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Europa im Jahr 1942: Hitler kontrollierte eine Landmasse, die größer als die USA, dichter besiedelt und wirtschaftlich produktiver als jede andere war. Das Ziel der Nationalsozialisten, "Herren in Europa" zu werden, schien nahezu erreicht. Auch wenn die Tatsache 1945 rasch in Vergessenheit geriet: Die besetzten Länder in Europa kooperierten, sie lieferten Deutschland, was es an Menschen und Material forderte. Mark Mazower schildert, gestützt auf eine beeindruckende Fülle von Quellen und Zeugnissen, wie Hitler sein Großreich errichtete, wie es funktionierte und warum ausgerechnet die Nazi-Ideologie selbst seinen Zerfall beschleunigte. …mehr

Produktbeschreibung
Europa im Jahr 1942: Hitler kontrollierte eine Landmasse, die größer als die USA, dichter besiedelt und wirtschaftlich produktiver als jede andere war. Das Ziel der Nationalsozialisten, "Herren in Europa" zu werden, schien nahezu erreicht. Auch wenn die Tatsache 1945 rasch in Vergessenheit geriet: Die besetzten Länder in Europa kooperierten, sie lieferten Deutschland, was es an Menschen und Material forderte. Mark Mazower schildert, gestützt auf eine beeindruckende Fülle von Quellen und Zeugnissen, wie Hitler sein Großreich errichtete, wie es funktionierte und warum ausgerechnet die Nazi-Ideologie selbst seinen Zerfall beschleunigte.
Autorenporträt
Mark Mazower, geb. 1958, leitet heute das Center for International History der Columbia University in New York City. Er lehrte am Birkbeck College London und in Princeton.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.01.2010

Kontraproduktives Morden
Mark Mazower schildert das NS-Regiment in Europa
Wenn wir die Juden totschießen, die Kriegsgefangenen umkommen lassen, die Großstadtbevölkerung zum erheblichen Teile dem Hungertode ausliefern, im kommenden Jahr auch einen Teil der Landbevölkerung durch Hunger verlieren werden, bleibt die Frage unbeantwortet: Wer denn hier eigentlich Wirtschaftswerte produzieren soll.” Diese Zeilen aus dem Bericht eines Rüstungs-Inspekteurs in der Ukraine an seinen Vorgesetzten vom 2. Dezember 1941 kennzeichnen die deutsche Herrschaft im besetzten Europa. Sie werden zitiert in der neuesten Studie des an der Columbia University lehrenden britischen Professors Mark Mazower.
Aus Hitlers Sicht hatte Europa einen Zweck: die großdeutschen Interessen zu bedienen. Als Herrschaftsphilosophie war dies aber kontraproduktiv, weil die Nazis den Begriff „Nationalismus” so eng definierten, dass die deutsche Staatsbürgerschaft für die meisten besiegten Völker nicht in Frage kam. Die sogenannte Rassensolidarität unter den germanischen Völkern war ein Mythos und wurde durch die Brutalität gerade derjenigen untergraben, die immerzu darüber sprachen. So sabotierten die Deutschen alle möglicherweise bestehenden Chancen, wenigstens einige ihrer weniger radikalen Ziele zu erreichen. Der gewalttätige Umgang vor allem mit großen Teilen der osteuropäischen Bevölkerung gehörte zum Kern der politischen und wirtschaftlichen Ideologie der Deutschen. Danach war die Besatzungspolitik gestaltet. Hitlers Europaphantasien fielen unter den Tisch.
Zu Recht stellt Mazower Osteuropa ins Zentrum seiner Untersuchung des NS-Imperiums. Anders als im Osten hatten die Deutschen etwa in Frankreich zumindest am Anfang der Okkupation keine unmittelbaren Anliegen außer einer effizienten und geordneten Verwaltung. In Polen aber betrieben die deutschen Besatzer von Anfang an Terror. Die Entwicklung, die mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 eingeleitet wurde, wirkte dann als Katalysator für die unwiderrufliche Veränderung des Charakters der NS-Herrschaft in ganz Europa. Der Angriff führte zu einem Anstieg von Sabotage, Unruhe und bewaffneten Überfällen auf deutsches Personal in West- und Mitteleuropa.
Nachdem der Blitzkrieg gegen die Sowjetunion gescheitert war, wurden die kurzfristigen Ziele der deutschen Kriegswirtschaft immer wichtiger. Der Winter 1941/42 war der Wendepunkt in der deutschen Besatzungsführung. Nun verlegte man sich auf die systematische gewaltsame Ausbeutung des Kontinents und seiner Ressourcen. Das begann in der besetzten Sowjetunion und wurde dann auf dem Balkan, in Italien und auch in Frankreich fortgeführt. Widerstand wurde mit Terrorgewalt unterdrückt. Doch in der UdSSR war der Widerstand trotzdem nicht zu brechen.
Wegen der Fülle an Stoff, mit dem Mazower sich auseinandersetzt, ist es nicht verwunderlich, dass ihm ab und zu ein Fehler unterläuft. Beispielsweise behauptet er, dass die Zahl der gefangenen sowjetischen Soldaten „viel größer” sei, als vom Oberkommando der Wehrmacht erwartet. Es war aber keineswegs so, dass die deutschen Behörden von der Gefangennahme Hunderttausender Rotarmisten in den ersten Wochen des Feldzugs (360 000 allein bis zum 11. Juli 1941) überrascht und logistisch überfordert gewesen wären. Die Planungsstäbe hatten vielmehr damit gerechnet, dass Deutschland binnen sechs bis acht Wochen etwa zwei Millionen Kriegsgefangene würde ernähren müssen. Wenn die Männer Hungers starben, dann nicht deshalb, weil man von ihrer Zahl überrascht gewesen wäre. Gleichwohl ist Mazowers Studie eine höchst gelungene Synthese der vielen verschiedenen Aspekte der deutschen Herrschaft in Europa.
Abschließend wirft Mazower einen Blick darauf, wie sich die NS–Pläne in die Weltgeschichte einfügen. Die alliierte Nachkriegsordnung war die komplette Verkehrung des NS-Programms: Großdeutschland wurde in verschiedene Besatzungszonen aufgeteilt und die von den Deutschen zuvor eroberten Staaten wurden wiederhergestellt. Das Schicksal der Juden, der Sinti und Roma und der slawischen Völker während des Krieges lässt erahnen, welches Vernichtungsprogramm im Falle eines deutschen Sieges angelaufen wäre. ALEX J. KAY
MARK MAZOWER: Hitlers Imperium. Europa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. Aus dem Englischen von Martin Richter. Verlag C. H. Beck, München 2009. 666 Seiten, 34 Euro.
Der Rezensent ist Historiker und lebt in Berlin.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Einen sehr ungewöhnlichen, sehr kühlen und ausgesprochen aufschlussreichen Ansatz hat sich Mark Mazower für seine Studie zur NS-Herrschaft über Europa ausgesucht, wenn man dem Rezensenten Herfried Münkler folgt. Mazower vergleicht darin das Dritte Reich und seine Besatzungspolitik mit anderen großen Imperien, dem Britischen etwa oder dem Habsburger. Und er misst die Ergebnisse der nationalsozialistischen Imperialpolitik an ihren eigenen Zielen. Dabei kommt er zu dem Schluss, erfahren wir Rezensenten, dass die Nazis alles falsch machten, was sie falsch machen konnten. Da sich Hitler allein auf die Kriegführung konzentrierte, vernachlässigte er, den besetzten Ländern im Westen etwa eine politische Perspektive zu geben. Im Osten führte der grausame Vernichtungsfeldzug zur Niederlage des Krieges, nicht der kalte Winter, fasst Münkler zum Beispiel eine wichtige Erkenntnis Mazowers zusammen. Auch die Vernichtung der europäischen Juden erklärt sich laut Münkler für Mazower aus der Tatsache, dass eine Imperialmaschinerie heiß lief, die eigentlich kein Ziel hatte. Münkler staunt, wie viel Neues es über die Nazi-Herrschaft in Europa noch zu lernen gibt.

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