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Die Psychoanalyse als eines der größten Abenteuer, die das Leben zu bieten hat
Eifersucht, Trauer, Schuld, Liebe und Leidenschaft. Leben und Tod. Die Psychoanalyse ist ein gefährlicher Weg mit ungewissem Ausgang. Man dringt zu Dingen vor, die tief verborgen im Inneren der Seele liegen - und letztlich weiß man nie, was man dort finden wird. Davon erzählt Gabriel Rolón in seinen acht Geschichten aus der Psychotherapie. Unorthodox, weise und immer als Freund seiner Patienten zeigt der argentinische Psychoanalytiker, dass die Psychoanalyse eines der größten Abenteuer ist, die das Leben zu bieten hat - wenn man sich nur darauf einlässt ...
Eifersucht, Trauer, Schuld, Liebe und Leidenschaft. Leben und Tod. Die Psychoanalyse ist ein gefährlicher Weg mit ungewissem Ausgang. Man dringt zu Dingen vor, die tief verborgen im Inneren der Seele liegen - und letztlich weiß man nie, was man dort finden wird. Davon erzählt Gabriel Rolón in seinen acht Geschichten aus der Psychotherapie. Unorthodox, weise und immer als Freund seiner Patienten zeigt der argentinische Psychoanalytiker, dass die Psychoanalyse eines der größten Abenteuer ist, die das Leben zu bieten hat - wenn man sich nur darauf einlässt ...
Der Psychoanalytiker Gabriel Rolón ist in Argentinien ein Star. Jetzt hat er die Fälle seiner Praxis aufgeschrieben: Es geht um Liebe, Tod, Sex, Eifersucht, Begehren, also um das, was Menschen bewegt, wenn sie nicht gerade arbeiten, auf die Regierung schimpfen, essen oder schlafen
Bei den meisten Leuten läuft im Leben etwas schief, sie verdienen zu wenig Geld, sie leben mit dem falschen Partner zusammen, die Kinder sind drogenabhängig oder magersüchtig, sie denken, dass sie in ihrem Beruf Versager seien, sie kommen nicht mit ihren Kollegen klar, sie sind größenwahnsinnig oder depressiv und überlegen sich regelmäßig, wie sie sich am besten umbringen können, sie rauchen und trinken zu viel, sie sind menschenscheu, sie haben Angst und wissen nicht genau wovor, oder sie haben Krebs.
Wenn sie die Verantwortung für all diese Entgleisungen aus dem Glück der Normalität übernehmen sollen, sagen sie sich, dass das nahezu alles Probleme sind, die sie haben, weil sie Probleme mit sich selbst haben. Das ist der erste Schritt in das wüste Land der Seele. Im Vergleich zu anderen scheint ihnen im Kopf, im Herzen oder wo auch immer in ihnen drinnen etwas zu fehlen, aber sie wissen nicht genau, was das sein könnte. Der Ausweg aus der Sackgasse eines unbefriedigten, mangelhaften oder demolierten Selbst besteht für Leute, die ihr Ding, ihre Macken, ihre Wunscherfüllungen, ihre Befriedigungen, ihre Einbildungen nicht blind durchziehen möchten, darin, an sich selbst zu arbeiten. Kannst dich ja ändern, lass dich nicht so hängen. Und geh zu einem Therapeuten, wenn du es nicht alleine schaffst.
Die eigenartigsten Typen sind unterwegs: Ein Mann, der tagsüber Lehrer ist, fährt abends mit dem Auto durch die Vorstädte, er hat seine Hose aufgemacht, hält seinen steifen Schwanz in der Hand (aber Auto fahren und das Handy am Ohr halten darf man nicht!) und fragt ältere Frauen, die völlig erledigt von der Arbeit kommen, nach dem Weg - und das nur, damit die älteren Frauen seinen steifen Schwanz sehen. Ja, geht's noch? Wie holt einer diesen Typen von diesem Trip runter?
Ein anderer, der als Anwalt arbeitet, betrügt seine Ehefrau, die er liebt und auf Händen trägt, mit einer Frau, mit der er, wie er sagt, supertollen Sex hat, oral und mit Strapsen und so wilde Sachen, und behauptet, beides, Liebe und Begehren, kriege er bei der Frau, die ja die Mutter seiner Kinder ist, heilige Maria, nicht unter eine Decke. Wie tickt nun wieder der und wie lässt sich seine emotionale Doppelbelastung auflösen?
Eine Frau schwärmt davon, dass es für jeden gut sei, nicht alt zu werden, sondern jung zu sterben. Woher hat sie so eine Meise, und wie kann sie wieder Freude am Leben und am Alter gewinnen? Eine andere möchte ihrer Familie sagen, dass sie lesbisch ist, und weil sie sich das nicht traut, beginnt sie über die Maßen viel zu essen. Wie kann einer ihr da aus der Angst heraushelfen?
Eine Frau, Ärztin, mag nicht mehr mit ihrem lieben Mann schlafen und sagt, dass sie sich von ihm sexuell missbraucht fühle wie viele Frauen von ihren Männern, denen sie in ihrer Not Orgasmen vortäuschen. Redet sie tatsächlich von ihrem Mann oder von einem anderen, der früh in ihrem Leben eine fatale Rolle spielte, und wie kommt es zu dieser Verwechslung?
Das sind alles echte Probleme.
Gabriel Rolón (Jahrgang 1961) ist Psychoanalytiker in Buenos Aires. Er taucht regelmäßig als Analytiker im Radio auf, auch im Fernsehen. Sein Buch war in Argentinien ein Riesenerfolg. Er erzählt Fallgeschichten, bei denen es um die alten heißen Themen geht, um die sich auch die Literatur sehr oft dreht, um Liebe, Tod, Sexualität, Eifersucht, Begehren, also um das, was die Menschen überall und immer, wie es heißt, bewegt, wenn sie nicht gerade arbeiten, auf die Regierung schimpfen, essen und schlafen.
Die Geschichten sind komprimierte Wiedergaben von Sitzungen und Gesprächen, die Rolón mit seinen Patienten meistens über viele Jahre hin führte, eine Art Seelenerkundung im Zeitraffer, bei denen eines immer klar werden soll: Es lohnt sich, einen Psychoanalytiker aufzusuchen, weil der herausfindet, wie es zu dem Schaden gekommen ist. Er kann den Unfallhergang anhand der Dellen in der Seele so gut rekonstruieren, dass der Mensch am Steuer ihm schließlich versichert, so was werde nicht mehr passieren.
Rolón wird, das berichtet er selbst, hin und wieder auf offener Straße von Leuten, die ihn aus seiner Radiosendung kennen, angesprochen und um einen Behandlungstermin gebeten. Er ist ein Star. Der Drang, mit einem Therapeuten über die Schwierigkeiten zu reden, in die einer mit sich und seinen Mitmenschen gerät, wenn er seine Wünsche, Einbildungen und Stimmungen ihnen gegenüber durchzusetzen versucht, ist in Buenos Aires offenbar recht verbreitet. Die Leute nehmen das eigene Glück, also den Teil, der ihnen fern der Arbeit und der Konkurrenz, fern von Politik und Wirtschaft noch bleibt, in die eigenen Hände und rufen Rolón an.
Die Kirche sagt, wir sind alle Kinder Gottes, die Psychoanalyse sagt, wir sind alle Kinder der Triebe. Wenn du in den Himmel hinauf oder zum Unbewussten hinab steigen möchtest, brauchst du einen Führer, einen, der behauptet, den Weg zu kennen, einen Nachfahren von Paulus oder von Freud. Argentinien tut zurzeit mehr als andere Nationen für die bedürftige Seele, das Land stellt nicht nur einen Papst, Franziskus, sondern auch einen volksnahen Psychoanalytiker.
Rolón kann offenbar gut zuhören, er erkennt Dinge, die seine Patienten nicht sehen, und er stellt Zusammenhänge zwischen Ereignissen und Gefühlen, Wörtern und Bedeutungen her, die für Psychoanalytiker auf der Hand liegen. Er beurteilt nicht, er erklärt, erläutert, weist hin. Er ist nicht für das Seelenheil zuständig, das macht Franziskus, sondern für die Seelenwahrheit. Er entlässt seine Patienten, wenn es so aussieht, dass sie sich selbst besser verstanden haben, aber er kann ihnen nicht garantieren, dass sie jetzt glücklich werden.
Du kennst deinen Klappentext, also Lebenslauf, Vorlieben, Wünsche, Eigenarten, Interessen und Hobbys, mehr kennst du von dir nicht. Zusammen mit Rolón lernen die Patienten sich als Teil der Seelenprovinzliteratur zu begreifen. Mir geht es wie dir, nur anders. Sogar ein Priester kam zu Rolón und fragte ihn um Rat für sein weiteres Erdenleben und lernte bei ihm die Anfänge seines sexuellen Verlangens kennen.
Die Fälle sind Übungen für Laien, sich auf einem Gelände zu bewegen, das ihnen bekannt vorkommen mag, wo ihnen deutlich wird, dass sie mit sich nicht alleine sind und sich Auswege aus dem Seelengestrüpp finden lassen werden. Lass uns über deinen Sex reden, über dich als Mann und dich als Frau, über dein Begehren und deine Todessehnsucht, über deine Liebe und deine Eifersucht, über deine Aggressivität und deine Trauer.
Da denkt jeder, er wird ernst genommen in dem, was er ist, weil er so ist, wie er ist. Es geht endlich nur um dich, ohne dass du irgendwas Besonderes sein musst, eine Berühmtheit, eine öffentliche Person oder ein ganz hohes Tier, ohne dass du beweisen musst, was du weißt und was du kannst, ohne dass du zeigen musst, was du in deinem Leben geleistet hast, ohne dass dich irgendeiner einstuft, bewertet und beurteilt. Allein wegen dieses guten und heilsamen Gefühls lohnt sich der Gang in den seelischen Untergrund.
EBERHARD RATHGEB
Gabriel Rolón: "Auf der Couch - Wahre Geschichten aus der Psychotherapie". Übersetzt von Peter Kultzen. btb, 256 Seiten, 18,99 Euro
Unser Autor hat gerade für seinen ersten Roman "Kein Paar wie wir" (Hanser) den aspekte-Literaturpreis 2013 erhalten. Wir freuen uns sehr und gratulieren!
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