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Liebe, Leidenschaft und Tod, Lachen und Weinen - aus diesen Bestandteilen formten Autor Ulrich Plenzdorf und Regisseur Heiner Carow den populärsten DEFA-Film aller Zeiten. Sie erzählen von der ledigen Verkäuferin Paula und dem verheirateten Staatsbeamten Paul, der sich aus seiner routinierten Ehe löst un den Gefühlen freien Lauf läßt. "Geh zu ihr und laß deinen Drachen steigen", singen dazu die Puhdys. Bis heute sind die Zuschauer begeistert vom romantischen und ironischen Umgang mit der Wirklichkeit, von den Sehnsüchten und Träumen und der unverwechselbaren Individualität der Figuren. Mit…mehr

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Produktbeschreibung
Liebe, Leidenschaft und Tod, Lachen und Weinen - aus diesen Bestandteilen formten Autor Ulrich Plenzdorf und Regisseur Heiner Carow den populärsten DEFA-Film aller Zeiten. Sie erzählen von der ledigen Verkäuferin Paula und dem verheirateten Staatsbeamten Paul, der sich aus seiner routinierten Ehe löst un den Gefühlen freien Lauf läßt. "Geh zu ihr und laß deinen Drachen steigen", singen dazu die Puhdys. Bis heute sind die Zuschauer begeistert vom romantischen und ironischen Umgang mit der Wirklichkeit, von den Sehnsüchten und Träumen und der unverwechselbaren Individualität der Figuren.
Mit seinem Plädoyer für Freiheit und seinen vielen kleinen Frechheiten stieß "Die Legende von Paul und Paula" bei dogmatischen Politikern auf Widerspruch. Obwohl die Presse den Film teilweise verschweigen mußte, sahen ihn Millionen Kinobesucher. Auch im vereinten Deutschland avancierte er zum "Kultfilm" - und 1998 wurde sogar eine Berliner Straße nach "Paul und Paula" benannt.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2013

Lass deinen Drachen steigen!

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte in der von dieser Zeitung mitorganisierten Reihe "Mein Film" Heiner Carows "Legende von Paul und Paula" von 1973 vor. Es wurde ein bemerkenswerter Abend, bei dem die Kanzlerin das Publikum einlud, ihr in die Gefühlswelt dieses glühenden romantischen Aufbruchs zu folgen.

Geh zu ihr, singen die Puhdys, "geh zu ihr und lass deinen Drachen steigen! Geh zu ihr, denn du lebst ja nicht vom Moos allein. Augen zu, dann siehst du nur diese eine! Halt sie fest und lass deinen Drachen steigen!" Dazu sieht man einen Mann im weißen Hemd, der mit einer Axt eine Wohnungstür zertrümmert. Drinnen liegt eine junge Frau auf dem Bett, sie schreit "Nein! Nein! Nein!", dann umarmen sich die beiden, unter Küssen schluchzend und lachend. Die Nachbarschaft ist vollständig versammelt, einer macht ein Erinnerungsfoto. Das ist "Die Legende von Paul und Paula", der Lieblingsfilm der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Das zurückliegende Jahrhundert hatte keinen Mangel an Politikern, die gern ins Kino gingen. Stalin sah sich mit seinen Getreuen im Kreml gern amerikanische Musicals an, Hitler saß mit Goebbels vor der Leinwand und bewunderte Marika Rökk, und für Mao ging nichts über den indischen Schmachtfetzen "Der Vagabund von Bombay" mit Raj Kapoor. Aber erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurde das Kino zur Generationenerfahrung. Auf einmal machte es einen gewaltigen Unterschied, welche Filme man mit siebzehn oder achtzehn gesehen hatte, welche Songs darin gespielt worden, welche Schauspieler darin aufgetreten waren. Es gab die Generation, die mit Georg Tresslers "Halbstarken" und Nicholas Rays "Rebels without a Cause" aufgewachsen war, die Generation der Italo-Western und Uschi-Glas-Komödien, die Generation von "Star Wars", "La Boum" und "Saturday Night Fever" und die von "Batman", "Jurassic Park" und dem "Bewegten Mann".

Und es gab, in einem kleinen sozialistischen Land vor unserer Zeit, eine Generation, für die mit Heiner Carows "Legende von Paul und Paula" etwas ganz Neues anfing - oder besser: anfangen sollte, denn das bessere, freiere, authentischere Leben und Lieben, das der Film aufblitzen ließ, erwies sich im DDR-Alltag der siebziger Jahre schon bald als Trugbild. Aber im Frühjahr 1973, als die "Legende" ins Kino kam, waren die Bilder noch ganz frisch, aufregend und ungewohnt. Erich Honecker, der neue mächtige Mann im Arbeiter-und-Bauern-Staat, hatte den Film persönlich freigegeben, gegen die Proteste seiner Nomenklatur. Er wollte, sagte er, dass die Jugend eine Stimme bekomme. Und zu dieser Jugend von Dreiundsiebzig gehörte auch die Absolventin der Erweiterten Oberschule Templin, Angela Kasner, künftige Physikstudentin in Leipzig und spätere Dr. Merkel.

Sie habe den Film damals im Frühsommer gesehen, kurz vor ihrem Wechsel nach Leipzig, erzählte die Bundeskanzlerin am Sonntagabend nach der Vorführung im Berliner Programmkino "Filmkunst 66", und es sei für sie "einfach sensationell" gewesen, dass darin "die Realität im Kino erschien". Das ist ein ziemlich erstaunlicher Satz, wenn man bedenkt, wovon "Die Legende von Paul und Paula" handelt. Denn es geht darin um eine Leidenschaft, die quer zu allem steht, was in der DDR die sozialistische Norm war. Paul (Winfried Glatzeder), ein unglücklich verheirateter junger Referent im Außenhandelsministerium, lernt nach vielen Umwegen die alleinerziehende Paula (Angelica Domröse) kennen, und die beiden werden ein Paar. Aber nicht irgendein Paar. Wenn man die beiden heute sieht, muss man sowohl an Belmondo und Jean Seberg in "Außer Atem" denken als auch an Fanny Ardant und Gérard Depardieu in "Die Frau nebenan". Irgendwo dazwischen, zwischen Popfilm und Melodram, liegt Carows Film. Da sind die frechen, sprunghaften Schnitte der frühen Nouvelle Vague und die Liebestragödien des späten Truffaut. Da sind die Uniformen der NVA und die Minikleider der siebziger Jahre. Da sind die romantische Liebe im Bauwagen und die unverblümte Anmache in der Alexanderplatz-Disco. Und da sind die Puhdys, die der Film berühmt machte, mit ihren Kirchentagshymnen: "Jegliches hat seine Zeit, / Steine sammeln, Steine zerstreu'n, / Bäume pflanzen, Bäume abhau'n, / leben und sterben und Streit."

Ebendarin liegt das Faszinierende dieser "Legende": Der Film träumt einen glühenden Liebestraum, und zugleich klammert er sich mit allen Sinnen an die Wirklichkeit der DDR. Und genauso hat Angela Merkel die Geschichte erlebt. "Dass sie einem immer die Kohlen vor die Tür geschmissen haben" - das sieht man bei Carow, und auch, wie die leeren Flaschen bei der Sammelstelle für Sekundärrohstoffe abgegeben wurden. "Und schauen Sie sich nur die Treppenhäuser an!" Aber man sieht auch, wie Paul und Paula mit ihren Ahnen und Urahnen auf einem Frachtkahn an jenem Rummelsburger Ufer entlangfahren, das heute zu ihren Ehren "Paul-und-Paula-Ufer" heißt; oder wie Angelica Domröse sich die Ohren zuhält, wenn Winfried Glatzeder von seinen Familienpflichten zu reden anfängt, um nur nichts mit anzuhören von den Ausflüchten des realen Lebens. Die Wiederverzauberung der Welt, das war von jeher die große Aufgabe der Poesie. Im zwanzigsten Jahrhundert hat sie sie an Filme wie Carows "Legende" abgetreten.

Wer die Bundeskanzlerin bei anderen Kulturgelegenheiten als gelangweilte Festrednerin erlebt hatte, konnte sich an diesem Abend nur die Augen reiben. Der Regisseur Andreas Dresen, der mit Merkel auf der Bühne stand, brauchte gar nicht groß zu fragen - die Erinnerungen purzelten wie von selbst aus ihr heraus. Wie sie mit ihren Kommilitonen Disco-Abende veranstaltet habe, mit sechzig Prozent Ost- ("die wurde immer nur kurz angespielt") und vierzig Prozent Westmusik: "Beatles, Stones, ,Je t'aime', ,Bridge Over Troubled Water'". Wie sie - "ich war ja Bardame" - Kirschmost mit Whisky ausgeschenkt habe, in durchschlagender Mischung. Wie sie sich immer auf das Kleiderpaket aus dem Westen gefreut habe, mit den Jeans drin, die es in der DDR nicht gab; nur einmal habe sie sich eine gelbe Bluse gewünscht, die selbst "drüben" nicht zu haben war. Und wie sie sich beim Besuch der Kusinen aus Hamburg gefragt habe: "Hast du eine schlechtere Kindheit?" Und wie ihre "kinderartige Rechnung" dann doch, trotz allem, mit einem Plus aufgegangen sei.

Wenn man es genau überlegt, gab es bisher nur einen Politiker in der deutschen Nachkriegszeit, der ebenso souverän als Privatmensch auftreten konnte: Helmut Kohl. Dass Merkel ihm immer ähnlicher wird, haben schon andere bemerkt, aber der Abend im "Filmkunst 66" zeigte auch, worin sich ihr Stil von dem ihres Vorbilds unterscheidet. Denn wo Kohls Anekdoten auf später Geborene immer ein wenig abkanzelnd wirkten, lud die Kanzlerin ihr Publikum ein, ihr in die Gefühlswelt der "Legende von Paul und Paula" zu folgen. Das war noch nicht Pop, aber doch weit weg von Historie und Belehrung. Selbst die Frage eines "Bild"Journalisten nach ihrer Vergangenheit als FDJ-Sekretärin für Agitprop an der Ostberliner Wissenschaftsakademie konnte Angela Merkel nicht aus dem Takt bringen: Sie sei ja auch Mitglied der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft und des FDBG gewesen, teilte sie gut gelaunt mit. Es klang, als spräche sie von jenen Berliner Altbauten, die in Carows Film inmitten gewaltiger Staubwolken in Superzeitlupe in sich zusammenbrechen.

Die Gesprächsreihe "Mein Film", die die Deutsche Filmakademie gemeinsam mit dieser Zeitung veranstaltet, ist mit diesem Auftritt von einer Idee zu einer Institution geworden. Nach Peer Steinbrück und Margot Käßmann hat die Bundeskanzlerin eine neue Marke für künftige Kino-Redner gesetzt. Sie liegt hoch, sowohl was das Filmische, als auch was das Menschliche betrifft.

ANDREAS KILB

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