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Der Internationale Währungsfond versprach Wohlstand - und brachte Armut. Nobelpreisträger und Globalisierungskritiker Joseph Stiglitz gewährt tiefe Einblicke in Prozesse und Abgründe weltweiter ökonomischer Vernetzung.

Produktbeschreibung
Der Internationale Währungsfond versprach Wohlstand - und brachte Armut. Nobelpreisträger und Globalisierungskritiker Joseph Stiglitz gewährt tiefe Einblicke in Prozesse und Abgründe weltweiter ökonomischer Vernetzung.

Autorenporträt
Joseph Stiglitz, geboren 1943, war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford, bevor er 1993 zu einem Wirtschaftsberater der Clinton-Regierung wurde. Anschließend ging er als Chefvolkswirt zur Weltbank und wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet. Heute lehrt Stiglitz an der Columbia University in New York und ist ein weltweit geschätzter Experte zu Fragen von Ökonomie, Politik und Gesellschaft. Bei Siedler erschienen unter anderem seine Bestseller "Die Schatten der Globalisierung" (2002), "Die Chancen der Globalisierung" (2006) "Im freien Fall" (2010) und zuletzt "Der Preis der Ungleichheit” (2012).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2002

Die Wirtschaftspapageien
Wie die Theorie der Globalisierungskritik zur Praxis aufschließt
Peter Glotz bezeichnete die Globalisierungsgegner einmal als „Frühsozialisten und Wanderprediger” einer sich neu formierenden Linken, als „die naive Vorform einer neuen Internationale”. Das „Naive” am weltweiten Protest, die Verkürzung der Probleme auf Slogans und Sweatshop-Anekdoten, ist tatsächlich oft nervtötend. Kürzlich war die Globalisierungsglobetrotterin Noreena Hertz in München und verlor sich einen Abend lang in tautologischem Gerede, in dem Antiamerikanismus, Globalisierungskritik und ein paar Leerformeln – IWF, WTO, G8 – zu einem semantischen Brei des Bösen verrührt wurden.
Langsam aber gesellen sich zu den Wanderpredigern Exegeten, schließt die Theorie zur Praxis auf. In diesem Frühjahr erscheint viel Literatur über die Demonstrationskultur, darunter das „Schwarzbuch Globalisierung” und die erste tiefere Analyse über das Netzwerk von Attac; Naomi Klein legt nach; selbst der Multimillionär George Soros will wissen, wie die Welt zu retten ist. Vor allem aber hat Joseph Stiglitz, einer der Kirchenväter der Globalisierungsgegner, eine Schrift verfasst, so profund und klar, dass sie wohl bald zum Kanon der neuen Internationale gehören wird.
Wenn man vor Scham im Erdboden versinken könnte, dann müsste sich demnächst mitten in Washington ein Loch auftun. Stiglitz zeichnet in „Die Schatten der Globalisierung” (Siedler-Verlag, 256 Seiten, 19,90 Euro) ein solch desaströses Bild des Internationalen Währungsfonds (IWF), dass nach der Lektüre eigentlich alle Mitarbeiter dieser Organisation in dem Loch verschwinden müsste n.
Stiglitz weiß, wovon er spricht: Nachdem er mehrere Jahre lang Wirtschaftsberater von Bill Clinton war, arbeitete er von 1997 bis 2000 als Chefökonom der Weltbank. Das Paradoxe an seinem Werdegang ist, dass er gerade in seiner Rolle als Weltbank-Vize zu einem immer schärferen Kritiker des maßlos freien Marktes und einem der intellektuellen Anführer der Neokeynesianisten, die einer aktiven Rolle des Staates das Wort reden, avancierte. Irgendwann hatte er so viele Feinde bei der Weltbank, dass er zurücktreten musste; kurz darauf bekam er den Nobelpreis für Ökonomie verliehen.
Stiglitz will die Globalisierung nicht begraben. Er sieht wohl deren positive Auswirkungen: den Erfolg Ostasiens, die weltweit gestiegene gesundheitliche Versorgung: „Nicht die Globalisierung ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie sie umgesetzt wurde.” Und von wem.
Die Pille für alle
Nietzsche sagte einmal, Philosophen seien „Menschen, die einen Stein hinter einem Baum verstecken und dann gehen sie ihn suchen.” Eine ähnliche Arbeitsweise ist anscheinend den Leuten vom IWF zu Eigen: Egal, welches Land, ganz gleich, welches Problem – im Grunde hat der IWF immer schon die Lösung parat: „Wenn man einem Papagei den Spruch ,fiskalische Austerität, Privatisierung und Marktöffnung’ beigebracht hätte”, so Stiglitz, „dann hätte man in den 80er und 90er Jahren auf allen Rat des IWF verzichten können.” Stiglitz zeichnet den IWF als betriebsblinden ideologischen Verband, der seine Maßnahmen nicht mehr als Mittel zu einem gerecht verteilten Wachstum vertritt, sondern nur als Selbstzweck. Dabei stilisiert sich die Organisation zum „Monopolanbieter verlässlichen Rats.” Wozu andere konsultieren? Ex cathedra wird die reine Lehre verkündet. Die Menschen in der Dritten Welt sind ohnehin zu dumm dazu.
Als der IWF im Juli 1944 in Bretton Wood, New Hampshire, gegründet wurde, wollte man eine Ambulanz für in Not geratene Volkswirtschaften ins Leben rufen. In Erinnerung an die Great Depression und im Bewusstsein, dass es zur Wahrung wirtschaftlicher Stabilität gemeinsamer Aktionen bedürfe, wollte man ein Regulativ gegen Rezessionen schaffen, eine unabhängige Krisenpräventionsfabrik. Heute aber verfolgt die Organisation einzig die Interessen der Finanzmärkte und der westlichen Industrienationen. Es ist, als gäbe es in einer Stadt nur ein Krankenhaus. Die Ärzte in diesem Krankenhaus sind um die 80, blind oder taub, und alle, egal ob auf der Inneren oder der Krebsstation, flößen ihren Patienten das einzige Medikament ein, das sie auf Lager haben, ein Breitbandantibiotikum aus den Zwanzigern. Fast alle Patienten schlucken die Medizin – im vollen Wissen darum, das es unbrauchbar und oft sogar schädlich ist. Dabei entspinnt sich der immergleiche Dialog: „Konjunkturabschwung?” brüllt der Arzt. Der Patient schweigt. „Sie leiden unter Konjunkturabschwung? Da müssen Sie einfach sparen. Kon-se-quent sparen. Nächster bitte.” Abends ziehen die alten Männer dann ihre weiße Verkleidung aus, und man sieht darunter die vom Antibiotikumkonzern gesponsorten Vertreteranzüge, dann fahren sie in den Firmenautos des Antibiotikumskonzerns zurück in die vom Antibiotikumkonzern gebaute gated community.
Charlie Wilson, der Präsident von General Motors, verband in seinem Firmenmotto Patriotismus mit Unternehmergeist: „Was gut ist für General Motors, ist auch gut für die Vereinigten Staaten.” Stiglitz bringt das Credo des IWF mit einer Variation dieses Satzes auf den Punkt: „Was die Finanzwelt als gut für die Weltwirtschaft erachtet, ist auch gut für die Weltwirtschaft und sollte unbedingt getan werden.” In seinem Buch führt er die Fehlschläge der Globalisierung auf die Tatsache zurück, ,,dass sich der IWF (wie auch die Welthandelsorganisation WTO) bei den von ihnen festgelegten Spielregeln einzig von Handels- und Finanzinteressen leiten lässt. Wenn aber bei einer Institution die Finanzminister und Zentralbankpräsidenten alle Entscheidungen treffen, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass zwar die wirtschaftliche Stabilisierung immer auf die Agenda gesetzt wird, sich aber niemand um die Schaffung von Arbeitsplätzen schert; dass die Besteuerung und ihre negativen Auswirkungen oberste Priorität haben, die Bodenreform aber von keinem Interesse ist.”
Indonesien, Korea, Äthiopien und Russland – Stiglitz führt für das Versagen des IWF immer neue Beispiele an. Man merkt an den detailgenauen Beschreibungen all der verschiedenen Pleiten, was er den Funktionären des Währungsfonds voraus hat: Während die meist für drei Wochen in ein Land geschneit kommen und dort auf ihrem Millimeterpapier Konzepte für fremde Volkswirtschaften entwickeln, nutzte Stiglitz seine Zeit bei der Weltbank für ausgedehnte Reisen.
1997 waren alle koreanischen Volkswirte fest davon überzeugt, dass die fiskalpolitischen Forderungen, zu denen der IWF ihr Land zwang, Korea in den Abgrund stürzen würde. Als Stiglitz kurz darauf das Land besuchte, gestanden die Wirtschaftler Joseph Stiglitz, dass sie schlicht Angst hatten vor dem IWF: Wer nicht spurt, von dem heißt es sofort, er sei „off track”. Und wenn man off track ist, dann sperrt der IWF nicht nur eigene Gelder, sondern lässt alle privaten Finanzinstitute wissen, was man von Korea zu halten hat: Gar nichts mehr. Korea akzeptierte alle Forderungen.
Nun „zwingt” der IWF in Zeiten globaler Demokratiebemühungen natürlich niemanden zu irgend etwas. Laut Sprachregelung werden „in beiderseitigem Einvernehmen Bedingungen ausgehandelt”. Wie solch ein Einvernehmen aussieht, analysiert Stiglitz an einem Foto, das 1997 um die Welt ging: Der zerknirschte indonesische Staatspräsident Suharto unterschreibt darauf einen Sanierungsplan. Hinter ihm, mit verschränkten Armen, steht der damalige IWF-Präsident Camdessus und schaut streng wie Cäsar, als ihm Vercingetorix sein Schwert zu Füßen legte. Das Geld, das Indonesien daraufhin bewilligt wurde, verschwendete der IWF nicht für die indonesische Volkswirtschaft. Es wurden Kredite bei privaten Geldgebern getilgt.
ALEX RÜHLE
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