49,99 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Liefertermin unbestimmt
Melden Sie sich für den Produktalarm an, um über die Verfügbarkeit des Produkts informiert zu werden.

oder sofort lesen als eBook
payback
25 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Interweaving physics, astronomy, chemistry, geology, and biology, this book tells Earth's complete story, from the synthesis of chemical elements in stars, to the formation of the Solar System, to the evolution of a habitable climate on Earth, to the origin of life and humankind.

Produktbeschreibung
Interweaving physics, astronomy, chemistry, geology, and biology, this book tells Earth's complete story, from the synthesis of chemical elements in stars, to the formation of the Solar System, to the evolution of a habitable climate on Earth, to the origin of life and humankind.
Autorenporträt
Charles H. Langmuir & Wally Broecker
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2012

Wie kann man mit einem Geschenk so schlecht umgehen?

Das goldene Zeitalter der Stabilität ist vorüber: Charles Langmuir und Wally Broecker reisen durch die Geschichte der Erde und appellieren an unser planetares Bewusstsein.

Für den normalsterblichen Leser gehört es eher nicht zum Alltag, Planeten zu erschaffen. Das macht den Buchtitel, "Wie man einen bewohnbaren Planeten baut" zunächst etwas irritierend. Richtet sich das Werk vielleicht an junge Demiurgen, die bei ihren Schöpfungsakten handwerklich nicht allzu sehr pfuschen wollen? Oder soll dem Kreationismus Vorschub geleistet werden, dessen Vertreter die Welt als direktes Schöpferhandeln deuten?

Schnell stellt sich bei der Lektüre heraus, dass die Zielgruppe der amerikanischen Geologen Charles H. Langmuir und Wally Broecker durchaus irdisch ist und dass es hier um harte Naturwissenschaft geht, nicht um Teleologie oder Theologie. Die Autoren haben für Leser mit ausgeprägt naturwissenschaftlicher Neigung geschrieben. Sie setzen auf deren Geduld, ihnen über siebenhundert Seiten hinweg mit den Strömen von Energie und Atomen durch Zeit und Raum zu folgen, so lange, bis die Welt von heute entstanden ist. Der Baumeister, um den sich alles dreht, ist die Natur selbst - bis hin zum Anbruch des neuesten Erdzeitalters, in dem sie in Gestalt des Menschen zur bewussten Kraft wird.

Langmuir und Broecker, die an den Universitäten Harvard und Columbia wirken, legen eine aufregende materielle Universalgeschichte der Erde vor. Sie führt den Leser vom Urknall über die Entstehung des Sonnensystems hin zu dem eisen- und siliziumreichen Kügelchen, mit dem wir Heutigen durchs All sausen.

Warum dieses Kügelchen sich im Gegensatz zu so vielen anderen als fähig erwiesen hat, Lebewesen hervorzubringen und ihnen über erstaunlich lange Zeit geeignete Bedingungen zu bieten, inszeniert das Autorenduo als Faszinosum. Wenn sie den Leser durch Supernovae, Magmaozeane und das Innere der Erdplatten führen, erwacht das, was in der Wissenschaft "unbelebte Materie" heißt, vor dem inneren Auge zum Leben.

Darin besteht auch das wesentliche Anliegen von Langmuir und Broecker. Das Leben sei kein getrenntes Phänomen, das nur auf der Oberfläche der Erde stattfinde, sondern eng verwoben mit Kosmos und Geologie, lautet die eine Kernbotschaft dieses Buchs. Die Autoren arbeiten heraus, wie Organismen durch Stoff- und Energieflüsse mit Universum, Erdinnerem, Erdmantel, Erdkruste und Atmosphäre verbunden sind. Die andere Kernbotschaft liegt darin, dass es das Leben selbst ist, das die Erde stets neu erfindet und bewohnbar hält: Eisenerze, Kohlenstoffreservoirs und Kalkgebirge sind durch Organismen entstanden. Das auf der Skala von Jahrmilliarden erstaunlich stabile Klimasystem der Erde beschreiben die Geologen als Reise von Kohlenstoffverbindungen zwischen atmenden Organismen an der Oberfläche, dem Wasser und dem heißen Erdinneren. Dass es seit mehreren Milliarden Jahren flüssiges Wasser gebe, sei Feedbacks zu verdanken, die erst das Leben selbst in Gang gesetzt hat.

Das Buch ist nicht in der Art jener populärwissenschaftlichen Erzählungen aus Amerika verfasst, die mit Ich-Anekdoten beginnen und meist auch das Büroinnere dieses oder jenes Experten bis ins Detail beschreiben, so als tue die Farbe der Wand etwas zur Sache. Langmuir und Broecker schreiben sachlich und bewegen sich immer in der Nähe eines Lehrbuchs. Ihr Erzählton ist dennoch ansprechend, die Lektüre ist über alle Äonen hinweg ein Gewinn. Dazu trägt bei, dass auch Irrtümer der Geologie und aktuelles Nichtwissen thematisiert werden.

Die größte Schwäche liegt in der Unterbelichtung der biologischen Evolution. Zwar ist viel davon die Rede, wie der Sauerstoff in der Atmosphäre für die Organismen der Urzeit zuerst ein Gift war und dann zum Treibmittel der Vielzeller-Evolution wurde. Doch über die Lebewesen, die diesen Sauerstoff freigesetzt haben, also Cyanobakterien und Pflanzen, ist zu wenig zu lesen. Sicherlich gibt es reichlich Literatur zur Evolutionsgeschichte. Wer den Bogen vom Urknall zum Heute spannen will, der setzt aber eine Vollständigkeit als Maßstab, die ausgerechnet an diesem kritischen Punkt nicht eingelöst wird.

Es zeichnet dieses Buch aus, dass trotz der naturwissenschaftlichen Strenge zumindest zwischen den Zeilen wichtige größere Ideen durchscheinen. Die These von Teilhard de Chardin. dass selbst die höchsten menschlichen Eigenschaften schon in den physikalischen Charakteristika der Elemente angelegt sein müssen, kommt zwar nicht vor, doch diese Erdgeschichte ist durchaus in de Chardins Geist geschrieben. Langmuir und Broecker leiten das, was heute auf der Erde passiert, direkt aus der Zusammensetzung des Stoffnebels ab, in dem vor 4,57 Milliarden Jahren die Sonne zündete. Konsequent ordnen sie auch den Menschen in dieses Kontinuum der Stoffströme ein. Der Mensch tritt bei ihnen ihn als erstaunlichstes Ergebnis der metamorphen Materie auf - und zugleich als ihr erster bewusster Baumeister.

Nachdem der Leser sich zusammen mit Wasserstoff- und Kohlenstoffatomen durch die Äonen bewegt, zahlreiche Katastrophen durchlebt und das Krachen und Schieben der Erdkrusten verinnerlicht hat, wäre er eigentlich gut darauf vorbereitet, wenn die Autoren jene Fragen, die aktuell als Umweltprobleme debattiert werden, nur in einem Nebensatz behandeln würden. Auf der gigantischen Bühne, die dieses Buch errichtet, könnte der Mensch als Zwerg und der aktuelle Klimawandel als Fußnote erscheinen.

Das Gegenteil ist aber der Fall. Die beiden Geologen sehen in der vom Menschen geprägten Gegenwart einen gigantischen Umbruch von erdgeschichtlicher Dimension: "Zum ersten Mal dominiert eine einzelne Art die gesamte Erdoberfläche, befindet sich an der Spitze aller Nahrungsketten und hat einen Großteil der Biosphäre für ihre eigenen Zwecke erobert." Viele Geologen lehnen diese Sichtweise noch ab. Doch auch andere neue und große Ideen der Geologie, wie die Plattentektonik, mussten sich erst durchsetzen.

Über den Vorschlag des Chemie-Nobelpreisträgers Paul Crutzen, eine neue geologische Epoche namens Anthropozän auszurufen, um das Wirken des Menschen zu erfassen, gehen Langmuir und Broecker sogar noch hinaus. Epochen seien in der Wissenschaft für eher kleinteilige Veränderungen gedacht. Klimawandel, Artensterben, Biotechnologie, Städtebau und vieles mehr summierten sich aber zu etwas Größerem, was nur mit so einschneidenden Ereignissen wie der Entstehung vielzelligen Lebens zu vergleichen sei. Das beginnende "Anthropozoikum" sei die Ära "planetaren Bewusstseins und gerichteter Evolution".

Der Mensch habe Naturschätze vorgefunden, die über Millionen und Milliarden von Jahren entstanden seien. Zudem seien die vergangenen Jahrtausende ein "goldenes Zeitalter der Stabilität" vor allem beim Klima gewesen. Doch die Erdbewohner von heute gingen mit diesen Geschenken noch denkbar schlecht um, kritisieren die Autoren. Ein kultureller Wandel sei nötig, vom "Planetennutzer zum Planetenbeschützer". Gegen Ende liest sich das Buch dann also doch so, als richte es sich an einen sehr jungen und sehr unerfahrenen Demiurgen.

CHRISTIAN SCHWÄGERL

Charles H. Langmuir und Wally Broecker: "How to build a habitable planet". The Story of Earth from the Big Bang to Humankind.

Princeton University Press, Princeton 2012. 720 S., geb., $ 39,95

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr