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Eine Liebeserklärung an unsere zerstörte Welt
Während eines sechsmonatigen Aufenthalts in Indien fasziniert Andrew Blackwell nicht das Tadsch Mahal, sondern Kanpur, die Stadt mit der höchsten Umweltverschmutzung des Landes. Damit ist sein Interesse für Orte ungewöhnlicher und drastischer Umweltzerstörung geweckt! Er reist nach Tschernobyl, in einen kanadischen Ölsandtagebau, zum großen »Müllteppich« im Pazifik, in ein Kahlschlaggebiet am Amazonas ...
Doch anstatt das Ende der Welt auszurufen, erzählt Andrew Blackwell von dem Schönen und Tragischen, dem Faszinierenden und Absurden dieser
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Produktbeschreibung
Eine Liebeserklärung an unsere zerstörte Welt

Während eines sechsmonatigen Aufenthalts in Indien fasziniert Andrew Blackwell nicht das Tadsch Mahal, sondern Kanpur, die Stadt mit der höchsten Umweltverschmutzung des Landes. Damit ist sein Interesse für Orte ungewöhnlicher und drastischer Umweltzerstörung geweckt! Er reist nach Tschernobyl, in einen kanadischen Ölsandtagebau, zum großen »Müllteppich« im Pazifik, in ein Kahlschlaggebiet am Amazonas ...

Doch anstatt das Ende der Welt auszurufen, erzählt Andrew Blackwell von dem Schönen und Tragischen, dem Faszinierenden und Absurden dieser Orte und der Menschen, die dort wohnen. Mit journalistischem Scharfsinn und einer guten Portion trockenen Humors macht er deutlich, worum es eigentlich geht: Die Welt ist schön, selbst da, wo wir sie schon zerstört haben, und sie ist erhaltenswert. Ein Buch, das die Augen öffnet, und eine großartige Liebeserklärung an die einzige Welt, die wir haben.

Autorenporträt
Andrew Blackwell ist Journalist und Filmemacher. 2011 war er Stipendiat der New York Foundation for the Arts. Andrew Blackwell lebt in New York City.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2013

Toxische
Touren
Andrew Blackwell macht Urlaub
in ökologischen Krisenregionen
„Ich fuhr nach Tschernobyl in den Urlaub“, schreibt Andrew Blackwell lapidar, so wie andere berichten, dass sie im Sommer auf einer kanarischen Insel waren oder in Thailand. Blackwell sitzt im Zug von Wien nach Kiew, in einem Waggon mit sonderbarem Agatha-Christie-trifft-auf-Leonid-Breschnew-Charme, wie er wohlig schaudernd bemerkt. Es ist der Sommer 2006, die Ukraine hat sich zum ersten Mal für eine Fußball-Weltmeisterschaft qualifiziert. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Hauptstadt des Landes reist Blackwell weiter in die Sperrzone. Er ist allerdings „nicht hergekommen, um mich in postnuklearer Paranoia zu suhlen. Ich war zum Vergnügen hier.“ Was zum Beispiel bedeutet, dass Blackwell sich zusammen mit seinen beiden Guides Dennis und Nikolai sowie zwei Sekretärinnen der Tschernobyl-Behörde bei Wodka, Cognac, Cola und eingelegtem Fisch das entscheidende Gruppenspiel der Ukraine gegen Tunesien im Fernsehen ansieht. Die Mannschaft aus Osteuropa gewinnt knapp und erreicht das Achtelfinale. „Nikolai trommelte zur Feier auf den Tisch und Dennis schenkte nach.“
  Der amerikanische Journalist und Filmemacher hat sich in den vergangenen sieben Jahren einem kuriosen Projekt verschrieben: dem Strahlen- und Umweltverschmutzungstourismus. Bei einer „Erkundung der schlimmsten Orte der Welt“, wie Blackwell sein Buch „Willkommen im sonnigen Tschernobyl“ im Untertitel nennt, könne man sich den Traum eines jeden Reisenden erfüllen: Weil man dabei ganze Regionen entdecke, „die zwar furchtbar verseucht, aber auch schön, interessant und noch nicht von Touristenhorden überfallen“ sind – er meint das nicht ironisch. Und es gibt ihn schließlich tatsächlich, den Tourismus in ökologische Krisengebiete. Fünf Jahre, nachdem Andrew Blackwell in Tschernobyl war, wurden Touren, so wie er eine unternommen hat, erstmals offiziell als Touristenattraktion angeboten. In Fort McMurray im kanadischen Bundesstaat Alberta wiederum kann man für 40 Dollar eine Bustour buchen, die durch das dortige Ölsand-Abbaugebiet führt. Die Rohstoff-Gewinnung aus ölhaltigen Sanden ist besonders energieintensiv und landschaftsverschwendend. Und in Spindletop, dem Ort in Texas, an dem im Jahr 1901 nach einer Bohrung zum ersten Mal in dem Bundesstaat eine Ölfontäne aus dem Boden schoss und wo heute noch kleine Firmen das restliche Öl aus der Erde holen, dessen Förderung sich für die großen Konzerne nicht mehr rentiert, werden in einem Souvenirladen Fläschchen mit Rohöl als Mitbringsel verkauft. Wer bereit ist, 100 Dollar zu bezahlen, kann sich dafür überdies ein Fontänenspektakel kaufen – dann lassen sie in Spindletop Wasser aus der Erde gen Himmel schießen. Man kann sich beregnen lassen und sich vorstellen, es wäre Öl, wie damals 1901.
  Andrew Blackwell steht also nicht ganz alleine da mit seiner Faszination für derlei Orte und Regionen. Er hat sogar seine Hochzeitsreise auf diese Weise geplant, wollte den Yamuna hinabfahren, „Indiens dreckigsten Fluss“. Seine Freundin war einverstanden – mit der Reise, nur irgendwann nicht mehr mit der Heirat. Das eröffnete sie ihm, als er gerade zurückgekommen war von einer Segeltour zum pazifischen Müllteppich – einer Attraktion, so regt er an, die eigentlich auch für Kreuzfahrt-Schiffslinien und deren Passagiere interessant sein sollte. Den Yamuna hat er dann ein paar Jahre später trotzdem befahren, ohne die Frau.
   Die Haltung Blackwells ist nicht leicht zu durchschauen. Er nimmt die ökologischen Katastrophen ernst, empört sich auch immer wieder gewaltig über die Verursacher all dieser gigantischen Umweltverschmutzungen. Der Autor ist eben – auch – investigativer Journalist. Und er ist klug und reflektiert genug, um die Absurditäten dieser Art des Reisens zu erkennen. Auf der Ölsand-Tour ist das naheliegend, da sie erkennbar eine PR-Veranstaltung der lokalen Industrie ist. Aber er thematisiert auch die Widersprüche, in denen die Umweltaktivisten leben, indem sie Pick-ups fahren, die 16 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen oder Segeltouren zum Müllteppich vor allem aus Image- und Kampagnengründen unternehmen. Sich selbst bezeichnet Blackwell manchmal als naiv, was man ihm schwer abnimmt. Vielmehr ist es wohl so, dass man neben einer ausgeprägten Unerschrockenheit auch eine gewisse Unbedarftheit braucht, um etwa in das chinesische Kohlerevier in der Provinz Shanxi zu reisen. Und um dort mehr vorzufinden als das Erwartbare. „Das ist es, was ich sehen wollte“, schreibt Blackwell: „Den Rest Schönheit, der in jeder noch so vernachlässigten Ecke der Welt zu finden war.“ Das ist ihm gelungen, ob in Tschernobyl oder inmitten des pazifischen Plastikwirbels.
STEFAN FISCHER
Andrew Blackwell: Willkommen im sonnigen Tschernobyl. Verstrahlt, verseucht, vergiftet – eine Erkundung der schlimmsten Orte der Welt. Aus dem Englischen von Johanna Sophia Wais. Ludwig Verlag, München 2013. 384 Seiten, 19,99 Euro.
Die Hochzeitsreise sollte auf den
dreckigsten Fluss Indiens führen.
Doch die Frau kam ihm abhanden
Wer so absurde Winkel
der Welt aufsucht, muss unbedarft
und unerschrocken sein
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kaum zu glauben, aber es geht auch um Schönheit in den Reisereportagen des Journalisten Andrew Blackwell zu den schlimmsten Orten der Welt, nach Tschernobyl etwa, zu chinesischen Kohlerevieren oder zum pazifischen Plastikwirbel. Um Restschönheit besser, wie Stefan Fischer einschränkt, denn was der Rezensent hier erfährt, ist vor allem erschreckend, legt es doch den hemmungslosen Raubbau des Menschen an der Umwelt offen. Der Autor begegnet dem laut Fischer mit einer seltsamen Mischung aus Empörung und Sinn für das Absurde seines Tuns, wenn er solcherart durch die Welt reist und z. B. die Schönheit und Menschenleere in einem kanadischen Ölsand-Revier preist. Wie immer diese Haltung auch zu bewerten ist, für naiv hält der Rezensent den Autor keineswegs.

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