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Im heruntergekommenen Hotel "Palace" besucht ein ordinärer Kiezganove Nacht für Nacht eine alternde Prostituierte, um sich gegen Geld, neben anderem, eine Geschichte erzählen zu lassen. Denn das kann sie hervorragend. Die Geschichten dieser modernen Scheherazade kreisen alle um die Frage der Identität: Was macht ein Menschenleben aus? Und warum ist die Erfindung oft realer als die Wirklichkeit? Der Schweizer Autor Charles Lewinsky sorgt mit seiner Sammlung aus bösen Märchen, raffinierten Short Storys und modernen Parabeln ein weiteres Mal für glanzvolle Überraschungen in der Gegenwartsliteratur.…mehr

Produktbeschreibung
Im heruntergekommenen Hotel "Palace" besucht ein ordinärer Kiezganove Nacht für Nacht eine alternde Prostituierte, um sich gegen Geld, neben anderem, eine Geschichte erzählen zu lassen. Denn das kann sie hervorragend. Die Geschichten dieser modernen Scheherazade kreisen alle um die Frage der Identität: Was macht ein Menschenleben aus? Und warum ist die Erfindung oft realer als die Wirklichkeit? Der Schweizer Autor Charles Lewinsky sorgt mit seiner Sammlung aus bösen Märchen, raffinierten Short Storys und modernen Parabeln ein weiteres Mal für glanzvolle Überraschungen in der Gegenwartsliteratur.
Autorenporträt
Charles Lewinsky wurde 1946 in Zürich geboren. Er arbeitete als Dramaturg, Regisseur und Redaktor. Er schreibt Hörspiele, Romane und Theaterstücke und verfasste über 1000 TV-Shows und Drehbücher, etwa für den Film "Ein ganz gewöhnlicher Jude", (Hauptdarsteller Ben Becker, ARD 2005). Für den Roman "Johannistag" wurde er mit dem Schillerpreis der Zürcher Kantonalbank ausgezeichnet. Sein Roman "Melnitz" wurde in zehn Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, u.a. in China als Bester deutscher Roman 2006, in Frankreich als Bester ausländischer Roman 2008. Lewinskys Roman "Gerron" wurde 2011 für den Schweizer Buchpreis nominiert, sein jüngster Roman "Kastelau" stand auf der Nominierungsliste für den Deutschen Buchpreis 2014.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2008

Der König und seine Toten
Charles Lewinsky variiert in „Zehnundeine Nacht” das Scheherazade-Muster
Scheherban, der König, der die schöne Märchenerzählerin Scheherazade köpfen lassen wollte, wie so viele Mädchen vor ihr, ist, das wird selten erwähnt, ein enttäuschter Liebender. Sein Bruder, der seine eigene Frau mit einem Sklaven überrascht hat, gibt den ersten Hinweis. Scheherban täuscht vor, er gehe auf die Jagd, beobachtet aber, kaum hat der Tross den Palast verlassen, im Innenhof eine Orgie zwischen Sklavinnen und Sklaven, deren oberste Akteurin in der ungeschönten Version der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht seine Gattin ist. Jede Frau ist treulos, weiß Scheherban verzweifelt. Er beschließt, alle Mädchen des Landes für eine Nacht zu heiraten und Untreue anschließend zu verhindern.
Schon vom Ausgangspunkt her ist „Zehnundeine Nacht”, Charles Lewinskys verkürzte Variation des Märchen-Musters, damit auch eine erhebliche Umdeutung: Lewinskys „König” ist ein alter Geschäftsmann, der sich im Rahmen undurchsichtiger Tätigkeiten als Verbrecher betätigt, seine Zwielichtigkeit steht nie in Zweifel. Auch Lewinskys „Prinzessin” ist eine von vornherein Markierte - eine älter werdende Prostituierte, die müde geworden ist und gerne Geschichten erzählt.
Warum er zuhöre, will der raue König einmal von der Prinzessin, die in einem abgehalfterten Edelhotel residiert, wissen. Weil sie gute Lügen erzähle, allen. Die Wirklichkeit erlebe man ja selber, sagt sie, und stöhnt – das sei ihre beliebteste Geschichte. Immer wieder gibt es bei Lewinsky auch solche etwas flauen Scherze, doch von simplen Anfängen ausgehend, gelangt der 1946 geborene Schweizer, Autor der großen jüdischen Familiensaga „Melnitz”, schnell woanders hin. Viele seiner einfachen, tiefgründigen Geschichten sind durchaus würdige Nachfolger der klassischen Vorlage.
Wobei Inhalt und Ton variieren. Mehrere Geschichten neigen zur Groteske, wie die, in der ein U-Bahn-Selbstmörder von einem Mann gerade noch gerettet wird. Woraus der Selbstmörder schließt, dass der Mann jetzt für ihn verantwortlich sei. Der Gerettete geht zum Retter nach Hause, lässt sich zum Essen einladen, zieht bei ihm ein, übernimmt schließlich seine Frau, denn der Ehemann und junge Vater hat viel zu tun. Bis er seinerseits entlassen wird, auszieht und sich umbringen will. . .
Doppelgänger-Motiv und radikale Metamorphosen gehören zu den häufigsten Stilfiguren des Buchs. Souverän unangestrengt setzt Lewinsky konventionelle Erzählweisen ein. Eine der schönsten Geschichten ist die von einem russischen Immigranten in New York, der sich anfangs auf dem Hudson als Fremdenführer und Geschichtenerzähler betätigt, dabei ganze Schicksale erfindet. Weil er ein guter Erzähler ist, wird er reich und kauft sich die Schiffslinie. Als er alt ist, wird er nicht blind, aber er möchte die Welt nicht mehr sehen, nur noch nach Russland zurück. Was Lewinsky einfallsreich inszeniert: Der Sohn des Alten lässt ihn alleine auf dem Hudson hin- und herfahren, auf dem eigenen Schiff, auf dem ihm alle Bediensteten erzählen, dass er nach Russland unterwegs sei. Als er hört, dass er angekommen ist, lächelt er – und stirbt.
So wird das Märchen zum Gehäuse für das skizzenhafte Zitat einer anderen traditionellen Erzählweise, der des Entwicklungs- und Einwanderungsromans in seiner osteuropäisch-amerikanischen Variante. Bringt diese Geschichte damit einen historisierenden Akzent ins Spiel, ist die nächste genau gegenläufig angelegt – als Science-Fiction-Zitat: Ein Mann wacht eines Morgens auf, seine Frau fängt beim Anblick des Fremden in ihrem Bett zu schreien an. Er fühlt sich wie immer, aber die Anderen erkennen ihn nicht. An seinem Schreibtisch im Büro sitzt eine Frau, die er nie gesehen hat, und die Chipkarte, die alle Daten über ihn enthält, kann ihn auch nicht identifizieren. Wie der Verbrecher-König tappt man als Leser lange im Dunkeln, bis die Prinzessin klärt, was es mit dem grauen Wagen auf sich hat, der dem Held den ganzen Tag lang gefolgt ist.
Immer klarer wird, was den Geschichten gemeinsam ist. Makaber regelmäßig handeln sie vom Tod, der die Protagonisten gegen Ende der einzelnen Geschichte erreicht. So hat Lewinsky die Todeserwartung, die sich in der traditionellen Rahmengeschichte auf Scheherazade bezieht, auf die Figuren der Binnenhandlung verlegt. Am deutlichsten ist da die letzte Geschichte, die beste und unheimlichste, schickt Lewinsky seine Hauptfigur doch in ein Totenreich, in dem die Toten weiter existieren müssen, und zwar als eine Art Stillleben, so, wie sie im Augenblick ihres Todes waren.
Eine Schwäche des Buchs sind die zwei wichtigsten, aber kaum differenziert charakterisierten Figuren der Rahmenhandlung. Zu blass bleibt die Prinzessin, zu schematisch macho-schlecht der König. Erst auf den letzten Seiten ändert sich das. Da findet der Tod wieder in die Rahmenhandlung, und der König hat, sehr wahrscheinlich, Krebs.
HANS-PETER KUNISCH
Charles Lewinsky
Zehnundeine Nacht
Roman. Verlag Nagel & Kimche, Zürich und München 2008. 190 Seiten, 17,90 Euro.
Warum er zuhöre? Weil sie gute Lügen erzähle, allen
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Charles Lewinkys "Zehnundeine Nacht" ist eine verkürzte Variation der bekannten Scheherazade-Märchen aus "Tausendundeine Nacht", stellt Hans-Peter Kunisch fest, der sich alles in allem recht beeindruckt zeigt. Die Rolle des Königs nimmt beim Schweizer Autor ein dubioser Geschäftsmann ein, die der Scheherazade eine alternde Prostituierte, die ihrem Kunden Geschichten erzählt, erklärt der Rezensent. Lewinsky zeige sich hier als souveräner Beherrscher verschiedenster literarischer Formen und Muster, wechselt von Zitaten des traditionellen Einwandererepos gewandt zur Science-Fiction-Erzählung, lobt Kunisch. Am wenigsten haben ihn allerdings die beiden Protagonisten der Rahmenerzählung überzeugt, die ihm über weite Strecken des Buches zu "blass" und leblos gezeichnet sind.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ungleich raffiniert geht Charles Lewinsky in seinem neuen Buch vor. Wunderbar, wie der ungeduldige und etwas primitive Zuhörer die Handlung immer wieder zu erahnen meint und vom hakenschlagenden Verlauf derselben dann genarrt wird. Es sind in einem umfassenden Sinne aber auch moralische Geschichten, die mit den grossen Bällen Wahrheit und Täuschung virtuos jonglieren. Ein Vergnügen, dabei zuzusehen." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 12.09.08 "Gekonnt konstruiert sind alle elf Erzählungen, bauen mit überraschenden, oft komischen Wendungen viel Spannung auf. In ihren charakteristischen kleinen Dialogen werden die kluge Prinzessin und ihr widerlicher Zuhörer greifbar lebendig. Zugleich bremst kein unnötiges Wort das mitreissende Tempo. Schade nur, dass der Autor nicht die Ausdauer seines Vorbilds hatte: Nicht gerade tausendundeine Nacht, aber wesentlich länger als in seinem schmalen Buch hätte man ihm gerne zugehört." Marie-Louise Zimmermann, Berner Zeitung, 21.08.08 "Trotz den teilweise dramatisch-tragischen Zuspitzungen in den Geschichten der Prinzessin fasziniert die Leichtigkeit dieser Texte, die anscheinend mit spielerischer Hand zu Papier gebracht wurden. Herausgekommen sind tiefsinnig-amüsante Tragikomödien. Ein faszinierendes Lesevergnügen für eine kurze Nacht." Peter Mohr, Aargauer Zeitung, 26.09.2008 "'Ein meisterhaftes kleines Erzählkunstwerk." Florian Hunger, Jüdische Zeitung, 10/08 "Die Geschichten sind so packend erzählt und von einem derart grotesken und fantastischen Einfallsreichtum, dass der Leser aller Schwarzmalerei und Hoffnungslosigkeit zum Trotz immer weiter zuhören muss. Am hinreissendsten sind jene Texte, in denen das Erzählen selbst zum Thema wird." Charles Linsmayer, Der Bund, 25.10.08 "Schade, dass Charles Lewinskys moderne Scheherazade nur elf Geschichten erzählt statt 1001: Man wird süchtig nach diesen skurrilen, schrägen und immer fantastischen, immer phantasievollen Erzählungen, die die Hure ihrem Kunden König auftischt. Der Schweizer Lewinsky ist ein genialer Erzähler, der die Bühne bis aufs letzte Staubkorn genau ausleuchtet und nicht nur die Geschichten inszeniert, sondern auch der Hure und dem König Wesenszüge verleiht, die Bände sprechen. Unbedingt lesen!" Susanne von Mach, Main-Echo, 13.09.08…mehr