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Erstmals ungekürzt: jetzt im Taschenbuch Zehn Jahre schrieb Brigitte Reimann an diesem Roman über die lebenshungrige, kompromißlose, von einer Vision und einer Liebe besessene junge Architektin Franziska Linkerhand. Obwohl unvollendet, ist dies eines der wichtigsten und schönsten Bücher der deutschen Gegenwartsliteratur. Die ungekürzte Ausgabe liefert ein illusionsloses Bild der DDR der 60er Jahre und zeigt eine freimütigere Franziska Linkerhand, so radikal wie ihre Autorin in den Tagebüchern. "Ein aufregendes, aufwühlendes Buch." F.A.Z.

Produktbeschreibung
Erstmals ungekürzt: jetzt im Taschenbuch Zehn Jahre schrieb Brigitte Reimann an diesem Roman über die lebenshungrige, kompromißlose, von einer Vision und einer Liebe besessene junge Architektin Franziska Linkerhand. Obwohl unvollendet, ist dies eines der wichtigsten und schönsten Bücher der deutschen Gegenwartsliteratur. Die ungekürzte Ausgabe liefert ein illusionsloses Bild der DDR der 60er Jahre und zeigt eine freimütigere Franziska Linkerhand, so radikal wie ihre Autorin in den Tagebüchern. "Ein aufregendes, aufwühlendes Buch." F.A.Z.
Autorenporträt
Reimann, BrigitteBrigitte Reimann, geboren 1933 in Burg bei Magdeburg, war seit ihrer ersten Buchveröffentlichung freie Autorin. 1960 zog sie nach Hoyerswerda, 1968 nach Neubrandenburg. Nach langer Krankheit starb sie 1973 in Berlin.Veröffentlichungen: Ankunft im Alltag (1961), Die Geschwister (1963), Das grüne Licht der Steppen. Tagebuch einer Sibirienreise (1965), Franziska Linkerhand (1974). Außerdem die Briefwechsel mit Christa Wolf, Sei gegrüßt und lebe. Eine Freundschaft in Briefen 1964-1973 (1993), mit Hermann Henselmann, Mit Respekt und Vergnügen (1994), Aber wir schaffen es, verlaß Dich drauf. Briefe an eine Freundin im Westen (1995) und mit Irmgard Weinhofen, Grüß Amsterdam. Briefwechsel 1956-1973 (2003), sowie die Tagebücher Ich bedaure nichts (1997) und Alles schmeckt nach Abschied (1998). Aus dem Nachlaß: Das Mädchen auf der Lotosblume. Zwei unvollendete Romane (2003). Zuletzt erschienen Jede Sorte von Glück. Briefe an die Eltern (2008) und Post vom schwarzen Schaf. G

eschwisterbriefe (2018).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.12.1998

Das pure Leben
Erstmals ungekürzt und unzensiert: Brigitte Reimanns Roman "Franziska Linkerhand" · Von Jochen Hieber

Brigitte Reimanns Roman "Franziska Linkerhand" ist auch vierundzwanzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen noch ein aufregendes, gelegentlich aufwühlendes Buch. Von einer "Mischung zwischen Colette und Rubens" schwärmte Walter Lewerenz, der damalige Lektor, bereits nach einem Blick in die frühen Entwürfe von 1964. Man glaubt das gern. Ton und Atmosphäre des Buchs sind vom ersten Satz an unverkennbar und originell - und an der sonderbaren Mischung aus Empfindsamkeit und Leidenschaft, aus gelegentlicher Sentimentalität und fortwährender Dringlichkeit hat sich in den fast zehn Jahren, in denen Brigitte Reimann am Roman arbeitete, nichts geändert.

Wäre es erlaubt, könnte man sagen, "Franziska Linkerhand" sei in der Tat mit Herzblut geschrieben. Daß das Buch, fast vollendet, schließlich doch ein voluminöses Fragment blieb, ist mit der schweren Krankheit und dem frühen Tod der Autorin - sie starb 1973 im Alter von 39 Jahren - nur unzulänglich erklärt. In Wahrheit gescheitert ist das Romanfinale an dem Land, das es eigentlich besingen, und an dem Staat, dem es eigentlich ein Denkmal setzen wollte: an der DDR.

"Daß die Geschichte jetzt eine Wendung nimmt, ist sicher", notiert Brigitte Reimann im Oktober 1969 über das Buch und fügt erbost hinzu: "Seit ich weiß nicht wie vielen Seiten steuert es ja schon auf einen bitteren Schluß zu." Ganz unmittelbar beeinflußt, ganz erheblich beschädigt wurde der geplante Gang der Handlung durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei. "Und welche Hoffnungen haben wir auf das Modell ,CSSR' gesetzt!" vermerkt das Tagebuch im August 1968: "Wir sind so erbittert - kein Vertrauen mehr." Ohne das Vertrauen der Autorin darauf, daß sich die Verhältnisse nach und nach auch in der DDR verbesserten, aber mußte die Geschichte ihrer Heldin, der jungen Architektin Franziska Linkerhand, zwangsläufig im Nirgendwo, auf irgendeiner Baustelle des Aufbruchprojektes "Neustadt" versanden. Dies bedeutete freilich auch, daß die schon fertigen Kapitel, daß Hunderte von Seiten den falschen Ton angeschlagen, die falsche Atmosphäre beschworen hatten: Ein trotziges Dennoch hatte sie ausgezeichnet, ein Beharren auf dem sozialistischen Fortschritt trotz aller Rückschläge - und nun war alles vergeblich, alles umsonst.

Wieder ist es der Lektor Lewerenz, der die Malaise auf den Punkt bringt: "Er sagte", heißt es im Tagebuch vom Juli 1970, "das Buch sei keine Aufgabe mehr für mich, sondern bloß noch moralischer Halt . . . und ich schriebe ohne Gedanken an Veröffentlichung . . . Hat mich schrecklich deprimiert, weil es im wesentlichen stimmt." Verheerender jedenfalls als bei diesem Roman kann man sich den direkten Einfluß der politischen Verhältnisse auf die literarische Arbeit kaum vorstellen. Walter Lewerenz hat nach dem Tod der Autorin das ihm Mögliche geleistet: "Franziska Linkerhand" erschien 1974 als Edition aus dem Nachlaß in beiden Teilen Deutschlands. Was dabei der rein handwerklichen Kontrolle nicht standhielt, blieb ebenso ungedruckt wie die politisch und moralisch bedenklichen Passagen, die sich nicht von ungefähr gerade in den letzten Kapiteln häufen: Sie rührten an jene Tabus der DDR, die der Zensur anheimfallen mußten.

In seinem Nachwort zur nun ungekürzten Neuausgabe sammelt der Philologe Withold Bonner geduldig die Belege: Stilblüten, die zu Recht gestrichen wurden, passieren dabei ebenso Revue wie Sexualia, die man aus Prüderie, und Gefängnisszenen aus Bautzen, die man in vorauseilendem Gehorsam weggelassen hatte. Daß die Selbstmorde, von denen der Roman berichtet, keineswegs nur individuelles Scheitern dokumentieren, sondern als Zeichen sozialen Zerfalls gedeutet werden, daß der zynische Gebrauch der Nazivokabel "Wehrkraftzersetzung" Parallelen zwischen den beiden deutschen Diktaturen dieses Jahrhunderts andeutet, daß die Ödnis des Plattenbaus angeprangert und ein Stasi-Spitzel enttarnt wird: all dies blieb den Lesern der Erstausgabe verborgen. "Rund vier Prozent des Textes", resümiert Withold Bonner, "wurden aus dem Typoskript gestrichen" - nicht weniges davon war politisch motiviert.

Und doch wird man Angela Drescher, der Herausgeberin der neuen Edition, nicht widersprechen wollen, wenn sie angesichts der gängigen Verlags- und Zensurpraxis Lewerenz' einstiger Arbeit auch im nachhinein Respekt zollt: "Ich habe mich bei der erneuten Lektüre nicht über die Auslassungen gewundert, sondern vielmehr über das, was alles nicht gestrichen wurde." Der Roman "Franziska Linkerhand" wurde zu DDR-Zeiten begreiflicherweise ein Bestseller: Mit ihm konnte sich eine ganze Generation identifizieren, in ihm fanden sich all jene wieder, die oft unter Skrupeln und Selbstzweifeln, am Ende aber doch solidarisch am Aufbau einer besseren Welt mitarbeiten wollten. Als Jugendliche oder junge Erwachsene hatten sie die Gründung der DDR erlebt, an ihnen schien es zu liegen, ob aus dem Staat ein Erfolg werde.

Der Erfolg des Romans hing nicht zuletzt mit dem Temperament der Autorin zusammen. Anders als die vier Jahre ältere, ungleich vorsichtigere und kontrolliertere Christa Wolf, mit der sie gleichwohl befreundet war, setzte sich Brigitte Reimann distanzlos und ungeschützt dem puren Leben aus: Sie gab sich als Existentialistin mitten im Sozialismus. Ihr persönlicher Alltag, das waren, auf der Suche nach der unbedingten Liebe, eine Fülle von Affären, ein unbändiges Bedürfnis nach Glück, aber auch die Bereitschaft, zu leiden und mitzuleiden. Sie war die femme fatale der DDR-Literatur - gerade ihre private Unbedingtheit aber bürgte für ein authentisches Schreiben jenseits der großen und kleinen Lügen.

Erprobt hatte sie es zunächst an einigen Erzählungen, die zu Beginn der sechziger Jahre erschienen. Den Stil jedoch, der ihrem Temperament ganz entsprach, fand Brigitte Reimann erst bei "Franziska Linkerhand", ihrem einzigen Roman. Diese drängende, oft atemlos wirkende Vorwärtsbewegung der Sätze, das Stakkato der reihenden Aufzählungen, die beschwörenden Fragen: Man kann sich dem emphatischen Sprechen bis heute nicht entziehen. Die Welt, die der Roman schildert, gibt es nicht mehr. Wie existentiell man ihr verbunden sein konnte, obgleich man gegen sie rebellierte, gegen ihre Borniertheit anrannte: Wenige Bücher aus der DDR zeigen dies so glaubhaft wie genau - vor allem Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." (1973) mögen in dieser Hinsicht mit "Franziska Linkerhand" vergleichbar sein.

Ironie indes, die Stillage Plenzdorfs, war Brigitte Reimann fremd. Sie war immer unzweideutig - und sie meinte es immer ernst. Für ihr Epos von der möglichen Größe und der realen Misere der DDR fand sie eine Erzählhaltung, die diesem Ernst angemessenen Ausdruck gab. Mit der direkten Anrede an den abwesenden Geliebten beginnen die Kapitel, ein dramatischer Briefmonolog scheint zu entstehen. Entschieden aber mischt sich im Fortgang ein allwissender Erzähler ein, der die Geschehnisse in objektivere Bahnen lenkt. Auch dieses Oszillieren zwischen erregt privater und wohltuend distanzierter Rede macht den bleibenden Reiz des Romans aus. Die schrecklich schwierige Liebesgeschichte zwischen der so angepaßten wie aufmüpfigen Franziska und dem einst gläubigen, dann abgestraften und nun entschlossen abtrünnigen Kommunisten Ben gehört ebenfalls zu den Stärken des Buchs, manch allzu inniger und kitschnaher Formulierung zum Trotz.

Ein wenig ermüdend wirken heute die engagierten, nicht enden wollenden Debatten um den sozialistischen Städtebau. Schafheutlin heißt Franziskas Chef, der seinerseits unter der Kuratel der Parteibosse des Bezirks steht. Brigitte Reimann hat versucht, dieser Figur, die zunächst nur bürokratische Züge zeigen darf, im Verlauf des Geschehens mehr Verständnis entgegenzubringen. Daß dieses Bemühen um epische Gerechtigkeit zunehmend mit ihrer verzweifelten Sicht auf die DDR kollidieren mußte, dürfte zu den unlösbaren Schwierigkeiten, die ihr der Schlußteil des Romans bereitete, nicht wenig beigetragen haben. Wie seelenzerstörend die sozialistische Stadt der Zukunft in Wirklichkeit war, hat sich brutal erst nach der Wende gezeigt: Im September 1991 kam es in Hoyerswerda-Neustadt, dem Schauplatz des Romans, zu Krawallen von Jugendlichen und zu Ausschreitungen gegen Ausländerwohnheime. Selbst in ihren kühnsten Attacken gegen die phantasielose Architektur hatte die idealistische Franziska des Romans solche späten Folgen ihres Tuns nicht einmal im Ansatz zu denken gewagt.

Der Entwicklungsroman einer skrupulösen Mitmacherin und ein Gesellschaftspanorama der untergegangenen DDR-Provinz mit lauten Kneipengesprächen, großen Krisen und kleinem Glück: Unter den rein literarischen Büchern ist "Franziska Linkerhand" gewiß das Beste, was Brigitte Reimann geschrieben hat. Seit 1955 aber, vor und während der Arbeit am Roman, wuchs ihr grandioses Tagebuch. "Ich bedaure nichts" und "Alles schmeckt nach Abschied": in zwei Bänden wurde es von Angela Drescher jüngst vorbildlich ediert (vergleiche F.A.Z. vom 30. Mai 1998). Ganz ungefiltert, ganz kunstlos, dafür höchst anschaulich und mit erbarmungsloser Genauigkeit hat Brigitte Reimann darin ein Bild vom Alltag der DDR entworfen, das dem Roman in dieser Schärfe, in dieser Prägnanz nicht gelingt.

Aber man soll die verschiedenen Textgattungen nicht gegeneinander ausspielen: Mit beidem, mit dem nun unzensiert vorliegenden Roman "Franziska Linkerhand" und mit dem Tagebuch, ist Brigitte Reimann, die zu Lebzeiten lediglich ein Talent schien, postum zu einer bedeutenden Autorin der deutschen Gegenwartsliteratur geworden.

Brigitte Reimann: "Franziska Linkerhand". Roman. Ungekürzte Neuausgabe. Bearbeitung und Nachbemerkung von Angela Drescher, Nachwort von Withold Bonner. Aufbau-Verlag, Berlin 1998. 640 S., geb., 46,- DM.

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»...ein großartiges Buch, eines der besten, das ich je gelesen habe. Wer Franziska Linkerhand nicht kennt, verpasst was.« taz. Die Tageszeitung 20030717
"Ein Parlando, in dem der Odem großer Literatur weht. Ich kann mich nicht erinnern, das Buch einer Frau deutscher Sprache gelesen zu haben, in dem die Sehnsucht nach Liebe mit einer solchen Sinnlichkeit und Intensität gezeigt wurde. Dieses Buch hat die Qualität eines Romans und die Vorzüge eines Tagebuchs. Es hat mich ergriffen ..." Marcel Reich-Ranicki über "Alles schmeckt nach Abschied"