16,99 €
inkl. MwSt.

Versandfertig in 6-10 Tagen
payback
0 °P sammeln
  • Audio CD

In Kantes Gästebuch rumort es gewaltig: ,Ein Jahr her. Nix ist passiert" schreibt JT am 23.02.2014. Seit sieben Jahren haben die fünf Hamburger kein Album mehr herausgebracht. Aber: Nix passiert? Lieber JT, da hast du aber nix aufgepasst! Denn die Musiker um Bandgründer Peter Thiessen und Sebastian Vogel sind längst nicht mehr nur in Deutschlands Konzertsälen zu Hause. Regisseurin Friederike Heller holte sie 2007 für die Inszenierung "Spuren der Verirrten" von Peter Handke ans Wiener Burgtheater. Seitdem begleiten sie mit ihren lyrisch-lässigen Songs, schräg-experimentellen Elektromixen und…mehr

  • Anzahl: 1 Audio CD
Produktbeschreibung
In Kantes Gästebuch rumort es gewaltig: ,Ein Jahr her. Nix ist passiert" schreibt JT am 23.02.2014. Seit sieben Jahren haben die fünf Hamburger kein Album mehr herausgebracht. Aber: Nix passiert? Lieber JT, da hast du aber nix aufgepasst! Denn die Musiker um Bandgründer Peter Thiessen und Sebastian Vogel sind längst nicht mehr nur in Deutschlands Konzertsälen zu Hause. Regisseurin Friederike Heller holte sie 2007 für die Inszenierung "Spuren der Verirrten" von Peter Handke ans Wiener Burgtheater. Seitdem begleiten sie mit ihren lyrisch-lässigen Songs, schräg-experimentellen Elektromixen und einprägsamen Popnummern Stücke wie "Antigone", "Der gute Mensch von Sezuan" und "Black Rider". Bisher konnte man diese einzigartigen Theatersongs ausschließlich auf den großen deutschsprachigen Bühnen hören (u. a. Burgtheater Wien, Staatsschauspiel Dresden, Residenztheater München, Schaubühne Berlin, Thalia Theater Hamburg). Nina am 21.02.2014: "Oh bitte, gebt uns neue Alben!" Kein Problem, dahabt ihr's: In der Zuckerfabrik - Theatermusik von Kante.
Autorenporträt
Peter Thiessen, Gesang, Gitarre und Kontrabass Sebastian Vogel, Schlagzeug und Percussion Florian Dürrmann, Bass und Gitarre Thomas Leboeg, Klavier und Keyboards Felix Müller, Gitarre und Percussion
Trackliste
CD
1Lied von der Zuckerfabrik00:06:15
2Wenn ich Dich begehre gegen jede Vernunft00:04:22
3Das Erdbeben von Lissabon00:03:35
4Morgensonne00:04:08
5Keine Wegspur, nichts zu sehen00:03:16
6Arioso der Shen Te00:03:54
7My Love Is As A Fever (Sonett 147)00:03:58
8Glückselige solcher Zeit (Zweites Standlied)00:04:48
9Lied vom Sankt Nimmerleinstag00:03:20
10Lied vom achten Elefanten00:02:56
11Donaudelta00:02:56
12Geist der Liebe (Drittes Standlied)00:03:16
13Der Tag verging00:05:56
14The Black Rider00:03:21
15Walzer00:02:10
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2015

Lieder der Elefanten
Die Band Kante entdeckt die Theatermusik

Wenn ein Flussnamenmantra von Peter Handke sehnsüchtige Popmusik wird; wenn Voltaires aufklärerischer Geist uns im Gewand eines Sklavensongs begegnet, der die hohlen Worte und die verratenen Werte der Europäer geißelt; wenn bei Goethe, dem alten Mann des Sturm und Drangs, die Gitarren wütend glühen - dann bringen Kante ihre Lieder auf die Theaterbühnen. Seit 2007 arbeitet die Band mit der Regisseurin Friederike Heller zusammen. Statt Clubs mit Stehpublikum und Bierausschank bespielten Kante also Theatersäle in Wien, Berlin, Dresden und München. Statt seiner eigenen Worte nahm Sänger und Gitarrist Peter Thiessen, einer der poetischsten Songtexter im deutschsprachigen Pop, fremdes Material aus Dramen, Gedichten und Romanen für die Lieder, die jetzt auf dem Album "In der Zuckerfabrik" erscheinen.

Das "Lied von der Zuckerfabrik" greift eine Szene aus Voltaires Roman "Candide" auf. Ein Sklave schildert, wie es in einer südamerikanischen Zuckerfabrik zugeht. Der einzige Lohn sind zwei Leinwandhosen pro Jahr, Fluchtversuche werden mit dem Abhacken eines Beins bestraft: "Das ist der Preis, um den ihr drüben in Europa euren Zucker genießt." Die karge Gitarre des Anfangs kontrastiert mit dem bläsermilden Mittelteil über die Sonntagslitanei, dass "wir alle, schwarz und weiß, die Kinder Adams seien".

Der Albumtitel "In der Zuckerfabrik" macht sich augenzwinkernd die Kritik zu eigen, dass Schauspiel und Pop bloß bejahende Verlockungen süßlichen Glücks liefern. Zwar lockt der mitreißende Händeklatscher "Das Erdbeben von Lissabon" wirklich mit so viel Zucker, dass er Zahnärzten noch auf lange Zeit die Existenz sichern sollte, und Thiessen klingt, als sänge er honiglächelnd. Doch der Honig verhöhnt jene unbeirrbaren Optimisten, die selbst Opfern des katastrophalen Erdbebens von 1755 noch etwas über ewige Weltverbesserung erzählten. Im Popzucker lauert der Spott Voltaires.

Mit Wucht, Wahn und vier Zeilen aus Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre" machen Kante "Morgensonne" zum konzerterprobten Gitarrenkracher. "Ihm färbt der Morgensonne Licht / den reinen Horizont mit Flammen", singt Thiessen und erinnert sich im ausführlichen Beiheft der CD begeistert, wie Heller in Dresden ein Podest mit der in Glitzerroben gekleideten Band aus dem Rauch auftauchen ließ. Das nervös klimpernde, dramatisch donnernde "Glückselige solcher Zeit" bietet großes Theaterpathos zwischen Programmmusik und Progrock zu einem Chorpart aus Sophokles' "Antigone". Die Dante-Vertonung "Der Tag verging" sowie "Wenn ich dich begehre gegen jede Vernunft" nach einem Gedicht von Thomas Brasch überzeugen als schwermütige Klaviernummern.

Gemessen am bisherigen Werk dieser rock-, jazz- und elektronikversierten Hamburger sind die neuen Songs relativ kurz. Prägnanz in Perfektion hatten Kante durchaus schon im Programm - "Die Summe der einzelnen Teile" ist ja in der gut dreieinhalbminütigen Version ein Fall fürs Weltpoperbe -, aber es gab auf früheren Alben wie "Zweilicht" (2001) oder "Zombi" (2004) eben auch Lieder, die acht, neun, zehn Minuten dauerten. Das hätte wohl die Theaterabende gesprengt.

Trotz Thiessens Kommentaren im Beiheft geht den Liedern der Inszenierungszusammenhang unweigerlich verloren. Doch das macht die Platte damit wett, dass plötzlich zwischen zeitlich weit entfernten Texten neue Verbindungen aufscheinen. Die Fragen nach Ausbeutung, Macht und Solidarität, die das "Lied von der Zuckerfabrik" fürs 18. Jahrhundert stellte, blieben auch im 20. Jahrhundert relevant, sagt hier das "Lied vom achten Elefanten" aus Brechts "Der gute Mensch von Sezuan". Als elefantenhinternwackelnde Gewaltparabel folgt es mit Bläsertröten und Synthesizerdüdeln einem Grundprinzip großer Popdenker von Knarf Rellöm (Plattentitel "Move Your Ass And Your Mind Will Follow") bis Karl Marx ("Das Tanzbein bestimmt das Bewusstsein"). Und die Fragen von Voltaire und Brecht sind im 21. Jahrhundert immer noch gültig.

Die drei Lieder aus "Der gute Mensch von Sezuan" sind keine Eigenkompositionen, sondern Bearbeitungen der Musik, die Paul Dessau für Brecht schrieb. "The Black Rider" stammt aus Tom Waits' Arbeit mit dem Schriftsteller William Burroughs und dem Theatermacher Robert Wilson. Die Auswahl solcher Songs für "In der Zuckerfabrik" macht eine Traditionslinie der Theatermusik deutlich, die Kante mit diesem gelungenen Album fortführen.

THORSTEN GRÄBE

Kante: "In der

Zuckerfabrik".

Theatermusik.

Hook Music 4038903000045

(Indigo)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Treibend, wuchtig, intensiv, experimentierfreudig - besser kann deutsche Rockmusik kaum sein." DPA