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Der Neoliberalismus, so scheint es, ist ein Phantom: Es gibt keine Anhänger, nur Kritiker. Der Begriff ist zu einer Kampfparole geworden, zur Negativfolie des modernen Kapitalismus mit einem globalisierten Markt, in dem nur der Wettbewerb zählt. Namen wie Milton Friedman, der wohl bekannteste Vertreter der neoliberalen Wirtschaftstheoretiker, stehen für das Konzept eines radikalen Laisser-faire, in dem es für die Schwächeren in der Gesellschaft keine soziale Absicherung mehr gibt.

Produktbeschreibung
Der Neoliberalismus, so scheint es, ist ein Phantom: Es gibt keine Anhänger, nur Kritiker. Der Begriff ist zu einer Kampfparole geworden, zur Negativfolie des modernen Kapitalismus mit einem globalisierten Markt, in dem nur der Wettbewerb zählt. Namen wie Milton Friedman, der wohl bekannteste Vertreter der neoliberalen Wirtschaftstheoretiker, stehen für das Konzept eines radikalen Laisser-faire, in dem es für die Schwächeren in der Gesellschaft keine soziale Absicherung mehr gibt.
Autorenporträt
Gerhard Willke bietet erstmals eine objektive Darstellung der neoliberalen Ansätze, die zeigt, was an der Neoliberalismuskritik berechtigt und was daran nur lamentierender Zeitgeist ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2004

Die List der liberalen Idee
Gerhard Willke hadert mit einer Gerechtigkeitslücke

Gerhard Willke: Neoliberalismus. Campus Verlag, Frankfurt 2004, 209 Seiten, 12,90 Euro.

Neoliberalismus, was ist das eigentlich? Wenn nur jemand einmal so offen fragen würde, mag so mancher freiheitlich denkende Ökonom im stillen klagen. Denn das Klischee steht fest. Das Wort "Neoliberalismus" ist ein Kampfbegriff, emotional fast ebenso aufgeladen wie einst "Kapitalismus". Markt- und Globalisierungsskeptiker wenden das Wort auf jede geistige Strömung an, die lieber auf die freiwillige, offene Selbstkoordination der Menschen auf Märkten setzt denn auf kollektive Hoheitsbeschlüsse - und sie klagen deren Vertreter an, alle gesellschaftlichen Belange dem kalten, ökonomistischen "Diktat des Wettbewerbs" zu unterwerfen. Bestenfalls heißt es noch, der Markt habe sich zwar in wirtschaftlichen Angelegenheiten durchaus als überlegener Koordinationsmechanismus erwiesen; diesen jedoch auf andere Felder anzuwenden sei zynisch.

Aus dieser Abwehr stammt auch das abqualifizierende Adjektiv "wirtschaftsliberal": Gemeint ist ein Denken, das eine verengte wirtschaftliche Schablone auf Fragen anwendet, für die diese nicht mehr paßt. Verloren geht dabei indes die einfache Wahrheit, daß sich freiheitliches Denken schwerlich rubrizieren läßt und daß letztlich alle Präfixe von neo-, ordo- bis paläoliberal bloß Interpretations- und Geschmackssache am Rande sind. Hierin liegt die größte Not der Liberalen von heute: Wer den absoluten Vorrang individueller Freiheitsrechte in allen Sphären des menschlichen Miteinanders betont und darauf verweist, daß freiwillige Austauschbeziehungen die besten gesellschaftlichen Arrangements sind und nicht zuletzt wertstiftend wirken, dem wird ein Kategorienfehler unterstellt.

Von einem Buch wie jenem von Gerhard Willke erhofft sich der Leser daher eine Lichtung des ideologischen und begrifflichen Nebels. Doch auch Willke gelingt diese Klärung nur ansatzweise. Zwar schildert und erklärt der Autor mit Tiefgang und Prägnanz alle wesentlichen Bestandteile des liberalen Paradigmas - die Wirkungen des Wettbewerbs als Anreizsystem, die Koordination ohne Zwang, die Freiheit des einzelnen, die Vorteile der spontanen Ordnung, die dezentrales Wissen zu bündeln weiß, und schließlich die List der Idee, daß der Markt nicht auf Eigeninteresse beruht, dieses aber ohne Schaden für Dritte zuläßt.

Dabei bemüht er sich, die Vorurteile, die dem (Neo-)Liberalismus entgegengebracht werden, beim Namen zu nennen, die Kritik ernst zu nehmen und die Vorbehalte dennoch häufig auszuräumen. Die Spanne reicht vom verengten (rationalistischen) Menschenbild der Ökonomie bis hin zum Problem der Marktmacht, welche der betonten Freiwilligkeit von Transaktionen im Empfinden vieler Menschen Abbruch tut, und zur angeblichen Moralferne des Markts. Willke tut dies in leichter, mitunter schon geradezu aufreizend flockiger Sprache, wohl um ein breiteres Leserpublikum zu erreichen.

Wo seine Sympathien stehen, wird bei der Lektüre rasch deutlich: Willke ist ein etwas wasserscheuer Liberaler, er will das freiheitliche Denken innerhalb eines bestimmten "sozial gerechten" Rahmens verteidigen, das heißt, ohne dabei in förmliche Gegnerschaft zum Prinzip der Kollektiventscheidungen zu treten. "Neoliberale wollen mehr Markt und weniger Staat, aber sie fordern kein Laissez-faire", behauptet er abwiegelnd. Das klingt ganz unschuldig und auf jeden Fall politisch korrekt - doch dabei lehnt sich Willke arg weit aus dem Fenster. Sein Urteil mag durchaus für viele Vertreter des Liberalismus oder Neoliberalismus gelten, aber ganz sicher nicht für alle. Doch nach Willke wird "jedes Paradigma zwangsläufig ruiniert, wenn man es ins Extrem treibt", so auch das liberale. Ist das wirklich so?

Willkes größter Vorwurf gegenüber den Vertretern des Liberalismus ist die Nachlässigkeit gegenüber Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Einkommensverteilung. Daß sich Liberale mit dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit im Gefolge Hayeks so schwer täten, weil der Anspruch der Gerechtigkeit eine handelnde Person voraussetze, nicht aber einen offenen Prozeß, habe mehr mit Sturheit denn mit Logik zu tun: "Hayeks Position erscheint sowohl fundamentalistisch überzogen als auch inkonsequent." Nach Willke hängt die Bewertung einer Ungleichverteilung als ungerecht nicht von deren Verursachung ab, sondern vom Ausmaß. Das ist erfrischend einfach. Und konzeptionell ein bißchen simpel.

Auch mit Blick auf Milton Friedman, die andere Leitfigur der liberalen Ökonomie, kritisiert Willke die "eigentümliche Schwäche in der Verteilungsfrage". Statt anzuerkennen, daß alle Ausgangsverteilungen ungerecht seien und durch Umverteilung korrigiert werden sollten, verlören sich die Liberalen in "untauglichen Rechtfertigungskonstruktionen" wie jenen, daß Freiheit und Schutz des privaten Eigentums den Wohlstand steigerten, daß dieser schließlich die Ungleichheit zu überwinden helfe und daß Eingriffe in das private Eigentum niemals hinnehmbar seien. Der Vorwurf schlägt indes fehl. Denn eine "untaugliche Konstruktion" ist diese Argumentation sicherlich nicht, sondern just die von Willke eingeklagte Anerkennung einer ungleichen Ausgangssituation, verbunden jedoch mit einem dynamischen Lösungsansatz statt einem statischen Verschieben von Geldern.

Willkes betonte Lockerheit geht neben solchen bestreitbaren, groben Wertungen auch mit lästigen Redundanzen und Flüchtigkeitsfehlern einher. Margaret Thatcher, Ronald Reagan und ausgerechnet Helmut Kohl als liberale Epigonen in einem Atemzug zu nennen mag zumindest Verwunderung hervorrufen. Wissenschaftlich gewagt und wenig differenziert ist die Behauptung, die Neoklassik, der herkömmliche Ansatz in der Volkswirtschaftslehre, sei "quasi die streng gefaßte theoretische Grundlage, der Neoliberalismus die weiter gefaßte wirtschaftspolitische Vision" auf Basis der Preistheorie. Im übrigen hat man sich notgedrungen schon daran gewöhnt, daß der Name der Mont Pèlerin Society, jener von Hayek 1947 ins Leben gerufenen Vereinigung liberaler Denker verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, öfter falsch als korrekt buchstabiert wird. Aber wenn Willke zudem behauptet, sie sei in Paris gegründet worden, kann man nur noch staunen.

Die wahre Geschichte ist folgende: Der Begriff "Neoliberalismus" existiert seit 1938. Damals trafen einige Sozialwissenschaftler zu dem seinerseits tatsächlich in Paris stattfindenden "Colloque Walter Lippmann" zusammen, darunter Friedrich August von Hayek, Wilhelm Röpke und Ludwig von Mises. Sie wollten dem hergebrachten, klassisch-liberalen "Laissez-faire"eine positive, sozial verantwortliche Neuausrichtung des Liberalismus entgegensetzen - deswegen "neoliberal". Erst nach dem Krieg dann traf sich eine ähnliche Runde von Wissenschaftlern, wiederum um Hayek, Röpke und Mises, auf dem Mont Pèlerin am Genfer See. Die nach dem Berg benannte Gesellschaft besteht bis heute fort. Und kämpft ihren mühsamen freiheitlichen Kampf.

KAREN HORN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Kampfbegriff Neoliberalismus - berechtigte Kritik oder lamentierender Zeitgeist?

Der Begriff Neoliberalismus ist zu einer Kampfparole geworden - er dient als Negativfolie des modernen Kapitalismus mit einem globalisierten Markt, in dem nur der Wettbewerb zählt. Gerhard Willke bietet erstmals eine objektive Darstellung der neoliberalen Ansätze.

In der neueren wirtschaftspolitischen Diskussion wird der Begriff Neoliberalismus als negativ besetzte Chiffre verwendet. "Neoliberal" ersetzt das altbackene "spätkapitalistisch", um anzuprangern, was mit dem Makel marktwirtschaftlicher Gesinnung und wirtschaftsliberaler Praxis behaftet ist: Konkurrenz und Profitmaximierung, Leistungsprinzip und Rentabilität, Deregulierung und Flexibilisierung, Kapital- und Finanzmärkte, Globalisierung und Standortwettbewerb, IWF, WTO und so fort. Neoliberale, so die Kritik, sind Verfechter des Wettbewerbs, des Egoismus und der Rücksichtslosigkeit und Apologeten eines Markt-Darwinismus.

Gerhard Willke bietet in seiner Einführung die Grundlagen für ein Verständnis des neoliberalen Projekts, das über eine undifferenzierte Verdammung einerseits und über eine bornierte Verherrlichung des Marktes andererseits hinaus geht. Er zeigt, auf welchen Prinzipien Markt und Wettbewerb beruhen und wie sie bei der Koordination wirtschaftlichen Handelns zusammenwirken. Objektiv und kritisch untersucht er, worin die Stärken und Schwächen, die Leistungsfähigkeit und die Leistungsgrenzen des Marktsystems liegen.

Darüber hinaus werden wichtige Wegbereiter des Neoliberalismus wie Friedrich August von Hayek und Milton Friedmann vorgestellt, die essenzielle Eckpunkte der neoliberalen Agenda formulierten. Am Schluss wird die Kritik am Neoliberalismus noch einmal an exemplarisch ausgewählten Brennpunkten wie z.B. der aktuellen Globalisierungsdebatte aufgenommen und dargelegt, wo diese Kritik verfehlt erscheint und wo sie zur Verbesserung des Verhältnisses von Markt und Staat eingebracht werden könnte.
(Rezension im Auftrag des Campus-Verlages)
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Gerhard Willkes Einführung in den Neoliberalismus ist nach Einschätzung von Rezensent Robert Misik vor allem eines: eine kämpferische Verteidigung des Marktkapitalismus, noch dazu eine, die "klug und eingängig" ist. Für Misik enthüllt das Buch des Nürtlinger Wirtschaftsprofessors allerdings "ebenso einleuchtend" die Schwächen des Kapitalismus. Wie er berichtet, hält Willke den Markt in komplexen, ausdifferenzierten Gesellschaften für das effizienteste System zur Vermittlung von Informationen und zum Treffen von Entscheidungen, jeder politische Eingriff ins Marktsystem provoziere zentrale und damit potenziell fatale Fehlentscheidungen. Dabei verteidige Willke mit viel Pathos die Marktwirtschaft als Ordnung der Freiheit. Bei Misik bleibt da der Eindruck zurück, "als könnten sich die Subjekte nur am Markt als freie Subjekte begegnen". Gegen Willke führt er zudem ins Feld, dass Werte nicht nur am Markt verhandelt werden. Auch Willkes naturalistische Schilderungen von Marktprozessen weist Misik als Ideologie zurück, unterschlagen sie doch, "dass ökonomische Prozesse keinen Naturgesetzen folgen, sondern Resultate von Interaktionen sind - und damit von Handlungen, die auch anders ausfallen könnten".

© Perlentaucher Medien GmbH
Argumentation in Fäustlingen
"Ein intellektueller Schlagabtausch gibt dieser Einführung ihren Reiz." (Financial Times Deutschland, 18.11.2003)

Das Pro und Contra eines Phantoms
"Dieses Buch bietet fast alles, was man von einer guten Wirtschaftslektüre erwarten kann: Es ist informativ, nicht zu lang und vor allem fesselnd geschrieben. Und das ist gerade bei einem wirtschaftspolitischen Thema eher die Ausnahme." (Rolf Döbeli, getAbstract.com, 18.11.2003)

Ach, Neoliberalismus
"Willke verteidigt klug und eingängig den Kapitalismus - und enthüllt nebenbei ebenso einleuchtend dessen Schwächen." (Die Tageszeitung, 17.01.2004)

Die List der liberalen Idee
"Der Autor schildert mit Tiefgang und Prägnanz alle wesentlichen Bestandteile des liberalen Paradigmas." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.10.2004)