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Produktdetails
  • Anzahl: 2 Vinyls
  • Erscheinungstermin: 8. Januar 2010
  • Hersteller: GOODTOGO / DOMINO RECORDS,
  • EAN: 5034202020516
  • Artikelnr.: 25575719
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2009

Wenn ihr Party wollt, müsst ihr runter von der Tanzfläche
Heutzutage ist jedes Album schwierig, das erste, das zweite und sogar das dritte: Franz Ferdinand zwischen Pop und Protzerei

Musikkritiker befleißigen sich gerne der Behauptung, die soundsovielte Platte einer vielversprechenden Band markiere ein sogenanntes schwieriges Album in ihrer Karriere. Aber auf welches Album in der Geschichte einer Band bezieht sich diese Phrase noch gleich? Ist es "das schwierige zweite Album", das alles Versprochene halten, aber auch bitte schön weiterdenken, zumindest aber das Niveau halten muss? Oder ist es das "schwierige dritte Album", für das die Band "nach langer Kreativpause" aus allen Winkeln der Welt von ihrem Management wieder zusammentelefoniert werden muss? Ein Album, an dem dann drei Jahre mit dem angeblichen Wunderproduzenten XY herumgefrickelt wird (der auch schon mit U2 und Bloc Party arbeitete und zuletzt die erste Single von Amy Winehouse' Steuerberaterin remixte), nur um irgendwann alles hinzuschmeißen, den Wunderproduzenten zu entlassen und in knapp zwei Wochen ein Zurück zu den Wurzeln-Werk einzuspielen, das auf "allen Produzenten-Firlefanz" verzichtet? Womöglich ist ja auch das erste Album einer Band heute das schwierigste. Sind in diesen Zeiten der bösen, kulturzerrüttenden iPod-Playlists nicht alle Alben "schwierig"? Oder sind das alles nur Klischees? Womöglich.

Wenn man aber in einer Band ist, die nicht gerade stumpfen Garagen-Punk oder entrückte Avantgarde herstellt, werden diese Sorgen rasch sehr handgreiflich. Wie handfest diese Sorgen für Franz Ferdinand waren, ist ihrem neuen Album "Tonight: Franz Ferdinand" mehr als deutlich anzuhören. Im Guten wie im Schlechten, tendenziell eher im Guten.

Zur Erinnerung: Es gab in diesem Jahrzehnt bislang zwei prägende Bands. Die Strokes aus New York und die Glasgower Franz Ferdinand. Beide Gruppen nahmen dem Independent-Rock seine Muffigkeit und Verhuschtheit, beide einte die strikte, auf Schnittigkeit bedachte Kleiderordnung; die Strokes machten kurzen Prozess mit unpräziser Slacker-Daddelei, und Franz Ferdinand brachen die Vorherrschaft des englischen Wildlederschuhrocks auf. Hauptunterschied beider Bands ist wohl, dass die Schotten Franz Ferdinand das Image von jugendlich unausgeschlafenen, allerdings ewig tanzwilligen und exzessiv partyfreudigen Kunstausstellungsbesuchern pflegten; den Strokes dagegen reichte schon das Image unausgeschlafener Kunstausstellungsbesucher.

In den folgenden Jahren orientierte sich praktisch jede neue Band an mindestens einer der beiden Gruppen (jenen, die es nicht taten, haben wir das wiederaufblühende Genre der Vollbartträgermusik zu verdanken, das mit seiner progressiven Verpenntheit jedoch auch sehr schöne Blüten treibt). Logisch, dass die Vorreiter sich bemühten, ihre Ästhetik weiter auszustülpen. Franz Ferdinand ließen dem Debüt aus dem Jahr 2004 bereits im darauffolgenden Jahr ein weiteres Album folgen, auf dem es einige sehr gelungene Ausreißer in Richtung britischen Glam-Folks gab. Danach wurde eifrig getourt - ein bisschen zu eifrig, wie es scheint, denn, so schreibt die Band selbst im Eröffnungssatz ihrer Plattenfirmenmitteilung, "Ende 2006 waren wir ausgebrannt". Nach einer fast einjährigen Pause fanden sich die Musiker im Jahr 2007 erneut zusammen und begannen an ihrem dritten Album zu arbeiten.

Was seither an Verlautbarungen zu hören war, klang nach Krise: Man habe von Gitarren die Nase voll und in alte Synthesizer investiert, hieß es von Seiten der Band; außerdem sei afrikanische Rhythmik gruppenintern gerade der große Konsens, die Fans könnten sich auf eine gehörige Überraschung gefasst machen. Bald sickerte auch durch, Franz Ferdinand hätten sich mit dem britischen Mainstream-Produzenten-Team Xenomania zusammengetan. Es dauerte nicht lange, und es war zu vernehmen, zwischen Band und Produzenten gebe es unüberbrückbare Differenzen, das entstandene Material könne nicht verwendet werden. Schließlich wurde behauptet, man habe bei den finalen Aufnahmen mit dem neuen Produzenten Dick Carey im bandeigenen Studio Menschenknochen als Percussion-Instrumente verwendet und zum Erzielen bestimmter Soundeffekte Mikros an zehn Meter langen Kabeln von der Decke herabbaumeln lassen. "Hilfe!", dachte mancher nur noch. "Aufhören!"

Nun liegt "Tonight: Franz Ferdinand" im CD-Player. Einige haben das Album bereits eine Enttäuschung genannt, andere sprechen von einer ungeheuerlichen Weiterentwicklung. Beides ist Unfug. Stattdessen muss man sagen: Weder von Menschenknochen noch von angestrengter Klangforschung ist viel zu hören; entfernt Afrikanisches kommt nur einmal vor; auch die Synthesizer dudeln und wummern zwar tatsächlich recht wüst, übernehmen aber letztlich immer nur die Leadgitarren-Parts. Und selbst wenn sie mal ein Lied dominieren - wie das schwache Eröffnungsstück "Ulysses" -, kommen Franz Ferdinand zu denselben Ergebnissen, wie sie es auch mit ihren Gitarren taten, denn an der Struktur ihrer Musik ändert die Instrumentierung nichts. Der Anfang des Albums ist tatsächlich der gewohnte Franz-Ferdinand-Standard: Partymusik von kunstsinnigen Menschen für kunstsinnige Menschen, leider nie auch nur annähernd so gut wie auf den beiden vorangegangenen Platten. Tatsächlich ist "Tonight" ein Partyalbum, das immer dann am besten wird, wenn die Band die Tanzfläche verlässt. Die besten Songs gelingen Franz Ferdinand nämlich nicht, wenn sie Feten-Musik für Labertaschen machen, sondern, wenn sie ihren Gitarrenpop auf seltsame Seitenwege führen. Etwa bei "Send Him Away", das als melancholischer Schunkler beginnt, zunehmend von komischen Echos durchweht wird und nach dem zweiten Refrain zu einem rumpelnden psychedelischen Etwas mit Dub-Sprenkseln mutiert. Das folgende "Twilight Omens" - mit Banjo! - hat eine ähnliche schrullige Sehnsucht und verbindet am besten die zwei Seiten der Band: die Independent-Hit-Lieferanten und die komischen Käuze.

Eine englische Spinnertheit im Geiste Syd Barretts oder des frühen Bowie war der Band ja immer eigen; wenn sie dieser wirklich nachspürt, wie in den genannten Songs oder den beiden Stücken am Ende der Platte, kann dies zu schönen Effekten führen und gemahnt dann an den dandyesken Orchideenzüchter-Pop von Monochrome Set oder XTC. In diesen Momenten ist beinahe etwas zu hören, was bei dieser Band, die Hirn und Körper so großartig zusammenzubringen weiß, leider oft viel zu kurz kommt: Herz, Wärme.

Der Rest ist überwiegend souveräner, sehnender Disco-Pop ("Live Alone", "Can't Stop Feeling"), stampfender Funk-Rock ("What She Came For") oder elektronische Disco-Protzerei ("Lucid Dreams") - alles besser als die Konkurrenz, nichts so gut wie die Ausreißer-Stücke oder vergangene Glanztaten. Es ist eben auch ein Fluch, so gut und einsam wie Franz Ferdinand zu sein. Trotzdem: Auf diese Art und Weise kann die Band ruhig noch zehn schwierige Alben machen.

ERIC PFEIL

Franz Ferdinand, Tonight: Franz Ferdinand. Domino 6125564 (Indigo)

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