Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 7,20 €
  • Gebundenes Buch

Als Joseph Kardinal Ratzinger am 19. April 2005 zum Papst gewählt wurde und sich als Benedikt XVI. auf dem Balkon des Petersdoms in Rom zeigte, titelte die BILD-Zeitung voller Stolz "Wir sind Papst". Allein Benedikt XVI. selbst schien zu diesem Zeitpunkt bewusst zu sein, welch schweres Erbe er nach dem "Jahrhundertpapst" Johannes Paul II. antritt. Er sollte Recht behalten. Bald schon überlagerten Diskussionen über innerkirchliche Entwicklungen die große Aufgabe, der Entchristlichung weiter Teile Europas kraftvoll und überzeugend entgegenzutreten.Alexander Kissler zeichnet das ungemein…mehr

Produktbeschreibung
Als Joseph Kardinal Ratzinger am 19. April 2005 zum Papst gewählt wurde und sich als Benedikt XVI. auf dem Balkon des Petersdoms in Rom zeigte, titelte die BILD-Zeitung voller Stolz "Wir sind Papst". Allein Benedikt XVI. selbst schien zu diesem Zeitpunkt bewusst zu sein, welch schweres Erbe er nach dem "Jahrhundertpapst" Johannes Paul II. antritt. Er sollte Recht behalten. Bald schon überlagerten Diskussionen über innerkirchliche Entwicklungen die große Aufgabe, der Entchristlichung weiter Teile Europas kraftvoll und überzeugend entgegenzutreten.Alexander Kissler zeichnet das ungemein spannende Pontifikat des einzigen deutschen Papstes der Neuzeit nach: seine drei Deutschlandbesuche; die Regensburger Rede und die Beziehungen zu den Muslimen; die Rehabilitation der alten Messe und das Verhältnis zu den Juden, den "Vätern im Glauben"; die ökumenischen Gespräche und die Konflikte um die Rehabilitierung der Pius-Bruderschaft; die Versuche einer Neu-Evangelisierung Europas und einer Stärkung des Glaubens weltweit; der Kampf gegen den Relativismus und seine drei Enzykliken; die Bewältigung schließlich des Missbrauchs-Skandals und der "Vatileaks"-Affäre.Das fast achtjährige Anschwimmen gegen den Strom war am Ende so kräftezehrend, dass Benedikt XVI. als erster Papst seit 700 Jahren seinem Amt zu Lebzeiten entsagte, um die Verantwortung für das Schiff Petri in jüngere Hände zu legen.
Autorenporträt
Kissler, Alexander
Alexander Kissler leitet seit Januar 2013 das Kulturressort des Monatsmagazins Cicero. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Medienwissenschaften in Marburg schrieb er von 1999 bis 2001 für das Feuilleton der FAZ. Von 2002 bis 2010 war er Kultur- und Medienjournalist bei der Süddeutschen Zeitung, bevor er 2010 als Redakteur zum Magazin Focus wechselte. Einer seiner Schwerpunkte sind religiöse Themen. Alexander Kissler hat bislang elf Bücher verfasst. Bei Pattloch sind 2008 "Der aufgeklärte Gott. Wie die Religion zur Vernunft kam" und 2011 "Der Jahrhundertpapst. Seliger Johannes Paul II." erschienen.
Rezensionen
"Man wünscht diesem großen, klugen Buch viel Aufmerksamkeit." Rheinische Post 20130505

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2013

Warnzeichen übersehen
Alexander Kissler deutet das Pontifikat Benedikts

Mit feierlicher Gewissheit intonierte Alexander Kissler beim Papstrücktritt: "Da wird nur noch Stille sein." Der Papst ziehe sich zurück "zur Meditation in der Einsamkeit". Doch bald nach dem Erscheinen von Kisslers Buch "Papst im Widerspruch" wurde deutlich, dass der Papst emeritus regelmäßig Gäste empfängt und eifrig korrespondiert. Die große Stille machte sich hingegen unter Ratzinger-Verstehern und Vatikanisten breit. Bisher bleibt das Buch im deutschsprachigen Raum der einzige Versuch, den Rücktritt im Kontext des Pontifikats Benedikts XVI. und des Menschen Joseph Ratzinger zu analysieren.

Der Journalist Kissler will mehr bieten als eine Bestandsaufnahme der Reisen, Reden und Krisen des Pontifikats. Entlang der Enzykliken und großen Reden versucht er sich an einer theologischen und ideengeschichtlichen Einordnung. Dabei zeichnet sich ein paulinisches Pontifikat der Lehre ab und eine Kritik der Moderne, die nicht der Antimoderne, sondern der Dialektik der Aufklärung zuzuordnen sei. Benedikt habe dem Rationalismus und Materialismus der Spätmoderne "den Nonkonformismus des Glaubens" entgegengestellt und die Warnung vor der "Schläfrigkeit des Guten".

Das Buch folgt dem Papst ins Dickicht der Medienrezeption und ins Kreuzfeuer der Kirchenkritik. Überzeugt davon, mit David gegen Goliath anzutreten, macht Kissler keine Zugeständnisse: Er argumentiert durchwegs für den Papst. So überzeugt ist er vom "geradlinigen Pontifikat" Benedikts, dass ihn der Amtsabtritt gänzlich aus der Kurve trägt - eine Rückstufung des Papstamtes auf "Leitungsfunktion mit Pensionsgrenze"? Der Autor fragt sich, ob Ratzinger mit diesem Schritt die Vernunft "überdehnt" habe. In dessen Aussagen zum Petrusamt findet er keine Verständnishilfen, denn immer ist es da Gott, der mit seiner Gnade wettmacht, was dem Menschen im Papstamt an Kraft und Können fehlt.

Kissler deutet die letzten Reden im Licht des Rücktritts, aber diesmal bleibt Ratzinger, der große Didaktiker, eine Erklärung für den Bruch mit der Tradition schuldig. Kissler spricht von einer "mystischen Selbstverpuppung" mit "unabsehbaren Folgen". Das zeigt vor allem, dass er alle Warnzeichen übersehen hat, denn Ratzinger konzipierte das Verhältnis von Amt und Person von Anfang an unkonventionell. Als Theologe ließ er sich nicht einschränken und verfasste Bücher, die nicht dem Lehramt, sondern seiner persönlichen Suche nach Gott Ausdruck gaben.

Als sich ein exkommunizierter Bischof nach seiner Begnadigung als Holocaust-Leugner outete, eskalierte eine Kommunikationskrise, wie sie im Handbuch für Pressesprecher steht. Ratzinger verblüffte dabei mit einem Schreiben an die Bischöfe, in dem er seiner Enttäuschung Ausdruck gab: "Betrübt hat mich, dass auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten." Dass hier nicht die Souveränität des Papstamtes, sondern die Befindlichkeit der eigenen Person artikuliert wurde, schätzt Kissler als "Mut" ein.

Der Logik der letzten Ansprachen Benedikts zufolge war es Machtausübung, als er "in voller Freiheit" den Dienst des Papstamtes aufgab, denn Gott habe "einen Teil seiner Macht wirklich an uns abgetreten, als er uns die Freiheit gab, die er respektiert mit all ihren Konsequenzen". Kissler liefert die Texte, verkehrt jedoch Ratzingers Argument ins Gegenteil: Wenn Gott selbst Macht abgebe, warum nicht auch sein Stellvertreter. Diesmal scheut sich Kissler also, von "Mut" gegenüber den Traditionen des Amtes zu sprechen, denn den letzten radikalen Schritt der Trennung von Amt und Person kann er nicht mitvollziehen: "Kann ein ,Heiliger Vater' seine Vaterschaft ... überhaupt aufkündigen?"

Bleibt also nur Spekulation, was zu diesem Schritt geführt haben könnte - und damit tut Kissler Ratzinger keinen Gefallen. Mit der Vermutung, die Vatileaks-Episode habe zum Rücktrittsentschluss beigetragen, beginnt die Wortsuche nach den Themen "Verrat" und "Judas" in Benedikts Schriften. Die zusammengetragenen Versatzstücke projiziert er dann auf die Figur des Butlers, der dadurch zum Agenten des Bösen in einer "endzeitlichen Perspektive" stilisiert wird. Die groteske Überzeichnung der Episode samt ihrem Antihelden muss peinlich wirken, wenn es denn tatsächlich nur um undichte Stellen in der Vatikanbürokratie, Geld und kuriale Karrieren ging. So ganz sicher ist sich Kissler nicht, sein Resümee ist bescheiden: "Benedikt XVI. ging, weil er meinte, gehen zu sollen."

RAPHAELA SCHMID

Alexander Kissler: "Papst im Widerspruch". Benedikt XVI. und seine Kirche 2005-2013.

Pattloch Verlag, München 2013. 304 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Über das Ende des Pontifikats von Benedikt XVI. bietet der Autor der Rezensentin nur Spekulation. Für Raphaela Schmid ein Bärendienst am Ex-Papst. Allerdings hat Alexander Kissler zuvor tüchtig für Joseph Ratzinger alias Benedikt einige Lanzen gebrochen, hat den Menschen hinter dem Amt analysiert, entlang der Enzykliken und Reden eine theologische Einordnung versucht und den Papst als einen Dialektiker der Aufklärung gepriesen. Wie Kissler Benedikt gegen die Medien und die Kirchenkritk in Schutz nimmt, findet Schmid offenbar in Ordnung. Dieses Buch zum Papst sieht sie noch immer allein auf weiter Flur.

© Perlentaucher Medien GmbH