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Vier provozierende Streitschriften Umberto Eco ist ein Phänomen: Berühmt ist er als Autor mitreißender Romane, international gefragter Wissenschaftler, Semiotiker und Philosoph. Zugleich aber hat Eco stets mit brillanten, klaren Stellungnahmen in die aktuellen Auseinandersetzungen auf den Gebieten der Politik, Moral oder Kultur eingegriffen. Auch mit diesen provozierenden Streitschriften analysiert er das Tagesgeschehen und geht doch immer einen Schritt über das Aktuelle hinaus.
Damit sind seine ›Moralischen Schriften‹ Musterbeispiele für das Denken eines Schriftstellers und
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Produktbeschreibung
Vier provozierende Streitschriften
Umberto Eco ist ein Phänomen: Berühmt ist er als Autor mitreißender Romane, international gefragter Wissenschaftler, Semiotiker und Philosoph. Zugleich aber hat Eco stets mit brillanten, klaren Stellungnahmen in die aktuellen Auseinandersetzungen auf den Gebieten der Politik, Moral oder Kultur eingegriffen. Auch mit diesen provozierenden Streitschriften analysiert er das Tagesgeschehen und geht doch immer einen Schritt über das Aktuelle hinaus.

Damit sind seine ›Moralischen Schriften‹ Musterbeispiele für das Denken eines Schriftstellers und Intellektuellen, der sich nie damit begnügte, alte Rezepte wieder aufzuwärmen.

Inhalt:

- Nachdenken über den Krieg

- Der immerwährende Faschismus

- Wenn der andere ins Spiel kommt

- Die Migrationen, die Toleranz und das Untolerierbare
Autorenporträt
Eco, Umberto
Umberto Eco, 1932 in Alessandria (Piemont) geboren, lebte bis zu seinem Tod am 19. Februar 2016 in Mailand und lehrte Semiotik an der Universität Bologna. Er verfasste zahlreiche Schriften zur Theorie und Praxis der Zeichen, der Literatur, der Kunst und nicht zuletzt der Ästhetik des Mittelalters. Der Roman 'Der Name der Rose' (dt.1982) machte Eco weltberühmt, viele weitere Romane folgten und wurden Bestseller. Er war einer der bedeutendsten Schriftsteller und Wissenschaftler unserer Zeit. Für sein Werk wurde er mit nicht weniger als neunundvierzig Ehrendoktorwürden aus aller Welt geehrt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.1998

Völkermord beginnt beim neuen Wort
Umberto Eco erinnert daher an moralische Gemeinplätze: Vier kleine Predigten

Was dem Esel das Eis, ist dem Schriftsteller - gleich welchen Ranges - die Ethik. Schriftsteller sollen beschreiben, was sonst niemand sehen kann. Kommt Sprachkunst hinzu, werden sie berühmt. Ihr Ruhm verleitet sie, moralische Sätze, also Regeln über die Zuteilung persönlicher Achtung oder Mißachtung, zu verkünden. Solche Regeln kennt aber jeder. Ein moralisierender Schriftsteller muß daher den Hochsitz seiner Kunst verlassen und sich der handlungsphilosophischen Kritik stellen. Im Getümmel der veröffentlichten Meinung kann er freilich kaum etwas anderes sagen als die Mehrheit, wenn er nicht Mißachtung ernten will.

Umberto Eco beweist auch mit diesen "Vier moralischen Schriften" seinen literarischen Rang. Aber in die Ethik-Falle ist er voll hineingetappt. Das Bändchen enthält Gelegenheitsarbeiten, deren Anlässe Eco ausführlich beschreibt. Für den ersten Text "Nachdenken über den Krieg" ist wichtig, daß er ihn während des Golfkrieges verfaßt hat. Da die Menschheit seit ihrer Vertreibung aus dem Paradies mit dem Krieg gelebt und sich trotzdem entwickelt hat, unterscheidet Eco zwischen alten Kriegen, die einen gewissen Sinn gehabt hätten, weil die Parteien hoffen konnten, sie zu gewinnen, und heutigen Kriegen, die sinnlos sind, weil sie letztlich die Weltgesellschaft zerstören. Wenn man so unterscheidet, gehörte der Golfkrieg zum Typ "alter Krieg". Er hat die Weltgesellschaft nicht nur nicht zerstört, sondern sogar ihr Recht durchgesetzt und sie dadurch stabilisiert. Warum also war er unmoralisch? Außerdem muß die Weltgesellschaft nicht alles tolerieren: "Hinnahme des Untolerierbaren stellt die eigene Identität in Frage. Man muß die Verantwortung auf sich nehmen, zu entscheiden, was untolerierbar ist, und dann handeln in der Bereitschaft, den Preis für den Irrtum zu zahlen."

In "Der immerwährende Faschismus" wehrt sich Eco dagegen, italienischen Faschismus, deutschen Nationalsozialismus und sowjetischen Stalinismus in denselben Totalitarismus-Topf zu werfen. Der Faschismus sei weniger doktrinär gewesen, weil er keine Theorie gehabt habe. Jedenfalls gab es nur einen Nazismus, und der bedeutet, "daß in Nürnberg alle zum Galgen verurteilt werden mußten, auch wenn es nur einen Toten gegeben hätte, und das durch unterlassene Hilfeleistung. Das neue Untolerierbare ist nicht nur der Völkermord, sondern auch seine theoretische Rechtfertigung." Danach hätte die theoretische Unfähigkeit der Faschisten die Unschuld Italiens gerettet. "Immerwährender Faschismus" ist übrigens die Selbstabgrenzung funktional nicht zu rechtfertigender Gruppen.

"Wenn der andere ins Spiel kommt" beantwortet die Frage nach der letzten Fundierung der Ethik mit der "Notwendigkeit, bei den anderen jene Ansprüche zu respektieren, die wir als unverzichtbar für uns selbst erachten". Diese goldene Regel steht allerdings schon im Alten Testament.

"Die Migrationen, die Toleranz und das Untolerierbare" behandelt die "multikulturelle Gesellschaft". Europa werde im nächsten Jahrtausend ein "farbiger" Kontinent sein. "Dieses Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen kann blutige Ergebnisse haben, und ich bin davon überzeugt, daß es sie in gewissem Maße haben wird." Toleranzappelle helfen nicht, weil es eine rohe Intoleranz gibt, die in Doktrinen verkrusten kann und dann Vernunftgründen nicht zugänglich ist. "Die rohe Intoleranz muß an der Wurzel bekämpft werden, durch eine permanente Erziehung, die im zartesten Alter beginnt."

Zugegeben, Ethik ist paradox. Sie will den Individuen gesellschaftliche Normen als ihre eigenen verkaufen. Aus Paradoxien kann man sich nur mit Unterscheidungen retten. In Deutschland ist es offenbar schwieriger als in Italien, abstrakten Pazifismus und die harte Entscheidung gegen Untolerierbares als dieselbe Person moralisch zu vertreten. Nicht, als ob die moralischen Verhältnisse hierzulande klarer wären. Aber man spricht weniger über die Grenzen der Toleranz. GERD ROELLECKE

Umberto Eco: "Vier moralische Schriften". Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Carl Hanser Verlag, München, 1998. 120 S., geb., 24,- DM.

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