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Während des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 4.500 Juden spanischer Staatsangehörigkeit im deutschen Machtbereich. Bis 1942 waren sie wie andere ausländische Juden von den Deportationen in die Todeslager ausgenommen. Himmler und Eichmann drängten aber darauf, auch Ausländer zu deportieren. Aus außenpolitischen Rücksichtnahmen setzte das Auswärtige Amt in Berlin durch, daß zehn neutralen und verbündeten Staaten 1942/43 die Möglichkeit zur Repatriierung ihrer Juden gegeben wurde. Die Arbeit, für die erstmals alle relevanten spanischen und deutschen Quellen sowie Archive in Israel, Frankreich, den…mehr

Produktbeschreibung
Während des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 4.500 Juden spanischer Staatsangehörigkeit im deutschen Machtbereich. Bis 1942 waren sie wie andere ausländische Juden von den Deportationen in die Todeslager ausgenommen. Himmler und Eichmann drängten aber darauf, auch Ausländer zu deportieren. Aus außenpolitischen Rücksichtnahmen setzte das Auswärtige Amt in Berlin durch, daß zehn neutralen und verbündeten Staaten 1942/43 die Möglichkeit zur Repatriierung ihrer Juden gegeben wurde. Die Arbeit, für die erstmals alle relevanten spanischen und deutschen Quellen sowie Archive in Israel, Frankreich, den Niederlanden und den USA ausgewertet wurden, schildert detailliert die zögerliche spanische Reaktion und vergleicht sie mit der anderer neutraler Regierungen. Auf deutscher Seite steht im Mittelpunkt das Auswärtige Amt, das in dieser Frage nicht dem Reichssicherheitshauptamt untergeordnet war. Die Gewährung von Schutzpässen für Juden in Budapest Ende 1944 ist ein weiteres Thema. Schließlich setzt sich das Buch auch mit Madrids Nachkriegspropaganda, das Land habe nicht nur Juden mit spanischen Pässen, sondern allen sephardischen Juden Hilfe gewährt, kritisch auseinander. Die Arbeit zeigt, daß es auch in der Hochphase des Holocaust 1943/44 für die Entscheidungsträger auf beiden Seiten noch Spielräume gab, die zur Rettung von Juden hätten genutzt werden können. Warum dies auch von spanischer Seite nur teilweise geschah, wird kritisch hinterfragt. Damit ist das Buch auch ein Beitrag zur allgemeinen Geschichte des Holocaust.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2001

Der Caudillo und die Antisemiten
Unter Franco brüstete sich die spanische Diktatur gern damit, im Krieg Juden gerettet zu haben
Spaniens friedlicher Übergang von der Diktatur zur stabilen Demokratie gehört zu den außerordentlichen Ereignissen der europäischen Nachkriegsgeschichte. Der Tod des ehemaligen Putschistengenerals Francisco Franco erlöste das Land 1975 aus seiner quälenden Lethargie und ebnete den Weg für längst überfällige demokratische Reformen. Binnen einer Dekade verwandelte sich das Land vom iberischen Außenseiter zum anerkannten und verlässlichen Mitglied der Europäischen Union. Dass dieser atemberaubende Wandel möglich war, dürfte viel mit der spanischen Form der „Vergangenheitsbewältigung” zu tun haben, die in den ersten Jahren der Demokratie bewusst auf jede Form historischer oder juristischer Aufarbeitung der Diktaturgeschichte verzichtete.
Die Vergangenheit sollte ruhen, die blutigen Kämpfe des Bürgerkriegs, die Jahre der politischen Verfolgung und Zensur vergessen und der Blick ganz auf die Zukunft der jungen Demokratie gerichtet werden. Das war der Preis dafür, dass sich die alten und immer noch mächtigen Eliten beinahe nahtlos in das neue politische System einfügten und bis auf kleinere Scharmützel Widerstand aus den Reihen der Militärs ausblieb. Niemand zwang sie, ihrem „Caudillo” abzuschwören, und so lebte sein Mythos als Spaniens Retter vor dem Bolschewismus in weiten Kreisen konservativ-katholischer Prägung fort.
Ein besonders für die spanische Außenpolitik wichtiger Teil der Selbststilisierung war die Behauptung, Franco habe im Zweiten Weltkrieg Tausende Juden vor der drohenden Deportation in die nationalsozialistischen Konzentrationslager bewahrt. Das Bild des heroischen Judenfreundes war in den letzten Kriegsjahren entstanden, als sich der „Caudillo” angesichts der drohenden Niederlage der Achse Berlin-Rom von seinen alten Bündnispartnern und Förderern Hitler und Mussolini vorsichtig distanzierte und engere Tuchfühlung zu den Alliierten suchte. Öffentlichkeitswirksam machte die spanische Diplomatie kurz nach dem Krieg ihre Rettungsmaßnahmen publik, wollte sie doch mit aller Kraft jene außenpolitische Isolation verhindern, in die sich das franquistische Spanien nach dem Ende der faschistischen Diktaturen hinein manövriert hatte.
Legenden sind langlebig, und es ist das Verdienst der akribischen Studie des Berliner Historikers Bernd Rother, gestützt auf zahlreiche neue Quellen, mehr als 25 Jahre nach dem Tod des Diktators noch einmal die unterschiedlichen Beweggründe der spanischen Judenpolitik und den umstrittenen Wahrheitsgehalt der überlieferten Propaganda einer kritischen Prüfung unterzogen zu haben. Das Ergebnis seiner nüchtern und ausgewogenen, bisweilen aber etwas spröde präsentierten Recherche: Zwar kann man der spanischen Regierung nicht vorwerfen, sie habe die nationalsozialistische Judenverfolgung unterstützt, immerhin passierten alleine 20000 bis 35000 Juden teils legal, teils illegal die spanischen Grenzen.
Mehr war möglich
Doch verhinderte der traditionelle katholische Antijudaismus weitergehende Hilfen für die von Mord und Deportation bedrohten jüdischen Landsleute: „Viel mehr wäre noch möglich gewesen, wenn die Regierung gewollt hätte”, urteilt Rother. Rund 175000 Sephardim, Nachkommen der 1492 aus Spanien vertriebenen Juden, lebten im nationalsozialistisch besetzten Europa zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Sie alle waren von Hitlers Schergen bedroht, und lediglich 4500 besaßen einen spanischen Pass, der ihnen etwas größere Sicherheit verschaffte.
Obwohl sich Franco nach 1945 gerne als Schutzherr aller Sephardim und damit aller Spanier gerierte, erhielt letztlich nur diese kleine Gruppe mit den gültigen Ausweispapieren die Möglichkeit, nach Spanien offiziell einreisen zu dürfen. Alle anderen wurden ihrem Schicksal überlassen, und nur manche hatten das Glück, dass einige spanische Diplomaten sich unter großem persönlich Einsatz für ihre Rettung einsetzten. Aber auch für die kleine Gruppe mit amtlichen Dokumenten gab es hohe bürokratische Hürden, die verhindern sollte, dass sie sich in Spanien ansiedeln konnten.
Ihre Einreise wurde von einer raschen Wiederausreise in Drittstaaten abhängig gemacht, bei deren Suche jüdische Hilfsorganisationen mithalfen. Mit der ersten „Heimschaffungsaktion” im Frühjahr 1943 hatte Spanien auf ein Ultimatum der Nationalsozialisten reagiert, die nun auch Juden aus solchen Ländern deportieren wollten, die neutral geblieben oder mit dem Deutschen Reich freundschaftlich verbunden waren, wie eben Franco-Spanien.
Unterschiedliche Interessen bestimmten die spanische Antwort auf die Verschärfung der politischen Lage: Einerseits war Madrid nicht bereit, der Ermordung jüdischer spanischer Staatsbürger tatenlos zuzusehen, zumal man sich zugleich vor den drohenden Reaktionen aus den USA und den dortigen jüdischen Hilfsorganisationen fürchtete. Andererseits gab es einflussreiche politische Zirkel, die offen antisemitisch dachten und Juden keinesfalls mit offenen Armen aufnehmen wollten. Spanien ließ sich viel, zu viel Zeit für die bürokratische Umsetzung der Repatriierungsmaßnahmen und erhöhte damit noch die Gefahr für seine Landsleute in Ungarn, Frankreich oder Griechenland, in das verbrecherische Räderwerk der Nationalsozialisten zu geraten. Erst in dem Augenblick, als die ersten spanischen Juden aus Frankreich deportiert wurden, intensivierte Madrid seine Bemühungen.
Am Ende der leider unanständig teuren Studie fällt ein langer Schatten auf den vermeintlichen „Judenretter” Franco, der die zunächst alles andere als heldenhafte '„Heimschaffungsaktion” nutzte, um sich aus seiner internationalen Isolierung zu befreien und sich zu Beginn des Kalten Krieges den USA als Bündnispartner gegen den Ostblock anzudienen.
Rother zeichnet die unterschiedlichen Phasen und die Motive klar nach und läuft nicht Gefahr, über das Ziel hinaus zu schießen. Schließlich war es nicht Spanien, das den mörderischen Impuls für den Mord an den europäischen Juden gegeben hatte. Allerdings wäre es gut gewesen, noch stärker auf die Traditionslinien des spanischen Antisemitismus und der in der politischen Rechten tief verwurzelten Denkfigur der „jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung” hinzuweisen, wie dies Manfred Böcker in seiner Studie „Antisemitismus ohne Juden. Die Zweite Republik, die antirepublikanische Rechte und die Juden” jüngst getan hat. Antisemitismus bedeutete im Spanien der Zweiten Republik (1931-1936) zugleich den Kampf alter, konservativer, antiliberaler Eliten und neuer faschistischer Organisationen gegen die demokratische Verfassung und die Errungenschaften des Parlamentarismus. Eine größere Anzahl von Juden brauchte es in Spanien dafür nicht. Antisemitismus gab es in Spanien auch ohne Juden.
DIETMAR SÜSS
Der Rezensent ist Historiker in München.
BERND ROTHER: Spanien und der Holocaust, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2001. 359 Seiten, 184 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2001

Rettendes Nadelöhr
Franco-Spanien, die Sepharden und die NS-Judenverfolgungen

Bernd Rother: Spanien und der Holocaust. M. Niemeyer Verlag, Tübingen 2001. 359 Seiten, 184,- Mark.

Francisco Franco, Caudillo von Spanien, galt als emotionsarm und kaltblütig. Doch der Generalísimo hatte durchaus auch Sinn für Sentimentales. Der Bürgerkrieg war kaum vorbei und der Zweite Weltkrieg schon im Gange, da schrieb Franco den schwülstigen Roman "Raza", dessen literarische Qualität kaum die eines Groschenromans übersteigt. Die Hauptfigur erhält - ebenso wie einst Franco - den militärischen Schliff auf der Akademie in Toledo und führt die zu Besuch gekommene Mutter stolz durch die traditionsreiche Stadt. Vor der einstigen Synagoge legt der Offiziersanwärter der erstaunten Frau dar, warum die hiesigen Juden besser seien als andere. So hätten sich die Juden Toledos von der Kreuzigung Jesu distanziert, den heiligen Jakobus zur Predigt ins Land gerufen und seien überhaupt durch den langen Kontakt zu den Spaniern "gereinigt".

Es handelt sich um eine der handverlesenen Äußerungen Francos über Juden. Wie er wirklich über sie gedacht hat, ist daraus kaum abzuleiten. Bernd Rother hat es sich nun zum Ziel gesetzt, das Verhältnis Franco-Spaniens zu den Juden in der heiklen Phase des Holocausts auszuleuchten. Dies trifft insofern einen besonderen Nerv, als Spanien noch während des Weltkriegs mit großem Erfolg die Version lancierte, es habe selbstlos unzählige Juden vor Deportation und Vernichtung gerettet - was dem in der Nachkriegszeit so diskreditierten Land wichtigen Prestigegewinn verhieß. Diesem Mythos rückt Rother nun zu Leibe. Ausgeblendet bleibt hier allerdings die in anderen Untersuchungen bereits thematisierte Praxis Spaniens, Flüchtlingen mit einem Einreisevisum für Portugal den Transit zu gewähren, was immerhin 20 000 bis 35 000 Juden das Leben rettete.

Rother zieht vielmehr als Gradmesser für eine judenfreundliche Haltung ausschließlich den Umgang Spaniens mit den Sepharden heran. Damit sind die Nachkommen derjenigen spanischen Juden gemeint, die durch das Dekret der Katholischen Könige Isabella und Ferdinand 1492 vertrieben worden waren. Einmal außer Landes, unterhielt Spanien zu seinen vormaligen Untertanen eine besondere Beziehung. Sie galten - "veredelt" durch den langen Aufenthalt in Spanien - als die "Elite der jüdischen Rasse" und wurden als Vorposten spanischer Kultur und vor allem spanischer Handelsinteressen im Ausland geschätzt. Aber dieser "Philosephardismus" hatte klare Grenzen: Nach Spanien kommen sollten diese Juden nicht. An diesem Grundsatz hielt die spanische Regierung auch während der Zeit des Nationalsozialismus unbeirrt fest. Schließlich gab es in Spanien deshalb kein "Judenproblem", weil es inzwischen kaum noch Juden gab, und daran sollte sich nichts ändern. Ein Anwachsen der jüdischen Gemeinde in Spanien war ausdrücklich unerwünscht.

Eine vollkommene Abschottung war allerdings insofern problematisch, als viele Sepharden in den zwanziger Jahren die spanische Staatsangehörigkeit angenommen hatten. Dies hatte Spanien denjenigen Sepharden angeboten, die zuvor zu den spanischen "Schutzgenossen" gezählt hatten. Dieser Sonderstatus hatte die Sepharden der osmanischen Gerichtsbarkeit entzogen und sie der Hoheit des örtlichen spanischen Konsulats unterstellt. Als dies 1923 hinfällig wurde, stellte Spanien es den ehemaligen Schutzgenossen frei, bis 1930 die spanische Staatsbürgerschaft zu erwerben.

So kam es, daß es rund ums Mittelmeer zahlreiche Spanier gab, die niemals iberischen Boden betreten hatten. Im Zuge der Judenverfolgungen der Nationalsozialisten entpuppte sich diese eigentümliche Nationalität als rettendes Nadelöhr. Denn als Spanien in den vierziger Jahren die Grenze öffnete, galt dies keineswegs für alle in Bedrängnis geratenen Sepharden, sondern allein für diejenigen, die vorschriftsgemäß den Besitz der spanischen Staatsbürgerschaft nachweisen konnten. Von den 175 000 Sepharden, die sich im deutschen Machtbereich befanden und daher unmittelbar von Deportation und Vernichtung bedroht waren, konnten - nach Rothers Schätzung - allenfalls 4500 als spanische Juden gelten.

Anders als vielfach dargestellt, wurde unzähligen Juden, die die entscheidenden Papiere nicht vorlegen konnten, die Einreise nach Spanien verwehrt. Als sich jedoch plötzlich herausstellte, daß die Zahl der Berechtigten die Kalkulationen der spanischen Regierung überstieg, kam selbst dieses spärliche Rinnsal zwischenzeitlich zum Erliegen. Als "Lackmustest" für den wirklichen Willen, Juden zu retten, wertet Rother die Reaktion Spaniens auf das von Deutschland im Januar 1943 gestellte Ultimatum, bis zum März die Juden spanischer Staatsangehörigkeit "heimzuholen"; andernfalls würden auch für diese Juden die üblichen Bestimmungen gelten. Das Ergebnis ist deprimierend: Anstatt eine schnelle, unbürokratische Rettungsaktion einzuleiten, beharrte das spanische Außenministerium auf skrupulöser Prüfung von Personalunterlagen oder wurde erst - groteskerweise nach mehrmaligem Anfragen der deutschen Instanzen - aktiv, als es für manchen Juden schon zu spät war.

Diejenigen, die dann doch nach Spanien kamen, durften zu ihrem großen Erstaunen nicht bleiben, sondern wurden schnellstmöglich in ein Drittland überbracht. Dabei oblag es nicht etwa spanischen Behörden, sondern amerikanischen Hilfsorganisationen, die Logistik bereitzustellen. Insgesamt - so das Fazit Rothers - ist es Spanien zwar hoch anzurechnen, daß es etwa 40 000 Juden (ungefähr 5000 davon kamen im Zuge der "Heimschaffungen" über die Grenze) die Flucht ermöglichte. Gleichwohl hätte Spanien weit mehr tun können, wenn es wirklich gewollt hätte. Damit ist es das Verdienst Rothers, ein allzu positives Bild über die Hilfsbereitschaft Spaniens dem europäischen Judentum gegenüber geradegerückt zu haben. Allerdings bleibt trotz aller Akribie, mit der er seine These nachweist, weiterhin unklar, wie Franco persönlich über die Juden und den Holocaust dachte.

BIRGIT ASCHMANN

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das Buch des Berliner Historikers Bernd Rother beschäftigt sich mit der Rolle Spaniens während des Holocaust. Die Ergebnisse der "unanständig teuren" Studie sind "nüchtern und ausgewogen", wenn auch teilweise etwas "spröde", wie der Rezensent Dietmar Süss meint. Bemerkenswert an der Studie findet er, dass sie herausstelle, wie der Diktator Franco nach Ende des Zweiten Weltkrieges sich als Judenretter stilisiert habe, um sich vor einer außenpolitischen Isolierung zu schützen. Tatsächlich stimme es, dass die spanische Regierung 20-35.000 Juden vor der Deportation bewahrt hätte, dennoch verhinderte der traditionelle katholische Antijudaismus weitergehende Hilfe. Abschließend befindet der Rezensent, dass die Thematisierung des spanischen Antisemitismus zu kurz komme.

© Perlentaucher Medien GmbH