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Unbeirrt treibt Michael Sonntag durch seine Tage, sein Körper zeigt erste Gebrauchsspuren, und die großen Gedanken machen gewöhnlich einen Bogen um ihn. Entgegen den Erwartungen, die seine Umwelt an ihn stellt, verweigert Sonntag gern jede daseinserhaltende Tätigkeit. Nur seinem Freund Novak gelingt es hin und wieder, ihn mit hirnrissigen Geschäftsideen aus der Reserve zu locken. Und natürlich Marion Vossreuther, der Servicekraft aus dem Handyladen, die einen ganz eigenen Reiz auf ihn ausübt. Entschlossen geht Rocko Schamonis Held Sonntag den Erfordernissen des Lebens aus dem Weg. Und dabei…mehr

Produktbeschreibung
Unbeirrt treibt Michael Sonntag durch seine Tage, sein Körper zeigt erste Gebrauchsspuren, und die großen Gedanken machen gewöhnlich einen Bogen um ihn. Entgegen den Erwartungen, die seine Umwelt an ihn stellt, verweigert Sonntag gern jede daseinserhaltende Tätigkeit. Nur seinem Freund Novak gelingt es hin und wieder, ihn mit hirnrissigen Geschäftsideen aus der Reserve zu locken. Und natürlich Marion Vossreuther, der Servicekraft aus dem Handyladen, die einen ganz eigenen Reiz auf ihn ausübt. Entschlossen geht Rocko Schamonis Held Sonntag den Erfordernissen des Lebens aus dem Weg. Und dabei fordert der Irrsinn unserer Existenz seine Unerschrockenheit und seinen Witz öfter heraus, als ihm lieb sein kann.
Autorenporträt
Rocko Schamoni, 1966 in Schleswig Holstein geboren, tourt regelmäßig durch die Republik und besitzt eine eingeschworene Fangemeinde als Musiker, Autor, Humorist, Schauspieler und so weiter. Auf sein Debüt »Risiko des Ruhms« folgte sein langanhaltender Bestseller »Dorfpunks«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2012

Spießige
Spießerkritik
Rocko Schamonis Roman
„Tag der geschlossenen Tür“
Deutschland mag St. Pauli und seine Einwohner, wie es seine Haustiere mag. Die sind so total verspielt, und wenn man ihnen zuschaut bei ihrem bunten Treiben, geht einem das Herz auf. Spot an, Auftritt Rocko Schamoni. Seit einigen Jahren hat sich um diesen launigen Allesfüller eine Unterhaltungsindustrie entwickelt, die dem Leistungsprinzip eine hedonistische Alternative entgegenzusetzen vorgibt. Das wird flächendeckend gut gefunden. Die Sprachregelung ist eingängig, die Gefahr, beim Mitschunkeln aus dem Takt zu geraten, minimal. Sein Golden Pudel Club: „legendär“. Sein Humor: „schräg“. Er selbst: „längst eine Institution in Hamburg“.
Das Dasein als Institution ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, denn die öffentliche Meinung über den Schrägheitshorizont Schamonis ergibt in diesem Falle ein Bild des Jammers. In der unbedarften Sprache des Romanciers Schamoni freilich wäre dieses Bild „sich bietend“. Und damit zu Rocko Schamonis jüngstem Werk, dem Roman „Tag der geschlossenen Tür“. Es geht um eine in vielerlei Hinsicht unscharfe Figur namens Michael Sonntag, die die undankbare Aufgabe hat, sämtliche wohlfeilen und versandfertigen St.-Pauli-Phantasien des deutschen Kulturpublikums in einen tragfähigen Bewusstseinsinhalt umzusetzen. Sonntag ist unter allen Umständen ein „Spinner“ und wähnt sich bei den „Drop-outs“, den „Unnützen“, mithin „Anarchisten“. Zweifellos ganz anders als all die „Normalos“ und, ja tatsächlich immer noch, „Spießer“. Und die werden im vorliegenden Band ungeniert mit dem gesammelten Zierrat aus Großvaters Ressentimentkeller ausgestattet: BMW, After-Work-Party, Familie, Religion, also echt „wie die Lemminge“
Wenn den Protagonisten, was nicht selten vorkommt, „sexuelle Reflexe durchwehen“ oder ihn „Wellen von Botenstoffen durchspülen“, gilt es in jedem Falle „das Stöhnen und den hastigen Atem zu unterdrücken“. In St. Pauli, das ist bekannt, laufen die Dinge sonst leicht aus dem Ruder. Aber Michael Sonntag gerät auch oberhalb der Gürtellinie immer wieder in verschiedene zweischneidige Situationen, welche den Roman auf harte Proben stellen. Wenn die Figuren Drogen nehmen, handelt es sich um den „Konsum psychoaktiver Substanzen“. Wenn der Großstadt-Desperado von der Handyverkäuferin angelächelt wird, kann es leicht passieren, dass der Protagonist „schon wieder ganz zerschmolzen“ ist.
Anstatt auch nur die geringste Illusion, die offensichtlichste rhetorische Lüge seines Hänger-Kosmos anzuzweifeln, beschäftigt sich Sonntag mit infantilen Sabotageaktionen an der berüchtigten Ordnung. Er behelligt Verlage mit lachhaften Romanentwürfen und katalogisiert genussvoll die Absagen, schreibt hanebüchene Kolumnen für ein Stadtmagazin, bis er beseelt die Kündigung in den Händen hält, und er geht mit Hakenkreuzbinde aufs Volksfest. Dazwischen träumt er von fernen fiktiven Orten, an denen ihm alle nicht so auf die Nerven gehen, denn er hasst eigentlich jeden: Gentrifizierer, Nichtraucher, Polizisten, Christen, Motorradfahrer, Nachbarn – wer nicht wie er ist, gehört schnell zu den „humanoiden Lappen“ oder gleich zum „Idiotendreck“.
Die Wut auf „die da oben“ hat sich in eine Wut auf eigentlich jeden verwandelt. Die Welt ist etwas unübersichtlich geworden: Heute machen nicht mehr nur die Politiker, die Langhaarigen und die Bosse, was sie wollen, sondern gleich alle. Zu was für einer Orientierungslosigkeit, was für einer ziellosen Wut das bei denen führen kann, die sich unter Helmut Kohl in einem alternativen Weltbild (schon das heute keine Möglichkeit mehr) eingerichtet haben, davon legt dieses Buch das beste Zeugnis ab. Nur leider erzählt es nicht davon.
St. Pauli ist ein gesellschaftsästhetisches Museum (wenigstens hier so etwas wie Selbsterkenntnis im Roman: Die Musik zum Drogentrip stammt von der antiken Edgar Broughton Band). Die anhaltende Verehrung dieses Fünfziger-Jahre-Phantasmas erschließt sich über die Bedürfnisse der anhängigen Merchandise-Industrie. Allerdings steht die Marke St. Pauli nicht mehr für eine wie auch immer geartete Form von Ausbruch oder Rückzug, sondern für einen neuen Konsens: die Wut der Selbstgerechten.
Das Problem des vorliegenden Buches ist weniger seine mangelnde Qualität als vielmehr die beklemmende Zeitdiagnose, die seine begeisterte Rezeption liefert: Michael Sonntag ist der einzige Unschuldige in seinem Universum. Alle anderen reißen die Welt in den Abgrund, zuallererst – man muss es noch mal sagen – die Spießer. Auf eine ironische Distanz zu diesem kümmerlichen Rumpelstilzchen verzichtet die Texthaltung. Doch Werk und Autor werden gerade darum geliebt. Der vollkommen haltlose Rückzug in die Eingeschnapptheit scheint auf dem Weg zu einem salonfähigen Phänomen zu sein. Bücher, die dieses Nicht-Gefühl aufgreifen, haben gute Chancen, sich vielversprechend am Markt zu platzieren. Insofern ist Rocko Schamoni vielleicht zu raten, am Ball zu bleiben: Er hat das Zeug zu einem Uwe Seeler der Gegenwartsliteratur. FELIX STEPHAN
ROCKO SCHAMONI: Tag der geschlossenen Tür. Roman. Piper Verlag, München 2011. 270 Seiten, 16,95 Euro.
Der Rückzug in die
Eingeschnapptheit gehört
zur St. Pauli-Folklore
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»Im Laufe des Buchs schmiegen sich Komik und Lebensweisheit derart eng aneinander, dass man stellenweise das eine nicht vom anderen unterscheiden kann. Schamonis neuer Roman ist ein literarisches Gegenstück zur Leistungsgesellschaft, ein Antidot zur panischen Suche nach Selbstverwirklichung. (...) Politisch korrekt ist das nicht. Aber absurd und witzig.« Berliner Zeitung 20110324
»Lustiger, als hierzulande erlaubt, und ernster, als hierzulande gewünscht.« taz Neues vom Fürsten »Große Unterhaltung der Sinnlosigkeit  »Große Unterhaltung mit Seitenhieben aufbürgerliche Angepasstheit.« Die Welt

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Begeisterung, die Rocko Schamoni gemeinhin auslöst, möchte sich Rezensent Felix Stephan nicht anschließen - erst recht nicht nach der Lektüre seines neuen Romans "Tag der geschlossenen Tür". Schamonis Protagonist erscheint dem Kritiker nicht nur zu schemenhaft, sondern ist vor allem mit zu vielen St.-Pauli-Klischees ausgestattet: als selbsternannter Anarchist richtet er seine orientierungslose Wut in pubertäre Sabotageakte - er geht etwa mit einer Hakenkreuzbinde zu einem Volksfest - gegen alle "Normalos", die mit ihren BMWs, Familien und After-Work-Partys wirken, als hätte sich der Autor in "Großvaters Ressentimentkeller" bedient, so der Kritiker. Für den Rezensenten ist das nicht nur ein wenig zu inhaltsleer, sondern schlichtweg "spießige Spießerkritik". Größte Sorge bereitet ihm allerdings, dass Schamoni sich mit dieser selbstgerecht-beleidigten Wut wohl keine Gedanken um den Absatz seines Buches machen muss.

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