solide Bauweise des Textes, der den verhaltenen Bewegungen der Figuren, einer Familie nach einem schweren Schicksalsschlag, bis in die Syntax hinein folgt, wie Hirsch feststellt, genügt der Rezensentin nicht. Die "Gesamtlähmung" der Trauer ums Taunus-Haus leuchtet ihr allzu rasch ein. Und ist das Personal nicht doch etwas zu schematisch? Hirsch vermutet, dass der Autor dem Text einfach zuviel von seiner Strategie der Gleichförmigkeit einschreibt, bei aller Aufmerksamkeit für Gesten und Geräusche.

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