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Seit den frühen Fünfzigerjahren bis zum Fall der Berliner Mauer 1989 haben fast 4 Millionen Menschen der DDR den Rücken gekehrt. Es war für sie unerträglich, in vielfacher Hinsicht bevormundet zu werden. Sie wollten selbstbestimmt und frei leben können.Die Regierenden konnten der Flucht aus der DDR nur Einhalt gebieten, indem sie das Staatsgebiet mit einem Todesstreifen, der fast unüberwindbar war, abriegelten.Die Sehnsucht nach Selbstbestimmung und Freiheit war stärker als alle staatlichen Abriegelungsmaßnahmen. Bis zum Ende der DDR haben Menschen versucht, die innerdeutsche Grenze zu…mehr

Produktbeschreibung
Seit den frühen Fünfzigerjahren bis zum Fall der Berliner Mauer 1989 haben fast 4 Millionen Menschen der DDR den Rücken gekehrt. Es war für sie unerträglich, in vielfacher Hinsicht bevormundet zu werden. Sie wollten selbstbestimmt und frei leben können.Die Regierenden konnten der Flucht aus der DDR nur Einhalt gebieten, indem sie das Staatsgebiet mit einem Todesstreifen, der fast unüberwindbar war, abriegelten.Die Sehnsucht nach Selbstbestimmung und Freiheit war stärker als alle staatlichen Abriegelungsmaßnahmen. Bis zum Ende der DDR haben Menschen versucht, die innerdeutsche Grenze zu überwinden. Vielle haben dabei ihr Leben verloren, vielen ist die Flucht gelungen, noch mehr verbrachten nach misslungener Flucht Jahre in Zuchthäusern.Zeitzeugen berichten, wie es ihnen in der DDR ergangen ist, warum es für sie unerträglich wurde, in diesem Unrechtsstaat zu leben, wie ihre Flucht verlaufen ist und wie sie in der Bundesrepublik aufgenommen wurden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2014

Der DDR den Rücken gekehrt
Zeitzeugen berichten über ihre Flucht aus dem Grenzregime

13. August 1961: Walter Ulbricht lässt mit Rückendeckung der Sowjets die Mauer in Berlin errichten, um den nicht abreißenden Strom von Flüchtlingen Richtung Westen zu stoppen. In einem Jahrzehnt, von 1951 bis 1961, hatten 2 613 370 Personen die DDR verlassen, um in der Bundesrepublik ein neues Leben zu beginnen. Die Gründe dafür waren vielfältig: das politische System, politische Verfolgung sowie ökonomische und persönliche Motive. Aber weder die Mauer noch das menschenverachtende Grenzregime konnten mittel- und langfristig alle Menschen in der DDR halten.

Dass viele Personen große Risiken auf sich nahmen, die bis zum Einsatz des eigenen Lebens gingen, um in die Bundesrepublik zu fliehen, ist ein erschütterndes Kapitel deutsch-deutscher Teilungsgeschichte. Hinter jeder gelungenen oder missglückten Flucht stehen Einzelschicksale, manchmal Geschichten mit glücklichem Ausgang manchmal auch Tragödien. Wolfgang Weitzker hat 101 solcher Geschichten zusammengetragen. Sie umfassen den Zeitraum von 1949 bis 1989. Hier kommen die Betroffenen selbst zu Wort. Die abgedruckten Berichte sind zum Teil eigenhändig verfasst, oder sie basieren auf Interviews. Dabei handelt es sich nicht um bereits bekannte und vielfach erzählte Fälle. Die Auswahl der Personen erfolgte nach dem Zufallsprinzip, sie meldeten sich auf Zeitungsanzeigen oder wurden durch Zeitzeugenbörsen auf das Projekt aufmerksam.

Da liest man zum Beispiel die Geschichte der Ost-Berlinerin Ragnhild Buk, die durch den Mauerbau von ihrem im Westteil der Stadt lebenden Verlobten getrennt wurde und der 1962, versteckt in einem extra präparierten Kofferraum, die Flucht nach West-Berlin gelang. Ein anderer Fall ist der von Michael Jackzis, der am Abend des 13. August 1961 verhaftet wurde, weil er den Aufbau der Grenzanlagen fotografiert hatte. Nach seiner Freilassung reifte der Entschluss zur Flucht, der sich durch die politischen Entwicklungen der folgenden Monate konkretisierte. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Januar 1962 bescherte ihm den Einberufungsbescheid, dem er vor allem aus religiösen Gründen nicht folgen wollte und ihn einen kühnen Plan fassen ließ: Jackzis arbeitete beim VEB Bergmann-Borsig in Berlin-Wilhelmsruh, dessen Betriebsgelände nach dem 13. August 1961 zum unmittelbaren Grenzgebiet wurde. Die Mauer, die den Betrieb im Westen umfasste, diente gleichzeitig als Sperrmauer zum französischen Sektor. Jackzis und zwei Arbeitskollegen ließen sich über das Pfingstwochenende 1962 im Werk einschließen und gruben von einem unmittelbar an der Grenze gelegenen Lichtschacht aus einen improvisierten Tunnel unter dem Kolonnenweg und durch das Fundament der Grenzmauer hindurch. So gelangten sie unentdeckt nach West-Berlin.

Aber nicht alle hier erzählten Geschichten verliefen so reibungslos und hatten ein Happy End. Da wären die traumatischen Erlebnisse von Roswitha Drabeck. Mit 17 Jahren wollte sie als junge Mutter mit ihrem Freund und einem weiteren Bekannten im Jahr 1970 aus der DDR flüchten. Die drei wurden bereits im Grenzgebiet entdeckt, festgenommen und dann zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Die Haftzeit im Frauengefängnis Hoheneck, die dort herrschenden menschenverachtenden Zustände und der erzwungene Verzicht auf ihr Kind haben den Lebensweg von Roswitha Drabeck tief geprägt. So bewegend jedes in dem Band erzählte Schicksal ist und so wichtig es ist, diese Geschichten zu sammeln und für künftige Generationen festzuhalten, um so kritikwürdiger ist die Art, wie sie im Buch von Wolfgang Wietzker präsentiert werden. Die Fluchterzählungen zeigen nur Ausschnitte aus dem Leben der Personen. Eine Einordnung findet nicht statt, und man erhält keine zusätzlichen Informationen zu ihrer Biographie. Das Buch enthält keine ausführliche Einleitung, die den Leser mit dem zeithistorischen Hintergrund vertraut macht und sich mit dem Thema Flucht aus der DDR auseinandersetzt. Selbst ein Abkürzungsverzeichnis sucht man vergeblich. Eine gute Idee - mittelmäßig umgesetzt.

Der Boulevardjournalist Uwe Gerig hat der eigenen Fluchtgeschichte ein ganzes Buch gewidmet - eine Mischung aus Erzählung, Tagebucheinträgen und Dokumentensammlung. Dies ist insofern eine grundlegend andere Geschichte als die meisten im Buch von Wietzker gesammelten, weil hier ein Privilegierter des Systems dem DDR-Staat den Rücken kehrt. Gerig, Mitglied der SED, langjähriger Journalist, Korrespondent und Fotoreporter für die "Neue Berliner Illustrierte", lebte mit Frau und Tochter in Erfurt: große Wohnung, Zugang zu begehrten Konsum- und Luxusgütern sowie gelegentlich die Möglichkeit zu reisen, auch in Staaten jenseits des Eisernen Vorhangs. Familie Gerig lebte in der DDR wesentlich besser als die breite Masse, dennoch reifte Anfang der achtziger Jahre der Entschluss zur Flucht. Die Gründe hierfür werden dem Leser allerdings nicht wirklich deutlich.

Die Gründung der Solidarnosc 1980 und die Ausrufung des Kriegsrechts in Polen Ende 1981 sowie die Diffamierung der polnischen Opposition durch die DDR-Oberen hätten - so Gerig - den Ausschlag gegeben. Lange im Voraus geplant, verließen Gerig und seine Frau bei einer Reise nach Jugoslawien im Oktober 1983 die Reisegruppe, fuhren zurück nach Zagreb und begaben sich dort ins Konsulat der Bundesrepublik. Ausgestattet mit vorläufigen bundesdeutschen Papieren, reisten sie dann weiter nach Frankfurt am Main. Die Tochter musste zunächst in der DDR zurückbleiben, konnte dann aber nach drei Monaten aufgrund eines Ausreiseantrages ebenfalls in die Bundesrepublik nachkommen.

Das Buch irritiert nicht nur wegen der dilettantischen Aufmachung (Typographie und Layout auf Schülerzeitungsniveau), sondern auch, weil sich hier ein karrierebewusster ehemaliger Systemträger nachträglich als besonders überzeugter Antikommunist geriert, etwa wenn er die SED, deren Mitglied er war, als "kriminelle Vereinigung" bezeichnet. Trotz alledem: Beide Bücher bieten einen tiefen Einblick in das Leben in der DDR, in die Sorgen, Nöte und Konflikte von Menschen, die aus was für Gründen auch immer nicht in einer Diktatur leben konnten und wollten.

DANIELA MÜNKEL

Wolfgang Wietzker: "Flucht aus der DDR-Diktatur. 101 Zeitzeugenberichte". Helios Verlag, Aachen 2013. 446 S., 24,50 [Euro].

Uwe Gerig: "Stiller Sieg nach 90 Tagen. Protokoll einer Selbstbefreiung im geteilten Deutschland". Shaker media, Aachen 2013. 292 S., 18,90 [Euro].

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