20,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Wer so heißt, muss aus der schönen Gegend stammen, wo ETA, Industrie, Fußball und Frank Gehry in manchmal nicht recht geheurer Nachbarschaft leben. Ibon Zubiaur hat eine baskische Paradeerziehung durchlaufen, mit baskischer Schulbildung und Spanisch als erster Fremdsprache. Er spricht bis heute eine Sprache, die im Baskenland nur eine Minderheit beherrscht. Er ist das Produkt einer Nation, die samt Sprache im späten 19. Jahrhundert von einem Herrn namens Sabino Arana neu erfunden wurde. Hier erklärt Zubiaur, was es heißt. in einem solchen Land zu Hause zu sein, warum ein Begriff wie Rasse hier…mehr

Produktbeschreibung
Wer so heißt, muss aus der schönen Gegend stammen, wo ETA, Industrie, Fußball und Frank Gehry in manchmal nicht recht geheurer Nachbarschaft leben. Ibon Zubiaur hat eine baskische Paradeerziehung durchlaufen, mit baskischer Schulbildung und Spanisch als erster Fremdsprache. Er spricht bis heute eine Sprache, die im Baskenland nur eine Minderheit beherrscht. Er ist das Produkt einer Nation, die samt Sprache im späten 19. Jahrhundert von einem Herrn namens Sabino Arana neu erfunden wurde. Hier erklärt Zubiaur, was es heißt. in einem solchen Land zu Hause zu sein, warum ein Begriff wie Rasse hier noch immer eifrige Verwendung findet. Er blickt auf die ebenso kurze wie heftige Geschichte der Basken, erklärt, warum hier Menschen merkwürdige Namen haben wie er und er feiert den Fußballclub Athletic Bilbao als ein gelungenes Experiment selbstbewusster Integrationspolitik.Ibon Zubiaur, geboren 1971 in Getxo, einer schönen Stadt bei Bilbao, war von 2008 bis 2013 Leiter des Instituto Cervantes in München. Er hat zahlreiche klassische und neuere deutsche Autoren in Spanische übersetzt, darunter Wieland, Stifter, Rilke, Brigitte Reimann und Irmtraud Morgner. Er lebt in Berlin.
Autorenporträt
Ibon Zubiaur, geboren 1971 in Getxo, einer schönen Stadt bei Bilbao, war von 2008 bis 2013 Leiter des Instituto Cervantes in München. Er hat zahlreiche klassische und neuere deutsche Autoren in Spanische übersetzt, darunter Wieland, Stifter, Rilke, Brigitte Reimann und Irmtraud Morgner. Er lebt in Berlin
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.05.2015

Identität durch
Feindschaft
Ein baskisches Lehrstück über die
Entstehung des Nationalismus
Entgegen einer weitverbreiteten Annahme ist der Nationalismus, ähnlich wie der Kapitalismus, nichts, was zum Menschen dazugehören würde wie der morgendliche Gang zur Toilette – auch wenn sowohl Kapitalisten wie Nationalisten stets versuchen, den Eindruck zu erwecken, es wäre so. Beides sind Erfindungen des 19. Jahrhunderts. Ein kleines Laboratorium, an Hand dessen man die Entstehung von Nationalismus wie unter dem Mikroskop studieren kann, ist das Baskenland: Eine grüne, windige Region am Rande Europas, ausgestattet mit einer so rätselhaften wie schwer zu erlernenden Sprache sowie einem ausgeprägten Bewusstsein ethnischer Besonderheit, die sogar in den Terrorismus führte. Wie dieses Bewusstsein entstanden ist, beschreibt Ibon Zubiaur, jahrelang Leiter des Münchner Instituto Cervantes und Übersetzer deutscher Lyrik ins Spanische.
  Zubiaur ist in Getxo bei Bilbao geboren und sozialisiert, er wurde in der Schule auf Baskisch unterrichtet. Ist er deshalb Baske? Aus der Sicht baskischer Nationalisten sind Geburt und Sprache zwar zwingende Bestandteile des Baskentums. Sie reichen aber nicht aus, einen zum Basken zu machen. Dies sei „eine Qualität des Seins, die man sich erst verdienen muss – und die man auch wieder verlieren kann“, schreibt Zubiaur. Vieles spricht dafür, dass der Autor mit diesem bei Berenberg erschienen Büchlein sein Baskentum in den Augen radikaler Separatisten in Gefahr bringt.
  Zubiaur schildert, wie ein einziger Mann eine „exotische Nation“ erfand: Der Nationalist Sabino Arana dachte sich im 19. Jahrhundert nicht nur Fahne, Hymne und baskische Vornamen aus, sondern sogar einen Teil des baskischen Vokabulars, weil „die Basken längst selber angefangen hatten, die alte Sprache zu verdrängen“. Doch ging es Arana laut Zubiaur weniger um den Erhalt der Sprache als Kommunikationsmittel, sondern als Abgrenzungsmerkmal zu Madrid, „wo man ja bekanntlich nichts besseres zu tun hat, als uns Basken misszuverstehen und zu diskreditieren“.
  Der baskische Nationalismus, so wie ihn Zubiaur beschreibt, ist ein Lehrstück darüber, wie radikale Identitisten es erreichen, Selbstverständnis auf Abgrenzung und Feindschaft aufzubauen – ein Phänomen, das gerade in Europa ja an vielen Orten in Form eines neuen Rechtspopulismus Auferstehung feiert. Das Baskenland kann auch als Lehrbeispiel dienen, wie man solchen Radikalismus wieder einfängt. Denn in letzter Zeit besinnen sich die Basken zunehmend darauf, dass ihnen ja doch greifbarere Dinge zur Identitätsfindung zur Verfügung stehen als die diffuse Blut- und Boden-Ideologie, die der irrlichternde Arana einst schuf.
  Zubiaur erinnert daran, dass das Baskenland eine der reichsten Regionen Europas ist, deren Schwerindustrie einst 20 Prozent der Weltstahlproduktion lieferte. Ihr technisches und merkantiles Talent hat den Basken Wirtschaftszahlen eingebracht, die weit vor denen der restlichen Regionen Spaniens rangieren. Den Strukturwandel von Stahl und Kohle zu High-Tech haben sie bewältigt, der Terrorismus ist Vergangenheit. Eine Menge Dinge, um stolz zu sein – ganz ohne gewalttätige Absonderung.
SEBASTIAN SCHOEPP
Ibon Zubiaur:Wie man Baske wird. Über die Erfindung einer exotischen Nation. Berenberg, Berlin 2015
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2015

Beim Fußball hört der Spott auf

Wie sich eine Nation selbst erfunden hat: Ibon Zubiaur kennt die befremdlichen Landschaften der baskischen Identität und weiß, welche wichtige Rolle darin die gemeinsame Schultoilette spielt.

Im Kellerregal, wo die nicht mehr gebrauchten Bücher schlummern, lese ich noch einmal die alten Titel: "Die Geschichte von Eta". "Führer durch das baskische Labyrinth". "Die bleiernen Jahre". "Schrei nach Frieden". Die fetten Ordner mit der Aufschrift "Eta", in denen Zeitungsausschnitte aus fast fünfzehn Jahren gesammelt sind, rühre ich lieber nicht an. Es ist gut, dass das Allermeiste davon metaphorisch schon zu Staub zerfallen ist, bevor die materielle Zersetzung beginnt. Denn der baskische Terrorismus ist glücklicherweise aus den Nachrichten verschwunden.

Die Terrorgruppe Eta - um nicht spießig und moralisierend zu wirken, benutzten deutsche Medien für sie gern den neutralen Begriff "Separatistenorganisation" - hat zwar noch nicht die Waffen abgeliefert, im Herbst 2011 aber "das definitive Einstellen der bewaffneten Aktivität" verkündet. Auch ihre schwerfällig-bürokratische Rhetorik ist damit verweht. Zurück bleiben: eine traumatisierte Gesellschaft; verurteilte Menschen in Gefängnissen, die auf die Chance zur Wiedereingliederung warten; Tausende Angehörige von mehr als achthundert Mordopfern, darunter Politiker, Unternehmer, Militärs, Polizisten, Personenschützer, Journalisten, zufällige Passanten. Wer den Ideologen hinter den Pistoleros das Handwerk legen wollte, musste bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen, wenn nicht durch Tod, dann durch Depression und Exil. Viele alte Bücher, die davon künden, haben sich in nutzlose Erinnerung verwandelt, in Müll, der kaum einen der Heutigen mehr interessiert.

Ibon Zubiaur, Jahrgang 1971 und wohnhaft in Berlin, ehemaliger Direktor des Cervantes-Instituts in München, schafft es, sechzig Seiten lang über seine baskische Heimat und ihre Kuriositäten zu schreiben, ohne den Namen Eta zu erwähnen. Es ist eine bewusste Geste, und sie hat etwas Befreiendes. Wenn einer in seinem Berufsleben nicht zur Propaganda für die eine oder andere Seite zwangsverpflichtet wurde, kann er es sich leisten, die Geschichte aus radikal persönlicher Perspektive zu erzählen: wie es etwa war, in eine Schule zu gehen, in der per Dekret Baskisch gesprochen wurde, obwohl alle - Schüler wie Lehrer - besser Spanisch sprachen und das verordnete Schulfach hinter sich ließen, sobald sie den Fuß wieder nach draußen setzten.

Hintergrund dieser Maßnahme ist der Baskisierungsversuch durch die fast ununterbrochen regierende Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), die nach Francos Tod die demokratischen Wahlen in der neuen Autonomen Region gewann und daranging, die Gesellschaft umzukrempeln. In diesem Sinn war der Autor Teilnehmer eines soziologischen Experiments. Seine Eltern fanden, es sei eine gute Idee, der Junge wachse zweisprachig auf. Nur dass er die Sprache nicht wie etwas Natürliches lernen konnte, weil eben kaum jemand sie "natürlich" sprach.

Denn einen Traditionszusammenhang durch autochthone Literatur gibt es im spanischen Norden bis heute nicht - der erste baskisch geschriebene Roman stammt aus dem neunzehnten Jahrhundert. Viele Wörter existierten also nicht und mussten neu geprägt werden. Darunter das lustige Wort "komuna", welches die Toilette bezeichnet, jedoch mit ideologischem Hintersinn: "Statt das Verborgene, das Schamhafte, das Private zu unterstreichen, betont man umgekehrt das Allgemeine, die Tatsache, dass es sich bei einer Schultoilette um einen Ort handelt, den viele besuchen, der gemeinschaftlich ist." Der Plural heißt "komunak".

Auftritt Sabino Arana (1865 bis 1903), der Chefideologe des frühen baskischen Nationalismus, der die Region mit einer eigenen Fahne ausstattete, der die baskischen Wörter für das Baskische ("Euskera") und das Baskenland ("Euskadi") erfand und seinerseits längst nicht perfekt Baskisch sprach. Mit leichter Hand, aber gehörigem Kopfschütteln führt Zubiaur den Leser durch das Absurditätenkabinett eines Nationalismus, der nicht eine verschüttete Geschichte bergen will, sondern sich eine neue Vergangenheit als unabhängige Nation erfindet. Dazu gehören abwegige Etymologien, abenteuerliche Vorschriften zur Bildung "authentisch" baskisch klingender Namen und eine völkische Propaganda, die nicht weit von der Blut-und-Boden-Mythologie der Nazis entfernt ist. In dieser rückwärtsgewandten Konstruktion zur Sicherung unverfälschten Baskentums sind "Rasse" und "Geschichte" Schlüsselbegriffe einer unmissverständlich xenophoben Mission.

Dass Ibon Zubiaur diesen Zusammenhang nicht als schwerleibiges Manifest formuliert, sondern in die Form des entspannten Essays und eines über drei Banden gespielten Kulturvergleichs kleidet, dürfte sich aus seinem Werdegang erklären. Denn einerseits besitzt er den doppelten Blick durch seine spanisch-baskische Identität, andererseits kommen noch seine deutsche Erfahrung und die deutsche Sprache hinzu, in der das Buch geschrieben ist. In Spanien kennt man Zubiaur vor allem als Übersetzer von Brigitte Reimann, Irmtraud Morgner und anderen DDR-Autoren - eine Leidenschaft, die sich nicht mit dem Erledigt-Votum durch den Mauerfall zufriedengibt, sondern den verschwundenen deutschen Staat als Kulturlandschaft neu kartographiert. Dahinter steht der Glaube, es wäre besser um die Zivilkultur bestellt, "wenn wir weniger nationale Ermahnungen und mehr Autobiographien geschrieben hätten".

Nur ein Objekt entgeht der Spottlust des Autors, der Fußballverein Athletic Bilbao. Ihm ist die Liebeserklärung des letzten Kapitels gewidmet. Zubiaur entdeckt hinter dem heroischen Entschluss des Klubs, nur Spieler aus dem Baskenland (Navarra und das französische Baskenland jenseits der Pyrenäen eingeschlossen) zu verpflichten und daraus eine erstligataugliche Truppe zu formieren, eine bemerkenswerte Integrationsleistung: "Für Athletic Bilbao konnten sich (zumindest in Biskaia, der bevölkerungsreichsten Provinz) zu jeder Zeit Nationalisten wie Nichtnationalisten, Linke wie Rechte, Bischöfe wie Punks erwärmen." Hier darf also mitspielen, wer die entsprechende Leistung bringt und nach Ansässigkeit oder Herkunft Baske ist. Sprache, Rasse oder Gesinnung spielen keine Rolle, eher die weichen Kriterien der Gemeinschaftsfähigkeit. Ein Beweis dafür, dass Fußball dem Nationalismus nicht nur Ausdruck verschafft, sondern ihn manchmal segensreich ersetzt.

PAUL INGENDAAY

Ibon Zubiaur: "Wie

man Baske wird".

Über die Erfindung

einer exotischen Nation.

Berenberg Verlag, Berlin 2015. 96 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr