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Als Sarah Glidden ihre Birthright Israel-Tour antritt, meint sie, sie wüsste, worauf sie sich eingelassen hat. Doch als sie ankommt, zeigt sich, dass alles, was sie über Israel zu wissen glaubte, in Wahrheit ganz anders aussieht. In dieser bemerkenswerten Graphic Novel erzählt Sarah charmant und fesselnd von ihrer Reise nach Tel Aviv, Jerusalem, auf die Golanhöhen, nach Masada und zu anderen historischen Stätten, wobei die intensiven Wasserfarben jedes skurrile und atemberaubende Detail zum Leben erwecken. Gleichzeitig ist ISRAEL VERSTEHEN - in 60 Tagen oder weniger eine einfühlsame und sehr…mehr

Produktbeschreibung
Als Sarah Glidden ihre Birthright Israel-Tour antritt, meint sie, sie wüsste, worauf sie sich eingelassen hat. Doch als sie ankommt, zeigt sich, dass alles, was sie über Israel zu wissen glaubte, in Wahrheit ganz anders aussieht. In dieser bemerkenswerten Graphic Novel erzählt Sarah charmant und fesselnd von ihrer Reise nach Tel Aviv, Jerusalem, auf die Golanhöhen, nach Masada und zu anderen historischen Stätten, wobei die intensiven Wasserfarben jedes skurrile und atemberaubende Detail zum Leben erwecken. Gleichzeitig ist ISRAEL VERSTEHEN - in 60 Tagen oder weniger eine einfühlsame und sehr nachdenkliche Untersuchung eines emotional höchst aufgeladenen Themas, die Beschreibung einer Reise, die Sarah so nicht erwartet hatte. Während sie darum kämpft, Israel zu verstehen, ist Sarah gezwungen, erst ihren Glauben und schließlich ihre gesamte Identität infrage zu stellen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Platthaus greift der Vorstellung dieses neuen Comicbandes von Sarah Glidden auf dem kommenden Münchener Comicfestival vor. Zunächst staunt Platthaus über die Rückkehr des Comics zur Authentizität. Dann macht er alle möglichen Einwände gegen das Buch geltend, das die Israel-Reise der jüdischen Autorin im Rahmen der Birthright-Initiative verarbeitet: Gegen die Naivität und Unschuld der Perspektive, den mitunter unbeholfenen Zeichenstil, die schlichte Botschaft. Schließlich jedoch wird deutlich, dass all das nicht viel zählt gegen die Informationsfülle, mit der der Rezensent durch diese Identitätssuche beschenkt wird, gegen den subtilen Einsatz visueller Mittel, gegen die reportagehafte Spannung und die parabolischen Momente, wenn Gliddens Wahrnehmung symbolisch wird. Am Ende hat der Rezensent ein Bild von Israel und ein Psychogramm der israelischen Gesellschaft, eine ganze Menge für einen Comic.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2011

Die Farben
der Ratlosigkeit
Sarah Glidden will
„Israel verstehen“ – im Comic
Geradezu zaghaft hat Sarah Glidden ihre Graphic Novel koloriert. Viel verwaschenes Ocker läuft ineinander, hauchzartes Blau, selbst der Sonnenuntergang leuchtet lachsfarben. Wer jetzt den tiefblauen Himmel über Israel vor Augen hat, muss über so viel Zaghaftigkeit staunen. Aber ausgerechnet diese Zurückhaltung entpuppt sich als die außergewöhnliche Stärke dieses Bandes.
Es ist 2007. Die New Yorkerin Glidden nimmt an einer Reise durch Israel teil, welche eine jüdische Stiftung unter dem Titel „Birthright“ spendiert – für junge jüdische Menschen zwischen 18 und 27, die noch nie in Israel waren. Glidden wappnet sich gegen eine Propagandashow, doch der junge israelische Reiseführer zeigt sich daran dann nur mäßig interessiert. Er kritisiert die Trennmauer zu den Palästinensergebieten, obwohl seit deren Bau „die Anzahl der Terroranschläge in Tel Aviv von zwei pro Woche auf vier pro Jahr gesunken“ sei. Sein Tenor: komplizierte Geschichte – grobschlächtiger wird es auch danach nicht, weder auf den Golanhöhen, noch in Jerusalem, noch in Tel Aviv, wo die Zeichnerin für einige Tage in die WG eines pummeligen Rabbinatsschülers einzieht.
Die ehrlich eingeräumte Hoffnung der Autorin, ihr klares Bild vom Nahostkonflikt bestätigt zu finden, keimt ein letztes Mal auf: An einer Bushaltestelle lernt sie einen weißbärtigen israelischen Friedensaktivisten kennen. Wenigstens er muss doch die These bestätigen können, wonach es weniger Gewalt gäbe, wenn Israel die besetzten Gebiete räumte! „Möglich“, antwortet der. „Aber dafür gibt es keine Garantie.“ Man könne den Palästinensern keinen Staat anvertrauen – jedenfalls noch nicht.
Die erste Fassung von „Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger“, das Glidden 2008 im Selbstverlag herausbrachte, war noch kräftig getuscht, mit viel Schwarz. Das Remake, das der Vertigo-Verlag bei Glidden in Auftrag gab und das nun in deutscher Übersetzung vorliegt, ist deutlich filigraner, weniger selbstgewiss – und deshalb interessanter. In ihrer Phantasie trägt die Comickünstlerin nun einen Gerichtsprozess unter dem Titel „Birthright will mir eine Gehirnwäsche verpassen VS. Birthright will mir keine Gehirnwäsche verpassen“ aus – bis der Prozess zum Erliegen kommt, weil sich die Ich-Erzählerin, ratlos geworden, in der Toilette des imaginären Gerichts versteckt.
Für ihren journalistischen Scharfblick ist die 1980 geborene Künstlerin in den USA zurecht als Entdeckung gefeiert worden. Distanz ist Prinzip: Die tragischen, schrillen, teils liebenswürdigen israelischen Erzählungen, die sie aufgreift, bleiben stets eingebettet in die ereignisarme Rundreise der „Birthright“-Teilnehmer, die immer wieder aus dem Bus steigen, an einer Sehenswürdigkeit vorbeischlappen, wieder in den Bus einsteigen und sich am Ende Sweatshirts drucken lassen – wegen der Erfahrung. Nur Sarah Glidden verzichtet. „Ich würd's nicht anziehen.“ RONEN STEINKE
SARAH GLIDDEN: Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger. Panini Comics, Stuttgart 2011, 208 Seiten, 24,95 Euro.
Zartes Blau, verwaschenes Ocker – die Farben spiegeln Sarah Gliddens Unsicherheit in Israel. Abb. a. d.bespr. Band
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2011

Die Meisterschaft der Unschuld
Sarah Gliddens Comic "Israel verstehen" sieht mit subtiler Poetik auf große Politik

Wenn es den dominanten Comictrend des letzten Jahrzehnts zu bestimmen gäbe, dann müsste man die Autobiographie nennen. Nicht, dass dieses Thema vorher inexistent gewesen wäre. Gerade der Mann, dem wir den Begriff der "Graphic Novel" zu verdanken haben, mit dem im deutschen Buchhandel eine neue Aufmerksamkeit für Comic geschaffen wurde, jener Will Eisner also, hat seit 1977, als sein Band "Vertrag mit Gott" erschien, bis zu seinem Tod im Jahr 2005 immer neue Episoden aus seinem Leben erzählt: von der Kindheit in den zwanziger Jahren als Jude in Brooklyn, danach von den Anfängen der Comicindustrie, an der Eisner als junger Mann entscheidend beteiligt war, dann vom Zweiten Weltkrieg und vielem mehr. Und die letzte Arbeit, "Das Komplott", widmete sich schließlich ausschließlich jenem Sujet, das in all seinen autobiographischen Geschichten subkutan miterzählt wurde: dem Antisemitismus. Eisners letzter Band dokumentierte die Geschichte der "Protokolle der Weisen von Zion".

Damit entwickelte er aus dem autobiographischen Erleben einen Sachcomic. Das hatten vor ihm auch schon andere getan: Eisners amerikanischer Landsmann Joe Sacco etwa mit seinen Comicreportagen aus Palästina und Bosnien oder der Franzose David B. mit dem Zyklus "Die heilige Krankheit", die sich ausgehend von der Epilepsieerkrankung seines älteren Bruders mit Geschichte, Symptomen und Behandlungsarten dieser Krankheit befasste. David B. aber fiktionalisierte das eigene Erleben auch wieder, und darin folgte ihm seine Schülerin Marjane Satrapi, die mit "Persepolis" den bislang erfolgreichsten autobiographischen Comic zeichnete. Ihre Schilderung der Wahrnehmungen eines kleinen Mädchens und später einer jungen Frau im iranischen Gottesstaat passten die Erzählung dramaturgischen Erfordernissen an, und in der Verfilmung des Stoffs, den Marjane Satrapi selbst vornahm, war diese Modifikation noch ausgeprägter. Schließlich muss man die Berliner Zeichnerin Ulli Lust erwähnen, die sich in "Das ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens" 2009 an ihren Ausreißversuch als Teenager nach Italien erinnert, der mittlerweile ein Vierteljahrhundert zurücklag. Auch da ist notgedrungen einiges durch Zeitverlauf und selektive Erinnerung überformt worden.

Nun aber kommt ein neuer Comicband (und er stammt abermals von einer Frau), der wieder zurückgeht zur absoluten Authentizität - so weit, dass in einer Vorbemerkung sogar darauf hingewiesen wird, dass die mehr als zweihundert Seiten nicht während jener zwölf Tage gezeichnet wurden, von denen er erzählt. "Bestimmte Gespräche und Zeitangaben", ist da zu lesen, "wurden verändert, weil ich die Einzelheiten vergessen hatte oder um sie dem Erzählfluss anzupassen. Im Vordergrund stand aber immer, alles so darzustellen, wie ich es erlebt habe."

Der Titel dieses Comics signalisiert bereits Sachlichkeit: "Israel verstehen - in sechzig Tagen oder weniger". Seine Verfasserin, die heute dreißigjährige Amerikanerin Sarah Glidden, hat im März 2007 Israel bereist, und zwar als Teil einer Gruppe junger Landsleute, die im Rahmen der "Birthright"-Initiative gratis auf Erkundungstour dorthin geschickt wurden. Diese Geburtsrechts-Reisen werden von einer amerikanischen Stiftung in Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung finanziert und haben bislang mehr als eine Viertelmillion jüdische Achtzehn- bis Sechsundzwanzigjährige aus aller Welt in jenes Land geschickt, das sämtlichen Juden den Zuzug freistellt. Der zehntägige Aufenthalt führt von Tel Aviv über die Golanhöhen, den See Genezareth und Masada nach Jerusalem und soll Verständnis für die Lage Israels wecken. Natürlich ist auch angestrebt, weitere jüdische Einwanderer zu gewinnen.

Die Grenze zwischen Information und Propaganda ist dabei fließend, und genau um diesen Zwiespalt geht es in "Israel verstehen". Es ist nicht, wie man durch den Titel bedingt glauben könnte, ein Plädoyer für Israel. Aber es ist auch keine Verdammung seiner Politik und Gesellschaft. Sarah Glidden hat die Reise aus Neugier angetreten und eine Freundin als Beistand mitgenommen, die noch nie die Vereinigten Staaten verlassen hatte. Die Autorin hat sich zudem monatelang durch Lektüre vorbereitet, um nicht allein den von ihr vermuteten Indoktrinationen der israelischen Gesprächspartner ausgeliefert zu sein. Und als sie schließlich in Israel ankommt, ist zunächst alles so, wie sie es befürchtet hat.

Dieser Anfang ist auch für den Leser schwer zu überstehen, weil die Naivität der Erzählperspektive alle eigenen Vorurteile zu bestätigen scheint, die man gegen Amerikaner auf der einen und Israelis auf der anderen Seite hegen kann. Doch das ist Taktik. Oder ist es ehrlich? Jedenfalls werden mit zunehmender Dauer der Reise die Gefühle von Sarah Glidden zwiespältiger. Niemals aber unterwirft sie sich jener emotionalen Kapitulation, die sie bei den anderen Mitgliedern ihrer dreißigköpfigen Birthright-Gruppe beobachtet. Als Chronistin einer von vielen tausend gleich ablaufender Reisen leistet sie Erstaunliches: Sie porträtiert nicht nur das Land, sie zeichnet auch dessen Psychogramm auf, denn aus den vielen Gesprächspartnern und Führern, denen die Gruppe begegnet, extrahiert Sarah Glidden eine spezifische israelische Befindlichkeit, die nicht auf einen Begriff zu bringen ist, sondern auf einen Zustand: in Verteidigungshaltung.

Einige der Gewährsleute agieren dabei tatsächlich defensiv, mit großem Verständnis für die Palästinenser, andere sind radikal in ihrer Absage an jedes momentane Zugeständnis. Alle aber behaupten, für den Frieden zu sein, doch das bestimmende Motiv von Sarah Gliddens Blick auf Israel ist die Präsenz der Armee. Am eindrucksvollsten kommt das in einer für sie typischen Bildersequenz zum Ausdruck, die einen Theaterbesuch schildert. Das buntgekleidete einheimische Studentenpublikum um die Autorin und ihre Freundin herum trägt plötzlich auf dem letzten Bild komplett Uniform. Solche Momente, in denen die Wahrnehmung Sarah Gliddens symbolisch sichtbar gemacht wird, verwandeln ihren Comic aus einer Chronik in eine Parabel. Dass man trotzdem das Ganze wie eine Reportage liest, zeigt den subtilen Einsatz der den Comics eigenen visuellen Kraft.

Und so überwindet die Meisterschaft der Unschuld, wie man Sarah Gliddens Erzählstrategie bezeichnen könnte, alle Bedenken: Die gegen den Zeichenstil, der in seiner Kolorierung wie aus Lewis Trondheims Comictagebüchern übernommen scheint und in der unbeholfen wirkenden Mimik seiner Figuren an die schlechteren Beispiele des Booms autobiographischer Comics denken lässt. Die gegen eine schlichte politische Botschaft, die diese Geschichte enthält - dass man doch nur mehr miteinander reden müsste. Und die gegen eine Pseudonaivität, die man einer Mittzwanzigerin nur schwer abzunehmen bereit ist. Alle diese Einwände aber verblassen angesichts der Informationsfülle, die auf diesen zweihundert Seiten geboten wird, und der inneren Reise, die den eigentlich entscheidenden Aspekt des Comics ausmacht. Sarah Glidden spürt ihrer eigenen jüdischen Identität nach, und was sie findet, sieht zu ihrer Erleichterung ganz anders aus als die in Israel proklamierte Form.

Dennoch trennen beide Varianten nur Nuancen, wie man an einigen Ereignissen merkt. Der Zweifel vergeht deshalb nie, so wenig wie die Verzweiflung. Und das sollte gerade für deutsche Leser von größtem Interesse sein. Dass ein solches Buch bei Panini Comics erscheint, einem Verlag, der bislang vor allem mit Superheldengeschichten reüssiert hat, ist ein eindrucksvolles Zeichen dafür, dass der Marketingbegriff der "Graphic Novel" hierzulande tatsächlich gravierende Veränderungen auf dem Comicmarkt ausgelöst hat. Auf dem Münchner Comicfestival, das am Donnerstag beginnt, wird Sarah Glidden ihren Band dem deutschen Publikum erstmals selbst vorstellen.

ANDREAS PLATTHAUS

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