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Dies ist das herausragende literarische Opus von einem der großen Autoren seiner Generation. Ein grandioser Bildungsroman mit musikalischer Grundierung und das kunstvoll komponiertes Porträt eines Angepassten, mit weiten Ausflügen in Politik, Historie, Soziologie, Psychologie und, nicht zuletzt, in die jüngere Musikgeschichte, von Schönberg bis Cage.
Die Mittellage ist das eingestrichene C auf dem Klavier, und der mittelmäßige Pianist Joey Skizzen kann es nicht spielen, weil auf seinem Instrument die Taste kaputt ist. Skizzen ist ein kleiner, skurriler Assistenzprofessor für Musik an einer
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Produktbeschreibung
Dies ist das herausragende literarische Opus von einem der großen Autoren seiner Generation. Ein grandioser Bildungsroman mit musikalischer Grundierung und das kunstvoll komponiertes Porträt eines Angepassten, mit weiten Ausflügen in Politik, Historie, Soziologie, Psychologie und, nicht zuletzt, in die jüngere Musikgeschichte, von Schönberg bis Cage.

Die Mittellage ist das eingestrichene C auf dem Klavier, und der mittelmäßige Pianist Joey Skizzen kann es nicht spielen, weil auf seinem Instrument die Taste kaputt ist. Skizzen ist ein kleiner, skurriler Assistenzprofessor für Musik an einer unbedeutenden Universität im Mittleren Westen der USA - erklärter Hypokrit und Menschenfeind, ein Ge- und Vertriebener des Jahrhunderts, dem er angehört: Sein katholischer Vater floh vor den Nazis aus Österreich, indem er sich als Jude ausgab, und ließ die Familie dann in London sitzen. Mit Mutter und Schwester emigriert Skizzen in den streng protestantischen amerikanischen Bible Belt, wo er seinerseits das Leben eines Hochstaplers führt, um seiner verhassten Durchschnittlichkeit Glanzlichter aufzusetzen. Er gibt sich als Schönberg-Spezialist aus und lügt erfolgreich über seine Ausbildung und Vergangenheit. Zu Hause richtet er, wenn er nicht gerade Dosen in eine Tonne an der Wand tritt, auf dem Dachboden ein "Museum der Unmenschlichkeit" ein, sammelt Zeitungsartikel und Gräuelbilder. Seine Angst, die Menschheit werde vielleicht nicht überleben, ist längst von der Angst abgelöst worden, sie könnte bestehen bleiben ...
Autorenporträt
Gass, William H.
William Howard Gass, geb. 1924 in Fargo, North Dakota, wuchs in Ohio auf. Studium der Literaturwissenschaften, 1954 Promotion an der Cornell University mit einer Arbeit über Metaphern. Gass, Rilke-Spezialist und -Übersetzer,lehrte an mehreren Hochschulen, zuletzt von 1969 bis 1999 als Professor an der Washington University in St. Louis, Missouri.Für seinen Roman Der Tunnel erhielt er 1996 den American Book Award. Auch für sein essayistisches Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Pushcart Prize und dem National Book Critics Circle Award.William Gass starb im Dezember 2017.

Stingl, Nikolaus
Nikolaus Stingl, geb. 1952 in B.-Baden, übersetzte unter anderem William Gaddis, William Gass, Graham Greene, Cormac McCarthy und Thomas Pynchon. Er wurde mit dem Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis, dem Literaturpreis der Landeshauptstadt Stuttgart, dem Paul- Celan-Preis und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2017

Dann fürchtete er, dass die Menschheit überlebt
„Mittellage“ von William H. Gass ist ein Altersroman voller Gelassenheit und Witz. Im Zentrum steht ein mittelmäßiger, undurchschaubarer Musikprofessor
Im Leben liegen die Genauigkeit und die Undeutlichkeit meist im Clinch, in der Literatur aber kann es geschehen, dass sie sich zusammentun und Kunstwerke von unheimlicher Zweideutigkeit hervorbringen. „Details füllten die Lücken in seinen Erinnerungen, wie Blätter in eine Hecke wehen.“ Mit bewundernswert leichter Hand stellt dieser Satz ein fest umrissene Bild der Schließung von Erinnerungslücken vor Augen. Aber wer diesem Bild im jüngsten Roman des amerikanischen Autors William Gass begegnet, kann nicht umhin zu fragen, woher darin der Wind weht.
Denn es geht hier um die Herkunft des Helden, Joseph Skizzen, der als Kind in die Vereinigten Staaten eingewandert ist, um seine Erinnerungen an die Bombennächte in London während des „Blitz“, als „es Menschen vor seinen Augen in Stücke riss“ und die Tasten eines Klaviers in die Luft geschleudert wurden, „um wie regenlose Musik herabzufallen“.
Ist dieser Joseph Skizzen, wie zu Beginn des Romans behauptet wird, in London geboren, oder in Wien, das sein Vater, der Geiger Rudi Skizzen, mit seiner Frau verließ, als Österreich sich den Nazis an den Hals warf? Was hat es mit dem Trick auf sich, durch den der windige Geiger sich und seine Familie in Juden verwandelte, um ihr Exilantendasein in ein günstiges Licht zu tauchen? Und wohin ist er verschwunden, als er einen Wettgewinn nutzte, um seine Frau mit zwei Kindern in London ihrem Schicksal zu überlassen?
Bis zum Ende wird der Roman nicht verraten, was es mit den Blättern auf sich hat, die in die Hecke der Erinnerungen seines Helden wehen. Er wird mit überaus präzisen Metaphern und Vergleichen an der Undeutlichkeit arbeiten, in die er ihn hüllt, und er wird den Leser für das Fehlen eines handlichen Plots durch eine Fülle hinreißender Geschichten entschädigen, in denen Gespenster und Engel, die es in die amerikanische Provinz verschlagen hat, ihr Unwesen treiben.
Joseph Skizzen wird Gehilfe in einem antiquierten Schallplattenladen irgendwo im ländlichen Ohio, bringt sich mehr recht als schlecht unter der Obhut eines skurrilen Lehrers das Klavierspielen bei, besucht eine lutherische Lehranstalt und lernt das Innenleben einer Provinzbibliothek kennen, wohnt älter und älter werdend bei seiner Mutter, erwirbt für wenig Geld ein altes Auto, stabilisiert seine Identität durch einen gefälschten Führerschein, wird Opfer einiger Verführungsversuche, bringt es schließlich, ohne die akademischen Voraussetzungen dafür mitzubringen, zum Professor für Musik an einem wenig bedeutenden College im Mittleren Westen, wo ihn gegen Ende des Romans die Angst plagt, als Hochstapler enttarnt zu werden.
„Joseph, oder auf gut amerikanisch „Joey“ Skizzens wichtigste Eigenschaft aber ist die, einem Figurentypus anzugehören, der sich allen Zusammenfassungen wie dieser entzieht. Das liegt an seinem Autor. William H. Gass, geboren 1924 in Fargo, North Dakota, aufgewachsen in Ohio, hat insgesamt sieben Bände „Fiction“ geschrieben, Romane und Erzählungen, hat in seinen Essays den Geheimnissen der Metapher und den Formen der Literatur nachgespürt, sich durch seine Treue zu Figuren, die in ihren Biografien nicht sehr verlässlich zu Hause sind, den Unwillen mancher Kritiker zugezogen und jahrzehntelang an verschiedenen Universitäten den Studenten die Geheimnisse der Kunst eröffnet, „wie man aus Wörtern eine Welt macht“.
Mit seinen Romanen hat er sich immer Zeit gelassen. Es ist gut zwanzig Jahre her, dass nach Jahrzehnten Arbeit am Manuskript „Der Tunnel“ erschien, ein monströses Buch, in dem der Ich-Erzähler, ein Historiker, der gerade seine bahnbrechende Studie „Schuld und Unschuld in Hitlers Deutschland“ fertiggestellt hatte, sich immer tiefer in seine eigene Innenwelt eingrub, in seine Obsessionen, Erinnerungen, Selbsttäuschungen und Illusionen.
Im „Tunnel“ machte William H. Gass seinem Ruf alle Ehre, ein schwieriger Autor zu sein, einer aus der Gilde der rabiaten Sprachexperimentatoren. Er band Girlanden aus obszön kalauernden Gedichten und Limericks, aber seltsam unberührt stand das Herbstgedicht Rilkes, der zu den Fixpunkten im Gass-Universum gehört, im Innern des grimmigen Helden.
Als er den „Tunnel“ veröffentlichte, war William H. Gass siebzig Jahre alt. Als der neue Roman im Original erschien, wurde er 90. „Middle C“, da weiß man gleich, wo man ist, in der Welt der Musik, beim eingestrichenen C. Das geht im deutschen Titel „Mittellage“ verloren, aber er trifft die Anknüpfung des Romans an die Tradition des mittelmäßigen Helden, an dem die Weltausschnitte, die ihn prägen umso markanter hervortreten können.
Mittelmäßige Helden sind gut geeignet für Bildungsromane. Joseph Skizzen, obwohl leidlich erfolgreich an Orgeln und Klavieren in der Provinz, steht dem Dilettantismus näher als der Virtuosität, ist unzweifelhaft Mittelmaß, und es ist sehr amüsant zu lesen, wie Gass die Blätter eines zerfledderten deutschen Bildungsromans in die Hecken des ländlichen Ohio wehen lässt. Amüsant auch deshalb, weil Joseph Skizzen seinen improvisierten Bildungsgang als Fälscher und Hochstapler durchläuft.
Dafür ist nicht erst seit Felix Krull das humoristische Erzählen zuständig. Es gibt diesem Altersroman seine große Gelassenheit und den Witz, mit dem er sein weit gefächertes Formenrepertoire zusammencollagiert. Da sind die beiden Bibliothekarinnen, in denen die Parodie eines erotischen Romans und eine klaustrophobisch gestimmter Horrorgeschichte miteinander wetteifern, da ist die schwarze Schrottplatzbesitzerin mit ihrer überirdischen Engelsstimme, und da ist schließlich das allegorische Grundmuster, mit dem der Roman insgesamt so unaufdringlich wie unübersehbar ausgefliest ist. Es ist das Gegenüber von Hölle und Paradies.
Eine der Triebkräfte für die Wortkaskaden im „Tunnel“ war die Misanthropie des Helden, genährt von der Fusion aus amerikanischer und europäischer Fantasie, wie es sie vergleichbar nur bei Roberto Bolaño gibt, der von Südamerika aus den Nationalsozialismus in seine Romanwelten einschmolz. Hier, in „Mittellage“ ist davon das „Museum der Unmenschlichkeit“ geblieben, in dem Joseph Skizzen auf dem Dachboden seines Hauses in Zeitungsausschnitten und Fotografien die Gräuel der Geschichte dokumentiert, darunter den Holocaust und den Vietnamkrieg. In immer neuen Variationen erwächst daraus das Credo seiner Misanthropie: „Zuerst fand Skizzen: Menschheit muss untergehen, dann fürchtete er, dass sie überlebt.“
Immer wieder variiert er diesen Satz, kombiniert ihn mit seinen Plädoyers für die moderne Musik, für Anton von Webern und Arnold Schönberg, als deren Prophet er den Studenten gegenübertritt, fügt ihn in das Modell der Zwölftonreihe ein. Aber auch diese Einheit von Menschenhass und Schönberg-Bewunderung erweist sich am Ende so zweideutig wie der Garten, den Joseph Skizzens Mutter mit aller Gewalt zur Erinnerung an das Paradies machen will.
Dafür aber, dass der Rhythmus und die Bildkraft, der Humor und die präzise Zweideutigkeit der Prosa des späten Gass nun auch auf Deutsch zu genießen ist, kann man den Übersetzer Nikolaus Stingl, der schon den „Tunnel“ ebenso virtuos übertragen hat, nicht genug rühmen.
LOTHAR MÜLLER
Nicht erst seit Felix Krull ist für
Hochstapler und Fälscher das
komische Erzählen zuständig
William H. Gass, Jahrgang 1924. Foto: Rowohlt Verlag
William H. Gass:
Mittellage. Roman. Aus dem Englischen von
Nikolaus Stingl. Rowohlt Verlag, Reinbek bei
Hamburg 2016.
608 Seiten, 29,95 Euro. E-Book: 26,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lothar Müller dankt Nikolaus Stingl für die virtuose Übertragung dieses Romans des 1924 geborenen amerikanischen Autors William H. Gass. Eine Leistung schon wegen des Humors, der Bildkraft, des Rhythmus und der "präzisen Zweideutigkeit", mit denen Gass seinen Text ausführt, findet Müller. Die humoristisch erzählte Bildungsgeschichte eines Hochstaplers aus vielen "hinreißenden Geschichten", die der Autor hier laut Rezensent formenreich als Collage entwirft, macht das Fehlen eines handlichen Plots für Müller wett. Das Buch hat die große Gelassenheit und den Witz eines Alterswerks, meint Müller.

© Perlentaucher Medien GmbH
Der schönste, komplexeste und verstörendste Roman, der zu meinen Lebzeiten veröffentlicht wurde. Los Angeles Times