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Zu Lebzeiten war Carlos eine tragischschillernde Figur und hat als Drag Queen die Lissabonner Nachtclubszene beherrscht. Zu seinem furiosen, vielgestaltigen neuen Roman ließ sich Lobo Antunes von einer realen Figur inspirieren. Er geht den Selbstzweifeln und Verirrungen eines Mannes nach, mischt dessen Geschichte mit den Stimmen seiner Freunde, seines Sohnes in einem farbenprächtigen Kaleidoskop, das stets neue Bilder eines maßlosen Lebens erstehen lässt.
Das Schicksal des berühmtesten Transvestiten Portugals - ein schillernder Roman um den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Identität.

Produktbeschreibung
Zu Lebzeiten war Carlos eine tragischschillernde Figur und hat als Drag Queen die Lissabonner Nachtclubszene beherrscht. Zu seinem furiosen, vielgestaltigen neuen Roman ließ sich Lobo Antunes von einer realen Figur inspirieren. Er geht den Selbstzweifeln und Verirrungen eines Mannes nach, mischt dessen Geschichte mit den Stimmen seiner Freunde, seines Sohnes in einem farbenprächtigen Kaleidoskop, das stets neue Bilder eines maßlosen Lebens erstehen lässt.

Das Schicksal des berühmtesten Transvestiten Portugals - ein schillernder Roman um den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Identität.
Autorenporträt
António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als dreißig Titel umfasst und in vierzig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den »Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes«, den »Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft« und den Camões-Preis.

Maralde Meyer-Minnemann, geboren 1943 in Hamburg, erhielt 1992 den "Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen", 1997 den Preis "Portugal-Frankfurt", 1998 den "Helmut-M.-Braem-Preis" und wurde 2005 für den "Preis der Leipziger Buchmesse" nominiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2004

Der Mann, der im falschen Körper sitzt
Leeres Zentrum: In seinem Roman „Was werd ich tun, wenn alles brennt?” kreist António Lobo Antunes um sich selbst
„Wissen Sie was”, philosophierte ein geisteskranker Patient vor sich hin, „die Welt ist von hinten gemacht worden . . .” Für den jungen Arzt António Lobo Antunes wurde das der Schlüsselsatz seiner schriftstellerischen Karriere. Jahrzehnte später wird man es seinen im Jahre 2001 geführten Gesprächen mit María Luisa Blanco (Sammlung Luchterhand 2059) nachlesen können: „Wenn man anfängt, schreibt man vorwärts, bis man begreift, dass man rückwärts, von hinten nach vorne schreiben muss.”
Unerbittlich, Buch für Buch, Tag für Tag, schreibt sich António Lobo Antunes durch die Rückseite seiner Welt. Oft sieht man seine Figuren nur durch einen Gazeschleier, hinter Perlen- und Lamellenvorhängen, Papiertüren. Der Verehrer von Cervantes und Lawrence Sterne verachtet die Frontalansicht, das lineare Erzählen, das Einstimmige und Eindeutige. Auch in diesem Roman herrscht polyphones Funkeln. Seine Welt vibriert im System Familie. Aber was für eine Familie und was für ein System!
Lobo Antunes ist ein obsessiver Sprecher und „Sänger”, die Sprache seiner Romane klingt wie Chorgesang, Rezitativ und Arie. Der Liedcharakter entsteht, weil die Satzfetzen, unterbrochen von den Reflexionen des Ich-Erzählers, im breiten Strom fließen und eine Stimme in die andere übergeht. Diese Satzblöcke werden drei- und mehrmals wiederholt, sie betäuben, betören und beschwören: das ist die Aufgabe von Litaneien.
Es ist die Ironie der Genialität. Die Portugiesen schätzen Lobo Antunes nicht besonders. Später einmal werden sie in ihm einen Nachfahren des „Lusiaden”-Dichters Luís de Camões erkennen, der 1580 an der Pest starb. Sie werden endlich verstehen, dass Lobo Antunes auf seine, die Politik als Menschenschicksal verstehende Weise die Sozialgeschichte Portugals vom Kolonialkrieg in Angola, über die Diktatur Salazars, die Nelkenrevolution von 1975 und den Übergang zum prosperierenden EU-Mitglied geschrieben hat. Lissabon glänzt. Lobo Antunes packt die Stadt und ihre Ausläufer zum Meer mit der Euphorie des Verliebten, während er über die körperliche Liebe nur hinter vorgehaltener Hand spricht.
Die Romane sind, jenseits der Beschreibungen des Krieges, der Diktatur, der Revolution und ihren Folgen, schwebend und flirrend. Niemand wünscht sich bei Lobo Antunes eine Portion Pommes oder einen CD-Player. Seine Figuren sind nicht mit Trivialitäten verstopft. Sie leben „von hinten”, haben unerhörte Ansprüche, wünschen sich eine Wolke, nichts als eine Wolke. Die poetische Phantasie verfremdet den Alltag zwischen Lissabon und seinen Vororten zum Schauspiel, stumpfe Abbilder interessieren nicht.
Niemand hat die Schönheit Portugals zwischen Wasser und Himmel so zum Summen gebracht wie Lobo Antunes. Und doch: Seine Schreibmanier und umwerfende Brillanz, seine verblüffenden Bilder, sein von Buch zu Buch höher und schneller drehender Reigen ist in Gefahr, als immer selbstbezüglicheres System leer zu laufen. Die schrille Vatergeschichte, die er im Roman „Was werd ich tun, wenn alles brennt?” erzählt, verspielt ihr dynamisches Potenzial. Lobo Antunes ist dabei, sein Können wie ein Karussell in wechselndem Takt mal schnell, mal langsam und zur Ermüdung des Publikums kreisen zu lassen.
Der Vater aus Sarg 248
Was für ein Dilemma, welche Demütigung und Qual für einen Sohn, dessen Vater ein Transvestit ist, was für eine Familiengeschichte. Mit nackten Beinen und einem Diadem, das ihm aufs Ohr rutscht, steht Senhor Carlos Couceiro im Lichtkegel vor einem brandfleckigen Vorhang, eine erbärmliche James-Ensor-Gestalt, verliebt in Rui, ein Junkie im Alter des Sohnes und Ich-Erzählers Paulo. Lobo Antunes erzählt seinen Stoff rückwärts. Der Vater ist tot, er liegt im Sarg 248, existiert als Gespenst, stöbert in den Mülleimern, der Sohn erinnert ihn daran, dass er tot ist, die Mutter klagt: „Warum Carlos, noch heute dieselbe Frage . . . warum Carlos?”. Der Vater jammert: „Warum lasst ihr mich nicht eine Frau wie die anderen sein?”
Das Unbestimmte, den Wechsel des Geschlechts, den Übergang von Leben und Tod, das Wesen des Transitorischen spielt der Roman auf unterschiedlichen Ebenen durch. Hauptfigur ist der Mann, der im falschen Körper sitzt und als „Clown” seiner selbst verkommt: „Schau meine Männerhände, meinen Männerhals, die falschen Brüste und Hüften”.
Der Sohn schleicht dem Vater hinterher, nimmt Drogen, ist von den realen und vorgestellten Bildern gejagt. Die Tröstungen der Mutter beleidigen, die Stiefeltern umkreisen Paulo wie Außerirdische. Er treibt dahin, während er vor sich hin spricht und die Sätze zwischen wörtlicher und gedachter Rede hin und her schwingen, ohne Halt. Paulo hängt am Zipfel des karierten Clownfracks, der vom Leben des Vaters übrig geblieben ist. Die sprachliche Bravour, wie stets von Maralde Meyer-Minnemann in Glanz und Rhythmus erhalten, überrollt die Geschichte. Die Form siegt, der Romanstoff versandet, die ineinander verschlungenen Fäden flattern in der Luft.
António Lobo Antunes ist davon überzeugt, dass „die Geschichten unwichtig sind”. Aber das stimmt nicht, denn er erfindet die Geschichte, um sie zu erzählen. Hier, in seinem Roman „Was werd ich tun, wenn alles brennt?” zieht er endlose, selbstverliebte Kreise, und das Zentrum bleibt nahezu unberührt.
VERENA AUFFERMANN
ANTÓNIO LOBO ANTUNES:. Was werd ich tun, wenn alles brennt? Roman. Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann. Luchterhand Verlag, München 2003. 700 Seiten, 25 Euro.
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"Hut ab! Das ist Weltliteratur." Die Zeit

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2004

Im Brainstorm der Drag Queen
Fugendicht: Der neue Roman von António Lobo Antunes

Manchmal ist es gut, wenn wenigstens der Klappentext Orientierung bietet. Demnach geht es im neuen Roman des portugiesischen Marathonschreibers und Permanentpublizierers António Lobo Antunes um das Schicksal des berühmtesten Transvestiten Portugals, der als Drag Queen die Lissabonner Nachtclubszene beherrschte, dann aber eines frühen Todes starb, ebenso wie sein drogensüchtiger Freund. Sein Sohn Paulo, auch drogenabhängig, rekapituliert das Leben seiner Eltern, während er eine Entziehungskur absolviert. War Carlos, die Drag Queen, wirklich sein Vater? Wer ist er selbst? Und wo ist er überhaupt?

Schlauer als der Klappentext wird man auch dann nicht, wenn man sich durch den siebenhundert Seiten schweren Roman hindurchkämpft. Lobo Antunes geht es nicht darum, eine Geschichte zu erzählen. Es geht ihm auch nicht darum, verständlich zu sein. Er will ein in Auflösung begriffenes Bewußtsein aus sich selbst heraus zur Sprache bringen. Also werden Zusammenhänge unkenntlich gemacht, das Denken in Traumgebilde aufgelöst, die Sprache pulverisiert. Formal hat das zur Folge, daß Dialoge aufeinanderfolgen, bei denen man nur vermuten kann, wer spricht. Daß Satzfetzen aneinandergereiht werden, ohne jemals zu einem Punkt zu finden. Hilflos verebben sie im Ungefähren. Daß es zwar eine Kapiteleinteilung gibt, aber keine Numerierung als Ordnungsprinzip. Es folgt Kapitel auf Kapitel auf Kapitel, und das könnte wohl ewig so weitergehen und ebensogut auch in umgekehrter Reihenfolge gelesen werden. Die Sache wird dadurch noch komplizierter, daß die Erzählperspektiven wechseln. Es ist nicht immer Paulo, in dessen Bewußtsein geangelt wird, aber bis man das erahnt, ist auch schon der Wortstrom des nächsten Kapitels vorbeigerauscht. War da was?

Lesen wird zu einem Puzzlespiel. Wer daran Freude hat, könnte mit diesem Roman gut bedient sein. Satz für Satz will gedreht und gewendet und schließlich in die richtige Position gestöpselt werden - nur: Ein Bild ergibt sich trotzdem nicht. Das delirierende Bewußtsein bleibt ein delirierendes Bewußtsein. Die Fülle der Erinnerungsfetzen und der rasenden Bilder ergibt in der Summe: nichts. "Das neue Meisterwerk von Lobo Antunes", warnt der Klappentext, "schickt den Leser auf eine faszinierende Reise in die gedankenschwere, derbe und meist fugendicht verschlossene Welt unter der Schädeldecke." Das ist leider wahr, und Lobo Antunes ist der Fugendichter. Sein Roman ist hermetisch vor jedem Verständnis abgeschottet. Wahrscheinlich versäumt man nichts, wenn man ihn nicht liest. Aber wer weiß das schon.

JÖRG MAGENAU

António Lobo Antunes: "Was werd ich tun, wenn alles brennt?" Roman. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann. Luchterhand Verlag, München 2003. 702 S., geb., 25,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verena Auffermann scheint ein großer Fan des portugiesischen Schriftstellers Antonio Lobo Antunes zu sein, der ihres Erachtens in seiner Heimat wenig Anerkennung genießt. Erst die späteren Generationen werden erkennen, behauptet Auffermann, dass er die Sozialgeschichte des Landes vom Kolonialkrieg über die Nelkenrevolution bis hin zum EU-Beitritt schrieb. Doch Antunes, gibt auch die Rezensentin zu, ist kein einfacher Autor, er verweigert sich dem linearen Erzählen, sondern liebt polyphone Strukturen. Die Sprache seiner Romane klingt wie Chorgesang, so Auffermann, wie Rezitative, Arien, Litaneien, ein Sprachfluss, bei dem eine Stimme in die andere übergehe. Im jüngsten Roman scheint sich ihr dieses Sprachkarussell immer schneller zu drehen, Antunes' entwickle eine immer selbstbezüglichere Sprache, die ins Leere zu gehen drohe, schreibt Auffermann. Im Fall dieser "schrillen Vatergeschichte", in der sich der Vater als Transvestit erweist, was den Sohn in einige vorstellbare Probleme stürzt, bleibe der Stoff, die Handlung auf der Strecke, kommt Auffermann zu ihrem großen Bedauern zu einem nicht so positiven Urteil, während die Form scheinbar den Sieg davon trage.

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