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Die gebürtige Berlinerin und spätere Wahlfranzösin Helen Hessel (1886 - 1982) war nicht nur eine faszinierende Zeugin des 20. Jahrhunderts, sondern auch eine mutige Akteurin. Ihr abenteuerliches Leben als Schülerin von Käthe Kollwitz, als langjährige Pariser Modekorrespondentin der Frankfurter Zeitung, Widerstandskämpferin und erste deutsche Übersetzerin von Nabokovs Lolita brachte sie in Kontakt mit Persönlichkeiten wie Rainer Maria Rilke, Walter Benjamin und Marcel Duchamp. Aus ihrer offenen Ehe mit dem Schriftsteller Franz Hessel gingen zwei Söhne hervor, einer von ihnen der weltweit…mehr

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Produktbeschreibung
Die gebürtige Berlinerin und spätere Wahlfranzösin Helen Hessel (1886 - 1982) war nicht nur eine faszinierende Zeugin des 20. Jahrhunderts, sondern auch eine mutige Akteurin. Ihr abenteuerliches Leben als Schülerin von Käthe Kollwitz, als langjährige Pariser Modekorrespondentin der Frankfurter Zeitung, Widerstandskämpferin und erste deutsche Übersetzerin von Nabokovs Lolita brachte sie in Kontakt mit Persönlichkeiten wie Rainer Maria Rilke, Walter Benjamin und Marcel Duchamp. Aus ihrer offenen Ehe mit dem Schriftsteller Franz Hessel gingen zwei Söhne hervor, einer von ihnen der weltweit bekannte Autor von EMPÖRT EUCH!, Stéphane Hessel. Helen Hessels Leidenschaft aber galt lange Jahre dem besten Freund ihres Mannes, dem französischen Autor Henri-Pierre Roché. Mit ihm erlebte sie ein rauschhaftes Liebesglück, das sie in ihrem Journal verewigte. Unter dem Titel JULES UND JIM erschien 1953 Rochés Roman, der später mit Jeanne Moreau in der Hauptrolle von François Truffaut verfilmt wurde.Auf der Basis von Helen Hessels Journal, das bei seiner Erstveröffentlichung 1991 in Frankreich für Furore sorgte, gewährt Marie-Françoise Peteuil umfassenden Einblick in eine der aufregendsten Dreiecksgeschichten aller Zeiten.
Autorenporträt
Marie-Françoise Peteuil lehrt in Paris Mathematik und beschäftigt sich als Autorin mit Themen der Zeitgeschichte. Sie hat einige Zeit in Tahiti gelebt und vor Ort das Schicksal der Bootsflüchtlinge von der Osterinsel erforscht, die dort zwischen 1944 und 1958 vergeblich Zuflucht vor den chilenischen Militärbesatzern suchten. Ihre einfühlsame Biographie von Helen Hessel wurde in Frankreich begeistert aufgenommen.Patricia Klobusiczky, geboren 1968, studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf und arbeitete lange als Lektorin. Seit 2006 ist sie Übersetzerin, u.a. von William Boyd, Marie Darrieussecq, Stéphane Hessel, Lorrie Moore und Louise de Vilmorin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In der Kunst und in der Liebe gescheitert und dennoch ein feuriger, ein glücklicher Mensch. So stellt sich Bettina Engels Helen Hessel vor. Nicht unbedingt nach der Lektüre von Marie-Francoise Peteuils Biografie der großen Muse, eher nach dem Lesen der Briefe und des Tagebuchs. Die gut bebilderte Biografie indes gibt Engels die Möglichkeit, zwischen Truffauts durch Hessels Leben inspirierten Film "Jules et Jim" und der wahren Biografie zu unterscheiden. Und offenbar war Hessels Leben doch eine Spur schräger und faszinierender als die Geschichte bei Truffaut.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2013

„Ich bin ein armes Tier, wenn man mich nicht liebt“
Das abenteuerliche Leben der Helen Hessel – der Frau, die Jules und Jim liebte – in einer neuen Biografie
Am Ende ihres Lebens war sie sich sicher, dass sie in Erinnerung bleiben würde. Helen Hessel konnte sogar genau sagen wie: mit einer schönen Illusion in flirrendem Schwarzweiß. Mit dem lidstrichbetonten Augenaufschlag der jungen Jeanne Moreau. Mit dem vollbekleideten Sprung in die Seine als Protest gegen ein ödes Männergespräch, das sie ausschließt. Und natürlich als Geliebte zweier Männer, die vielleicht am meisten ihre Unabhängigkeit begehrten – was tödlich endete, aber einem noch vagen Ideal der Zeit entsprach, als „Jules et Jim“ 1962 in die Kinos kam.
  Der Film „Jules et Jim“ beruht auf der wahren Dreiecksgeschichte des Berliner Schriftstellers Franz Hessel, seiner Frau Helen Hessel und des Pariser Kunsthändlers Henri-Pierre Roché, der auch die Romanvorlage schrieb. Die beiden Männer waren ungleiche Freunde, der hagere, große Franzose und der rundliche Deutsche, und vielleicht dachten sie tatsächlich, dass sie die Liebe revolutionieren könnten. Verglichen mit der wahren Begebenheit, die man keinem Kinobesucher in den Sechzigern hätte vorsetzen können, wirkt der Film von François Truffaut so harmlos und jugendfrei wie eine Disney-Kreation.
  Die Frau zwischen den beiden Männern war die Modejournalistin, Malerin und Autonärrin Helen Hessel, die 1982 hochbetagt starb. Anders als ihr Sohn Stéphane Hessel und seine Fibel „Empört Euch!“ ist sie hierzulande wenig bekannt, und auch Franz Hessel wurde ein wenig vergessen. In Frankreich sprach man schon vor zwanzig Jahren von Helen Hessel – diesem überschwänglichen Wunderwesen, das den Zwanzigerjahren eine scheinbar unbändige Freiheit abgewann. 1991 kamen bei André Dimanche ihre Tagebücher heraus, und sie wurde so etwas wie eine Berühmtheit. Eine prominente Fernsehmoderatorin las in Paris aus den Journalen, und natürlich ging es um ein himmelblaues Versprechen von wilder freier Liebe unter Intellektuellen. So weit, so lustig.
  Der nun erschienenen Biografie „Helen Hessel. Die Frau, die Jules und Jim liebte“ merkt man an, dass sich die Autorin Marie-Françoise Peteuil fürchterlich verrenken musste zwischen dem publikumswirksamen Bild ihrer emanzipierten Heldin und dessen Zerstörung. Von der Person, die das Buch vorführt, gibt es Fotos, die sie unbekleidet auf einem bayerischen Balkon zeigen oder übermütig turnend auf einem Feldweg in einer Art gegürtetem Reformdress. Später trägt sie kurzes Haar und starken Lippenstift. Sie hat einen Freundeskreis von Künstlern wie dem Ehepaar Picabia oder Marcel Duchamp und seiner Gefährtin Mary Reynolds. Rilke widmet ihr ein Gedicht, Man Ray fotografiert sie nackt am Meer. In den Vierzigerjahren arbeitet sie dem amerikanischen Journalisten Varian Fry zu, der im Auftrag von Eleanor Roosevelt die Ausreise von Künstlern aus Südfrankreich betreibt, die auf der schwarzen Liste der Nazis stehen. Ausgerechnet diese Frau wird in der Liebe, die sie im bayerischen Hohenschäftlarn, in Paris und Berlin auslebt, unter den Augen und mit Billigung ihres Ehemannes Franz Hessel – fürchterlich konventionell.
  „Er ist wie ich“, notiert Helen im August 1920 und meint Henri-Pierre Roché, „Schöne Neugier. Ich verstehe, dass Hessel uns beide liebt.“ Aber sie will bald nicht mehr die Freiheit, sie möchte Heim und Herd, zu zweit und für immer. Sie tut alles, um ihn zu gewinnen. Aber während sie Roché an sich zu binden sucht, fängt sie sich nur selber ein. „Ich bin ein armes Tier, wenn man mich nicht liebt“, erkennt sie bald. Und Roché liebt sie nicht, zumindest nicht so, wie sie es möchte.
  Für die bürgerliche Ehe ist Helen, die als Helene Grund 1886 in Berlin geboren wurde, allerdings schon früh verdorben. Als Tochter eines Berliner Bankiers, der sich ganz dem Vergnügen hingibt, und einer psychisch labilen Mutter treibt sie hinein in das Künstlerleben der rasenden Großstadt. Es ist eine Welt, in der sich Tempo, Libertinage und melancholischer Schmelz irritierend überlagern. Mit ihren Freundinnen wettet Helen, wem es als Erste gelinge, durch aufreizendes Verhalten eine Erektion bei den anwesenden Herren zu verursachen. Hessel aber, den sie in Paris kennenlernt und dessen Familienvermögen sie nach dem Bankrott ihres Vaters für lange Zeit absichern wird, schätzt sie aus anderen als erotischen Gründen. „Diese kleine Fessel zum Wahrzeichen deiner Freiheit“, sagt er, als er ihr den Verlobungsring schenkt, und so halten sie es auch. Dennoch notiert sie später ernüchtert, jahrelang fremdbestimmt gelebt zu haben.
  So wenig sie um Hessel kämpfen musste, umso mehr kämpft sie um Roché. Denn ein Zusammenleben mit Helen kommt für ihn nicht infrage. Ein Kind aber möchte er schon mit ihr. Franz, mit dem Helen schon die Söhne Ulrich und Stefan hat, soll sich vorher von ihr scheiden lassen und sie später aufnehmen. Als sie tatsächlich schwanger wird, aber die Umstände nicht mit Rochés Ideal übereinstimmen, drängt er sie zur Abtreibung, zwei weitere werden folgen. Sie tobt und trifft sich mit einem verflossenen Liebhaber, verschmäht auch einen Boxer nicht und unterzieht sich doch einer Intimoperation, um Roché besser zu gefallen. Stéphane Hessel notiert in seinen Erinnerungen „Tanz mit dem Jahrhundert“: „Sie war 34 Jahre alt und ich drei, als die Familie sich in einer alles in allem ziemlich banalen Dreieckssituation befand.“
  Marie-Françoise Peteuil stand bei ihrer vor zwei Jahren in Frankreich bei Grasset und nun von Patricia Klobusiczky übersetzten Biografie vor einem delikaten Problem. Ihr Buch handelt von Menschen, die sich in Romanen, Tagebüchern und auch sonst ununterbrochen wechselseitig stilisierten. Trotzdem stützt sie sich, um die wahre Helen Hessel zu entdecken, häufig ohne erkennbare Distanz auf die Journale. Sie sind ja auch einfach zu gut: Die Aufzeichnungen, die zwischen Deutsch, Französisch und Englisch wechseln wie in Wetterstürzen, geben scheinbar alles preis. Aber sie sind in Wirklichkeit natürlich der höchst parteiische Teil des Liebesexperiments, das offen gelebt wird. Da Roché selbst ein Tagebuch führt, in dem er erotische Begegnungen akribisch dokumentiert, kommt er auf die Idee, alle Beteiligten sollten aus ihrer Sicht ebenfalls darüber schreiben und sich die Journale vorlegen: Franz, Helen, auch Helens Schwester Bobann, die für eine Weile in den Reigen einbezogen ist. Nur Helen kommt wie eine Musterschülerin der Bitte nach. Vielleicht ist das der Punkt, an dem sich die Konstellation auf zwei Personen verengt – die literarisch aufeinander reagieren. Mit dem Schreiben schießen sie sich in den siebten Himmel.
  Und dann ist es nicht die Literatur, nicht die Kunst, und nicht die journalistische Arbeit für die Frankfurter Zeitung, für die Helen seit 1926 in Paris schreibt, durch die sie von der Qual loskommt. Sondern es ist, ganz unliterarisch, ein Auto. Sie macht den Führerschein und ist mit dem Citroën HP5 auf einmal Herrin der Lage. Durch das Auto scheint sie wehrhaft geworden zu sein. Einmal versucht sie, Roché mit der Nockenwelle des Wagens niederzuschlagen, den er ihr selbst geschenkt hat, als sie 1926 mit der Familie ein Haus im Pariser Vorort Fontenay bewohnt. Den „idealen“ Sohn hat er inzwischen mit einer anderen gezeugt und es ihr verschwiegen. Ein Revolver kommt ins Spiel, doch alles endet banal wie eine schmutzige Scheidungsgeschichte. Beide rennen zum Anwalt, Roché außerdem zur Polizei.
  Franz Hessel, die sanfte, rätselhafte und einzige vernünftige Gestalt in diesem Irrsinn, stirbt am 6. Januar 1941 im südfranzösischen Küstenort Sanary-sur-Mer. Er ist die große Leerstelle bei Peteuil. Sie mutmaßt, Roché und Hessel habe eine homoerotische Liebe verbunden, aber liefert dafür keine Belege. Helen Hessel hatte ihn 1938 mit Mühe aus Berlin herausgeschleust, wo er als Lektor bei Rowohlt arbeitete und mit Walter Benjamin eine Übersetzung von Marcel Prousts Werk begonnen hatte. Von jungen Künstlern wird Hessel verehrt, man küsste ihn bei Besuchen zärtlich auf den kahlen Kopf und suchte seinen Rat. Er ist den deutschen Nazis entkommen, aber eine Internierung im Lager von Les Milles schwächt ihn tödlich. Stéphane Hessel ist zu dieser Zeit als Résistance-Kämpfer verhaftet und nach Deutschland deportiert worden. Helen übersteht den Krieg mit dem anderen Sohn Ulrich, der durch einen Geburtsschaden zeitlebens ihr Schützling bleibt, am Genfer See. Sie schreibt ein nie veröffentlichtes Drama mit dem Titel „Blut“. 1947 versucht sie, sich das Leben zu nehmen. Im Alter von über 60 Jahren fängt sie noch mal neu an.
  Zwei Bilder sind es vor allem, die aus Peteuils Buch im Gedächtnis bleiben. Helen, wie sie sich als Gesellschafterin und Chauffeurin in Kalifornien verdingt: „Dem Hessel wäre hier paradiesisch wohl, aber ich kann es kaum ertragen.“ Und Helen, die sich als über Neunzigjährige in einem Pariser Restaurant über Leute am Nebentisch ärgert, den Stock wie ein Gewehr über die Schulter legt und auf die Nachbarn zielt. Peng. François Truffaut hatte Helen Hessel während der Arbeit an „Jules et Jim“ geschrieben. Aber er wollte sie nie persönlich treffen. Marie-Françoise Peteuil glaubt, er habe sich vor ihr gefürchtet.
CLAUDIA TIESCHKY
Truffauts Film „Jules et Jim“
ist die jugendfreie Version der
wahren Dreiecksgeschichte
Befreit hat sich Helen Hessel
erst, als sie das Auto als eine Art
Schutzpanzer für sich entdeckte
    
  
Marie-Françoise Peteuil: Helen Hessel. Die Frau, die Jules und Jim liebte.
Eine Biografie. Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky. Verlag
Schöffling & Co, Frankfurt 2013. 456 Seiten, 24,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2013

Der Revolver stand ihr gar nicht schlecht
Lebenskunst der unbedingten Art: Marie-Françoise Peteuil erzählt das Leben von Helen Hessel

In einem Interview aus dem Jahr 1966 erzählt François Truffaut, wie er Henri-Pierre Rochés Roman "Jules et Jim" aus der Grabbelkiste eines Pariser Bouquinisten zog. Ihm habe der Titel des Buches gefallen. Er lässt ihn sich auf der Zunge zergehen: Jules, französisch gesprochen, und Jim mit anlautendem "D", englisch, so wie in "Dschungel". Man meint Oskar Werner, den Jules des gleichnamigen Films, vor sich zu haben, wie er Jeanne Moreau ("Kathe") in die phonetischen Grundlagen seiner Männerfreundschaft zu Jim einführt. Mit hintersinnigem Charme rekapituliert Truffaut die Geburt des großen Kinofilms aus einer kleinen Dissonanz.

Spätestens seit Anfang der neunziger Jahre kennen wir die realen Personen hinter dieser berühmten Dreiecksgeschichte: Da erschienen in Frankreich postum die Tagebücher und Briefe Helen Hessels an ihren Geliebten Henri-Pierre Roché, begonnen zunächst in Rochés Auftrag, dem es lieb gewesen wäre, wenn sich auch Franz Hessel, der Romancier, Proust-Übersetzer und Ehemann, an der mehrstimmigen Aufzeichnung ihrer Liebe zu dritt beteiligt hätte. Hessel aber entzog sich dem Ansinnen seines Freundes - wie auch den heftigen Leidenschaften seiner Frau und ihres Liebhabers - weitgehend und gestaltete seinen eigenen literarischen Kosmos.

Obwohl ihr "Journal" bisher nicht übersetzt wurde, kann man nun auch auf Deutsch mehr über Helen Hessel erfahren. Diese Biographie bringt uns auf den Boden der Tatsachen zurück. Zwar sind einige der einprägsamsten Szenen von Truffauts Films offenbar direkt aus Helen Hessels Leben gegriffen: Der Sprung in die Seine hat wohl ebenso stattgefunden wie die Zickzackfahrt über Pariser Bordsteinkanten und die Episode mit dem Revolver: Als sie den Geliebten zu verlieren glaubt, wirft sie den Zimmerschlüssel aus dem Fenster und droht, ihn zu erschießen. Doch die anmutige Konstellation des Films scheint im Kern so unwahr zu sein wie das saubere melodramatische Ende.

Denn keinesfalls ließ sich der Kunsthändler und Teilzeitautor Roché von seiner Freundin in den See stürzen. Vielmehr verheimlichte er ihr jahrelang Ehefrau und Sohn und verschleppte die Trennung aus Angst vor ihrer Rache. Und auch aus Helens Perspektive gab es, nach Auskunft ihrer Biographin, keine utopische Gleichzeitigkeit der entgrenzten Liebe: Weder habe sie sich jemals als die Frau zweier Männer gefühlt, noch scheint sie eine große Bereitschaft an den Tag gelegt zu haben, den Mann ihres Lebens (Roché) mit seinen zahlreichen Geliebten zu teilen.

Während Truffauts/Rochés Parabel über den "Tourbillon de la vie" also ein Kammerspiel für drei Personen ist, sprengt die reale Biographie der Frau, der sie ein Denkmal setzt, diesen engen dramaturgischen Rahmen. Ihr Leben spielte sich nicht nur in ländlicher Abgeschiedenheit ab, sondern auch auf den großen Bühnen der Metropolen Paris und Berlin: Geboren 1886 als Tochter eines preußischen Bankiers mit libertiner Tendenz, studierte sie Malerei bei Käthe Kollwitz. Franz Hessel führte sie in die Pariser Künstler- und Intellektuellenszene ein. Später pflegte sie als Korrespondentin der "Frankfurter Zeitung" den Kontakt zur Modewelt der französischen Hauptstadt.

Kaum ein berühmter Name der Vor- und Zwischenkriegszeit, mit dem man sie nicht in Verbindung bringen könnte: Walter Benjamin, der mit Franz Hessel durch Berlin und Paris flanierte, Marcel Duchamp, ein Freund Rochés, Rainer Maria Rilke, der sie als "rote Geranie" besang, Adorno, der mit Vergnügen ihre Modekolumne las, André Bréton, Aldous Huxley, Thomas Mann ... Den vorläufig letzten Baustein dieses Verweisungszusammenhangs bildet der Weltbestseller ihres Sohnes Stéphane Hessel, "Empört Euch!". Dennoch ist es nicht ganz leicht, die Faszination für eine Frau zu verstehen, über die zwar viel geschrieben und geredet wurde, die aber selbst kein rechtes Werk hinterließ. Marie-Françoise Peteuils Biographie zeichnet das Porträt einer gescheiterten Künstlerin, die weder als Malerin noch als Schriftstellerin Anerkennung fand. Die eigenen Gemälde vernichtete sie frühzeitig, trotz guter Kontakte kam ihr Theaterstück "Blut" nie zur Aufführung, und auch der Erfolg ihrer Tagebücher dürfte eher einem Voyeurismus des Kulturpublikums als der vermeintlichen Radikalität ihres sprachlichen Ausdrucks geschuldet sein. Damit bleibt ihr nur die traditionell weibliche Rolle, die Muse schöpferischer Männer gewesen zu sein.

Vielleicht aber war Helen Hessels turbulentes Leben selbst ein Kunstwerk - nur in welchem Sinn? Der Psychoanalytikerin Charlotte Wolff erschien sie als "Inbegriff verführerischer Weiblichkeit" und als "perfektes Beispiel einer befreiten Avantgardistin". Mit diesem Gedanken könnte man sich anfreunden, würde Peteuils reichbebilderte Biographie nicht auch die sexuelle Hörigkeit, die psychische und physische Gewalt dieser "amour fou" grell ausleuchten. Mit drei Abtreibungen bezahlte Helen Rochés Idee, einen legitimen Stammhalter zu zeugen, den er dann aber ein ums andere Mal nicht haben wollte.

Ob befreit oder nicht, Helen Hessel lebte entschlossen gegen alle moralischen Konventionen und - besonders im Zweiten Weltkrieg - zwischen allen Fronten. Weniger das dreisprachige Kauderwelsch ihres an Roché adressierten Tagebuchs als der spätere Briefwechsel mit ihrem älteren Sohn Ulrich führt uns ein Leben vor, das gerade in seinem permanenten Scheitern an unbedingten Zielen gelungen ist. Noch die greise Helen Hessel muss man sich als feurige Dilettantin und als glücklichen Menschen vorstellen.

BETTINA ENGELS.

Marie-Françoise Peteuil: "Helen Hessel". Die Frau, die Jules und Jim liebte. Eine Biographie.

Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2013. 456 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Sensationell gelungen« Cosima Lutz, Die Welt / Die Literarische Welt »Helen Hessel - eine Jahrhundertbiografie« Gabriele Denecke, RBB Stilbruch »Helen Hessel wurde fast hundert Jahre alt; es ist gut, dass man dieses außergewöhnliche Leben jetzt zum ersten Mal ganz nachvollziehen kann.« Ulrike Voswinckel, BR2 Diwan »Ihre [Helen Hessels] Leidenschaft und ihre Willensstärke sind auch heute noch beneidenswert; das Buch: eine unbedingte Empfehlung.« Bettina Baltschev, MDR Figaro »Avantgardistische Frauenpower (...) Marie-Françoise Peteuil hat auf der Basis von Helen Hessels Journal eine gelungene Biographie über diese außergewöhnliche Frau geschrieben.« Frankreich Magazin »Peteuils Buch trägt zum ersten Mal alle Fakten zusammen und richtet sie auf die Lebensgeschichte von Helen Hessel aus.« Michael Wetzel, Deutschlandfunk Büchermarkt »Die Biografie schildert ein atemloses Leben einer ungewöhnlichen Frau, die sich nicht um Konventionen scherte, wenn es etwas zu erleben galt.« Ute Laatz, Living