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Wofür stehst Du? Ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit
Giovanni di Lorenzo und Axel Hacke haben zusammen ein ungewöhnliches Buch geschrieben: Sie stellen die große Frage nach den Werten, die für sie maßgeblich sind - oder sein sollten.
Zwei Freunde, nahezu gleichaltrig, stellen fest, dass sie sich in Jahrzehnten über vieles Private ausgetauscht haben, Leidenschaften, Ehen und Trennungen, Erfolge, Ängste und Todesfälle, dass aber eines zwischen ihnen seltsam unbesprochen blieb: An welche grundlegenden Werte glaubst du eigentlich, wenn es nicht um dich, sondern um uns alle geht? Was ist…mehr

Produktbeschreibung
Wofür stehst Du? Ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit

Giovanni di Lorenzo und Axel Hacke haben zusammen ein ungewöhnliches Buch geschrieben: Sie stellen die große Frage nach den Werten, die für sie maßgeblich sind - oder sein sollten.

Zwei Freunde, nahezu gleichaltrig, stellen fest, dass sie sich in Jahrzehnten über vieles Private ausgetauscht haben, Leidenschaften, Ehen und Trennungen, Erfolge, Ängste und Todesfälle, dass aber eines zwischen ihnen seltsam unbesprochen blieb: An welche grundlegenden Werte glaubst du eigentlich, wenn es nicht um dich, sondern um uns alle geht? Was ist wirklich wichtig in diesem Land? Für welche Ziele der Gemeinschaft bist du bereit, dich einzusetzen? Kurz: Wofür stehst du?

Wir leben in Zeiten unübersehbaren Rückzugs ins Persönliche, einer nachgerade verbissenen, ja, verzweifelten Glückssuche im Privaten, der massenhaften Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortung, in Zeiten von Missmut, Frust und Gemoser über den Staat. Die Beteiligung an Wahlen sinkt kontinuierlich, die Bereitschaft, sich als Bürger zu verstehen, wird immer geringer. Dafür wachsen Ansprüche auf der einen, Gleichgültigkeit auf der anderen Seite. Das ist angesichts großer Herausforderungen eine unakzeptable Situation, aus der viele Menschen für sich selbst ratlos und vergeblich einen Ausweg suchen.

In diesem Buch versuchen die Autoren zu beschreiben, welche Werte sie für wichtig halten - und dies auf sehr ungewöhnlichen Wegen: nicht als abstrakten Tugendkatalog, sondern als eine Art Inventur bisheriger Lebensführung. Manchmal jeder für sich, dann wieder beide gemeinsam oder im Schlagabtausch, mal essayistisch, mal im Stile von Reportern, geradezu psychoanalytisch suchend, bisweilen poetisch und assoziativ, dann wieder sehr nüchtern reflektierend, immer subjektiv erzählend und sehr selbstkritisch suchen die Autoren nach Antworten in den großen Themenfeldern Politik und Staat, Klimawandel, Gerechtigkeit, Migration und Fremdheit, Angst und Depression, Krankheit und Tod.
Autorenporträt
Hacke, AxelAxel Hacke, geboren 1956 in Braunschweig, lebt als Schriftsteller und Journalist in München. Von 1981-2000 Reporter und »Streiflicht«-Autor bei der Süddeutschen Zeitung, für deren Magazin er bis heute die beliebte Kolumne »Das Beste aus aller Welt« schreibt. Axel Hacke veröffentlichte eine Vielzahl erfolgreicher Bücher, u.a. »Der kleine Erziehungsberater«, und erhielt für seine Arbeit zahlreiche Preise.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2010

Nichts, gar nichts war früher besser
Die Journalisten Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo fragen sich: "Wofür stehst Du?"

Dieser Text ist ein krasser Verstoß gegen die Regeln, um die es geht in dem Buch, das hier besprochen werden soll - und entsprechend schlecht ist beim Schreiben das Gewissen. Denn der Autor dieser Kritik und der eine Autor des Buchs, Giovanni di Lorenzo: wir kennen einander, seit fast dreißig Jahren. Wir sind uns an der Münchner Uni begegnet, im Grundkurs Politische Wissenschaft, und nach einem lustigen Abend in einem Restaurant, das wir uns beide eigentlich nicht leisten konnten, habe ich ihm meine zerlesene Dünndruck-Ausgabe der "Verlorenen Illusionen" von Balzac in die Hand gedrückt und gesagt: "Lies das! Und denk dann noch mal darüber nach, ob du wirklich Journalist werden willst!"

Mit dem anderen Autor, Axel Hacke, habe ich so lange in der Redaktion der "Süddeutschen" zusammengearbeitet, dass ich gar nicht anders konnte, als ihn zu bewundern, zu mögen, zu duzen; und einmal, als eine besonders schöne Reportage in der Zeitung stand und die Kollegen in der Konferenz den Autor lobten für seinen Stil, für sein Talent, habe ich die gesamte Runde angeschnauzt: dass diese floskelfreien Sätze, diese präzisen Beobachtungen, dass das alles ja nicht bloß eine Frage des Talents sei. Sondern vor allem eine Frage der Moral. Woraufhin die Kollegen fragten, ob ich verrückt geworden sei.

Man sollte aber seine Freunde nicht rezensieren, man soll nicht schreiben über Menschen, die man duzt - und der eine oder andere, der Fritz J. Raddatz' "Tagebücher" gelesen oder zumindest schon mal durchgeblättert hat, wird jetzt fragen: Was ist hier das Problem? Denn in Raddatz' Buch, das sehr lebensnah geschrieben ist, wird alle paar Seiten wieder davon erzählt, dass einer, der als Feuilletonchef der "Zeit" seine ästhetischen Urteile im Tonfall der Amtlichkeit und Objektivität zu formulieren versucht (besonders stilsicher war Raddatz ja nie), zugleich mit denen, über deren Werke er urteilt, eng befreundet (oder leidenschaftlich verfeindet) sein kann; dass man an einem Tag einander rezensiert, und am nächsten trinkt und feiert man miteinander; man duzt sich und plant gemeinsame Ferien nach Portugal.

Und genau das ist das Problem, gegen welches Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo anschreiben in ihrem Buch "Wofür stehst Du?": Das professionelle Ethos, das moralische Fundament, auf welchem die heute Fünfzigjährigen zum Beispiel ihre journalistische Arbeit tun, Axel Hacke als Kolumnist des "SZ-Magazins", Giovanni di Lorenzo als Chefredakteur der "Zeit": dieses Fundament ist wesentlich stabiler, als es das war zu der Zeit, da Raddatz' Generation das Sagen hatte. Es fällt nur niemandem auf; und das liegt vermutlich daran, dass diese Moral sich vor allem in vielen Zweifeln, in großer Skepsis, in der ständigen Überprüfung gerade erst formulierter Arbeitshypothesen zeigt. Und nicht in den großen Plänen und Weltveränderungsprojekten, denen sich die Generation davor so gerne unterworfen hat. Einer wie Raddatz nannte sich damals links, wusste immer, wer die Bösen waren, und fand sich schon verwegen, wenn er aber zugleich einen Porsche fuhr und im "Baur au Lac" ein Zimmer reservierte. Sein großes Projekt heute läuft konsequenterweise darauf hinaus, den jungen Leuten zu erzählen, dass früher alles besser war.

"Wofür stehst Du?", das ist als Frage, die zwei Journalisten sich selber stellen, schon deshalb nicht besonders scharf, weil ja, erstens, genau zu diesem Zweck die Kolumnen und die Leitartikel erfunden worden sind: dass man seine Antworten da hinschreiben kann. Und zweitens haben die Antworten, wenn man sie abstrakt zu fassen versucht, eben die Unverbindlichkeit, die einem ja auch beim Dauergeschwafel über die Werte, zu welchen sich gefälligst alle bekennen sollen, so furchtbar auf den Wecker geht. Freiheit, Gerechtigkeit, Empathie, wer stünde nicht dafür?

Wofür stehst du? Die Frage wird aber wieder interessant, wenn die Autoren sie einander stellen - und genau so haben sie das Buch auch angelegt: Es ist wie ein Briefwechsel aufgebaut, einer schreibt, der andere berichtet, was ihm dazu einfällt; und fast so interessant wie die Texte der beiden sind die Räume, die sich zwischen diesen Texten ergeben. Es ist kein besonders dickes Buch, keine zweihundertfünfzig Seiten; und trotzdem liest es sich nicht einfach schnell weg - schon weil man, kaum ist ein Eintrag zu Ende, im Kopf an seiner eigenen Antwort arbeitet. Dieses Buch fordert weniger ein Urteil heraus (ist es gelungen, misslungen, mehr so mittel?); es ist viel eher eine Einladung, am Gespräch der beiden teilzunehmen. Weshalb es vielleicht doch nicht so ein brutaler Regelverstoß ist, wenn ein Duzfreund der Autoren es hier bespricht: Das Buch duzt ja auch seine Leser.

Wobei sich der Text immer wieder so liest, als hätte die Frage gelautet: Wer bist du? Und wo kommst du her? Und die Antworten, welche die beiden geben, sind erschütternd, angesichts der Tatsache, dass man nicht mehr als vierzig Jahre zurückblenden muss und sich dann in einem Deutschland wiederfindet, dessen Gefühlskälte, Steifheit und Provinzialität man fast schon vergessen hatte: Giovanni di Lorenzo, der, nach der Trennung seiner Eltern, mit seiner deutschen Mutter nach Hannover kommt, wo das Italienerkind schnell lernt, was Fremdenfeindlichkeit bedeutet. Axel Hacke, der, kaum volljährig geworden, nichts als raus will aus der niedersächsischen Provinz, wo die Emotionen auf Eis liegen und die Herzen nicht einmal im Sommer auftauen.

Und genau diese Geschichten müssen wohl erzählt werden, damit geklärt werden kann, wofür und wogegen und worum es geht. Mit Nostalgie und Kulturpessimismus braucht man keinem der beiden zu kommen; und wenn Axel Hacke sich doch immer mal wieder fragt, ob sich womöglich doch etwas finde, was früher besser gewesen sei; ob es, zum Beispiel, mehr Charakterköpfe gegeben habe, stärkere Temperamente, gerade unter den Politikern: Dann formuliert Giovanni di Lorenzo sofort den allerschärfsten Widerspruch. Nichts, absolut gar nichts, war früher besser, das ist die wichtigste Aussage dieses Buchs. Wer Nostalgie spürt, belügt sich selber; wer der Verführung zum Kulturpessimismus nachgibt, hat anscheinend die Vergangenheit vergessen. Und wer bei den Bewohnern der Gegenwart die Radikalität, die großen Visionen, den starken Glauben vermisst: Dem erzählt Giovanni di Lorenzo ein paar eindrucksvolle Geschichten von den Brigate Rosse, die äußerst radikal und sehr stark im Glauben waren.

Es geht dabei natürlich weniger darum, uns zu beschwichtigen, uns mitzuteilen, dass wir gefälligst satt, faul und zufrieden sein sollten. Eher geht es darum, die Kräfte zu konzentrieren. Wofür aber und wozu?

Na ja, angesichts all der demographischen und ökologischen Herausforderungen hat die heute herrschende Generation womöglich doch das eine oder andere große Projekt. Es hat nur keinen Namen, kein Label, keine griffige Parole.

Vielleicht sollte man es einfach "Die Rettung der Welt" nennen.

CLAUDIUS SEIDL

Axel Hacke, Giovanni di Lorenzo: "Wofür stehst Du?" Kiepenheuer & Witsch, 234 Seiten, 19,95 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Michael Pawlik weiß dieses Buch von Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo zu schätzen. Er sieht die Autoren auf eine kluge Weise von dem sprechen, "was in unserem Leben wichtig ist". Es geht um Werte, die Komplexität des Lebens, Leistungsdruck. Vor allem aber handelt das Buch für Pawlik von der Angst und davon, "wie man ihr standhalten kann". Eingehend zeichnet er die Überlegungen der Autoren dazu nach. Besonders sympathisiert er mit deren Bekenntnis zur eigenen Ambivalenz und dem Verzicht, Eindeutigkeit zu fordern. "Aus kaum einer Krise oder Konfrontation", zitiert er die Autoren, "kommt man mit nur einer einzigen Erkenntnis heraus, oft aber mit vielen Widersprüchen."

© Perlentaucher Medien GmbH
"Zwei der wortgewandtesten Sympathiefexe der Republik denken in einem kurzweiligen Wirbel autobiographischer Anekdoten darüber nach, was sie in ihren Wertvorstellung fürs Leben geprägt hat." -- Druckfrisch, Denis Scheck

"Ein sehr persönliches Buch und ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit." -- Emotion
Nichts, gar nichts war früher besser
Die Journalisten Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo fragen sich: "Wofür stehst Du?"

Dieser Text ist ein krasser Verstoß gegen die Regeln, um die es geht in dem Buch, das hier besprochen werden soll - und entsprechend schlecht ist beim Schreiben das Gewissen. Denn der Autor dieser Kritik und der eine Autor des Buchs, Giovanni di Lorenzo: wir kennen einander, seit fast dreißig Jahren. Wir sind uns an der Münchner Uni begegnet, im Grundkurs Politische Wissenschaft, und nach einem lustigen Abend in einem Restaurant, das wir uns beide eigentlich nicht leisten konnten, habe ich ihm meine zerlesene Dünndruck-Ausgabe der "Verlorenen Illusionen" von Balzac in die Hand gedrückt und gesagt: "Lies das! Und denk dann noch mal darüber nach, ob du wirklich Journalist werden willst!"

Mit dem anderen Autor, Axel Hacke, habe ich so lange in der Redaktion der "Süddeutschen" zusammengearbeitet, dass ich gar nicht anders konnte, als ihn zu bewundern, zu mögen, zu duzen; und einmal, als eine besonders schöne Reportage in der Zeitung stand und die Kollegen in der Konferenz den Autor lobten für seinen Stil, für sein Talent, habe ich die gesamte Runde angeschnauzt: dass diese floskelfreien Sätze, diese präzisen Beobachtungen, dass das alles ja nicht bloß eine Frage des Talents sei. Sondern vor allem eine Frage der Moral. Woraufhin die Kollegen fragten, ob ich verrückt geworden sei.

Man sollte aber seine Freunde nicht rezensieren, man soll nicht schreiben über Menschen, die man duzt - und der eine oder andere, der Fritz J. Raddatz' "Tagebücher" gelesen oder zumindest schon mal durchgeblättert hat, wird jetzt fragen: Was ist hier das Problem? Denn in Raddatz' Buch, das sehr lebensnah geschrieben ist, wird alle paar Seiten wieder davon erzählt, dass einer, der als Feuilletonchef der "Zeit" seine ästhetischen Urteile im Tonfall der Amtlichkeit und Objektivität zu formulieren versucht (besonders stilsicher war Raddatz ja nie), zugleich mit denen, über deren Werke er urteilt, eng befreundet (oder leidenschaftlich verfeindet) sein kann; dass man an einem Tag einander rezensiert, und am nächsten trinkt und feiert man miteinander; man duzt sich und plant gemeinsame Ferien nach Portugal.

Und genau das ist das Problem, gegen welches Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo anschreiben in ihrem Buch "Wofür stehst Du?": Das professionelle Ethos, das moralische Fundament, auf welchem die heute Fünfzigjährigen zum Beispiel ihre journalistische Arbeit tun, Axel Hacke als Kolumnist des "SZ-Magazins", Giovanni di Lorenzo als Chefredakteur der "Zeit": dieses Fundament ist wesentlich stabiler, als es das war zu der Zeit, da Raddatz' Generation das Sagen hatte. Es fällt nur niemandem auf; und das liegt vermutlich daran, dass diese Moral sich vor allem in vielen Zweifeln, in großer Skepsis, in der ständigen Überprüfung gerade erst formulierter Arbeitshypothesen zeigt. Und nicht in den großen Plänen und Weltveränderungsprojekten, denen sich die Generation davor so gerne unterworfen hat. Einer wie Raddatz nannte sich damals links, wusste immer, wer die Bösen waren, und fand sich schon verwegen, wenn er aber zugleich einen Porsche fuhr und im "Baur au Lac" ein Zimmer reservierte. Sein großes Projekt heute läuft konsequenterweise darauf hinaus, den jungen Leuten zu erzählen, dass früher alles besser war.

"Wofür stehst Du?", das ist als Frage, die zwei Journalisten sich selber stellen, schon deshalb nicht besonders scharf, weil ja, erstens, genau zu diesem Zweck die Kolumnen und die Leitartikel erfunden worden sind: dass man seine Antworten da hinschreiben kann. Und zweitens haben die Antworten, wenn man sie abstrakt zu fassen versucht, eben die Unverbindlichkeit, die einem ja auch beim Dauergeschwafel über die Werte, zu welchen sich gefälligst alle bekennen sollen, so furchtbar auf den Wecker geht. Freiheit, Gerechtigkeit, Empathie, wer stünde nicht dafür?

Wofür stehst du? Die Frage wird aber wieder interessant, wenn die Autoren sie einander stellen - und genau so haben sie das Buch auch angelegt: Es ist wie ein Briefwechsel aufgebaut, einer schreibt, der andere berichtet, was ihm dazu einfällt; und fast so interessant wie die Texte der beiden sind die Räume, die sich zwischen diesen Texten ergeben. Es ist kein besonders dickes Buch, keine zweihundertfünfzig Seiten; und trotzdem liest es sich nicht einfach schnell weg - schon weil man, kaum ist ein Eintrag zu Ende, im Kopf an seiner eigenen Antwort arbeitet. Dieses Buch fordert weniger ein Urteil heraus (ist es gelungen, misslungen, mehr so mittel?); es ist viel eher eine Einladung, am Gespräch der beiden teilzunehmen. Weshalb es vielleicht doch nicht so ein brutaler Regelverstoß ist, wenn ein Duzfreund der Autoren es hier bespricht: Das Buch duzt ja auch seine Leser.

Wobei sich der Text immer wieder so liest, als hätte die Frage gelautet: Wer bist du? Und wo kommst du her? Und die Antworten, welche die beiden geben, sind erschütternd, angesichts der Tatsache, dass man nicht mehr als vierzig Jahre zurückblenden muss und sich dann in einem Deutschland wiederfindet, dessen Gefühlskälte, Steifheit und Provinzialität man fast schon vergessen hatte: Giovanni di Lorenzo, der, nach der Trennung seiner Eltern, mit seiner deutschen Mutter nach Hannover kommt, wo das Italienerkind schnell lernt, was Fremdenfeindlichkeit bedeutet. Axel Hacke, der, kaum volljährig geworden, nichts als raus will aus der niedersächsischen Provinz, wo die Emotionen auf Eis liegen und die Herzen nicht einmal im Sommer auftauen.

Und genau diese Geschichten müssen wohl erzählt werden, damit geklärt werden kann, wofür und wogegen und worum es geht. Mit Nostalgie und Kulturpessimismus braucht man keinem der beiden zu kommen; und wenn Axel Hacke sich doch immer mal wieder fragt, ob sich womöglich doch etwas finde, was früher besser gewesen sei; ob es, zum Beispiel, mehr Charakterköpfe gegeben habe, stärkere Temperamente, gerade unter den Politikern: Dann formuliert Giovanni di Lorenzo sofort den allerschärfsten Widerspruch. Nichts, absolut gar nichts, war früher besser, das ist die wichtigste Aussage dieses Buchs. Wer Nostalgie spürt, belügt sich selber; wer der Verführung zum Kulturpessimismus nachgibt, hat anscheinend die Vergangenheit vergessen. Und wer bei den Bewohnern der Gegenwart die Radikalität, die großen Visionen, den starken Glauben vermisst: Dem erzählt Giovanni di Lorenzo ein paar eindrucksvolle Geschichten von den Brigate Rosse, die äußerst radikal und sehr stark im Glauben waren.

Es geht dabei natürlich weniger darum, uns zu beschwichtigen, uns mitzuteilen, dass wir gefälligst satt, faul und zufrieden sein sollten. Eher geht es darum, die Kräfte zu konzentrieren. Wofür aber und wozu?

Na ja, angesichts all der demographischen und ökologischen Herausforderungen hat die heute herrschende Generation womöglich doch das eine oder andere große Projekt. Es hat nur keinen Namen, kein Label, keine griffige Parole.

Vielleicht sollte man es einfach "Die Rettung der Welt" nennen.

CLAUDIUS SEIDL

Axel Hacke, Giovanni di Lorenzo: "Wofür stehst Du?" Kiepenheuer & Witsch, 234 Seiten, 19,95 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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