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While reporting a story from India, a New York television journalist has his left hand eaten by a lion; millions of TV viewers witness the accident. A married woman in Wisconsin wants to give the reporter her husband's hand, that is, after her husband dies. But the husband is very much alive.

Produktbeschreibung
While reporting a story from India, a New York television journalist has his left hand eaten by a lion; millions of TV viewers witness the accident. A married woman in Wisconsin wants to give the reporter her husband's hand, that is, after her husband dies. But the husband is very much alive.
Autorenporträt
John (Winslow) Irving, geboren am 2. März 1942 in Exeter, im Staat New Hampshire, als ältestes von vier Kindern. John Irvings Vater war Lehrer und Spezialist für russische Geschichte und Literatur. Seine Kindheit verbrachte Irving in Neuengland. 1957 begann er mit dem Ringen; 19jährig wusste Irving, was er werden wollte: Ringer und Romancier. Studium der englischen Literatur an den Universitäten von New Hampshire und Iowa, wo er später Gastdozent des Schriftsteller-Workshops war. Deutschkurs in Harvard. 1963-1964 Aufenthalt in Wien. 1964 Rückkehr in die Vereinigten Staaten. Arbeit als Lehrer an Schule und Universität bis 1979. Lebt heute in Toronto und im südlichen Vermont. 1992 wurde Irving in die National Wrestling Hall of Fame in Stillwater, Oklahoma, aufgenommen, 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für seinen von Lasse Hallström verfilmten Roman Gottes Werk und Teufels Beitrag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2002

Abschied vom Teleprompter
Dieses ist der zehnte Streich: John Irvings neuer Roman ist einer seiner besten

Die Infantilisierung, die mit der apokalyptischen Berichterstattung à la CNN verbunden ist, macht der amerikanische Bestsellerautor John Irving zum Gegenstand seines zehnten Romans. Wider die "Buchführung der Welt" schreibt er ein Gegenbuch, dessen Herzensangelegenheit der vergessene Kontext des Spektakulären ist. Wir hätten es nicht mit dem Enfant terrible des hemmungslosen Erzählens zu tun, wenn er diesen Vorsatz nicht mit schrillem Witz, absurdem Humor und der mühelosen Orchestrierung eines üppigen Figurenarsenals bewältigen würde.

Patrick Wallingford, sein willensschwacher Held, ist Skandalreporter eines New Yorker Vierundzwanzigstundensenders und hat das Pech, selbst zur Attraktion eines Dreißigsekundenstreifens zu werden, der um die Welt geht: "Schreckliche Geschichte", bemerkt eine Dame, die er in einer Bar in Tokio trifft. "Ich glaube, so gut wie alle wissen noch, wo sie gewesen sind und was sie gerade gemacht haben, als es im Fernsehen kam." Der Unfall, mit dem Wallingford der Ermordung John F. Kennedys Konkurrenz macht, fand vor einem Löwenkäfig statt, dem der eifrige Journalist etwas zu nahe kam. Ein geistesgegenwärtiger Kameramann filmte, wie ihm eine Raubkatze die Hand abbiß und sich mit ihren Artgenossen um die Beute balgte.

Von nun an ist Patrick nur noch der "Löwenmann". Die Verletzung macht ihn unverwechselbar. War er bisher "ein Junge geblieben", so hat ihn jetzt der Tod markiert: Er muß erwachsen werden. Zunächst driftet er weiter von einer Sensationsgeschichte zur nächsten, seine Einschaltquoten steigen dank des "Human Interest"-Faktors. Er probiert vor laufender Kamera Prothesen aus. Unterwegs trifft der gutaussehende Invalide immer wieder auf starke Frauen, die seine Behinderung sexuell stimuliert.

Der gerne mit Freud kokettierende Irving läßt sich die psychologischen Konnotationen, die mit dem Verlust einer Hand verbunden sind, nicht entgehen. Zu den Höhepunkten des Romans zählt Wallingfords Grußadresse auf einem feministischen Kongreß. Er hält seine Rede "im Profil", weil ihm zwei japanische Masseusen am Vorabend den Hals verrenkt haben. Seine Faszination für Powerfrauen ist unbestreitbar, immer wieder wird er Opfer weiblicher Wesen, die meist weder jung noch schön, aber lebensklug, pragmatisch und mit einem eisernen Zugriff begabt sind. Zu dieser Sorte gehört auch Patricks Kollegin Mary, eine ausnahmsweise attraktive Kandidatin, die es sich in den Kopf gesetzt hat, ein Kind mit ihm zu zeugen. Ihre Wutausbrüche über seine Ablehnung des Antrags illustrieren aufs schönste die Mentalität einer Medienwelt, die auf Sofortbefriedigung gedrillt ist.

Daß "Die vierte Hand" eine bezaubernde Liebesgeschichte geworden ist, verdanken wir einer anderen Frauengestalt. Doris Clausen lebt glücklich verheiratet in Green Bay, Wisconsin. Ihre Ehe trüben nur zwei Wermutstropfen: ihr trotz aller Anstrengungen unerfüllter Kinderwunsch und ihr obsessives Mitleid mit Patrick Wallingford. In einer kuscheligen Stunde hat sie Otto Clausen zum Unterschreiben eines Spenderdokuments gebracht: Für den Fall eines Ablebens steht seine Hand zur Verfügung. Der Zufall will, daß Otto sich versehentlich bald eine Kugel durch den Kopf schießt. Noch im Morgengrauen treffen Mrs. Clausen und Wallingford in der Praxis eines Transplantationsspezialisten zusammen. Bei dieser Gelegenheit reißt sich die biedere Frau aus dem mittleren Westen die Kleider vom Leib und besteigt umstandslos den Handempfänger, um, wenn nicht von Otto, so doch gleichsam von seiner Hand geschwängert zu werden. Für Wallingford wird diese Aktion zum Erweckungserlebnis. Von nun an ist er Mrs. Clausen, die sich alsbald wieder in den Kokon der Wohlanständigkeit zurückzieht, verfallen. Irvings lustige Witwe taugt mit ihrer Fixierung auf das Detail der Hand zur Allegorie des kontextlosen Konsumenten. Halb schöne Seele, halb Pop-Ikone, schießt sie Polaroids von Patricks neuer Hand und schwelgt in der Trauer um Otto.

Der amerikanische Romancier stellt eine untergründige Verbindung zwischen dem sensationslüsternen Voyeurismus der Zeitgenossen und seiner eigenen literarischen Vorliebe für Gags, Blödeleien und Obszönitäten her. Irvings Prosa ist geradezu versessen auf Momente des Stolperns, auf Augenblicke, in denen die Figuren aus der Rolle fallen, ihre grotesken Ticks und Macken zeigen. Die penetrante Lust an peinlichen Körperfunktionen und das Vergnügen an derben erotischen Szenen haben hier ihren Ort. Mit diesen Mitteln gelingt es Irving gerade in diesem Roman, ein vor Lebendigkeit strotzendes Milieu zu evozieren.

Doch die Intensität verdankt sich nicht infantilem Feixen, sondern dem Schritt darüber hinaus. Wallingfords Laufbahn zeichnet die Genese der Kunst aus der kindlichen Nachahmung nach. So wie der Reporter die Aussprache der Japaner nachäfft, bildet sein Fernsehkanal skurrile Phänomene ab. Weiser geworden, erkennt Patrick den medialen "Pennälerhumor". Der Löwenmann, der selbst zum Witz geworden ist, kann sich durch keinen Lacher mehr aus der Affäre ziehen: "Bislang hatte er sich so verhalten, als gäbe es schlicht deshalb weniger Mitgefühl für den bizarren Tod, den bizarren Verlust, das bizarre Leid, weil sie bizarr waren. Mittlerweile wußte er, daß das Bizarre alltäglich und deshalb überhaupt nicht bizarr war. Es war alles Tod, alles Verlust, alles Leid." Von seinem Nachrichtensender läßt Patrick sich feuern. Der Genuß des Lebens fängt mit dem Abschied vom Teleprompter erst an.

John Irving: "Die vierte Hand". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Nikolaus Stingl. Diogenes Verlag, Zürich 2002. 400 S., geb., 22,90 .

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