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"Glanz meiner Augen" nennt der Schmied seine Lieblingstochter Gül. Weil ihre Mutter, die schön war wie ein Stück vom Mond, früh stirbt, glaubt das Mädchen, besonders auf seine jüngeren Schwestern achtgeben zu müssen. Gül ist klein, aber stark, vor allem jedoch kann sie lieben und weiß, daß man sich von nichts schrecken lassen darf. Schlicht und poetisch erzählt Selim Özdogan vom Leben in einem anatolischen Städtchen, vom Geschmack der Sorglosigkeit im Sommer, von Sprüchen der Ahnen und ungeduldigen Wünschen der Jungen. Die Geschichte von Gül ist voll Zärtlichkeit, Leid und Sehnsucht wie der anatolische Blues.…mehr

Produktbeschreibung
"Glanz meiner Augen" nennt der Schmied seine Lieblingstochter Gül. Weil ihre Mutter, die schön war wie ein Stück vom Mond, früh stirbt, glaubt das Mädchen, besonders auf seine jüngeren Schwestern achtgeben zu müssen. Gül ist klein, aber stark, vor allem jedoch kann sie lieben und weiß, daß man sich von nichts schrecken lassen darf. Schlicht und poetisch erzählt Selim Özdogan vom Leben in einem anatolischen Städtchen, vom Geschmack der Sorglosigkeit im Sommer, von Sprüchen der Ahnen und ungeduldigen Wünschen der Jungen. Die Geschichte von Gül ist voll Zärtlichkeit, Leid und Sehnsucht wie der anatolische Blues.
Autorenporträt
Selim Özdogan wurde 1971 geboren und lebt in Köln. Er veröffentlichte die Romane "Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist" (1995), "Nirgendwo&Hormone" (1996), "Mehr" (1999) und "Ein Spiel, das die Götter sich leisten" (2002) sowie "Ein gutes Leben ist die beste Rache" (Stories, 1998) und "Trinkgeld vom Schicksal" (Geschichten, 2003).
Rezensionen
» Der Roman bezaubert durch die Ernsthaftigkeit und Liebe, mit der er das Gewicht der einfachen Dinge des Lebens wiegt. « Klaus Hübner Fachdienst Germanistik 20050901

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2005

Ein Becher Meer
Selim Özdogans Geschichte eines ungelebten Lebens in der Türkei

Selim Özdogan hat einen Roman über nichts geschrieben: über das Leben einer Frau, in dem nichts geschieht. Gül ist die erstgeborene Tochter des Dorfschmieds Timur, ihre leibliche Mutter hat sie noch im Kindesalter verloren, sie lernt früh auf ihre kleineren Schwestern aufzupassen, zu waschen, putzen, kochen, nähen. Für die Schule bleibt kaum Zeit. Özdogan erzählt die Chronik eines Lebens in irgendeinem anatolischen Dorf in den fünfziger Jahren, des Lebens eines Mädchens, das dort wie das jedes anderen Mädchens verläuft, wenn es nicht flieht oder kämpft (und, meistens, unterliegt). Wie in einem Dokumentarfilm reihen sich in diesem Roman Tage, Monate, Jahre und Jahreszeiten aneinander, Stichpunkte einer Existenz ohne Geschichte. Es gibt keine Psychologie, es gibt keine Sozialsatire, keine Gesellschaftskritik. Özdogan scheint diesem Leben zugehört und es mitgeschrieben zu haben, um es möglichst für sich stehen zu lassen, in deutscher Sprache, aber aus einer anderen Welt.

Nicht, daß Gül nicht ahnen würde, daß es auch ein anderes Leben gibt, irgendwo weit weg vom Dorf und von der Kreisstadt, ein Leben wie in den Filmen mit den Hollywoodstars und den Größen des türkischen Kinos, oder am Meer. Aber die Anatolier kennen das Meer "nur aus dem Becher". Früher fuhr der Schmied einmal im Jahr nach Istanbul, um den Helden von Besiktas zuzujubeln und die Tänzerinnen in den Nachtlokalen zu sehen.

Früher, da waren sie wohlhabend, und ein Mann, der groß wie ein Hüne ist, blond und hellhäutig, und dessen Schmiedearbeiten gerühmt wurden, konnte sich noch dieses Abenteuer leisten, wo die Freiheit wie "flüssiges Sonnenlicht" schmeckte. Als seine Frau Fatma, die Vielgeliebte, mit Augen so schön wie der Mond, an Typhus stirbt, weil die Schwiegermutter sie nicht pflegt, da schleudert der Schmied einen Suppenlöffel gegen die Wand, und der Putz bröckelt ab. Gül ist erschüttert von dieser Szene, sie weiß, daß etwas passiert ist, was ihre Welt verändert hat. Vielleicht hätte Gül jenes andere Leben herbeizwingen, festhalten und in vollen Zügen genießen können. Sie hätte damals bei einem Spaziergang im Dorf in die Augen ihres ehemaligen Schulkameraden Recep schauen müssen, zu ihm sprechen, vor allen Leuten. Und vielleicht hätte Gül so endlich eine Geschichte bekommen, wie die Heroinen der Weltliteratur, wie die Diven der Leinwand, eine tragische Geschichte vom großen, flüchtigen Glück und einem jähem Ende. Gül aber wirft erschrocken den ihr heimlich zugestellten Zettel, der so etwas wie eine Liebeserklärung enthält, in den Fluß. Sie wird dann Onkel Fuat heiraten, der kein Fremder ist und sie ernähren kann. In dieser Welt sind es die Unglücklichen, deren Schicksallosigkeit einander ähnelt, während jeder Glückliche auf seine eigene Art glücklich ist.

Man ließe sich von der melancholischen Monotonie dieses Lebensdokuments gern bewegen, aber die Sprödigkeit, mit der seine Figuren skizziert werden, läßt einen auf seltsame Weise kalt. Die Sprache tut ein übriges, um das unfreiwillige Stocken beim Lesen zu vermehren. Özdogans Stil ist zugleich anmutig und salopp, empfindsam und floskelhaft. Das Blumige des Türkischen paßt nur schlecht zum Deutschen, so daß die schönen, volkstümlichen, geradezu lyrischen Sinnbilder darin unfreiwillig komisch aussehen. Aber es war nie besonders leicht, den kraftvollen, epischen Ton der türkischen Mythen auf deutsch wiederzugeben. Selim Özdogan, Jahrgang 1971, hat noch Zeit, um anspruchsvoller und entschlossener seine Geschichten auch wirklich zu erzählen.

CLARA BRANCO

Selim Özdogan: "Die Tochter des Schmieds". Roman. Aufbau Verlag, Berlin 2005. 320 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2005

Das Gewicht der einfachen Dinge
Selim Özdogans Anatolien-Roman „Die Tochter des Schmieds”
Der Schmied Timur, ein Heldentyp mit stechend-blauen Augen und einem Rücken breiter als der aller anderen Männer, führt ein anstrengendes, aber glückliches Leben mit seiner Frau Fatma. Sie ist „schön wie ein Stück vom Mond”, kann Geschichten erzählen und gebiert ihm bald eine Tochter. Das Paar nennt sie Gül, die Rose. Es ist ein anatolisches Kleinfamilienglück. Doch eines Tages steckt sich Timur mit Typhus an, auch seine Frau wird krank und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Doch während Timur gesundet, kommt Fatma nicht mehr zurück. Timur heiratet bald die neunzehnjährige Arzu, denn er braucht eine Frau für die Kinder, doch er liebt Arzu nicht. Oft besucht er Fatmas Grab, und Arzu erzieht die Kinder, die nicht ihre sind, pflichtbewusst, aber ohne Anteilnahme. So fällt Gül, der Ältesten unter den Geschwistern, die Rolle der Mutter zu. In der Schule bekommt sie bald Probleme, weil sie keine Zeit hat, sich neben den Familiengeschäften um Lesen und Schreiben zu kümmern. So, wie Gül ihre neue Rolle zugefallen ist, nimmt sie sie an. Der Roman „Die Tochter des Schmieds” handelt von einer Frau, deren Güte alle für sie einnimmt, die aber nie gelernt hat, etwas für sich zu fordern. Fünfzehn Jahre lebt Gül auf dem Land, hört Radio und kratzt dem Vater die wunden Waden. Dann heiratet sie Fuat, einen Mann vom Militär, den sie nicht liebt. Sie folgt ihm nach Delmenhorst in die Fremde, erst für ein Jahr, um wie er Geld zu verdienen, dann bleibt sie für immer.
Selim Özdogan, 1971 geboren und zweisprachig aufgewachsen, erzählt handlungsreich und schnörkellos. Da wird die eine Sache nicht viel ausführlicher beschrieben als die andere, egal, ob hier jemand ein Kind zur Welt bringt oder sich dort jemand das Nasenbein bricht. Das hat etwas von epischer Einfachheit. Erzählen kommt von Aufzählen. Hat jemand etwas vor, ist es im nächsten Satz getan. Özdogans Sprache ist schlicht, aber sie trägt eine große Sympathie des Autors für seine Figuren, auch für die widersprüchlichen.
So ist Timur ein liebevoller Vater, aber auch ein Mann, der wenige Fragen stellt, vor allem an die Tradition. Er ist ein bisschen wie ein anatolischer Achill, ein Mann voll Tapferkeit, voll Stolz und bereiter Wut, mit geordnetem Weltbild und einer klaren Vorstellung davon, was zu tun ist. Von seiner Mutter hat er sich den Rat geholt, Fatma zu heiraten. Dass Frauen manche Dinge besser wissen, darauf verlässt er sich gern. Eine der Fragen, die „Die Tochter des Schmieds” stellt, ist die nach der Grenze zwischen Bescheidenheit und Unselbständigkeit.
„Als Sibel vierzig Tage alt war. . .” - so oder ähnlich beginnen die kleinen Geschichten, aus denen sich das Leben der Familie des Schmieds zusammensetzt. Özdogan versucht erst gar nicht, dem eine Dramaturgie unterzuschieben, sondern erweckt den Eindruck, dass er die Geschichten aufs Papier fallen lässt, wie sie passiert sind. Der Roman steuert auf nichts zu, er erzählt keine nur mögliche, sondern eine wahrscheinliche Geschichte, er berichtet davon, wie die Frau von nebenan nach Deutschland gekommen ist. Was vom Alltag erinnerungswürdig scheint, sind vor allem die Unfälle, die seinen Lauf gestört haben. Der Roman bezaubert durch die Ernsthaftigkeit und Liebe, mit der er das Gewicht der einfachen Dinge des Lebens wiegt. Dahinter steht nichts weniger als die Frage nach dem guten Leben. Die Schwestern Melike und Sibel verkörpern die anderen, verworfenen, verpassten Möglichkeiten Güls. Stadt oder Land, Heimat oder Deutschland - das sind Entscheidungen, von denen man nicht sagen kann, welche besser ist. Der eine entscheidet so, der andere so. So sieht es Gül, die Rose.
„Die Tochter des Schmieds” verströmt die Melancholie dieses „So-ist-es-eben-gekommen”, und wenn Gül, mit den Jahren zu einer dicken Frau geworden, sich wünscht, im Herbst sterben zu dürfen, weil sie den deutschen Winter nicht mag, dann ist das gewiss nicht schön, aber auch nicht entsetzlich, sondern nur ein bisschen traurig. Aber traurige Dinge gibt es viele, und vielleicht sind die wenigsten davon Grund genug, wirklich traurig zu sein, sagt „Die Tochter des Schmieds”.
KAI WIEGANDT
SELIM ÖZDOGAN: Die Tochter des Schmieds. Roman. Aufbau Verlag, Berlin 2005. 318 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Melancholisch", aber nicht "traurig" sei dieser Anatolien-Roman, beschreibt der Rezensent seinen rundweg positiven Leseeindruck. Die Geschichte vom anatolischen Schmied und seiner Tochter ende in Delmenhorst, wo die nun ältere Gül hofft, nur ja nicht im deutschen Winter sterben zu müssen. Wie auf einer Perlenkette reihe der 1971 geborene Autor seinen Schatz von Handlungen und Begebenheiten aneinander, ohne "Schnörkel" oder aufgesetzte "Dramaturgie". Und genau diese klare Erzählweise gebe dem Roman seine "epische" Kraft und Schönheit, analysiert Rezensent Kai Wiegandt, und zeigt sich bezaubert durch die "Ernsthaftigkeit und Liebe, mit der er das Gewicht der einfachen Dinge des Lebens wiegt". Wo hört "Bescheidenheit" auf und fängt bereits "Unselbständigkeit" an, sei eine der Fragen, die der Roman stelle.

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