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Immer mehr Menschen beschleicht ein Unbehagen gegenüber dem Markt. Stetig wachsende Einkommensunterschiede, Gewinnsteigerungen durch Entlassungen, die schleichende Ökonomisierung des Lebens. Bildung wird durch Humankapitalbildung ersetzt, Politik auf Standortpolitik reduziert und Vorfahrt fürs Kapital als Vorfahrt für Arbeit verkauft. Und zu all dem noch müssen die Folgen, die die Gier des Kapitals und seiner Zu-diener angerichtet haben, von anderen ausgebadet werden. All dies wird von der vorherrschenden ökonomistischen Doktrin gerechtfertigt. Mehr Markt und mehr Wettbewerb, das sei doch…mehr

Produktbeschreibung
Immer mehr Menschen beschleicht ein Unbehagen gegenüber dem Markt. Stetig wachsende Einkommensunterschiede, Gewinnsteigerungen durch Entlassungen, die schleichende Ökonomisierung des Lebens. Bildung wird durch Humankapitalbildung ersetzt, Politik auf Standortpolitik reduziert und Vorfahrt fürs Kapital als Vorfahrt für Arbeit verkauft. Und zu all dem noch müssen die Folgen, die die Gier des Kapitals und seiner Zu-diener angerichtet haben, von anderen ausgebadet werden. All dies wird von der vorherrschenden ökonomistischen Doktrin gerechtfertigt. Mehr Markt und mehr Wettbewerb, das sei doch letztlich immer gut für alle. Oder der Markt wird kurzerhand mit Freiheit gleichgesetzt, womit jede Verminderung seines Einflusses auf Unfreiheit hinausliefe. Trotzdem ist dies kein Anti-Markt-Buch, sondern ein Buch gegen die Marktgläubigkeit. Es geht darum, den Markt gesellschaftlich und politisch einzubinden, statt uns von ihm vereinnahmen zu lassen. Es geht darum, dass der Wettbewerbskampf eine geringere Rolle in unserem Leben spielt.
Autorenporträt
Ulrich Thielemann, geboren 1961 in Remscheid, ist Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen, Schweiz. Zuvor Studium der Wirtschaftswissenschaften in Wuppertal, 1996 Dissertation zum Thema »Das Prinzip Markt«. Einen Namen gemacht hat er sich nicht nur mit einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen sondern auch mit prononcierten Stellungnahmen unter anderem in Stern, NZZ, Süddeutsche Zeitung, Manager Magazin, »Tagesschau«, »Berlin direkt«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2010

Revision des Kapitalismus?
Fünf Plädoyers für eine (öko)soziale Marktwirtschaft

Die zweite Weltwirtschaftskrise der Moderne ist in allen fünf zu besprechenden Büchern ein zentrales Thema: Sie wird zum einen als Versagen des Kapitalismus und zum anderen als die Folge der Missachtung zentraler Ordnungsregeln der Marktwirtschaft angesehen.

Für Heiner Geißler ist die Weltwirtschaftskrise die Konsequenz eines sich weltweit ausbreitenden Kapitalismus, der der Gier nach Profiten erlegen sei und die menschlichen Werte auf den Kopf stelle. Die Globalisierung attackiert er, weil die internationalen Finanzmärkte demokratische Entscheidungen ersetzt hätten. Sie hätten sich der staatlichen Kontrolle entzogen und seien schließlich zusammengebrochen. Nun müssten die Staaten sie retten.

Seine Therapievorschläge laufen auf internationale Kontrollen der Finanzmärkte und auf eine Abgabe auf weltweite Finanztransaktionen, gemeinhin "Tobin-Steuer" genannt, hinaus. Damit bewegt er sich im Hauptstrom der veröffentlichten Meinung. Zu prüfen wäre freilich, ob die "Tobin-Steuer" Spekulationen unterbinden soll - dann wäre sie eine Lenkungssteuer - oder ob sie Finanztransaktionen steuerlich abschöpfen will. Dann wäre sie eine Aufkommensteuer.

Wenn er bei einem Hebesatz von 0,01 Prozent aus dieser Steuer einen Ertrag von 125 Milliarden Dollar erwartet, um die Millennium-Entwicklungsziele zu finanzieren, zielt er auf eine Aufkommensteuer. Dann werden aber die grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen nicht abgewehrt. Trotz der Verdammung des Kapitalismus ist der Markt für Geißler alternativlos. Bei der Frage nach der zukünftigen Konzeption beruft er sich auf Ludwig Erhard, Walter Eucken, Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow, angereichert um John Maynard Keynes.

Auch für Ulrich Thielemann gibt es keine Alternative zur Marktwirtschaft, doch will er die Lebenswelt vor den "kolonialisierenden" (Habermas) Übergriffen der Marktlogik schützen. Das global zirkulierende Kapital spiele die Staaten gegeneinander aus. Die Weltwirtschaftskrise sieht er als den Offenbarungseid der Marktlogik. Die Akteure seien auch Getriebene gewesen, da die institutionellen Investoren hohe Renditen hätten sehen wollen. Manche hätten auch um die Brüchigkeit der gehandelten Finanzprodukte gewusst.

Thielemann will die Globalisierung über eine Weltordnungspolitik so zähmen, dass nicht mehr der Wettbewerb die Politik dominiert. Er spricht sich für Protektionismus aus und beruft sich dabei auf Wilhelm Röpke, der für "Dämpfungen" und "Moderierungen" plädiert habe. Doch sah Röpke politische Aktionen nur gerechtfertigt, wenn sie marktkonform waren. Die Logik des Marktes wollte er nicht außer Kraft setzen. Es ist erstaunlich, dass weder Geißler noch Thielemann die fehlende Haftung der Finanzjongleure aufgefallen ist. Eine Marktwirtschaft ohne Haftung, also ohne Rückkopplung von Entscheidung und Ergebnis, kann nicht funktionieren.

Roger de Weck will den Kapitalismus von Grund auf erneuern, doch verwirft er das hektische Werkeln ohne Ordnungsprinzip. Globale Ungleichgewichte hätten die Weltwirtschaftskrise hervorgerufen: Die Exportländer China, Japan und Deutschland hätten der unmäßigen Verschuldung der amerikanischen Volkswirtschaft Vorschub geleistet, bis schließlich das Vertrauen der ausländischen Geldgeber und das Vertrauen der Sparer in diese Geldgeber selbst schwand. Als mentale Ursache habe die Ideologie des übersteigerten Eigennutzes die schiere Gier legitimiert. Die staatlichen Deregulierungen hätten die Schranken und Kontrollen für die weltweiten Kapitalströme abgeschafft.

Doch erwähnt der mit der Welt der Finanzen gut vertraute Roger de Weck nicht die großen Zentralbanken, die in den Vereinigten Staaten, aber auch in der Peripherie der Europäischen Union lange Zeit Geld zum Nulltarif zur Verfügung stellten, wenn man den Refinanzierungszinssatz um die Inflationsrate bereinigt. Sie förderten so den leichtfertigen Umgang mit Geld und ließen die Blasen auf den Immobilienmärkten zu. Auch übergeht er das "Moral-hazard-Verhalten" - nach mir die Sintflut - auf den verschiedenen Stufen des bankmäßigen Verbriefungsprozesses. Hier sind die Hebel zur Vermeidung zukünftiger Finanzkrisen anzusetzen. Wenn de Weck den Kapitalismus als ökosoziale Marktwirtschaft erneuern will, ist er ganz nah beim Ordoliberalismus: Alfred Müller-Armack wollte bereits vor fünfzig Jahren Wirtschaft und Umwelt in ein harmonisches Gleichgewicht bringen.

Für Norbert Walter hat die Weltwirtschaftskrise gezeigt, dass zentrale Werte unserer Kultur - Anständigkeit, Fairness, Verantwortungsbewusstsein - immer weniger gelten. Um die Eigenliebe nicht übermächtig werden zu lassen, sondern in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen, greift er auf Adam Smith zurück. Es sei wichtig, im familiären Umfeld das dem Menschen ursprünglich innewohnende Mitgefühl für den Nächsten zu stärken. In größeren und komplexeren Gruppen müssten Belohnungen und Sanktionen hinzutreten, um die Eigenliebe zu kanalisieren. Schließlich müsse ein Rechtssystem Fehlverhalten sanktionieren. Aus dieser Perspektive lässt sich dann auch die Entwicklung von Gier und Verantwortungslosigkeit erklären und nach entsprechenden Abhilfen forschen.

In der Globalisierung sieht Walter die Quelle für weltweite Wohlstandsmehrung, insbesondere für Entwicklungsländer, wenn die Industrieländer ihre Märkte öffneten und sich vom Agrarprotektionismus lösten. Der Druck, der von der Globalisierung auf nationale Regierungen ausgehe, sei heilsam, weil eine ineffiziente Sozialpolitik schneller als solche identifiziert und sanktioniert werde. Aber ohne drei zentrale Institutionen und Werte - Familie, privates Eigentum und Aufrichtigkeit - könne keine Gesellschaft erfolgreich überleben.

Marc Beise attackiert eine vergiftete Sprache, die in die Schimpfworte Kapitalismus oder Neoliberalismus alle Übel dieser Welt hineinmische. Weil die Strukturen verwischt würden, werde argumentativer Schaden angerichtet. Er stimmt ein anderes Lied an: "Lasst uns froh und neoliberal sein." Der Begriff Neoliberalismus sei von Alexander Rüstow auf dem "Colloque Walter Lippmann" in Paris (1938) geprägt worden, um die dort von Röpke und ihm entwickelte Konzeption des Liberalismus gegen den Laissez-faire-Kapitalismus abzugrenzen.

Die Neoliberalen - unter ihnen besonders Walter Eucken - hätten ein System konstituierender und regulierender Prinzipien für eine marktwirtschaftliche Ordnung entwickelt, die die Exzesse in der Finanzwelt nicht hätten aufkommen lassen. Ein Währungsstabilisator und Haftung als Vorkehrungen gegen eine monetäre Gefälligkeitspolitik und gegen eine Verschleuderung von Kapital hätten von vornherein die beiden Kardinalfehler, Politik des leichten Geldes und fehlende Verantwortung als Ursachen für die Weltwirtschaftskrise, ausgemerzt. Als Abhilfe empfiehlt er einen Dreisprung: erstens Rettungspakete für die Banken - er fügt sich da grimmig ins Unabwendbare; zweitens das Haftungsprinzip, um Stabilität ins Bankensystem zu bringen; drittens die Entlassung der Bürger aus der sozialen Bevormundung.

Es ist interessant zu sehen, dass uns alle Autoren für die Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft bekannte Konzepte wie die (öko)soziale Marktwirtschaft vorschlagen. Freilich hätte man sich gewünscht, dass die Kapitalismuskritiker uns gesagt hätten, ob sie die Soziale Marktwirtschaft Erhardscher Provenienz meinen oder ob sie den interventionistischen Wohlfahrtsstaat ausbauen wollen.

JOACHIM STARBATTY

Der Verfasser ist Vorsitzender des Vorstands der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft e.V. in Tübingen.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.11.2009

Die böse Seele des Kapitalismus
Der Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Thielemann gehört hierzulande zu den wichtigsten Kritikern einer zügellosen kapitalistischen Marktwirtschaft. Messerscharf seziert er die Logik der maßlosen Gewinnmaximierung und stampft den Homo oeconomicus als hemmungslosen Erfüllungsgehilfen des freien Marktes rhetorisch in die Tonne. Ausgesondert werden für ihn jene Menschen, die sich nicht ökonomisch zurichten lassen und im Rattenrennen auf der Strecke bleiben. Das klingt zunächst sehr eindrucksvoll, zumal Manager-Spießgesellen, Bonus-Ritter und miese Politiker in jüngster Zeit viel Futter für eine ordentliche Abreibung geliefert haben.
Ist es aber bei näherem Hinsehen nicht, denn Thielemann lässt Zahlen, Daten und Fakten außen vor. Er argumentiert in der Zwischenwelt der hypothetischen Annahmen, aber nicht in der Welt der praktischen Befunde. Denn hier zeigt sich ein anderes Ergebnis: Als globale Gesamtveranstaltung haben freier Markt und Freihandel den Wohlstand weltweit erheblich verbessert. In Südasien lehnen deshalb nur sechs Prozent die Globalisierung ab, in Frankreich sind es 36 Prozent. Das ist einfach erklärt, denn die Franzosen haben bezüglich ihres Wohlstands etwas zu verlieren, die Asiaten können hingegen nur gewinnen. Wer würde es ihnen verbieten, ein finanziell besseres Leben führen zu wollen? Wer würde darüber hinaus widersprechen, dass es in Ländern, in denen das Pro-Kopf-Jahreseinkommen über 7000 Dollar liegt, kaum noch Kinderarbeit gibt?
Thielemann schreibt nichts über diese Errungenschaften des freien Marktes. Es geht ihm vielmehr darum, das Denkmodell zu erschüttern. Sein Kernthema ist die Gewinnmaximierung, wenn man so will, die böse Seele des Kapitalismus. Sie verstelle den Marktteilnehmern den Blick auf die solidarische Gesellschaft und mache nur die Reichen reicher sowie die Armen ärmer. Im täglichen Wettbewerb streckten sich viele vergeblich nach Wohlstand und Reichtum, da ihnen die unternehmerische Grundmotivation fehle. Mit der Konsequenz: Wer hier die Segel streiche, komme unter die Hartz IV-Räder oder lande sonst wie im sozialen Abseits. Nur wer sich aufraffe, „lebensunternehmerisch aktiv zu werden und neue Einkommensquellen zu erschließen”, darf im Markt mitspielen und kann „seinen Nutzen maximieren”. Es zählen Zahlungs- und Leistungsfähigkeit sowie hohe Produktivität.
Wen interessiert da noch die wirtschaftsethische Überlegung, ob es richtig ist, so zu handeln? An diesem Punkt wird es spannend und Thielemann gelingt es vortrefflich, diesen „Sündenfall der Ökonomik” herauszuarbeiten. Er besteht nämlich darin, „marktfremde Gesichtspunkte zu leugnen”. Will sagen: Das Prinzip der Achtung unserer Mitmenschen in ihrer Würde wird verletzt. Der andere diene nur noch als „Objekt des eigenen Vorteilsstrebens”. Jetzt ist es nur noch ein kleiner Schritt zur These, Wirtschaft frage nicht mehr länger nach guter Arbeit oder Fairness, sondern nur noch nach Rendite.
Kein Wunder, wenn Unternehmen trotz Gewinnen Leute auf die Straße setzten. Das sei unmoralisch. „Man kann auch erfolgreich arbeiten, ohne alles daran zu setzen, so erfolgreich wie möglich zu sein. Gewinnerzielung ist legitim, Gewinnmaximierung ist es nicht.” Es komme auf die „ethische Qualität der Geschäftstätigkeit” an. Das ist der Beginn einer möglichen Debatte über die Revitalisierung des Kerngedankens jedes Wirtschaftens: Die Bedürfnisse des Anderen im Sinne einer fairen Tauschbeziehung zu befriedigen. Ob der Mensch dafür wiederum charakterlich geeignet ist, ist die entscheidende Frage. Peter Felixberger
Ulrich Thielemann: System Error. Warum der freie Markt zur Unfreiheit führt.
240 Seiten,
Westend Verlag,
Frankfurt am Main 2009, 19,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rudolf Walther findet diese Studie des Wirtschaftsethikers Ulrich Thielemann lesenswert. Dass der in St. Gallen lehrende Autor für seine Kritik am Schweizer Bankgeheimnis, an Marktgläubigkeit und Marktlogik zu Hause als "Nestbeschmutzer" gilt, bedeutet Walther augenscheinlich, dass hier einer der Wahrheit recht nahe kommt. Allerdings möchte Thielemann die Marktwirtschaft gar nicht abschaffen, wie Walther einräumt. Nur deren Logik ein bisschen menschenfreundlicher gestalten. Die Darstellung der Wachstumskosten, die der Rezensent bislang in wirtschaftlichen Lehrbüchern vergeblich suchte und die Thielemann hier vornimmt, scheint Walther ein Schritt in die richtige Richtung zu sein.

© Perlentaucher Medien GmbH