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Lena Gorelik erzählt von drei außergewöhnlichen Menschen, von Freundschaft, Liebe und Abschied - und sie zeigt, warum es gut ist, anders zu sein und seinen eigenen Weg zu finden.
Fünfzehn Jahre lang hat Nils Liebe nichts von Sanela gehört. Damals waren beide vierzehn, Nils multiplizierte vierstellige Zahlen im Kopf, Sanela kam aus Jugoslawien und hatte im Krieg ihre Eltern verloren. Zwischen den beiden Außenseitern begann eine heftige Freundschaft, vielleicht wäre es sogar mehr geworden. Aber nachdem sie zusammen ausgerissen waren und versucht hatten, in Bosnien das Grab von Sanelas Vater…mehr

Produktbeschreibung
Lena Gorelik erzählt von drei außergewöhnlichen Menschen, von Freundschaft, Liebe und Abschied - und sie zeigt, warum es gut ist, anders zu sein und seinen eigenen Weg zu finden.

Fünfzehn Jahre lang hat Nils Liebe nichts von Sanela gehört. Damals waren beide vierzehn, Nils multiplizierte vierstellige Zahlen im Kopf, Sanela kam aus Jugoslawien und hatte im Krieg ihre Eltern verloren. Zwischen den beiden Außenseitern begann eine heftige Freundschaft, vielleicht wäre es sogar mehr geworden. Aber nachdem sie zusammen ausgerissen waren und versucht hatten, in Bosnien das Grab von Sanelas Vater zu finden, eine so vergebliche wie gefährliche Reise, kam das abrupte Ende zwischen Nils und dem wilden Mädchen, das immer aus allem ausbrechen wollte. Nun erhält Nils einen Brief von Sanela, einen Brief wie früher, scheinbar zufällig. Und weiß beim ersten Treffen, wie sehr sie ihm all die Jahre gefehlt hat. Sanela hat einen kleinen Sohn, der Niels-Tito heißt, der wie Nils Liebe die Zahlen liebt und sich sofort mit diesem versteht wie mit keinem sonst. Zu dritt holen sie die Reise nach und werden bald zu so etwas wie einer Familie. Aber Sanela macht es Nils immer noch nicht leicht. Ihr Brief war kein Zufall, denn sie ist sehr krank ...

Autorenporträt
Lena Gorelik, 1981 in St. Petersburg geboren, kam 1992 mit ihren Eltern nach Deutschland. Ihr Roman «Hochzeit in Jerusalem» (2007) war für den Deutschen Buchpreis nominiert, der vielgelobte Roman «Mehr Schwarz als Lila» (2017) für den Deutschen Jugendbuchpreis. Regelmäßig schreibt Lena Gorelik Beiträge zu gesellschaftlichen Themen, u.a. für die «Süddeutsche Zeitung» oder «Die Zeit». Sie lebt in München.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Nils, der in seinem Vornamen ein E schmerzlich vermisst und seinen Nachnamen Liebe nicht mag, freundet sich mit dem Mädchen an, das, dem Krieg auf dem Balkan entflohen, in seine Klasse kommt. Er hilft Sanela beim Deutschlernen, die beiden schreiben sich bald Briefe und unterhalten sich mit Literatur-Zitaten. Später machen sie sich als Ausreißer noch während des Krieges in Bosnien auf die Suche nach dem Grab von Sanelas Vater. Trotz ihrer engen Vertrautheit bricht der Kontakt nach einem Selbstmordversuch Sanelas gänzlich ab. Erst 15 Jahre später wird sie ihm wieder schreiben. Dieses Buch reißt seinen Leser schon bei den ersten Worten mit. Einfühlsam beschreibt die Autorin ihre Protagonisten als Jugendliche wie als Erwachsene, entwirft so glaubhafte, starke Figuren. Nicht nur Nils ist gebannt von Sanela, auch der Leser. Sanela spricht über das Unaussprechliche, feuert Worte wie Waffen ab. Sie ist todkrank und hat Nils nicht zufällig geschrieben. Als dieser Sanela und ihren Sohn Niels-Tito besucht, bleibt er. Gorelik erzählt die Geschichte ganz ohne Melodramatik, dafür mit umso mehr Kraft zu Ende. Lena Goreliks Buch tut weh. Und das tut es verdammt gut. Goreliks direkter Stil ist schonungslos und das macht dieses Buch über Freundschaft, Liebe, Stolz und Abschied so lesenswert.

© BÜCHERmagazin, Melanie Schippling

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.09.2015

Pathospolizei
liest mit
Lena Goreliks erstes ernstes Buch
trägt schwer an seinem Gewicht
Am Anfang, der eigentlich das Ende dieser Geschichte ist, verbrennt Nils eine Schachtel mit Gedichten. Sanela hat sie geschrieben, seine Jugendliebe, die jetzt tot ist und deren Sohn er zu sich genommen hat. Sie ungelesen zu verbrennen ist in Ordnung, denn Sanela hat die Gedichte nicht für die Ewigkeit geschrieben, sondern jeden Morgen als Frühgedankensport. Allein schon das Wort, „Ewigkeit“: viel zu pathetisch.
  Man kann diese Information – dass eine der beiden Hauptfiguren stirbt – hier einfach mal vorwegnehmen, ohne dass irgendjemand das Recht hat, „Spoiler!“ zu rufen. Lena Gorelik tut das ja selbst sofort, nämlich auf Seite vier, und springt danach ständig zwischen den verschiedensten Zeitebenen. Denn ein klassisches Melodram soll „Null bis unendlich“ auf keinen Fall sein, auch wenn die Handlung ein bisschen so klingt: Als sie vierzehn sind, bringt der hochbegabte Nils dem jugoslawischen Flüchtlingsmädchen Sanela Deutsch bei. Sie schreiben sich immer komplexer werdende Briefe und fahren irgendwann zusammen ins Kriegsgebiet auf dem Balkan, um das Grab von Sanelas Vater zu suchen. Zurück in Deutschland verschwindet Sanela, erst fünfzehn Jahre später meldet sie sich wieder bei Nils. Die beiden werden ein Paar, oder zumindest eine Art von Paar, bis Sanela nach kurzem Glück, oder zumindest einer Art von Glück, an Krebs stirbt.
  Für ihren neuen Roman hat die Münchner Autorin Lena Gorelik drei Romanfiguren erfunden, die zusammen eigentlich kaum für einen Roman taugen: Nils, ein Journalist von wahnsinniger Intelligenz, ein Mann ohne Eigenschaften, betrachtet seine Gefühle eher wie interessante Ausstellungsobjekte hinter Glas. Der erste Satz, den man von ihm hört, lautet: „Ich habe mich entschieden, dich nicht zu lieben.“ Sanela, seine frühere Klassenkameradin, ist Außenseiterin wie er, aber als traumatisierte Kriegswaise aus anderen Gründen. Auch sie hält ihre Gefühle auf Sicherheitsabstand, ihr ganzes kurzes Leben lang. Ihren Sohn liebt sie sehr, sagt das aber natürlich nicht. Sie nennt ihn „den Jungen“. Der wiederum hat mit seinen verkapselten Gefühlen noch mal ganz andere Probleme als die Erwachsenen.  
  Von der Leichtigkeit, mit der Gorelik bisher erzählt hat – sogar noch in ihrem vorigen Roman „Die Listensammlerin“ (2013), immerhin die Geschichte einer Mutter, die um das Leben ihrer Tochter fürchten muss – ist in ihrem neuen Buch nur noch ein ferner Schatten zu spüren. „Null bis unendlich“ liest sich, als wolle Lena Gorelik die Schublade, die bei Nennung ihres Namens aufgeht – nämlich die mit der Aufschrift „heitere Geschichten über russischstämmige Juden in Deutschland“ – fest verschließen. Der Witz ist schwarz und darf nur noch aus der Ferne winken. Und damit er sich nicht doch wieder einschleicht in ihre Sätze, stellt Gorelik ihm sehr viele schwere Themen in den Weg: den Balkankrieg, einen Suizidversuch, schwere Hochbegabung, Asperger, Bindungsunfähigkeit und einen Hirntumor.
  Es steckt also sehr viel Tragik in diesem Roman. So viel, dass Lena Gorelik ihren Figuren Gefühlsfilter eingebaut hat, vielleicht, um sie vor ihrer eigenen Geschichte zu schützen – und die Leser gleich mit. Man sehnt sich fast nach ein bisschen Gewöhnlichkeit zwischen diesen drei so überungewöhnlichen Figuren. So vieles bleibt unausgesprochen, so vieles auf Abstand gehalten, dass die Stille irgendwann ziemlich laut schreit. Und es am Ende doch das ist, was Nils’ Liebe, Sanela und Lena Gorelik gar nicht sein wollen: ziemlich pathetisch.
KATHLEEN HILDEBRAND
Lena Gorelik: Null bis unendlich. Roman. Rowohlt Berlin 2015. 304 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 16,99.
Zu viele Gefühlsfilter halten
den Leser auf Abstand
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2015

Hohe Intelligenz schützt nicht vor dummem Verhalten
Reden ist Silber, Schweigen auch: Lena Gorelik erzählt in "Null bis unendlich" nicht mehr autobiographisch

Kurz vor Erscheinen ihres vierten Romans blickt Lena Gorelik in ihrem Blog zurück: Nicht nur ihre Bücher seien bislang goutiert worden, sondern auch ihre Lebensgeschichte. Anja, die Erzählerin des 2004 erschienenen Debütromans "Meine weißen Nächte", war ebenso wie die Autorin Anfang der neunziger Jahre von Russland nach Deutschland emigriert und betrachtete ihre neue schwäbische Heimat mit herrlich unbarmherzigem Blick. Der zweite Roman "Hochzeit in Jerusalem" begleitete die nunmehr erwachsene Anja auf eine Reise nach Israel und warf gemeinsam mit ihr die Frage auf, was Jüdischsein in Deutschland heute bedeutet. Anschließend veröffentlichte Lena Gorelik einen Reisebericht, einen Essay zu Migration und Toleranz sowie ein Buch für ihren Sohn, das mit trockenem Witz Vorurteile und Klischees über das Judentum analysiert und aushebelt. "Sie liebten nach wie vor meine Geschichte", notiert die Autorin trocken. Goreliks Biographie fand Eingang in die Rezensionen; das Mädchen, das mit elf Jahren nach Deutschland eingewandert war, ohne der deutschen Sprache mächtig zu sein, erregte weniger Interesse als die erwachsene Autorin.

"Null bis unendlich" erzählt nun eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der jugoslawischen Bürgerkriege. "Ich bin noch nie in Jugoslawien gewesen", schreibt Gorelik im Blog. "Und auch noch in keinem Bürgerkrieg. Und bin gespannt: Ist das noch Migrantenliteratur? Einfach, weil ich selbst Migrantin bin?"

Die vierzehnjährige Sanela hat während des Balkankonflikts ihre Eltern verloren und lebt nun bei Tante und Onkel in Deutschland, der neuen Sprache noch nicht mächtig, auch wenn sie sich förmlich hineinwirft, um möglichst schnell zu lernen, um sich möglichst schnell schützen zu können gegen die hämischen Mitschüler, die sie "Backfett" nennen oder über ihre abstehenden Ohren lachen. Zum Freund wird einzig der stille, hochintelligente Nils, der mit Nachnamen "Liebe" heißt und im gesamten Roman konsequent als "Nils Liebe" bezeichnet wird. Die beiden Teenager verbindet das Gefühl ständiger Fremdheit; während Sanela jedoch ihrer verlorenen Heimat und Familie nachtrauert, ist Nils lediglich ermüdet von seinen gutbürgerlichen Eltern, die ihn mit Gesprächsversuchen voller "Mangel an Scharfsinn" behelligen, während er sich "gedanklich der Modifizierten Newton'schen Mechanik widmen" möchte. Nils Liebe ist "der Überkluge, das Wort hatte er selbst erfunden", lauscht mit Ethnologenohren Sanelas noch rauhem Deutsch, ihren unabsichtlichen Neologismen, dokumentiert ihre sprachlichen Fortschritte, so wie er den Wachstum seines Bonsaibaums tabellarisch festhält. Als Sanela mit ihm nach Bosnien und Hercegovina fährt, um nach dem Grab ihres Vaters zu suchen, als die beiden von ferne auf Sanelas Heimatdorf blicken, in dem Feuer wüten, erklärt Nils Sanela seelenruhig, dass "Buchen ein erstklassiges Brennholz abgeben, da sie lange, hell, heiß und ruhig brennen", und dass "der M-84 eine Weiterentwicklung des russischen T-72A-Panzers ist, der über eine neue computerisierte Feuerleitanlage verfügt". Als Sanela bekennt: "Wenn man alle sterben sieht, dann will man auch sterben", registriert Nils anerkennend: "Es war das erste Mal, dass sie eine Satzkonstruktion mit dem Indefinitpronomen ,man' bildete."

Auch in ihren bisherigen Romanen hat Lena Gorelik ihre Hauptfiguren betont intelligent gezeichnet, arrogant und genervt von ihrem verständnislosen Umfeld. Nils Liebes Wissensreservoir enthält allerdings nur leicht verdauliche Häppchen, die teils fast wortwörtlich aus dem Duden oder Wikipedia-Einträgen abgeschrieben sind: Ein Dialog ist eine von zwei oder mehreren Personen abwechselnd geführte Rede mit Gegenrede. Die Zahl Null wurde zum ersten Mal in einer Inschrift aus dem siebten Jahrhundert entdeckt. Und die Überheblichkeit der Protagonisten schwappt bisweilen in die Erzählstimme über, die dem Leser überdeutlich und repetitiv erklärt, was ihm längst gezeigt und klargeworden ist.

So kommt der Lesefluss immer wieder ins Stocken, obwohl der Roman alles andere als handlungsarm ist: Der Kontakt zwischen den beiden Teenagern bricht ab, als Sanela nach einem Selbstmordversuch in eine Klinik eingewiesen wird; die nächsten Jahre strotzen förmlich vor Liebschaften, Studienfächern, Umzügen und - in Nils' Fall - vor Preisen und Auszeichnungen. Erst mit Ende zwanzig nimmt Sanela wieder Kontakt zu Nils auf; früher sollte er ihr Deutsch beibringen, heute soll er die Verantwortung für ihren minderjährigen Sohn übernehmen. Nils lässt sich wieder und wie hypnotisiert in Sanelas Bann ziehen; eine Dynamik, die Lena Gorelik durch Sanelas einnehmende Persönlichkeit zu erklären versucht. Sonderlich einnehmend aber wirkt Sanela auf den Leser nicht, weder als zorniger Teenager noch als zornige Erwachsene.

Sanela ist von Selbsthass erfüllt, der nach und nach ihre gesamte Umgebung vergiftet. Sie hat - eine Folge ihrer Vergangenheit - beschlossen, dass Menschen bösartig sind. Glück ist für sie unaushaltbar: Sobald sie bei sich selbst oder bei Nils Liebevolles wittert, schlägt sie zu, meist verbal, manchmal auch körperlich. Das Zusammenleben der beiden gerät zur Endlosschleife gegenseitiger Verletzungen.

"Null bis unendlich" wirkt seltsam unfertig; eine Aneinanderreihung von Szenen, die durch eine wenig glaubwürdige Liebesgeschichte verknüpft sind. Zu den Lichtblicken zählen die Momente, in denen die Figuren nicht permanent alles kommentieren: Nils, der schon als kleiner Junge begreift, dass seine Eltern mit seiner Intelligenz überfordert sind und er sich verstellen, die Rolle des normgerechten Kindes spielen muss, damit die Stimmung zu Hause nicht abkippt. Sanela, die im Schockzustand ihren Vater nicht darum bitten kann, nicht in den Krieg zu ziehen; Sanelas Vater, der seinem Kind nicht sagen kann, dass er es liebt. Wenn ihre Protagonisten am Wort scheitern, leuchtet Goreliks Erzählkraft.

DANA BUCHZIK

Lena Gorelik: "Null bis unendlich".

Verlag Rowohlt Berlin, Berlin 2015. 304 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lena Goreliks neuer Roman "Null bis unendlich" ist ein Fall für die "Pathospolizei", seufzt Rezensentin Kathleen Hildebrand, die die Romane der Autorin normalerweise wegen ihrer Leichtigkeit schätzt. In diesem Buch entdeckt sie davon wenig, denn Gorelik packt hier nicht nur den Balkankrieg, einen Suizidversuch, Hochbegabung, Asperger-Syndrom, Bindungsunfähigkeit und einen Hirntumor hinein, sondern stattet ihre Protagonisten, den Journalisten Nils und seine Jugendliebe, das jugoslawische Flüchtlingsmädchen Sanela auch noch mit derart übertriebenen Ungewöhnlichkeiten aus, dass der Kritikerin ganz schwindelig wird.

© Perlentaucher Medien GmbH
Lena Gorelik kann einfach brillant erzählen. Cosmopolitan
Spannend und traurig und schön. Süddeutsche Zeitung