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Nie gab es mehr Sklaven als heute: 27 Millionen Menschen Steinbruchsklaven, Kinder in der Textilindustrie und Zwangsprostituierte - obwohl offiziell abgeschafft, blüht der Menschenhandel überall auf der Welt. Auch im 21. Jahrhundert hat dieses Thema nichts an Aktualität und Brisanz verloren. E. Benjamin Skinner hat Schleusernetzwerke infiltriert, Kinderhändler getroffen und mit Opfern gesprochen. Herausgekommen ist ein ebenso mutiger wie erschütternder Bericht, der die Schicksale einzelner Opfer beschreibt und die globalen Verstrickungen im Menschenhandel aufdeckt.

Produktbeschreibung
Nie gab es mehr Sklaven als heute: 27 Millionen Menschen Steinbruchsklaven, Kinder in der Textilindustrie und Zwangsprostituierte - obwohl offiziell abgeschafft, blüht der Menschenhandel überall auf der Welt. Auch im 21. Jahrhundert hat
dieses Thema nichts an Aktualität und Brisanz verloren. E. Benjamin Skinner hat Schleusernetzwerke infiltriert, Kinderhändler getroffen und mit Opfern gesprochen. Herausgekommen ist ein ebenso mutiger wie erschütternder Bericht, der die
Schicksale einzelner Opfer beschreibt und die globalen Verstrickungen im Menschenhandel aufdeckt.
Autorenporträt
Jürgen Neubauer, Jahrgang 1967, war Buchhändler in London, Dozent in Pennsylvania und Sachbuchlektor in Frankfurt, ehe er 2004 nach Mexiko auswanderte. Nach einigen Jahren in der Hauptstadt und in einem Bergdorf lebt er heute in der Universitätsstadt Xalapa und übersetzt für deutsche Buchverlage.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2008

Sklaverei ist noch längst keine Vergangenheit
Der Journalist E. Benjamin Skinner folgt den Spuren des Menschenhandels über vier Kontinente

Im vergangenen Jahr feierte Großbritannien mit großem Aplomb die zweihundertjährige Wiederkehr der Abolition, des Verbots des Sklavenhandels durch die beiden Häuser des Londoner Parlaments. Sklavenhandel und Sklaverei sind in vielen Teilen der Welt jedoch keineswegs Phänomene einer weit zurückliegenden Vergangenheit, sondern für viele Menschen schreckliche Gegenwart. Nur selten jedoch macht das Schicksal von Sklaven im 21. Jahrhundert Schlagzeilen. Unlängst verurteilte ein Gericht der Wirtschafts- und Währungsunion westafrikanischer Staaten (Ecowas) den Staat Niger, einer Frau umgerechnet 15 000 Euro Schadenersatz zu zahlen, da er es unterlassen habe, sie vor Sklaverei zu schützen. Adidjatou Mani Koraou war als Zwölfjährige von einem Targi verkauft und fortan von ihrem Besitzer als Arbeitskraft und Sexualobjekt missbraucht worden. Ein Fall von vielen: Aktivisten der Antisklaverei-Organisationen hoffen nun, dass dieses Urteil Fanalwirkung entfaltet und viele Sklaven in Westafrika das Ecowas-Gericht anrufen und damit ihre Regierungen in Bedrängnis bringen werden. Es steht zu fürchten, dass dies ein frommer Wunsch bleiben wird.

Sklaverei und der Handel mit Menschen sind nicht nur in Teilen Afrikas weit verbreitet, sondern ein wahrhaft globales Phänomen, zu finden auch mitten in Europa. Das Gros der Versklavten hat weder die Möglichkeit noch das Wissen, in die Öffentlichkeit zu gehen oder gar vor einem ordentlichen Gericht zu klagen. Anders als in früheren Jahrhunderten sind gegenwärtige Formen der Sklaverei illegal und laufen weitgehend im Dunkeln ab. Und anders als damals sind Sklaven in der Regel keine teure Investition mehr, sondern zumeist leicht ersetzbar. Schließlich verschwimmt häufig die Grenze zwischen Sklaverei und "freien", aber ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. Auf dieser Grundlage ist es sehr schwierig, verlässliche quantitative Angaben über Sklaverei im einundzwanzigsten Jahrhundert zu liefern. Der amerikanische Journalist E. Benjamin Skinner ist sich jedenfalls sicher, dass es noch nie mehr Sklaven gab als heute. Er beziffert ihre Zahl auf 27 Millionen, wobei er Sklaven als Menschen definiert, "die unter Androhung von Gewalt und ohne Bezahlung zur Arbeit gezwungen werden".

Über Zahl und Definition ließe sich sicherlich trefflich streiten. Skinner erhebt allerdings gar nicht erst den Anspruch, eine akademisch differenzierte Darstellung der Problematik vorzulegen. Ihm ist es in seinem Buch "Menschenhandel" um nicht weniger zu tun, als mit Hilfe detaillierter Berichte über individuelle Sklavenschicksale die weltweite Abschaffung von Sklaverei auf die Tagesordnung von Öffentlichkeit und Politik zu setzen. Denn im Hinblick auf die Menschenrechte sei die Sklaverei "die größte Aufgabe, vor der unsere Generation" stehe. Seine im Buch abgedruckten Reportagen sind zuweilen arg reißerisch, seine Analysen und Bewertungen nicht selten problematisch, sein Anliegen hingegen ist höchst aktuell. Zwar gibt es ein Dutzend internationaler Abkommen und rund dreihundert Verträge, die das Verbot der Sklaverei zum Ziel haben. Doch nur wenige Politiker engagieren sich nachhaltig in dieser Sache. Länder, die innerhalb ihrer Grenzen sklavereiähnliche Arbeitsverhältnisse und Menschenhandel tolerieren oder sogar fördern, müssen selten mit Sanktionen rechnen. Entsprechende Ankündigungen etwa der Regierung der Vereinigten Staaten unter den Präsidenten Clinton und Bush wurden nicht umgesetzt. Daher überrascht Skinners Einschätzung, George W. Bush habe "mehr zur Befreiung der modernen Sklaven beigetragen als irgendein anderer Präsident der Gegenwart".

Skinners Reise auf der Suche nach Sklavenschicksalen führt ihn in vier Kontinente. Eine seiner Stationen ist Haiti. Die einstige Zuckerinsel in der Karibik war die wohl einträglichste Kolonie der Geschichte. Hier mündete zwischen 1791 und 1804 eine Sklavenrevolte in eine echte nationale Revolution, aus der Haiti als erster "schwarzer Nationalstaat" hervorging - der einzige Fall, in dem es Sklaven gelang, selbst die Tür zur Freiheit aufzustoßen und die Institution der Sklaverei als solche abzuschaffen. Heute zählt Haiti zu den ärmsten Ländern der Welt. Und es gibt, schreibt Skinner, "mehr Sklaven als in irgendeinem anderen nichtasiatischen Land". Besonders Kindersklaverei ist weit verbreitet. Skinner berichtet erschütternde Details. Waisenkinder werden von "befreundeten" Familien aufgenommen und müssen dann unentgeltlich rund um die Uhr in deren Haushalten schuften, oft werden sie sexuell missbraucht. Unter dem Vorwand, eine Schulausbildung für arme Kinder finanzieren zu wollen, reisen solventere Haitianer regelmäßig in ländliche Regionen. Die ihnen anvertrauten Kinder sehen jedoch nie eine Schule von innen, sondern verbringen oft den Rest ihres Lebens als Haussklaven oder Prostituierte. Immer noch werden überdies Tausende Kinder als Plantagenarbeiter, Zwangsprostituierte und Haussklaven in die benachbarte Dominikanische Republik verkauft.

Als "Mekka des neuen Sklavenhandels" identifiziert Skinner das Emirat Dubai, auf den ersten Blick eine glitzernde Metropole mit rund anderthalb Millionen Einwohnern. Er schildert etwa das Schicksal von rund sechstausend Kameljockeys im Kindesalter, die vor allem aus Südasien kamen und auf Farmen festgehalten wurden. Ihre Herren schlugen sie regelmäßig und gaben ihnen kaum etwas zu essen, um ihr Gewicht möglichst niedrig zu halten. "Überwältigt" zeigt sich der Autor schließlich vom Ausmaß der Sklaverei in Indien. "Die Erfolgsgeschichte des Landes", schreibt er, "macht viele Menschen in aller Welt und in Indien blind für die Knechtschaft, die knapp unter der Oberfläche existiert." Skinner zeichnet zwar ein recht eindimensionales Bild der indischen Gesellschaft, doch steht außer Zweifel, dass Hunderttausende von Kindern gegen ihren Willen gezwungen werden, unter harschen Bedingungen Teppiche zu knüpfen, Zigaretten zu rollen, auf Teeplantagen und in Sarifabriken zu schuften. Zornig beklagt der Autor die Leugnungsstrategien der indischen Behörden und zitiert einen Sozialbeauftragten im ärmsten indischen Bundesstaat Bihar: "Um Gottes willen, erzählen Sie mir bitte nicht mehr, dass es hier brutale Sklaverei gibt. Es gibt keine Stahlkäfige, alle sind frei."

In der Politik ist die Haltung weit verbreitet, Armutsbekämpfung sei kein adäquates Mittel im Kampf gegen die Sklaverei und die Hoffnung, die Sklaverei in all ihren Formen überwinden zu können, sei illusorisch. Skinner insistiert hingegen auf der Möglichkeit, die Sklaverei mit "konzentriertem und konzertiertem Einsatz" binnen einer Generation zu beseitigen. Dabei setzt er vornehmlich auf das Zusammenspiel von freier Marktwirtschaft, Regierungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren: "Wenn Staaten und Handelsorganisationen die Einhaltung der Spielregeln überwachen, kann eine faire Marktwirtschaft auch das effektivste Mittel zur Beseitigung der Sklaverei sein."

Dieses Argument, dass die Ausrottung von unfreier Arbeit auch wirtschaftlich sinnvoller sei, haben bereits die Abolitionisten um achtzehnhundert vorgebracht. Sie lagen, davon sind die meisten Historiker inzwischen überzeugt, falsch. Sklaverei hatte sich zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts ökonomisch keineswegs überlebt. Die Abschaffung des Sklavenhandels war vielmehr die politische Zerstörung einer durchaus prosperierenden Kolonialwirtschaft. Es spricht deshalb leider vieles dafür, dass Sklavenarbeit und Menschenhandel auch heute sehr profitabel sind und es daher vor allem politischer Interventionen bedarf, dieses Übel zu beseitigen.

ANDREAS ECKERT

E. Benjamin Skinner: "Menschenhandel". Sklaverei im 21. Jahrhundert. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2008. 412 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Eckert räumt ein, dass es E. Benjamin Skinner bei seiner Recherche zum modernen Sklavenhandel durch vier Kontinente nicht darum geht, eine wissenschaftlich unangreifbare Studie zum Thema vorzulegen. Vielmehr sei es dem amerikanischen Journalisten ein "Anliegen", die Augen für den weltweit immer noch florierenden Menschenhandel zu öffnen und sich für dessen Abschaffung einzusetzen, so der Rezensent anerkennend. Deshalb konstatiert er zwar, dass die erschütternden Fallgeschichten, die bei Skinner zu lesen sind, mitunter "arg reißerisch" daher kommen, er nimmt es ihm aber nicht allzu übel, wie es scheint, wohl weil er seine Forderungen brandaktuell findet. Befremdlich allerdings erscheint dem Rezensenten die Einschätzung, Georg W. Bush habe sich wirkungsvoll für die Abschaffung der Sklaverei eingesetzt; nach Eckerts Dafürhalten ist es bei tatenlosen Ankündigungen geblieben. Auch die Überzeugung des Autors, die Sklaverei "binnen einer Generation" abschaffen zu können, indem man verstärkt auf "faire Marktwirtschaft" setzt, hält der Rezensent für illusorisch: viel zu lukrativ sei das Geschäft mit Versklavten bis heute, so sein ernüchtertes Resümee.

© Perlentaucher Medien GmbH
Andreas Eckert räumt ein, dass es E. Benjamin Skinner bei seiner Recherche zum modernen Sklavenhandel durch vier Kontinente nicht darum geht, eine wissenschaftlich unangreifbare Studie zum Thema vorzulegen. Vielmehr sei es dem amerikanischen Journalisten ein "Anliegen", die Augen für den weltweit immer noch florierenden Menschenhandel zu öffnen und sich für dessen Abschaffung einzusetzen, so der Rezensent anerkennend. Deshalb konstatiert er zwar, dass die erschütternden Fallgeschichten, die bei Skinner zu lesen sind, mitunter "arg reißerisch" daher kommen, er nimmt es ihm aber nicht allzu übel, wie es scheint, wohl weil er seine Forderungen brandaktuell findet. Befremdlich allerdings erscheint dem Rezensenten die Einschätzung, Georg W. Bush habe sich wirkungsvoll für die Abschaffung der Sklaverei eingesetzt; nach Eckerts Dafürhalten ist es bei tatenlosen Ankündigungen geblieben. Auch die Überzeugung des Autors, die Sklaverei "binnen einer Generation" abschaffen zu können, indem man verstärkt auf "faire Marktwirtschaft" setzt, hält der Rezensent für illusorisch: viel zu lukrativ sei das Geschäft mit Versklavten bis heute, so sein ernüchtertes Resümee.

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