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Die wirtschaftliche Entwicklung in der Volksrepublik China ist beachtlich. Angesichts eines für die ausländischen Beobachter nicht erkennbaren grundlegenden Wandels hin in Richtung auf ein demokratisch strukturiertes politisches System westlichen Musters muss diese wirtschaftliche Entwicklung erstaunen, gehört es doch zu einer der Selbstgewissheiten des Denkens in westlich geprägten Teilen der Welt, dass Interessenvermittlung, die in demokratischen politischen Systemen in vielfältiger Weise ermöglicht wird, nicht nur Legitimation politischer Interventionen (Herrschaft) generiert, sondern auch…mehr

Produktbeschreibung
Die wirtschaftliche Entwicklung in der Volksrepublik China ist beachtlich. Angesichts eines für die ausländischen Beobachter nicht erkennbaren grundlegenden Wandels hin in Richtung auf ein demokratisch strukturiertes politisches System westlichen Musters muss diese wirtschaftliche Entwicklung erstaunen, gehört es doch zu einer der Selbstgewissheiten des Denkens in westlich geprägten Teilen der Welt, dass Interessenvermittlung, die in demokratischen politischen Systemen in vielfältiger Weise ermöglicht wird, nicht nur Legitimation politischer Interventionen (Herrschaft) generiert, sondern auch deren Effektivität.In Anbetracht der wirtschaftlichen Dynamik der Volksrepublik China, die offensichtlich trotz eines allgegenwärtigen Staates möglich ist, der zudem noch von nur einem Akteur - nämlich der Kommunistischen Partei - kontrolliert wird, stellen sich die folgenden Fragen: Wie erfolgt in der Volksrepublik China Interessenvermittlung? Gibt es funktional äquivalente Formen zu den imWesten bekannten Formen demokratisch gefasster Interessenvermittlung?
Autorenporträt
Dr. Hubert Heinelt ist Professor für Verwaltungswissenschaft, Staatstätigkeit und lokale Politikforschung am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr nüchtern geht dieser politikwissenschaftliche Sammelband an das politische System Chinas heran, informiert Volker Stanzel, der frühere deutsche Botschafter in Peking. Ihm geht es darum, wie die KP ihr Herrschaftssystem modernisiert, ohne es zu demokratisieren, wie sie also den Interessensausgleich in einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft bewerkstelligt. Das findet Stanzel sehr interessant. Er zeichnet ausführlich nach, wie sich seit seit Mao das Verhältnis von Partei und Staats verändert hat, Dass heute die Partei so viel Wert auf Korruptionsbekämpfung legt, erklärt Stanzel mit dem neuerlichen Machtzuwachs für die Parteisekretäre, die jedem Betrieb übergeordnet sind. Effizient muss sie schließlich sein, die Herrschaft der Partei! Bemerkenswert findet der Rezensent auch, dass nach den Generälen und Ingenieuren nun wieder die Kinder Kulturrevolution an der Macht sind. Und dass der chinesische Nationalismus als Ideologie neben den Kommunismus getreten ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.10.2014

„Der chinesische Traum“
Patriotismus, Reform, Innovation: Das sind die Schlagworte der chinesischen KP.
Was bedeutet das für die Regierungspraxis? Über das Verhältnis der Partei zu ihrem Staat
VON VOLKER STANZEL
Wegen Korruption und Amtsmissbrauchs wurde im Herbst 2013 Bo Xilai, einer der prominentesten Spitzenpolitiker Chinas, zu lebenslanger Haft verurteilt. In diesem Jahr droht die Anklage aus gleichem Grund seiner Ehefrau und womöglich, so wollen es im chinesischen Internet verbreitete Gerüchte wissen, zudem wegen Mordes an einem der „Tiger“ Chinas: Zhou Yongkang, ehemals im Ständigen Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei für die Staatssicherheit zuständig.
  Zugleich jedoch feiern offizielle Medien die Überlegenheit des „Sozialismus chinesischer Prägung“ gegenüber der Katastrophe etwa der Demokratisierung der Ukraine. Und im Westen wird gelegentlich gefragt, ob nicht das Pekinger Modell eines autoritären, zugleich wirtschaftsliberalen Staats das vernünftigere Modell für die Dritte Welt sei.
  So ist es auch außerhalb des akademischen Bereichs von Nutzen, wenn Hubert Heinelt und die von ihm versammelten Autoren einen wissenschaftlich geschärften Blick auf die Institutionen des sich so erfolgreich modernisierenden, aber eben nicht demokratisierenden Chinas werfen und fragen, wie denn eigentlich die Vermittlung von Interessen in dieser immer pluralistischeren Gesellschaft stattfindet.
  Bis zur Revolution von 1911 wurde China, unter der Fremdherrschaft der Mandschu, von einem konfuzianischen, gebildeten Beamtenapparat regiert. Der Versuch, nach der Revolution das Land zu modernisieren und zu demokratisieren, sodass es dem imperialistischen Westen würde entgegentreten können, scheiterte im Kampf des Militärs um die Macht – im Krieg gegen die japanischen Invasoren und im anschließenden Bürgerkrieg. Nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 war die Sowjetunion Vorbild auch für die neuen administrativen Einrichtungen.
  Hinzu kam, was Mao Zedong im Bürgerkrieg durch die dezentrale Organisation seiner Armee an Erfahrungen gewonnen hatte. Es entstanden Ministerien mit weitgehender Selbständigkeit, die alle zugeordneten Unterorganisationen und Personen mit Sozialleistungen, Lebensmitteln und Wohnraum versorgten. Entscheidend war, dass dieser „Bienenwabengesellschaft“ die Kommunistische Partei nach dem leninistischen Prinzip des „demokratischen Zentralismus“ die politische Orientierung vorgab.
  Das Mikromanagement der Parteisekretäre war allerdings den Anforderungen eines sich modernisierenden Staates nicht gewachsen. Auch im Westen ist das Beispiel der kaum ausgebildeten „Barfußärzte“ als tragendes Prinzip des Medizinwesens in Erinnerung.
  Es war Deng Xiaoping, der die Fehlentwicklung 1982 mit einer neuen Verfassung korrigierte. Und die Parteigeneralsekretäre Hu Yaobang und Zhao Ziyang ließen in den 1980er-Jahren (gedankliche) Experimente mit institutionellen Konzeptionen zu, die die Kommunistische Partei stärker in den Rahmen eines demokratisch kontrollierten Staatsgefüges gestellt hätten. Diese Überlegungen beendete Deng allerdings mit Hilfe der Volksbefreiungsarmee am 4. Juni 1989.
  Nach den Generälen die Technokraten: Die in der Sowjetunion ausgebildeten Ingenieure Jiang Zemin und Hu Jintao (1992 – 2012) übernahmen als Parteigeneralsekretäre die Macht. Die Institutionen wurden nach dem Vorbild westlicher Industriestaaten neu strukturiert, die Partei gab sekundäre Zuständigkeiten ab und beschränkte sich auf die Makrokontrolle; meist durch die Parteisekretäre, die in Ministerien und Behörden saßen, ranghöher als selbst der Minister; ähnlich wie dies auch in den Unternehmen der Volksrepublik der Fall ist.
  Auch die Gerichte und die Medien unterliegen der Kontrolle der Partei. Mit einem weitgehend neuen Gesetzeskorpus entstand so die Volksrepublik, wie wir sie heute kennen: ein Staat nicht der „Herrschaft des Rechts“, sondern der „Herrschaft durch das Recht“, die die KP ausübt.
  Das Verhältnis zwischen dem Staat und der Partei, deren führende Rolle durch die Verfassung von 2004 nochmals präzisiert wurde, ist damit das interessanteste Element in der institutionellen Entwicklung Chinas. Die Partei formalisierte ihre Entscheidungsformen innerhalb ihrer zentralisierten Hierarchie weiter. An die Stelle der informellen Verabredungen der mächtigsten Männer – oder des Diktats Maos und später Dengs – traten zunehmend konsensuale Entscheidungen eines Kollektivs: des Ständigen Ausschusses des Politbüros.
  So wurden im alltäglichen Geschäft Administration und Unternehmen von Fachleuten gemanagt, während sachlich nicht notwendig kompetente Parteisekretäre die letzte Entscheidungsgewalt in den Händen hielten. Welche Versuchung dadurch entstand, Entscheidungen zu „kaufen“, liegt auf der Hand. Parteiämter wurden fast unausweichlich zu einträglichen Sinekuren.
  Die Parteispitze versuchte gegenzusteuern, zum einen durch strenge Auswahl der – inzwischen mehr als achtzig Millionen – Parteimitglieder und ihre ideologische Ausbildung, zum anderen durch „innerparteiliche Demokratie“. Falk Hartig und Mai Chang zufolge war das ein „Eliteexperiment“, um „effizientere Parteiherrschaft zu fördern“. Wahlen in den Dörfern beschreibt Gunter Schubert als Mittel zur Rekrutierung geeigneten Personals für die Partei, um die Stärkung ihrer Legitimität ging es nicht.
  Die immer häufigeren öffentlichen Proteste gegen staatliche Planungen haben Ann L. Ahlers zufolge zur Institutionalisierung der Öffentlichkeit als „Aufpasser“ geführt, ohne dass die „Asymmetrie zugunsten der Gestaltungsmacht“ damit aufgehoben worden wäre. Heute versucht die Partei nicht mehr, das gesamte gesellschaftliche Leben zu durchdringen; neben die marxistische Ideologie wurde die nationalistische gestellt. Solange der Bürger sich auf seine Existenz als Homo oeconomicus beschränkt und an die Machtfrage nicht rührt, ist er frei in einem in China über Jahrzehnte nicht gekanntem Ausmaß.
  Dies ist die Grundlage für den Wohlstandszuwachs der Gesellschaft und bedeutete für Hunderte Millionen Bauern die Befreiung aus der absoluten Armut. So hieß es unter Deng Xiaoping „reich werden ist gut“. Unter Jiang Zemin war das (sensationelle) Postulat, dass die Partei neben Arbeitern und Bauern auch die Privatunternehmer vertrete. Hu Jintao ging rhetorisch einen Schritt weiter und postulierte „Harmonie“ für alle und jeden in der Gesellschaft.
  Mit der Machtübernahme des neuen Parteigeneralsekretärs Xi Jinping im November 2012 ist das Ziel nochmals ausgeweitet worden. Xi proklamiert den „chinesischen Traum“: Patriotismus, Reform und Innovation mit dem Ziel der „Wiederauferstehung der chinesischen Nation“. Nele Noesselt zufolge geht es dabei um die Integration von mit der Modernisierung einhergehenden sozialen Veränderungen, wie die Entstehung von NGOs, wenngleich ohne Systemveränderung.
  Xi veränderte jedoch bereits in den ersten Monaten das Staatsgefüge und stärkte die Partei noch weiter gegenüber den Regierungseinrichtungen. Er schuf eine Reihe neuer Parteikommissionen unter seinem Vorsitz zur Bündelung auch der sachlichen Kompetenz. Damit ist die Macht zum ersten Mal seit der Zeit Maos wieder formal auf eine Person hin zugeschnitten – den Parteichef. Das ist sicher kein Zufall: Denn nach den Generälen und den Ingenieuren hat mit Xi nun die Generation der Kulturrevolution die Macht in China übernommen.
  So ist, was wir heute in China beobachten, notwendig nur eine Momentaufnahme. Den Grund dafür hat bereits Deng Xiaoping beschrieben: China suche sich noch seinen künftigen Weg, so wie ein Wanderer, der beim Durchqueren eines Flusses nach den Steinen unter seinen Füßen tastet.
Hubert Heinelt (Hrsg.): Modernes Regieren in China. Nomos, 2014. 184 Seiten, 34 Euro.
Volker Stanzel war Politischer Direktor im Auswärtigen Amt und deutscher Botschafter in China sowie, bis 2013, in Japan. Er ist Ostasienwissenschaftler und unterrichtet Politische Wissenschaft an der University of California Santa Cruz.
Hu Jintao postulierte
„Harmonie“ für alle und jeden
in der Gesellschaft
Mit Xi Jinping hat die Generation der Kulturrevolution die Macht im Land des Drachen übernommen.  Collage: Hurzlmeier
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