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Ein großer Mehrgenerationenroman über eine zerrissene Familie von Dissidenten in Queens. Eine mitreißende Geschichte der Immigration von europäischen Idealen und Ideen nach Amerika. Eine humorvolle Saga über den persönlichen Preis, den gescheiterte politische Ambitionen fordern. Ein Buch wie eine geschlossene Faust, die sich langsam öffnet.
Wegen der Affäre mit einem schwarzen Polizisten wird Rose Zimmer aus der kommunistischen Partei Amerikas ausgeschlossen. Zuvor war bereits ihr deutsch-jüdischer Ehemann Albert als Spion in die DDR verbannt worden. Dennoch hält die »Rote Königin« von
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Produktbeschreibung
Ein großer Mehrgenerationenroman über eine zerrissene Familie von Dissidenten in Queens. Eine mitreißende Geschichte der Immigration von europäischen Idealen und Ideen nach Amerika. Eine humorvolle Saga über den persönlichen Preis, den gescheiterte politische Ambitionen fordern. Ein Buch wie eine geschlossene Faust, die sich langsam öffnet.
Wegen der Affäre mit einem schwarzen Polizisten wird Rose Zimmer aus der kommunistischen Partei Amerikas ausgeschlossen. Zuvor war bereits ihr deutsch-jüdischer Ehemann Albert als Spion in die DDR verbannt worden. Dennoch hält die »Rote Königin« von Queens stur und tyrannisch an ihren politischen Überzeugungen fest. Ihre Tochter Miriam kann vor Roses erdrückendem Einfluss nur in die aufkommende New-Age-Bewegung fliehen. Miriams Sohn wächst dagegen in einer Welt auf, in der gesellschaftliche Ideale bloß noch belächelt werden. Und doch kämpfen all diese unvollkommenen Menschen darum, ihre utopischen Träume in einem Amerika zu verwirklichen, in dem jedem radikalen Lebensentwurf mit Hass oder Gleichgültigkeit begegnet wird.
Autorenporträt
Jonathan Lethem, geboren 1964 in New York, ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane »Motherless Brooklyn« und »Die Festung der Einsamkeit«. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den »National Book Critics Award«, den »Gold Dagger« und das »MacArthur Fellowship«. Lethem hat am Pomona College in Südkalifornien die Professur für Creative Writing inne. Zurzeit lebt er mit seiner Familie in Kalifornien.Weitere Informationen zu Jonathan Lethem finden Sie auf seiner Website www.jonathanlethem.com

Ulrich Blumenbach hat u. a. Werke von Agatha Christie, Joshua Cohen, Stephen Fry, Jack Kerouac und Anthony Burgess sowie Gedichte von Dorothy Parker ins Deutsche gebracht. Für die Übersetzung von David Foster Wallace' Roman Unendlicher Spaß wurde er 2010 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Für einen "Wurf" hält Rezensent Michael Schmitt diesen Roman von Jonathan Lethem und reiht ihn ein in dessen große New-York-Porträts wie "Motherless Brooklyn" und Festung der Einsamkeit". Verankert in Queens und mit Anleihen an Lethems eigene Familie, erzählt dieser Roman eine Geschichte von Utopie und enttäuschten Hoffnungen, erklärt Schmitt: Was, wenn sich Menschen aus Enttäuschung verhärten? Kann es ohne Liebe und persönlicher Freiheit vernünftige Ideale geben? Lethem erzählt die Geschichte einer Kommunistin, die wegen ihrer Liebe zu einem schwarzen Polizisten aus der Partei ausgeschlossen wird, sich mit ihrer Hippie-Tochter überwirft und nicht einmal mit ihrem zartbesaiteten Pazifisten-Enkel klarkommt. Dabei ist diese Rose, der Schrecken der Familie, zugleich ein Ausbund an Lebensenergie und Engagement, also auch positives Zentrum. Sehr eindringlich findet Schmitt den Roman, der es in seinen Augen an die großen sozialkritischen Romane der amerikanischen Literatur anknüpft und über sie hinausgeht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.02.2014

Revolutionäre
aus der Vorstadt
In seinem neuen Roman „Der Garten der Dissidenten“ erzählt
Jonathan Lethem vom Scheitern der Utopien – am Beispiel seiner Familie
VON JÖRG HÄNTZSCHEL
Das 20. Jahrhundert ist überstanden, abgehakt, endlich im Archiv versenkt. Sonst würde Jonathan Lethem, der amerikanische Schriftsteller, Sohn Brooklyner Hippies, Enkel einer jüdischen Exilantin, jetzt nicht so entspannt die Tür seines hübschen Häuschens in der American Academy in Berlin öffnen. Hier, ein paar hundert Meter vom Haus der Wannseekonferenz entfernt und ein paar Minuten Meter von der ehemaligen Mauer, verbringt er mit seiner Familie fünf Monate – ganz unbeschwert von Geschichte. Eltern und Kinder haben das Wohnzimmer mit seiner Hoteleleganz bereits in ein hippes Brooklyner Familienidyll verwandelt: „Star Wars“-Heftchen, Manuskriptseiten und glamouröse Korrespondenz sind überall verstreut. Und die rosa Post-its – „die Spülmaschine“, „der Mülleimer“ – mit denen die Küche beklebt ist? „Yeah, meine Frau versucht, deutsch zu lernen“, sagt Lethem grinsend. Deutschlands Horror ist verflogen, geblieben ist ein charmantes Sprachproblem, das sich spielerisch bewältigen lässt.
  Es ist Lethem selbst, der diese sonnige Postkarte mit seinem neuen Roman „Der Garten der Dissidenten“ zerreißt. Seine drei Generationen umspannende Familiengeschichte, in der er erzählt, was das 20. Jahrhundert den Menschen angetan hat, beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg, aber will dann nicht aufhören, bis sie direkt vor unserer Haustür angekommen ist: dem Herbst von Occupy Wall Street. Klar, ein positiver Aufbruch war ausgeblieben, als das neue Jahrtausend begann. Aber sind wir nicht mit 9/11, der Digitalära, der Globalisierung und dem Klimawandel so heillos überfordert, dass die Traumata des 20. Jahrhunderts fast zwangsläufig verblassen? „Ja, das sind alles neue Probleme, aber sie treten ja nicht auf eine leere Bühne. Wir kämpfen immer noch mit den Folgen der zwei europäischen Kriege und mit dem Trauma der Moderne, das diese Kriege ausgelöst hat.“
  Er stemmt seine Füße in den weißen Joggingsocken gegen den Couchtisch. „Ich habe die fixe Idee, dass die Geschichte irgendwann im 20. Jahrhundert aufgehört hat. Wir sind immer noch dort. Nehmen Sie nur Al-Qaida: Erinnert Sie diese vor-aufklärerische Hysterie, diese Verweigerung gegenüber der Moderne nicht an den deutschen Faschismus?” Lethem redet gern, laut und viel. Sein Mund wird immer größer. Schreiben, das ist etwas anderes. Da ist kaum Platz für plakative Thesen. Und gewagt hat er sich an die schwierige Materie auch nur, so scheint es, weil er mit der Geschichte seiner eigenen Familie schon eine Route durch das kaum bekannte Terrain besaß, das im Zentrum seiner Erzählung steht: den amerikanischen Kommunismus der Nachkriegszeit. „Ja, ich weiß, das klingt wie vegetarischer Cheeseburger“, sagt Lethem. „Doch es gab ihn wirklich, er war ein bedeutender Teil des amerikanischen Lebens.“ Und sein Zentrum war in den Jahren nach dem Krieg eine nach deutschem Vorbild gebaute Gartenstadt aus den Zwanzigerjahren, Sunnyside Gardens im New Yorker Bezirk Queens.
  Wie Lethems Großmutter kommt Rose Angrush, die alles verschattende Überfigur des Romans, aus der Tiefe des jüdischen Osteuropas nach New York und trifft dort in Albert Zimmer ihr eigenes Gegenmodell des jüdischen Exilanten: Er ist, wie Lethems Großvater, Sohn einer Opernsängerin und eines Bankdirektors aus Lübeck, ein Sohn der städtischen Elite – und glühender Kommunist.
  Manche kamen um des schieren Überlebens willen nach Amerika, andere, um reich zu werden und frei zu sein. Rose und Albert sind hier, um Amerika zum Kommunismus zu bekehren. Begann Amerikas Geschichte nicht mit einer Revolution? „Kommunismus ist der Amerikanismus des 20. Jahrhunderts!“, predigt Albert auf einer Kolchose in New Jersey, als deren im Schlamm verratzte Farmer ideologische Erbauung brauchen. Es ist der 4. Juli.
  Wie verbissen diese bevorstehende Revolution entworfen wurde, während der Rest Amerikas sich an Rock’n’Roll, Autos und den anderen Freuden des Nachkriegsbooms erfreute, das allein schon macht Lethems Roman lesenswert. Organisiert in „Zellen“ folgte man beflissen den Communiqués aus Moskau, und Kinder, die Lenny gerufen werden, hießen im Pass nicht Leonard, sondern Lenin. Wie heute nur noch Mormonen und andere Sektierer aus Amerikas Religionsbiotopen zimmerte man sich ein ganzes kollektives Leben um dieses Ideal ideologischer Reinheit.
  Doch wer hier hofft, in der Gruppe könne man die Geschichte selbst in die Hand nehmen oder sich wenigstens gegen diese imprägnieren, hat sich verrechnet. Rose wird wegen ihrer Affäre mit einem schwarzen, republikanischen Polizisten aus der Partei ausgeschlossen. Albert wiederum unterwirft sich ganz gerne der perversen Disziplin: Die Partei braucht ihn in Dresden, eine neue Flucht, diesmal vor Rose und Amerika. Wenig später, 1956, erfahren die Revolutionäre in Queens auf der Titelseite der New York Times von Stalins Verbrechen. Noch am selben Tag ist der amerikanische Kommunismus tot, eine „Peinlichkeit“, so Lethem, die in kein amerikanisches Narrativ passt und von Gegnern wie Protagonisten aus der Geschichte retouchiert wurde.
  Zurück bleiben Rose und ihre kluge, schöne Tochter Miriam, deren Jugend und Unbekümmertheit einen von diesem Scherbenhaufen wegträgt und hin zu etwas, das Zukunft sein könnte. Ihr gelingt die Flucht aus der Ideologiekaserne in Queens, nach Manhattan, wo die Beat-Poeten und Folksänger den Boden für die Hippieära bestellen. Ihr Freund Tommy Gogan ist einer der vielversprechendsten von ihnen. Goldene Zeiten.
  Doch wann immer hier jemand Boden unter den Füßen gefunden hat, geben die Planken nach. Identität, das ist hier kein postmodernes Spielchen, sondern ein Lebensproblem, an dem man täglich arbeitet, um am Ende doch von ihr aufs Kreuz gelegt zu werden. Tommy, der seine irischen Wurzeln ausradiert, um in Greenwich-Villlage als Fiktion eines Dust-Bowl-Schrammlers durchzugehen, muss bald erleben, dass diese Masche mit Bob Dylans Aufstieg über Nacht aus der Mode kommt.
  Es ist also eine Art historischer Roman, den Lethem erzählt, doch einer, der das Genre als großen Schmuh entlarvt. Weil wir noch immer im 20. Jahrhundert feststecken, wird das Erzählen von diesem zur Unmöglichkeit. „Man kann nicht einfach den Vorhang zurückziehen, und sagen: Sehen Sie, da sind die Figuren, sie bewegen sich! Hier sind die Dreißigerjahre, hier die Vierziger! Nein, Geschichte ist Verhandlungssache, man muss den Preis spüren, den es kostet, sich in die Vergangenheit vorzuarbeiten. Zumal die Vergangenheit hier ja nicht aus bekannten Legenden besteht sondern aus Wissen, das nur gegen Widerstand zu erreichen ist.“
  Diesen Widerstand reicht Lethem in vollem Umfang an den Leser weiter. Keine Theatralik hier, keine raschelnden Kostüme, kein Schwelgen in Details. Das begann schon bei der Vorarbeit. Statt lange in Archiven zu verbringen, genügten Lethem „winzige Glutbrocken in der Dunkelheit. Dann flutet Projektion und Vorstellungskraft herein und liefert den Rest. Manchmal ist ebenso gut oder besser, wenig zu wissen.“ Statt mit der Flüssigkeit des Wohlinformierten schreibt Lethem in einem zögernden, stockenden Rhythmus, der dem schmerzhaften Prozess des Erinnerns ähnelt: Lethem dreht und wendet das Material, hält es gegen das Licht und setzt immer wieder neu an.
  Meistens schließt man sich Lethems subtilem Tasten fasziniert an, gelegentlich ermüdet er den Leser mit Redundanz. Umso erstaunter ist man, wenn man Lethem gegenüber sitzt. Wo ist der Grübler?, fragt man sich, wenn er die „große Zahl meiner Register, meine Flüssigkeit in verschiedensten Bereichen, mein quecksilberhaftes Erbe“ rühmt . Wenn er wie ein Techniker meint: „wenn man einen Mehrgenerationen-Roman schreibt, muss das Zentrum geräumt werden, sonst wird die erste Generation irrelevant“, erklärt er kühl den Tod der von jedem Leser geliebten Miriam, die viel von Lethems eigener Mutter enthält. „Das gab meinem Hang zum Töten von Müttern einen Zweck!“, sagt er – und lacht laut. Beim Lesen des Buchs fällt einem etwas ganz anderes auf: etwas wie eine Furcht des Autors, das, was er aus dem historischen Dunkel holt, könnte sich in Luft auflösen, sobald er die erzählerische Handbremse löse.
  Eine Furcht, die am Ende noch einmal virulent wird, als Miriams Sohn Sergius auf einem Occupy-Camp an die revolutionäre Familientradition anzuknüpfen versucht. „Wenn du einen dieser Momente erlebt hast, dann leben sie weiter. Sie hören nicht auf, nur weil es in den Nachrichten heißt: die Zelte sind abgeräumt, es ist vorbei. Vielleicht ist den Kommunisten, Sozialisten oder Hippies ihr historisches Scheitern peinlich, doch was sie gesehen haben, das bleibt: Nicht nur das Wissen, dass wir über den Status Quo hinauswachsen können, sondern auch dass so viele andere eine ähnlich Vision hatten.“
„Ich weiß, amerikanischer
Kommunismus klingt wie
vegetarischer Cheeseburger“
Wann immer hier jemand
Boden unter den Füßen gefunden
hat, geben die Planken nach
Enkel einer jüdischen Emigrantin, Sohn von Brooklyner Hippies: Jonathan Lethem, Jahrgang 1964, hat bisher acht Roman veröffentlicht.
Foto: Leonardo Cendamo /Agentur Focus
  
  
  
  
Jonathan Lethem: Im Garten der Dissidenten. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Blumenbach. Klett-Cotta, Stuttgart 2014. 476 Seiten, 24.95 Euro.
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