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Der Humanismus ist die Ersatzreligion der Moderne, der es sich auf die Fahnen schreibt, alle Menschen zu emanzipieren.Aber wovon und warum eigentlich? Von ihrer Natur, zweibeinige hoch entwickelte Säugetiere zu sein? Diesen Humanismus, im Bann des unendlichen wirtschaftlichen wie kulturellen Fortschritts verwirft John Gray als gefährliche, lebensbedrohende Ideologie und verabschiedet ihn. In "Menschen und andere Tiere", das John Gray auf der ganzen Welt zu einem der wichtigsten Ideologiekritiker unserer Zeit gemacht hat, stellt er ein für alle Mal klar: Der Anspruch der Menschen auf eine…mehr

Produktbeschreibung
Der Humanismus ist die Ersatzreligion der Moderne, der es sich auf die Fahnen schreibt, alle Menschen zu emanzipieren.Aber wovon und warum eigentlich? Von ihrer Natur, zweibeinige hoch entwickelte Säugetiere zu sein?
Diesen Humanismus, im Bann des unendlichen wirtschaftlichen wie kulturellen Fortschritts verwirft John Gray als gefährliche, lebensbedrohende Ideologie und verabschiedet ihn.
In "Menschen und andere Tiere", das John Gray auf der ganzen Welt zu einem der wichtigsten Ideologiekritiker unserer Zeit gemacht hat, stellt er ein für alle Mal klar: Der Anspruch der Menschen auf eine Sonderstellung in der Natur, seine grenzenlose Selbstverherrlichung, führt unsere Welt und mit ihr die Menschen selbst in den Untergang.
Himmel und Erde sind nicht gütig.
Ihnen sind die Menschen wie stroherne Opferhunde.
Laotse
(Als Erläuterung des englischen Originaltitels "Straw Dogs" - Strohhunde)
Autorenporträt
John Gray, geboren 1948, ist Professor für Europäische Ideengeschichte an der London School of Economics. Durch zahlreiche Sendungen für die BBC wurde er weltweit bekannt, wie auch als Autor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2010

Von Menschentieren, die das Reden nicht lassen wollen
John Gray hält es mit der Naturgeschichte und plädiert für den Abschied von allen hochgestochenen "humanistischen" Illusionen

Zu Zeiten, da man noch auf der Kanzel reüssieren konnte, hätte man sich John Gray gut auf ihr vorstellen können. Der Professor an der London School of Economics ist der Typus des Predigers. Weshalb er auch weiß, dass es auf Feinheiten nicht unbedingt ankommt. Besser ein grober Klotz auf einen groben Keil, als am Ende nicht verstanden zu werden. Wer eine Mission hat, der muss auf Eleganz und gelehrte Distinktion schon auch einmal verzichten können.

Und so lautet die Mission, der er sich in seinem jüngsten Buch verschrieben hat: die Verblendung ein für alle Mal zu beseitigen, die den Menschen dazu bringt, sich für den Schöpfer seiner Geschichte zu halten und auf den Fortschritt im Zeichen von Wissenschaft und Technologien zu setzen. Solch grundloses Vertrauen in den Menschen muss ernüchtert werden. Nichts berechtigt zur Vermutung, dass mit ihm etwas gemeint sei. Die Gattungsgeschichte: ein Stück der allgemeinen Naturgeschichte und sinnlos wie sie. Dass er nur ein Tier unter Tieren sei, hat der Mensch zu begreifen.

Woran man allerdings gleich sieht, dass es hier mit der Kanzel doch nicht geklappt hätte. Denn das Insistieren auf der Tierhaftigkeit des Menschen ist bei Gray nicht bloß ein rhetorischer Vorhalt, auf den dann der Wink mit unserer eigentlich menschlichen Bestimmung folgt. Mit einer solchen wohltemperierten Demutsübung, die zur Not auch in der christlichen Tradition Platz fand - und der selbst harsche Evolutionsbiologen zumindest in Vorwörtern oder Schlusskapiteln zuneigen - hat er gar nichts im Sinn.

Ganz im Gegenteil: Die christliche Tradition ist in seinen Augen gerade schuld daran, dass sich das heillose Bild von der Sonderstellung des Menschen verfestigt hat, hinter dem sich ein Tier verbirgt, das nur im Ausmaß seiner Zerstörungskraft alle Mitbewerber übertrifft. Um solcher Verblendung entgegenzutreten, greift Gray erbarmungslos nach allem, was sich in seinen Augen wie Argumente für einen ernüchternden, also unsere "humanistische" Selbstüberschätzung korrigierenden Naturalismus ausnimmt.

Zuvörderst natürlich nach Darwin, den er allerdings kaum gelesen haben dürfte. Er würde sonst kaum auf die Vorstellung verfallen, die Pointe von dessen Einsichten sei, "dass die verschiedenen Spezies nur Strömungen innerhalb des vom Zufall regierten Gendrifts" seien. Aber diese Verwechslung des zum Zeugen angerufenen Darwin mit neodarwinistischen Slogans ist symptomatisch für Grays überstürzte Rhetorik, die sich die Gelegenheit einfach nicht entgehen lassen möchte, jeden vermeintlichen Entwicklungssinn der Spezies Mensch gleich an der Wurzel abzuschneiden. Einmal abgesehen davon, dass es "die" Menschheit ja gar nicht gebe, sondern "nur Menschen, getrieben von widerstreitenden Bedürfnissen und Illusionen und anfällig für jede Art von Willens- und Urteilsschwäche". An welcher Stelle man immerhin zu bedenken geben könnte, dass ein solcher Hang zu Illusion und Selbsttäuschung offenkundig eine Besonderheit des recht speziellen Tieres Mensch ist. Eine Besonderheit, die Gray einerseits beständig im Blick hat, denn schließlich gilt ihr seine Ernüchterungsabsicht, die er aber andererseits auch unterlaufen möchte, weil er seinem naturalistischen Furor schuldig zu sein meint, die menschliche Sonderstellung möglichst zu nivellieren.

Es sind zwei rhetorische Strategien, die da einander in die Quere kommen. Gray allerdings ficht dieser Umstand nicht im mindesten an. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, das Pensum seiner Desillusionierungen abzuarbeiten. Alles ist ihm dazu recht: von der neurowissenschaftlichen Entzauberung des freien Willens über Evolutionspsychologie bis zur eigentlich nicht weiter groß zu belegenden Einsicht, dass das Fressen oder andere mit den Tieren geteilte Antriebe eben oft vor der Moral kommen. Ausflüge in die Philosophiegeschichte, untermischt mit Anekdoten, werden angefügt. Schopenhauer ist begreiflicherweise Pflicht, zumal einen Adepten von Lovelocks Gaia-Hypothese, die Gray tatsächlich für "strengen wissenschaftlichen Naturalismus" hält, ein bisschen Willensmetaphysik nicht schrecken kann.

Denn was den Ausschlag gibt, ist zuletzt nur die Nutzanwendung für den Abbau des "humanistischen" Glaubens an den Fortschritt, das autonome Subjekt, dessen hohe Bestimmungen und Gott sowieso - für Gray alles nur substanzlose Worte, die sich über den eigentlich sinnlosen und bestimmt nicht von uns steuerbaren naturgeschichtlichen Lauf der Dinge legen. Nichts ist bezeichnender als Grays rhetorische Frage, wo man denn noch Sinn entdecken möchte, wenn wir diesen Ton zum Film abdrehten? Als ob es dann noch derselbe Film wäre und als ob Worte nur entweder Tatsachenbeschreibungen oder falscher Schein sein könnten.

Man kann Grays Grundimpetus durchaus sympathisch finden. Schließlich verdient die Vorstellung, dass wir es herrlich weit gebracht hätten oder noch bringen werden, immer eine Ernüchterung. Bloß bleibt die mit großer Geste geübte Entzauberung des Menschentiers, wie Gray sie über weite Strecken und recht verliebt in seine eigene Verve zelebriert, hinter der immer besser gelingenden konkreten Aufschlüsselung unserer kulturellen Naturgeschichte - oder auch natürlichen Kulturgeschichte - deutlich zurück. Diese Einsichten sind facettenreicher, als es die alte rhetorische Ernüchterungs- und Anklageformel erwarten lässt; und sie nivellieren nicht bloß die Grenzen zwischen Mensch und Tier.

Natürlich werden wir die alte rhetorische Formel trotzdem weiter brauchen, zumal im moralischen Sinn. Gerade deshalb aber sollte man ihr den von Gray geübten Verschleiß durch Überbeanspruchung besser ersparen.

HELMUT MAYER

John Gray: "Von Menschen und anderen Tieren". Abschied vom Humanismus. Aus dem Englischen von Alain Kleinschmied. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2010. 246 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2010

Scharlatanausstatter
Peter Sloterdijk über Design als das „Zeug zur Macht”
John Grays 2002 erschienener Bestseller „Straw Dogs”, der dank Klett-Cotta unter dem Titel „Von Menschen und anderen Tieren – Abschied vom Humanismus” nun auch auf Deutsch erhältlich ist, wurde und wird hierzulande gern als Pamphlet gegen das Christentum missverstanden. Tatsächlich ist das Buch ein so eleganter wie provokanter philosophischer Angriff auf den haltlosen Fortschrittsglauben des Westens und seinen selbstgerechten Lösungsfetischismus in Politik und Kultur. Für Gray kann selbst gute Politik heute kaum noch mehr sein als eine Folge unzulänglicher Notlösungen. Vom Christentum knöpft er sich nur eines vor: das Heilsversprechen. Dessen Säkularisierung im Humanismus ist für den britischen Philosophen das zentrale Problem. „Echten religiösen Glauben”, in dem der Sinn des Lebens dem menschlichen Erkennen entzogen bleibe, hält Gray für einen nützlichen Damm gegen die menschliche Hybris. Aber gut, wir sind und bleiben vorerst ein Land, in dem ein philosophischer Bestseller allenfalls eine brav um Überblick und Vollständigkeit bemühte Einführung sein kann. Der Titel von Richard David Prechts Millionenerfolg ist kein Zufall: „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?”.
Mit dem hier nun in aller Form empfohlenen Aufsatz „Das Zeug zur Macht” (in: Peter Sloterdijk, Sven Voelker (Hg.): Der Welt über die Straße helfen – Designstudien im Anschluss an eine philosophische Überlegung; Fink Verlag, München 2010; 110 Seiten, 14,90 Euro) des Philosophen Peter Sloterdijk hat das natürlich erstmal nichts zu tun. Und dann doch eine ganze Menge. Gray teilt mit Sloterdijk eine fast bekennerhafte Zuneigung zu Blaise Pascal. Gray, weil er schätzt, dass der Renaissance-Philosoph die Dinge nicht einfacher machen wollte, als sie waren; Sloterdijk, weil er Pascal hoch anrechnet, als erster die unsere Gegenwart prägende „Dialektik von Könnenssteigerung und anschwellender Ohnmachtserfahrung klassisch exponiert” zu haben.
Sloterdijks gewohnt sprachgewaltige Überlegungen zum Design als „Zeug zur Macht” wiederum sind ganz aus diesem Gedanken heraus entwickelt. Design ist ihm letztlich nichts anderes als das vermittelnde Glied zwischen „Kompetenz-Eskalation” und Ohnmachtserfahrung. Es ist das „Können des Nichtkönnens”, das es dem hilflosen Einzelnen möglich macht, im „Ozean seiner Inkompetenz als Könner zu navigieren”. Der Designer ist folgerichtig nicht weniger als der „Scharlatanausstatter”, der uns das Zubehör liefert für unsere „fortlaufenden Souveränitäts-Simulationen”.
Zu Grays finaler Forderung in „Straw Dogs”, dass der Mensch lernen müsse, sich mit der technischen Entwicklung „spielerisch zu arrangieren”, statt sich im Versuch aufzureiben, sie unter seine Kontrolle zu bringen – zu dieser Forderung lesen sich Sloterdijks Ausführungen zum Design wie eine Antwort: Wir arrangieren uns längst spielerisch. Ob wir wollen oder nicht. Es überrascht dann kaum noch, dass sich beide Denker in ihrer zeitdiagnostischen Grundüberzeugung fast gleichen. Modernität, schreibt Sloterdijk am Ende seines Essays, sei nur ein anderer Name für „die Verlegenheit, zwischen Abbau und Aufbau von Illusionen eine Balance zu vermitteln”. Und John Gray fragt sich, von welchen Unwahrheiten wir lassen, und auf welche wir „keinesfalls verzichten” können.JENS-CHRISTIAN RABE
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein "düster funkelndes Pamphlet" nennt Rezensent Uwe Justus Wenzel diese scharfe Attacke gegen den Humanismus, die der Philosoph und Ideenhistoriker John Gray hier reitet. Er sieht darin auch den Versuch des Autors, sich seinen Ekel und Überdruss an der Gattung Mensch vom Leib zu schreiben, will das Buch aber nicht auf diesen Impuls reduzieren. Grays Rundumschlag zielt nach Wenzel vor allem auf die Hybris, den infamen Optimismus, das Fortschrittsdenken, die Moral und die Wissenschaft des liberalen Humanismus, den der Autor als "säkularen, aber christlich infizierten Glauben" anprangert. Der Rezensent hält Gray allerdings vor, in seinem antihumanistischen Furor auch vor widersprüchlichen, "ja abstrusen Behauptungen" nicht zurückzuschrecken. Gleichwohl will er das Buch nicht gänzlich verwerfen, zumal sich die Aversion des Autors am Ende des Buchs abzuklingen scheint: "Das Mütchen ist gekühlt, und der Genesende fasst zaghaft wieder Zutrauen zu sich als Mensch."

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